Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.12.2010, V R 22/10
    Vereinnahmt der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung, begründet die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-,
    sondern auch bei der Sollbesteuerung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Fortführung des BFH-Urteils vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, zur Istbesteuerung).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Grds. ist im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB eine Berufung des Schuldners von Sozialversicherungsbeiträgen darauf, dass die Beiträge, wären sie gezahlt worden, vom Insolvenzverwalter zurückgefordert worden wären, beachtlich mit der Folge, dass eine Schadensersatzpflicht entfällt.

    2. Auf den hypothetischen Kausalverlauf kann sich ein Geschäftsführer nur berufen, wenn mit Sicherheit feststeht, dass der Schaden auch bei Zahlung der Beiträge eingetreten wäre. Nicht ausreichend ist, dass der Schaden nur möglicherweise ebenfalls entstanden wäre.

    3. Die Prüfung einer hypothetischen Anfechtung beruht auf der hypothetischen Annahme einer pflichtgemäßen Beitragszahlung.

    OLG München, Urt. v. 29. 9. 2010 - 20 U 2918/10

  • 1. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch der siegreichen Partei unterliegt keiner generellen Zweckbindung dahingehend, dass er primär der Befriedigung des Prozessbevollmächtigten dieser Partei dient. Eine Pfändung dieses Anspruchs durch Dritte ist auch insoweit zulässig, als der Prozessbevollmächtigte der durch den Kostenerstattungsanspruch begünstigten Partei noch nicht befriedigt ist (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - IX ZB 232/08, ZInsO 2009, 202).

    2. Der Prozessbevollmächtigte der durch den Kostenerstattungsanspruch begünstigten Partei ist hinsichtlich seines Vergütungsanspruchs nur insoweit privilegiert, als das Gesetz dies ausdrücklich - etwa in § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO oder in § 43 RVG - anordnet.

    3. Entsteht ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nach Eröffnung und während der Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der durch diesen Anspruch begünstigten Partei, so fällt er als Neuerwerb in die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) und unterliegt der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO).

    OLG Nürnberg, Beschl. v. 21. 10. 2010 - 12 W 1990/10

  • Bei einer Behörde, zu deren ständigen Geschäftsaufgaben es gehört, mit eigenen Vollstreckungsorganen Steuerforderungen auch zwangsweise beizutreiben, kann aus der Erklärung "Maßnahmen zur Beitreibung der Steuer blieben erfolglos" mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass mindestens ein Versuch der Zwangsvollstreckung stattfand, und dass ein Zugriff auf liquide Mittel, wie Kassenbestand oder Bankguthaben nicht möglich war.

    LG Chemnitz, Beschl. v. 3. 1. 2011 - 3 T 754/10

  • 1. Ein Rechtsstreit, in dem der Arbeitnehmer den Insolvenzverwalter auf Zahlung von Schadensersatz wegen dessen persönlicher Haftung nach § 60 InsO aufgrund pflichtwidriger Fortführung des Betriebes ohne tragfähiges Konzept verklagt, fällt nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit.

    2. Der Insolvenzverwalter, der den Betrieb des Schuldners fortführt, unterliegt nach § 60 InsO besonderen insolvenzrechtlichen Pflichten bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen der Betriebsfortführung. Er hat die potenziellen Massegläubiger vor Schäden infolge erkennbarer Masseinsuffizienz zu bewahren. Dazu gehört insbesondere die sorgfältige Analyse der Ausgangssituation und der wirtschaftlichen Perspektiven der Betriebsfortführung. Der Insolvenzverwalter hat daher einen Finanzplan zu erstellen, aus dem sich die Entwicklung der Liquidität und Kassenlage ergibt. Außerdem muss er im Rahmen einer Prognose planen, welche weiteren Einnahmen er durch die Ausführung von Aufträgen im Rahmen des Betriebes erzielen kann. Auf Basis dieser Analyse und Bewertung muss eine realistische Chance verbleiben, den Betrieb ohne nachhaltige Schädigung der Masse fortzuführen.

    3. Ist die Fortführung des Betriebes ohne Gefahr der Masseunzulänglichkeit nicht möglich, kann das Ziel einer übertragenden Sanierung und die damit verbundene Planung, dass der Betriebserwerber für die rückständigen Löhne aus der Zeit der Betriebsfortführung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einstehen solle, nur dann die Fortführung des Betriebes rechtfertigen, wenn es eine realistische Chance der zeitnahen Betriebsübernahme durch einen Investor gibt. Ein solches Fortführungskonzept kann allenfalls dann als realistisch bewertet werden, wenn es mit den anderen Gläubigern (insbesondere mit den beteiligten Banken) abgestimmt ist, da das Einstehenmüssen für die rückständigen Löhne den Kaufpreis, den der Erwerber zu entrichten bereit ist, negativ beeinflusst. Außerdem müssen sich die Übernahmeverhandlungen bereits soweit verdichtet haben, dass mit ihrem Abschluss innerhalb eines Monats ab der letzten noch erfolgten Lohnzahlung zu rechnen ist.

