Güterstand türkischer Erwerber maßgebend?

  • Guten Morgen liebe Kollegen,
    ich bitte mal wieder um eure Unterstützung. Ich weiß gar nicht genau, ob ich ein Problem habe oder mir nur grad selber eins mache.

    Erwerber des Grundstücks sind die Eheleute X, ausgewiesen durch türkische Reisepässe. Lt. Vertrag erwerben sie zu je 1/2 und sollen so ins Grundbuch eingetragen werden.
    Mir liegt der Vertrag jetzt mit der Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung vor.

    Muss mich interessieren, in welchem Güterstand die leben? Weil ich auch Nachlasssachen mache, weiß ich zufällig, dass - sofern die Eheleute keinen abweichenden Güterstand vereinbart haben - in der Türkei zz. die Errungenschaftsbeteiligung gilt. Keine Ahnung, welche Folgen dass hat und ob Eheleute dann Bruchteilseigentum erwerben könnten. Konnte dazu auch leider gar nichts finden. Kann ich einfach sagen, eintragen wie beantragt zu je 1/2? Irgendwie sträubt sich bei mir was dagegen.
    Im HRP hab ich nachgelesen, aber irgendwie hat mich das auch nicht richtig beglückt (Rdnr. 3409ff, hier 3421b). Danach darf eine Zwischenverfügung nicht aufgrund bloßer Zweifel erlassen werden, sondern nur, wenn das GBA aufgrund nachgewiesener Tatsachen zu der sicheren Überzeugung gekommen ist, dass durch die beantragte Eintragung eine GB-Unrichtigkeit eintreten würde; insbesondere keine Zwvfg zur erstmaligen IPR-Aufklärung. Da ich keine Ahnung habe, sondern nur Zweifel, darf ich nicht beanstanden!? :nixweiss:
    Also hofffe ich, dass ich hier auf einen "ahnungsvollen" treffe, der mich aus meinem zweifelhaften Zustand befreit.

    Die notarielle Urkunde befasst sich mit der Frage nicht.:sagnix:
    Darf ich daraus schließen, dass der Erwerb zu je 1/2 korrekt ist? Bzw. ist das dann überhaupt mein Problem?
    Weiß nicht, was ich denken soll und drehe mich im Kreis...

    Hinsichtlich der jetzt beantragten Vormerkung hätte ich keine Bedenken, die wie beantragt einzutragen (lt. Schöner/Stöber Rdnr. 3421b), aber die Eigentumsumschreibung folgt meist ja umgehend.

  • Die Errungenschaftsbeteiligung nach türkischem Recht besteht aus zwei Gütermas­sen, zum einen aus der Errungenschaft, zum anderen aus dem Eigengut des jeweili­gen Ehegatten (Art. 202). Die Errungenschaft umfasst die Vermögenswerte, welche jeder Ehegatte entgeltlich während der Errungenschaftsbeteiligung erworben hat. Die Vermögenswerte der Errungenschaft bleiben im Eigentum desjenigen Ehegat­ten, der sie erworben hat. Jeder Ehegatte hat das Recht, im Rahmen der gesetzli­chen Schranken seine Errungenschaft und sein Eigengut zu verwalten, zu nutzen und darüber zu verfügen (Art. 223). Jedoch braucht jeder Ehegatte die Zustimmung des anderen Ehegatten, wenn er über seinen Anteil an den gemeinsamen Sachen verfügen möchte (Art. 223 II). Diese einschränkende Regelung über die Verfügungs­gewalt der Ehegatten ist durch Vertrag abdingbar.

    Endet die Errungenschaftsbeteiligung, haben die Ehegatten jeweils Anteil an der Errungenschaft des anderen. Dieser Anteil besteht nicht am Eigentum der Er­rungenschaft, sondern am Wert der Errungenschaft bei der Auseinandersetzung der Errungenschaftsbeteiligung. Wegen weiterer Einzelheiten vergl. Zeytin in FPR 2004, 122ff.

    Auch aus diesen Regelungen ist ersichtlich, dass die Parteien im vorliegenden Fall noch bestimmen müssen, wie sich die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung ges­talten sollen, die dann mit den vereinbarten Eigentumsanteilen zur Errungenschaft gehört.

    Die Errungenschaftsbeteiligung ist m.E. keine sachenrechtliche und eintragungsfä­hige Beteiligung nach § 47 GBO, sondern bewirkt hinsichtlich der Errungenschaft lediglich eine Verfügungsbeschränkung. Die Errungenschaftsbeteiligung nach dem neuen türkischen Güterrecht führt nicht zu einer eintragungsfähigen Gesamthands­beteiligung. Die türkische Errungenschaftsbeteiligung ähnelt vielmehr der Zugewinn­gemeinschaft nach deutschem Recht insofern, als das Vermögen der Eheleute wäh­rend der Dauer der Ehe getrennt bleibt, nach Beendigung der Ehe jedoch ein Aus­gleich während der Ehe entgeltlich erworbenen Vermögens erfolgt (DnotI-Report 2002, 47).

    Also kein Problem mit der Eintragung zu je 1/2.

