Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • BGH, IX ZB 271/09 vom 2.12.2010, ohne Leitsatz:

    Zur Frage des Rechtswegs bei Feststellungsklagen wg vbuH:

    Der Streit darüber, ob der Gläubiger ein Anspruch gegen den Gemeinschuldner aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und/oder § 6 UVG) zusteht, ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit. Hierfür ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283; BGH, aaO S. 825 Rn. 10). Der Schadensersatzanspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, der allein noch Gegenstand der Feststellungsklage ist, beurteilt sich nach den Normen des Zivilrechts, hier nach § 823 Abs. 2 BGB. Dass der von der Klägerin geltend gemachte Schutzgesetzverstoß den Normen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist, ändert an der Zuständigkeit der Zivilgerichte nichts.

    Deshalb ist nach zutreffender Ansicht der im Verfahren nach §§ 179 ff InsO isoliert auszutragende Streit (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541 Rn. 8 ff) um die rechtliche Einordnung der angemeldeten Forderung als eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vor den Zivilgerichten zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, WM 2006, 1347 ).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • a) Der Anspruch des Gläubigers auf Feststellung des Rechtsgrundes einer vollstreckbaren Forderung als solcher aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung verjährt nicht nach den Vorschriften, welche für die Verjährung des Leistungsanspruchs gelten.

    b) Trotz Strafbarkeit unterbliebener Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung erleidet der zuständige Versicherungsträger keinen Schaden, wenn die Beitragszahlung im Insolvenzverfahren erfolgreich angefochten worden wäre (Bestätigung von BGH, WM 2001, 162 und BGH, WM 2005, 1180).

    BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09 -

  • Der Klage eines Gläubigers, der über einen vollstreckbaren Schuldtitel verfügt, auf Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung fehlt es nach dem auf den Rechtsgrund beschränkten Widerspruch des Schuldners nicht an einem rechtlich geschützten Interesse.

    BGH, Urt. vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10 -

  • a) Der vom Schuldner durch einen Erbfall während des Insolvenzverfahrens erwor-bene Pflichtteilsanspruch gehört zur Insolvenzmasse.
    b) Wird der während des Insolvenzverfahrens entstandene Pflichtteilsanspruch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt oder rechtshängig gemacht, unterliegt er der Nachtragsverteilung.



    BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 184/09 -

  • OLG München: Urteil vom 20.12.2010 - 19 U 2126/09

    1. Zu Fragen der konkludenten Genehmigung von Lastschriften im Anschluss an die neuere Rspr. des BGH

    2. Im Unternehmensinsolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter der Genehmigung von Lastschriften weiterhin pauschal widersprechen (Abgrenzung von IX. Zivilsenat, Urteil vom 20. Juli 2010, Gz. IX ZR 37/09).

    3. Die Tatsachen, aus denen sich die Voraussetzungen für eine konkludente Genehmigung ergeben sollen, sind von der Bank, die sich darauf beruft, im einzelnen und konkret für jede Belastungsbuchung vorzutragen und ggf. nachzuweisen. Pauschale Verweisungen auf Anlagen sind dabei unzulässig.

    4. Der Lastschriftwiderspruch ist vom Kontoinhaber bzw. vom Insolvenzverwalter nicht binnen einer bestimmten kalendermäßigen Frist, sondern innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist, zu erklären. Dazu müssen verschiedene Fallgestaltungen unterschieden werden:

    5. Für erkennbar regelmäßig in gleichen Zeitabständen wiederkehrende Lastschriften in vergleichbarer Höhe hält der Senat entsprechend § 121 BGB, § 377 HGB eine Frist von 3 Bankarbeitstagen für die Absendung des Widerspruchs für angemessen.

    6. Bei erkennbar auf eigenen Anmeldungen des Schuldners beruhenden Lastschriften kann die Bank im unternehmerischen Verkehr erwarten, dass der Kontoinhaber auch eine erstmalige Lastschrift innerhalb von 3 Bankarbeitstagen auf ihre Übereinstimmung mit seiner Anmeldung überprüft.

