Welcher Güterstand ist maßgebend gemäß Art 15, 220 EGBGB

  • Ich denke, in Deinem Fall musst Du prüfen, ob es sich um einen Vertriebenen/Flüchtling oder Spätaussiedler handelt, also welchen Status er hatte und wann er in die BRD kam. Es gibt da einen sehr guten Aufsatz zu diesem Problem aus Sicht des Nachlassgerichts von Wandel "Kuckuckseier nicht nur zur Osterzeit" BWNotZ 1994, 85, der ganz schön beschreibt, worauf Du aufpassen musst. Falls Du an diesen Aufsatz nicht ran kommst, melde Dich, ich müsste ihn haben.

  • Unabhängig von der Flüchtlings-/Vertriebenenproblematik:

    Sofern der Erblasser im Zeitpunkt der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, dürfte in seiner Ehe zuletzt in der Tat der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegolten haben, der sich wie folgt "entwickelt" hat:

    Von der Eheschließung bis zum 31.3.1953:
    Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes (§§ 1363-1425 BGB a.F.) aufgrund Maßgeblichkeit des Heimatrechts des Ehemannes (Art.220 Abs.3 S.6 EGBGB i.V.m. Art.15 Abs.1 EGBGB a.F.)

    Vom 1.4.1953 bis zum 30.6.1958:
    Außerordentlicher gesetzlicher Güterstand der Gütertrennung (§§ 1426-1431 BGB a.F.), weil das dem Art.3 Abs.2 GG entgegenstehende Recht und damit auch der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes nach Art.117 Abs.1 GG nur bis zum 31.3.1953 in Kraft blieb (Palandt/Diederichsen, 34. Aufl., Einf. v. § 1363 Anm.3 und Grundz. vor § 1363 Anm.1).

    Ab 1.7.1958 bis zum Erbfall:
    Zugewinngemeinschaft (Art.8 I Ziff.3 Abs.1 GleichberG).

    Der Erbscheinsantrag scheint demnach inhaltlich zutreffend zu sein.

  • Die Angaben in russischen bzw. ehemals sowjetischen Personenstandsurkunden "deutsch", "russisch", "ukrainisch"... bezeichnen nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Nationalität, also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Gesicherte Erkenntnisse zur Staatsangehörigkeit lassen sich hieraus nicht herleiten. :(

  • Eben deshalb sagte ich:

    Sofern ...


    und wie prüfe ich das ???:gruebel:
    Okay, der Notar muss vortragen. Nach dem Sachvortrag liegt eine russische Urkunde mit der Eintragung "Deutsche Staatsangehörigkeit" vor. Wie soll das Nachlassgericht das nun prüfen ?? Wenn man die übersetzten Urkunden als gegeben nimmt, muss der Erbschein nach Antrag erteilt werden, oder muss man ermitteln ???:gruebel:

  • Lt. #5 wird der Erblasser in der besagten Urkunde nicht als "deutscher Staatsangehöriger", sondern als "Deutscher" bezeichnet. Das ist ein feiner, aber gewichtiger Unterschied.

    Wir können bei unseren Lösungsvorschlägen nur von bestimmten Prämissen ausgehen. Welche Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt der Eheschließung hatte, muss das NachlG durch diesbezügliche Ermittlungen selbst klären. Und wenn die Staatsangehörigkeitsfrage beantwortet ist, können wir ggf. weiter diskutieren.

  • Vielleicht kontrollierst Du einmal die Originalgeburtsurkunde. Es soll auch falsche Übersetzungen geben!
    Dazu musst Du wissen, dass -üblicherweise- in den Urkunden
    2 Bezeichnungen zu finden sind.
    Einmal steht dort "sowjetisch" und dann an anderer Stelle "Deutscher".
    Letzteres ist, wie schon gesagt wurde, keine Staatsangehörigkeitsangabe sondern nur der Hinweis auf eine bestimmte Volkszugehörigkeit!

  • zu Problem #56

    Der Notar hat nach meiner Zwischenverfügung nachgewiesen, dass der
    Erblasser und seine Ehefrau 1996 eingebürgert wurden.
    Danach hatte beide bis zur Einbürgerung nicht die deutsche
    Staatsangehörigkeit. Sie haben 1950 vor dem Standesamt in
    Gremjatschinsk die Ehe geschlossen.
    Welcher Güterstand ist maßgebend ?

  • Ich habe auch eine Frage zum Thema, welcher Güterstand bei einem Erbfall maßgeblich ist.