  • Das Nachfolgende ist eine der Antworten, bei denen man sich überlegt, ob man sie lieber unterlässt, denn mehr als ein Gedanke ist es nicht, lediglich ein "Anstoß":

    Diese Frage hatte ich mir einmal materiell-rechtlich gestellt, als ich die Verkäuferin und Noch-Eigentümerin einer Eigentumswohnung vertrat, die diese an türk. Eheleute verkauft hatte. Bei dem Rechtsstreit ging es nun um schuldrechtl. und dingl. Rechte der Erwerber, die aber (warum auch immer) nur der Ehemann geltend machte, allerdings für beide Eheleute. Das wäre bei Annahme herkömmlichen Bruchteilseigentums kein Problem gewesen, ich versuchte aber als Vertreter der Verkäuferin eines daraus zu machen. Wenn ich mich recht entsinne, war es aber so, dass nach dem EGBGB die sachenrechtliche (deutsche) Regelung im Hinblick auf die dingl. Rechtslage am im Deutschland belegenen und nach deutschem Recht erworbenen Grundstück dem evtl. abweichenden familienrechtlichen türkischen Güterrecht vorgeht. Da die Sache gerichtlich verglichen wurde, blieb die Frage aber offen. Vielleicht ist es jedoch ein Tipp.

  • Nachtrag:

    Der Beitrag von HorstK kam gleichzeitig mit meinem. Anmerkung hierzu: Das Rechtsproblem ist evtl., ob der von HorstK vorgenommene tiefe Einstieg ins türk. Familienrecht wegen der zunächst IPR-mäßig sachenrechtl. zu beantwortenden Vorfrage entbehrlich war.

  • Lustig, in meiner letzten Akte, die ich gerade ins Ausgangsfach geschmissen habe, habe ich eine AVM für türkische Eheleute je zu 1/2 eingetragen. Du bist also nicht allein!
    Mir hilft in solchen Fällen immer der Aufsatz von Dr. Süß "Ausländer im Grundbuch und im Registerverfahren" (RPfl. 2003, S. 53 ff).
    Ansonsten ist den Ausführungen von HorstK nichts hinzuzufügen.

    Die meisten Probleme lösen sich von selbst - man darf sie nur nicht dabei stören.

  • Natürlich ist zunächst zu ermitteln, welches Güterrechtsstatut nach Art. 15 (i.V.m Art 14) EGBGB überhaupt gilt.

    Für die Ermittlung des Güterrechtsstatuts ergibt sich folgende Reihenfolge:

    • Es gilt das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung angehören (Art.15 I i.V.m. Art.14 I 1. EGBGB). Bei Mehrstaatlern oder Staatenlosen ist das Personalstatut nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB zu ermitteln.
    • Fehlt ein gemeinsames Heimatrecht, ist das Recht des Staates maßgebend, in dem beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung ihren gemeinschaftlichen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 15 I i.V.m. Art.14 I 2. EGBGB).
    • Fehlt auch dies, ist das Recht maßgebend, dem sich die Ehegatten auf andere Weise am engsten verbunden fühlen (Art. 15 I i.V.m. Art. 14 I 3 EGBGB).
    • Eine Rechtwahl hinsichtlich des Güterrechtsstatuts ist entweder als Folge einer Rechtswahl beim Ehewirkungsstatut (Art. 15 I i.V.m. den Wahlmöglichkeiten in Art. 14 II und III EGBGB) oder gesondert durch die Wahlmöglichkeiten in Art. 15 II EGBGB möglich.


    Rück- und Weiterverweisungen aus dem Recht des nach 1.-4. ermittelten Staates sind möglich (Art. 4 I EGBGB).

    Diese Ermittlungen sind aber vorrangige Aufgabe des beurkundenden Notars. Das Grundbuchamt interveniert nur, wenn es definitive Kenntnis davon hat, dass die Betroffenen aufgrund ihres Güterstandes nicht in dem im Vertrag angegebenen Gemeinschaftsverhältnis erwerben könnnen. Auch sollt der Notar auf die Wahlmöglichkeit nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB hinweisen. Durch die Möglichkeit, für unbewegliches Vermögen das Recht der jeweiligen lex rei sitae zu wählen, können ausländische Ehegatten ihren Güterstand spalten und für ein hier belegenes Grundstück deutsches Güterrecht wählen.


  • Ansonsten ist den Ausführungen von HorstK nichts hinzuzufügen.

    Nana, klingt jetzt aber sehr hoheitlich! Gilt im Verhältnis der User untereinander öffentliches Recht?

    Nein, im Ernst: tät mich mal interessieren. Wie löst man denn die IPR-Frage, ob deutsches Sachenrecht oder türkisches Familienrecht gilt? Deine und HorstK's Ausführungen verstehe ich ja, denn dort ist gesagt, was im türkischen Recht drinsteht. Wie begründet man aber, dass es auf das türkische Recht ankommt?

  • Natürlich ist zunächst zu ermitteln, welches Güterrechtsstatut nach Art. 15 (i.V.m Art 14) EGBGB überhaupt gilt.