    7. Soweit Lastschriften Abrechnungen verschiedener Lieferungen oder Leistungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in laufender Geschäftsbeziehungen betreffen, erscheint dem Senat zweifelhaft, ob die Rspr. des XI. Zivilsenats zur Möglichkeit der konkludenten Genehmigung in solchen Fällen (Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2010, Gz. XI ZR 562/07) noch mit der Rspr. des IX. Zivilsenats (Urteil vom 30. September 2010, Gz. IX ZR 178/09) in Übereinstimmung zu bringen ist. Auch welche Prüfungsfrist hierfür im Einzelfall angemessen wäre, kann der Senat nicht erkennen.

  • OVG Magdeburg: Beschluss vom 04.11.2010 - 2 O 126/10

    1. Die besonderen Streitwertvorschriften der §§ 182, 185 Satz 3 InsO betreffen nur solche Verfahren, bei denen Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO Gegenstand einer "Feststellung" nach dem ersten Abschnitt des fünften Teils der InsO sind.

    2. Um keine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO handelt es sich bei der Anforderung der voraussichtlichen Kosten einer dem Insolvenzverwalter als Abfallbesitzer angedrohten Ersatzvornahme.

  • AG Göttingen: Urteil vom 20.12.2010 - 21 C 132/10

    1. Wird eine Lohnabtretung infolge Widerrufes eines Restschuldversicherungsvertrages unwirksam, kann sich der Abtretungsgläubiger nicht auf eine Lohnabtretung aus einem vorherigen Vertrag berufen.

    2. Rechtlich unbeachtlich ist es, wenn infolge der Unwirksamkeit der Lohnabtretung der Mehrheitsgläubiger (im vorliegenden Fall zu über 90%) keine Befriedigung erhält, da vorrangig die Kosten des Insolvenzverfahrens daraus gedeckt werden.

  • AG Göttingen: Urteil vom 20.12.2010 - 21 C 131/10

    1. Nach Widerruf einer Restschuldversicherungsvertrages wird auch eine Lohnabtretung unwirksam, geleistete Zahlungen kann der Insolvenzverwalter gem. § 812 BGB zurückverlangen.

    2. Unerheblich ist es, wenn der Schuldner bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Restschuldversicherungsvertrag gekündigt hat.

    3. Gem. § 96 InsO besteht für Gegenansprüche des Kreditinstitutes ein Aufrechnungsverbot (Bestätigung Urteil v. 26.02.2010, 21 C 147/09, ZVI 2010 122 = NZI 2010 311 = ZInsO 2010 816).

  • AG Göttingen: Beschluss vom 16.12.2010 - 71 IN 107/10

    1. Insolvenzgläubiger können grundsätzlich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen erneuten Insolvenzantrag stellen.

    2. Befindet sich ein Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 InsO) in der Wohlverhaltensperiode, sind Anträge von Insolvenzgläubigern (etwa nach unterlassener Forderungsanmeldung) unzulässig.

  • Im Falle des eröffneten Insolvenzverfahrens besteht keine Prüfungspflicht der Genossenschaft mehr durch den Genossenschaftsverband.

    OLG Thüringen 6 W 295/08 vom 16.03.2009


    Im Falle des eröffneten Insolvenzverfahrens besteht weiterhin eine Prüfungspflicht der Genossenschaft durch den Genossenschaftsverband.

    OLG Brandenburg 7 Wx 6/09 vom 22.03.2009 n.r.

    AZ des BGH: II ZB 12/10

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  • Kündigt der Insolvenzverwalter/Treuhänder die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft, um damit das der Masse gebührende Auseinandersetzungsguthaben zu realisieren, hat der Schuldner keinen Anspruch auf Auskehrung des Teils des Guthabens, den er als Kaution für die von ihm bewohnte Wohnung benötigt.

    BGH, Beschl vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 120/10

  • Die Klage eines Gläubigers auf Zinszahlung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach dessen Aufhebung während der Treuhandphase ungeachtet einer möglichen späteren Restschuldbefreiung des Schuldners zulässig.



    Zinsforderungen auf Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung werden auch dann nicht von der Restschuldbefreiung erfasst, wenn sie mangels Aufforderung zur Anmeldung nachrangiger Forderungen nicht mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind.

