Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1. Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung haben dann Tilgungswirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung und der mit ihr üblicherweise verbundenen Übernahmeerklärung als solcher, nicht nur wertmäßig, noch im Gesellschaftsvermögen zweifelsfrei vorhanden ist.

    2. Bereits gedanklich kann eine Leistung auf eine im Zeitpunkt der Verfügung noch gar nicht entstandene Schuld diese nicht tilgen, wenn der aufgewandte Betrag dann, wenn die Schuld entstanden ist, nicht mehr vorhanden ist.

    3. Eine Durchbrechung der gesetzlichen Reihenfolge der einzuhaltenden Schritte für die Kapitalerhöhung kommt nur in Betracht, wenn die Rettung der sanierungsbedürftigen und sanierungsfähigen Gesellschaft scheitern würde, falls die dargestellten Kapitalaufbringungsregeln beachtet werden müssten.

    OLG Celle, Urt. v. 31. 8. 2010 - 9 U 25/10

  • Zur Wahrung der Frist des § 22 Abs. 3 GmbHG hat die Einforderung der Stammeinlagen gegenüber dem Gesellschafter zu erfolgen, der im Zeitpunkt der Einforderung im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt. Es ist ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter den aktuellen Gesellschafter innerhalb der 5-Jahresfrist in Anspruch nimmt, auch wenn Ansprüche gegenüber dem Rechtsvorgänger ggf. erst nach Ablauf dieser Frist geltend gemacht werden bzw. geltend gemacht werden können.

    LG Osnabrück, Urt. v. 30. 4. 2010 - 15 O 420/09

  • Der aus § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG begründete Erstattungsanspruch wegen Berichtigung des unrichtigen Steuerbetrages ist insolvenzrechtlich bereits mit der Ausgabe der unrichtigen Rechnung begründet. Bestätigung der BFH-Rechtsprechung des 7. Senates (Urteil vom 4.2.2005 VII R 20/04, BStBl II 2010, 55).

    FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22. 6. 2010 - 4 K 80/07

  • 1. Sowohl der Missbrauchs- als auch der Treubruchstatbestand des § 266 StGB setzen eine Vermögensbetreuungspflicht des Täters gegenüber dem Geschädigten voraus, sodass der Missbrauchstatbestand letztlich nur als Unterfall des umfassenderen Treuebruchtatbestands anzusehen ist. Dabei begründet nicht jede vertragliche Verpflichtung, das Vermögen eines anderen nicht durch Leistungsstörungen oder in sonstiger Weise zu schädigen, eine Vermögensbetreuungspflicht; erforderlich ist vielmehr eine Fürsorgepflicht, bei der es sich um eine wesentliche und nicht nur eine beiläufige Vertragspflicht handelt, also um eine Hauptpflicht.

    2. Das Unterlassen der Auszahlung und Belassen eines Geldbetrags (hier: Provisionsansprüche des Klägers) auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin reicht für die Annahme einer Missbrauchshandlung nicht aus.

    OLG Brandenburg, Urt. v. 22. 4. 2010 - 12 U 206/09

  • Im Fall der Freigabe von Wohnungseigentum durch den Insolvenzverwalter sind die nach der Freigabe fällig werdenden Hausgelder, das sind die Vorschüsse auf den Wirtschaftsplan, die Abrechnungssalden der Jahresabrechnungen und Sonderumlagen, als Masseschulden zu berichtigen.

    AG Mannheim, Urt. v. 4. 6. 2010 - 4 C 25/10 (n.rkr.)

  • Das Institut der faktischen Geschäftsführung und die sich hieraus ergebenden Haftungsfolgen sind restriktiv bei Fallkonstellationen anzuwenden, in denen wenig eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln des Betroffenen vorliegt, welches aber zum Zwecke der Konsolidierung/Rettung eines finanziell angeschlagenen Unternehmens vorgenommen wird.

    OLG München, Urt. v. 8. 9. 2010 - 7 U 2568/10

  • Gem. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO ist es wesentliche Aufgabe eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Vermögenslage des Schuldners zugunsten aller Gläubiger vor nachteiligen Veränderung zu schützen und keine einzelnen Gläubiger vorab zu befriedigen. Hierzu gehört auch die Verhinderung eines Lastschrifteinzugs wegen Steuerverbindlichkeiten.

    FG Münster, Urt. v. 1. 7. 2010 - 3 K 3206/06 L

  • Ob die Prozesskosten aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können, richtet sich nach dem Umfang der liquiden Masse unter Abzug der bestehenden und unausweichlichen Masseverbindlichkeiten. Zu letzteren gehört nur die auf bisher erwirtschafteter Berechnungsgrundlage beruhende Insolvenzverwaltervergütung.

    OLG Naumburg, Beschl. v. 16. 6. 2010 - 5 W 33/10

  • BGH, Beschluss vom 27.04.2010, Az. IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964:

    Der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrags erwirbt den Anspruch auf die Versicherungssumme mit Eintritt des Versicherungsfalls originär selbst. Die Erwerbssperre gem. § 91 Abs. 1 InsO kann den Anspruchserwerb des Begünstigten nicht verhindern, da der Anspruch zu keinem Zeitpunkt im Vermögen des Versicherungsnehmers oder der Insolvenzmasse vorhanden war.

  • 1. Die Einreichung eines PKH-Antrags bewirkt keine Verjährungshemmung, wenn das Gericht die Bekanntgabe an den Gegner nicht veranlasst bzw. erst 2,5 Jahre nach der Einreichung vollzieht.

    2. Ein Antragsteller, der mit seinem PKH-Gesuch die Hemmung einer laufenden Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB herbeizuführen beabsichtigt, hat das Gericht hierauf hinzuweisen. Er kann damit die Bitte verbinden, unabhängig von den Erfolgsaussichten des PKH-Gesuchs dessen umgehende Bekanntmachung an die Gegenseite zu veranlassen.

    BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 2010 - 1 BvR 1873/09

  • 1. Gem. § 19 AnfG ist bei Sachverhalten mit Auslandsberührung für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlungen unterliegen (sog. Wirkungsstatut). Die Auslandsberührung ist zu bejahen, wenn sich der Anfechtungsgegenstand, der übertragene Grundbesitz, im Ausland befindet.

    2. Angefochten und im Interesse der Gläubiger rückgängig zu machen ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern deren gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht wird; die Anfechtung selbst ist demnach schuldrechtlicher, nicht sachenrechtlicher Natur.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 8. 7. 2010 - I-12 U 87/08

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