    Mein Fall:

    Eine deutsche Staatsangehörige heiratete im Jahr 2002 auf La Palma, Kanarische Inseln, einen Spanier. Sie hatten beide ihren Wohnsitz zum damaligen Zeitpunkt auf La Palma.

    Nun ist die deutsche Staatsangehörige in Spanien verstorben und hinderlässt ihren Ehemann und ihre Mutter und ein umfangreiches Vermögen.

    Es ist klar, dass deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt. Aber welches Güterrecht?

    Kommt spanisches Güterrecht zur Anwendung, verliert der Ehemann den Zugewinnausgleich, § 1371 Abs. 1 BGB kommt nicht zur Anwendung und der Erbteil der Mutter erhöht sich.

    Danke

    Luca

  • Nach Art.15 Abs.1 EGBGB i.V.m. Art.14 Abs.1 Nr.2 EGBGB dürfte mangels Rechtswahl und mangels ehevertraglicher Vereinbarung wegen des maßgeblichen Zeitpunkts der Eheschließung das spanische gesetzliche Güterrecht zum Zuge kommen, wobei zu beachten ist, dass das Güterrechtsstatut aufgrund bestehender Foralrechte gespalten ist und auf den Belaraen daher nicht der Güterstand des Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Codigo Civil, sondern der Güterstand der Gütertrennung gelten dürfte (Bauer/v.Oefele/Schaub, Internationale Bezüge, RdNr.398, 400). Da die Erblasserin keine Abkömmlinge hinterlassen hat, stellt sich allerdings nicht die im Anwendungsbereich des § 1931 Abs.4 BGB ergebende Problematik, ob die Gütertrennung des balearischen Foralrechts mit derjenigen des deutschen Rechts vergleichbar ist. Es dürfte somit im Ergebnis dabei verbleiben, dass der Ehemann der Erblasserin neben Verwandten der zweiten Erbordnung mit einem Erbteil von 1/2 zur gesetzlichen Erbfolge nach deutschem Erbstatut berufen ist (Art.25 Abs.1 EGBGB, § 1931 Abs.1 S.1 Alt.2 BGB). Ob der Mutter der andere Hälfteerbteil alleine gebührt, hängt allerdings davon ab, ob noch Geschwister der Erblasserin vorhanden sind, die ggf. an die Stelle des evtl. vorverstorbenen Erblasservaters treten würden.

  • @juris2112: Vielen Dank! Du hast mir sehr weitergeholfen. Die Erblasserin und ihr Ehemann haben auf den Kanarischen Inseln geheiratet und dort gilt der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, d. h., die Mutter erbt zur Hälfte. Viele Grüße Luca

  • Hallo zusammen,

    habe jetzt leider zum 1. Mal eine Akte mit Auslandsberührung auf dem Tisch: Erblasser ist belgischer Staatsangehöriger, hat 1949 in Belgien eine deutsche Frau geheiratet, ist dann irgendwann nach Deutschland gezogen und auch hier verstorben. Mittlerweile ist auch die Frau nachverstorben, die 2 Kinder benötigen jetzt einen Erbschein, nur für den Grundbesitz in Deutschland. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob es in diesem Fall eine Erhöhung des Erbanteils gem. §1371 BGB gibt.
    Bin sehr dankbar für Eure Hilfe!

  • Art.220 Abs.3 S.6 EGBGB:

    Die güterrechtlichen Wirkungen von Ehen, die vor dem 1. April 1953 geschlossen worden sind, bleiben unberührt; die Ehegatten können jedoch eine Rechtswahl nach Art.15 Abs.2 und 3 treffen.

    Für den Güterstand ist daher nach Art.15 Abs.1 EGBGB a.F. das Heimatrecht des Ehemannes (also der belgische Güterrecht) maßgeblich (Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNr.6). Damit kann § 1371 Abs.1 BGB nicht zur Anwendung kommen.

    Im übrigen wurde der erstverstorbene belgische Ehegatte kraft Rückverweisung aus dem belgischen Recht (§ 4 Abs.1 S.2 EGBGB) für seinen gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlass nach deutschem Erbstatut beerbt, weil nach belgischem Kollisionsrecht für unbewegliches Vermögen das Recht am Belegenheitsort der Sache und für bewegliches Vermögen das Recht am Wohnsitz des Erblassers maßgeblich ist (Süß/Haas/Hustedt, Länderteil Belgien RdNrn.1, 5). Es ist daher im vorliegenden Fall keine Nachlassspaltung eingetreten und da die Anwendung ausländischen Erbrechts nicht in Frage steht, kommt auch keine Erteilung eines Fremdrechtserbscheins i.S. des § 2369 BGB in Betracht. Es ist vielmehr mangels Nachlassspaltung ein allgemeiner Eigenrechtserbschein ohne Beschränkung auf den Grundbesitz zu erteilen (Palandt/Edenhofer § 2369 RdNr.1 m.w.N.).