    BGH, Urteil vom 18. November 2010 - IX ZR 67/10 -

  • OLG München: Schlussurteil vom 09.11.2010 - 5 U 3703/09

    1. Zur Phoenix-Insolvenz; hier: Anfechtung von Auszahlungen auf Scheingewinne

    2. Der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus der Schenkungsanfechtung von im Rahmen eines sog. "Schneeballsystems" an den Anleger ausbezahlten Beträge erstreckt sich nicht auf solche Auszahlungen, mit denen dem Anleger seine Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt worden ist.

    3. Maßgeblich für die Bewertung des Auszahlungsvorgangs sind allein die realen Umstände, die der Auszahlung zugrunde gelegen haben (ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung). Ein nachträglich auf der Basis einer fiktiven Vertragsdurchführung konstruierter Kontoverlauf ist hierfür ohne Bedeutung.

  • OLG München: Urteil vom 19.10.2010 - 5 U 5250/09

    1. Zur Phoenix-Insolvenz; hier: zur Anfechtbarkeit der von der Schuldnerin an den Handelsvertreter bezahlten Bestandsprovisionen

    2. Der Handelsvertreter, der gemäß vertraglicher Vereinbarung der Schuldnerin Kunden zugeführt hat, hat gegen diese auch dann einen rechtswirksamen Provisionsanspruch, wenn das von der Schuldnerin betriebene Anlagemodell - vom Kunden und dem Handelsvertreter unerkannt - wegen Betreibens eines "Schneeballsystems" sittenwidrig ist und ein wirksamer Anlagevertrag daher nicht zustande gekommen ist.

    3. Die Handelsvertreterprovision stellt, auch soweit es sich dabei nicht um die Abschlussprovision, sondern um die Bestandsprovision handelt, eine entgeltliche Leistung für die vom Handelsvertreter erbrachte Gegenleistung der Kundenwerbung und Kundenpflege dar.

    4. Hat die Schuldnerin die Berechnung überhöhter Bestandsprovisionen durch die Mitteilung geschönter Zahlen veranlasst und daraufhin überhöhte Zahlungen an den Handelsvertreter geleistet, so unterliegt die teilbare Leistung der Schuldnerin insoweit, als sie wegen Überschreitens des vertraglichen Anspruches eine unentgeltliche Leistung darstellt, der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO.

    5. Ist vertragsgemäß die Höhe der Bestandsprovision vom Kontostand des geworbenen Anlegers abhängig, so stellt der Betrag der Kundeneinlage die maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des entgeltlichen, nicht anfechtbaren Teils und des unentgeltlichen, anfechtbaren Teils der Provisionszahlung dar.

    6. Die Einlage wird nur vermindert durch Auszahlungen an den Anleger, soweit diese Zahlungen nicht auf (Schein-)gewinne, sondern auf die Einlage selbst erfolgen. (amtlicher Leitsatz)

    7. Maßgeblich für die Bewertung des Auszahlungsvorgangs sind allein die realen Umstände, die der Auszahlung zugrunde gelegen haben (ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung). Ein nachträglich auf der Basis einer fiktiven Vertragsdurchführung konstruierter Kontoverlauf ist hierfür ohne Bedeutung.

    8. Der von der Schuldnerin über den "Schneeballcharakter" des Anlagemodells getäuschte Handelsvertreter, der seine beruflichen Kapazitäten unwiederbringlich zugunsten der Schuldnerin eingesetzt hat, kann dem auf den Überhöhungsbetrag gerichteten Rückforderungsverlangen des Insolvenzverwalters § 242 BGB entgegensetzen.

  • OLG Naumburg: Urteil vom 06.10.2010 - 5 U 73/10

    1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte erigbt sich aus Art. 3 I EuInsVO. Hieraus ergibt sich auch die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch für Annexverfahren, zu denen Insolvenzanfechtungsklagen gehören.

    2. Art. 13 EuInsVO kommt keine Sperrwirkung zu. Denn die Norm soll das Vertrauen des Anfechtungsgegners schützen. Fallen lex causae und das Insolvenzstatut zusammen, ist hierfür kein Raum.

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