    4. Wird der Betrieb vom Insolvenzverwalter ohne tragfähiges Konzept fortgeführt und kommt es deshalb vor Fälligkeit der Löhne zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit, sind die betroffenen Arbeitnehmer zumindest in Höhe des durch die Weiterbeschäftigung entgangenen Arbeitslosengeldes geschädigt. Dieser Schaden kann nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht mit dem möglichen Vorteil eines Arbeitnehmers verrechnet werden, der darin gesehen werden könnte, dass wegen des späteren Beginns der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld I der Bezug von Arbeitslosengeld I auch entsprechend erst später ende.

    LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 4. 1. 2011 - 5 Sa 138/10

  • 1. Fehlt ein formwirksamer Interessenausgleich, ist die Sozialauswahl nicht nur eingeschränkt überprüfbar; die Darlegungs- und Beweislast liegt gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG bei der Arbeitnehmerin.

    2. Trägt die Arbeitgeberin vor, dass für die Arbeitnehmerin eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Konstrukteurin nicht bestand und die verbliebenen Belegschaftsmitglieder gänzlich andere Tätigkeiten ausübten, bedarf es einer konkreten Darlegung der Arbeitnehmerin zur Vergleichbarkeit hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeit.

    3. Zur Belehrung über die rechtzeitige Geltendmachung der Unwirksamkeitsgründe gem. § 6 Satz 2 KSchG reicht es aus, wenn das Gericht mit der Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass "nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können (§ 6 KSchG)".

    4. Die Arbeitgeberin kann das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG mit den Interessenausgleichsverhandlungen verbinden; das ist schon bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen.

    5. Die Arbeitgeberin muss im Prozess hinreichend konkret darlegen und (im Streitfall) beweisen, dass der Betriebsrat über die für das Beteiligungsverfahren notwendigen Kenntnisse verfügte; daher ist ein schriftlicher Hinweis im Interessenausgleich zweckmäßig, dass mit der Unterzeichnung des Interessenausgleichs auch das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG hinsichtlich sämtlicher auszusprechender Kündigungen abgeschlossen ist.

    6. Den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist genügt, wenn der Anzeige ein durch den Betriebsrat unterzeichneter Interessenausgleich beigefügt ist.

    LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 3. 6. 2010 - 26 Sa 263/10

  • EuGH: Urteil vom 14.04.2011 - C-331/09

    Die Republik Polen hat dadurch, dass sie innerhalb der gesetzten Frist nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, um die Durchführung der Entscheidung 2008/344/EG der Kommission vom 23. Oktober 2007 über die von Polen gewährte staatliche Beihilfe C 23/06 (ex NN 35/06) zugunsten des Stahlherstellers Technologie-Buczek-Gruppe zu gewährleisten, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 249 Abs. 4 EG sowie den Art. 3 und 4 dieser Entscheidung verstoßen.

  • Der Arbeitgeber oder Geschäftsführer hat dafür Sorge zu tragen, dass die zur ordnungsgemäßen Abführung der auf den geschuldeten Lohn entfallenden Arbeitnehmeranteile notwendigen Mittel bei Fälligkeit vorhanden sind. Drängen sich wegen der konkreten finanziellen Situation des Unternehmens deutliche Bedenken auf, dass zum Fälligkeitszeitpunkt ausreichende Zahlungsmittel vorhanden sein werden, muss er durch Bildung von Rücklagen, notfalls durch Kürzung der Nettolöhne, sicherstellen, dass am Fälligkeitstag die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung fristgerecht an die zuständige Einzugsstelle entrichtet werden können.

    OLG Naumburg, Urteil vom 31. 3. 2010 - 5 U 115/09 (LG Magdeburg)

  • a) Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einem Individualbeschwerdeführer zugesprochene Entschädigung wegen der durch eine Menschen-rechtsverletzung infolge überlanger Verfahrensdauer erlittenen immateriellen Schäden ist nicht abtretbar und pfändbar; sie fällt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers nicht in die Insolvenzmasse. Dasselbe gilt für die zuerkannte Erstattung der Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof.
    b) Der von dem Gerichtshof zuerkannte Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten im vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren ist abtretbar, pfändbar und fällt in die Masse, wenn über das Vermögen des Individualbeschwerdeführers das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

    BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10 -

  • Gibt der Schuldner eine im Zeitraum zwischen der Stellung eines ersten Insolvenzantrags und der Stellung eines weiteren, mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Insolvenzantrags vorgenommene Grundstücksschenkung auf Frage nicht an, liegt darin ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten.

    BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 174/08 -

  • BGH, IX ZB 237/09, ohne Leitsatz:

    Die effektive Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert es, den Schuldner bei Anberaumung des Schlusstermins ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Gläubiger einen Versagungsantrag nur im Schlusstermin stellen und der Schuldner die geltend gemachten Versagungsgründe nur in diesem Termin bestreiten kann.

    Unterbleibt dies, so ist der Schuldner mit einem verspäteten Vorbringen nicht präkludiert.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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