    Aber ist nicht noch vorher zu ermitteln, ob der Kaufvertrag und die Auflassung überhaupt die Antwort zulassen, dass der Erwerb "in türkisches Ehegüterrecht hinein" stattfinden soll? Die Antwort könnte doch auch lauten, dass nach IPR der Erwerb in deutsches Bruchteilseigentum erfolgen soll. Dann käme es auf die logisch nachrangige Frage, welches Familienrecht gilt, gar nicht mehr an. So ging jedenfalls die (materiellrechtliche) Diskussion in meinem damaligen Fall. War eigentlich nicht von der Hand zu weisen, wie der Gegner damals argumentierte.

  • Ist zwar nicht Türkei, aber ich hab da auch mal ne Frage:

    Dürfen Frauen mit libanesischer Staatsbürgerschaft Grundbesitz erwerben?
    Mir war so als hätte ich mal irgendwo gehört/ gelesen, dass es in irgendeinem Land nicht erlaubt ist, das Frauen Grund und Boden besitzen dürfen.

  • Ist zwar nicht Türkei, aber ich hab da auch mal ne Frage:

    Dürfen Frauen mit libanesischer Staatsbürgerschaft Grundbesitz erwerben?
    Mir war so als hätte ich mal irgendwo gehört/ gelesen, dass es in irgendeinem Land nicht erlaubt ist, das Frauen Grund und Boden besitzen dürfen.

    Abgesehen vom Problem des ordre public: Sensibilisiert die Frage des Heideröschens nicht gerade dafür, dass man erst mal IPR-mäßig klären muss, ob der deutsche Eigentumserwerb in den ausländischen Güterstand "hinein" oder in BGB-Miteigentum erfolgt?

  • LG Duisburg Beschluss vom 19.5.2003 7 T 65/03
    1."Eheleute, die im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung türkischen Rechts leben, können Grundeigentum als Bruchteilseigentümer erwerben.
    2. Das GBA darf eine beantragte Eintragung nur ablehnen, wenn feststeht, dass durch die Eintragung das Grundbuch inhaltlich unrichtig wäre. Die bloße Möglichkeit, dass dies geschieht, genügt zur Ablehnung nicht."
    RNotZ 2003, 396, DNotI-Report 6/2002 S. 47

    Ich habe keine Probleme mit der Bruchteilsgemeinschaft bei Türken.

  • Abgesehen vom Problem des ordre public: Sensibilisiert die Frage des Heideröschens nicht gerade dafür, dass man erst mal IPR-mäßig klären muss, ob der deutsche Eigentumserwerb in den ausländischen Güterstand "hinein" oder in BGB-Miteigentum erfolgt?



    Meine Frage wäre jetzt speziell der Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung durch eine libanesische Staatsbürgerin zu Alleineigentum.

  • LG Duisburg Beschluss vom 19.5.2003 7 T 65/03
    1."Eheleute, die im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung türkischen Rechts leben, können Grundeigentum als Bruchteilseigentümer erwerben.
    2. Das GBA darf eine beantragte Eintragung nur ablehnen, wenn feststeht, dass durch die Eintragung das Grundbuch inhaltlich unrichtig wäre. Die bloße Möglichkeit, dass dies geschieht, genügt zur Ablehnung nicht."
    RNotZ 2003, 396, DNotI-Report 6/2002 S. 47

    Ich habe keine Probleme mit der Bruchteilsgemeinschaft bei Türken.

    Das LG Duisburg kommt hier bei Anwendung (!!) türkischen Rechts zu Bruchteilseigentum, prüft aber am Ende seiner Entscheidung hilfsweise die Rechtswahl mit dem selbstverständlich zutreffenden Ergebnis, dass im Falle der Rechtswahl zugunsten deutschen Ehegüterrechts ebenso Bruchteilseigentum entsteht. Die Frage nach der Rechtswahl ist m. E. richtig gestellt, jedoch hätte sie nicht familienrechtlich dahin gehen müssen, ob die türk. Eheleute die Rechtswahl trafen, zwischen ihnen solle deutsches Ehegüterrecht gelten; man hätte sachenrechtlich fragen müssen, ob der Erwerb der konkreten Immobilie zu deutschem Sachenrecht (und evtl. einer diesbezüglichen Rechtswahl) führt oder zu türkischem Güterrecht.



  • Meine Frage wäre jetzt speziell der Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung durch eine libanesische Staatsbürgerin.

    Der Zuschlag erfolgt hoheitlich nach deutschem Recht. Ob die Ersteherin nach libanesischem Recht kein Eigentum erwerben dürfte, ist m. E. gleichgültig.

  • Zur Zuschlagserteilung muss aber erst einmal ein wirksames Meistgebot bestehen.

    Es erfolgt doch die ganze Zwangsversteigerung nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht. Zwangsvollstreckungsrecht ist Prozessrecht. Für das Prozessrecht gilt die sog. "lex fori", d. h. deutsches Recht. Ich sehe daher keinen Unterschied.

  • Das im Heimatrecht der Erwerberin möglicherweise bestehende Verbot für Frauen, Grundbesitz zu erwerben, widerspricht nach Art. 6 EGBGB dem ordre public.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

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