    Sofern in Belgien im Zeitpunkt der Eheschließung nicht der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung gegolten hat und diese "ausländische" Gütertrennung der deutschen Gütertrennung entspricht (dann § 1931 Abs.4 BGB, wenn der Erbfall nach dem In-Kraft-Treten dieser Norm am 1.1.1970 eingetreten ist: Ehefrau und beide Kinder zu je 1/3), dürfte Erblasser somit von seiner Ehefrau zu 1/4 und den beiden Kindern zu je 3/8 beerbt worden sein.

    Da in Belgien derzeit der gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gilt (Süß/Haas/Hustedt a.a.O. RdNr.35), würde ich diese güterrechtliche Problematik aber vernachlässigen, da die überlebende Ehefrau nachverstorben und wohl von den beiden Kindern beerbt worden sein dürfte. Es bleibt sich demnach im Ergebnis völlig gleich, mit welcher Erbquote die Ehefrau am Nachlass ihres Ehemannes zur Miterbin berufen war. Unter diesen Voraussetzungen steht es aus meiner Sicht nicht dafür, irgendwelche Ermittlungen zum damaligen belgischen Güterrecht anzustellen.

    Zum -im vorliegenden Fall nicht anwendbaren- belgischen Erbrecht vgl. interessehalber auch BayObLG Rpfleger 1996, 199.

  • [Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/more/schilder/062.gif

    Besonders interessant finde ich

    .. würde ich diese güterrechtliche Problematik aber vernachlässigen, da die überlebende Ehefrau nachverstorben und wohl von den beiden Kindern beerbt worden sein dürfte. Es bleibt sich demnach im Ergebnis völlig gleich, mit welcher Erbquote die Ehefrau am Nachlass ihres Ehemannes zur Miterbin berufen war. Unter diesen Voraussetzungen steht es aus meiner Sicht nicht dafür, irgendwelche Ermittlungen zum damaligen belgischen Güterrecht anzustellen.



    Man soll sich das Rechtspfleger-Leben nicht schwerer machen, als es eh schon ist. :daumenrau

  • Vielen Dank für die schnelle Antwort. Meine Tendenz ging auch da hin, nur war ich mir nicht so sicher. Und im Endeffekt ist es in diesem Fall tatsächlich egal.

  • ich klinke mich und mein Problem hier mal ein, irgendwie hab ich mich festgefahren.
    Mein Erblasser hinterläßt ohne letztwillige Verfügung Ehefrau und ein Kind. Alle drei sind Deutsche wegen § 15 Abs. 1, 2 Bundesvertriebenengesetz. Gebürtig sind alle drei Kasachen, Eheschließung erfolgte 1990 in Alma-Ata. Welchen Güterstand muss ich hier zugrunde legen ? Ich gehe davon aus, dass alle drei deutsche Staatsbürger sind, Doppelstaatler sind sie nach Aussagen der antragstellenden Ehefrau nicht. Also deutsches Erbrecht und deutsches Güterrecht / Zugewinngemeinschaft ??? mangels anderweitiger Erklärungen ?

  • M.E. müsstest Du prüfen, ob für die Spätaussiedler das Gesetz über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4.8.1969 (GeGVF) (BGBl I S 1067) gilt.
    Dann würde deutsches Güterrecht gelten.
    Vielleicht ist der in #61 genannte Aufsatz (den ich nicht habe) hilfreich.

  • Auch in den Kommentierungen zu Art. 15 EGBGB wird etwas zu finden sein.

    So z. B.
    Beck'scher Online-Kommentar
    Hrsg: Bamberger/Roth
    Das GeGVF gilt danach auch für Spätaussiedler iS von § 4 BVFG, die ihre Heimat bis zum 31.12.1992 in Richtung Deutschland verlassen haben. Ob auch Spätaussiedler, die ihre Heimat erst nach diesem Zeitpunkt verlassen haben, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, ist umstritten, wird dort aber im Ergebnis ebenfalls bejaht.

  • Der Erblasser und seine Ehefrau haben 1992 in Polen geheiratet. Zum Zeitpunkt des Todes hatte der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit und die Ehegattin die polnische Staatsangehörigkeit. Zuletzt gelebt haben sie in Deutschland. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen; es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten. Liege ich richtig mir deutschem Güterrecht nach § 14 EGBGB? Eine Rechtswahl wurde nicht getroffen.

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