3-jähriges Pilotprojekt: Kostenbeitreibung in Ba.-Wü. durch priv. Inkasso-Unternehmen

  • Und ich verstehe nicht, wie das bezahlt werden soll. Die Inkassokosten dürften doch nur bis zu der Höhe erstattungsfähig sein, in der auch bei Selbstvollstreckung durch die Justiz Gebühren anfallen würden. Vom Einzug der PKH-Raten mal ganz zu schweigen.

  • Da ich mal in der Vollstreckung unserer LJK war: dort sind doch Rechtspfleger tätig. Hier in Sachsen gehört die LJK zum OLG. Würde hier so etwas gemacht, würden die Rpfl. für die Dauer des Testlaufs an diverse Gerichte / Staatsanwaltschaften abgeordnet.

    Eine Privatisierung kann ich mir nicht vorstellen, weil die Vollstreckung doch an so viele Sonderregeln geknüpft ist. Allein die Verwaltungsvorschrift über Raten, Stundung und Erlass!

    Außerdem hat(te) die Vollstreckung nach der JBeitrO ihre Vorteile:
    das Land konnte ggü. dem (landeseigenen) Finanzamt die Aufrechnung erklären, so dass wir bei Steuererstattungsansprüchen der Schuldner oft unerwartet noch zu Geld kamen, manchmal nach Jahren.

    Übrigens bin ich gar nicht sicher, dass die Gerichtsvollzieher "für lau" für die Landesjustizkassen losziehen. Sie haben uns ihre Kosten immer brav mitgeteilt, wir das Geld mit beigetrieben.
    Wäre schön, wenn sich einer der anwesenden GV hierzu äußerte.

  • die kosten sind zur sachakte mitzuteilen, nur allerdings bei den wenigsten fällen werden die miteingezogen -viele schuldner sind einfach platt.

  • Ich glaube ich muss was klarstellen.
    In Baden-Württemberg werden die Gerichtskosten/Pkh-Raten von der Landesoberkasse eingezogen. Dies ist eine Behörde, die dem Finanzministerium angehört und unter deren Aufsicht steht. Die Landesoberkasse ist sozusagen gleichzeitig die "Buchhaltung der Justiz", also letzten Endes ein Dienstleister für die Justiz.

    Da sich der "Staat" aus der Fläche zurückzieht bzw. zurückziehen möchte und der Privatisierung der Vorrang eingeräumt werden soll, es herrscht ja auch eine neue "politische Kultur", scheint dies konsequent zu sein. Die Politik möchte keine Staatsbediensteten mehr beschäftigen (sie kosten ja Geld im Haushalt), wenn eine Aufgabe auch privatisiert werden kann. Die Gefahr ist, dass das staatliche Gewaltmonopol, das unsere Verfassung nun mal festlegt, hier ausgehöhlt werden kann. Politik ist sehr häufig eine Frage der Macht und nicht der sachlich richtigen Entscheidung. Und nicht vergessen, die Verpackung, mit der dies alles schmackhaft gemacht wird, muss mit dem tatsächlichen Inhalt nicht identisch sein (der Inhalt könnte sich auch als sogenannte Mogelpackung rausstellen). Und nicht vergessen, die Privaten lassen sich den Service auch zahlen, die arbeiten nicht umsonst. Sie können jedoch ihre -häufig nicht tariflich abgesicherten- Arbeitnehmer in der Regel schlechter bezahlen und sind dadurch unter Umstände günstiger (sog. zweiter oder grauer Arbeitsmarkt). Die Zeche zahlt letzten Endes aber der Bürger.

    Das, was sich bewährt hat, sollte man sich bewahren. Das, was sich nicht bewährt hat, sollte man ändern. Sollte sich dieser Versuch "tatsächlich" bewähren, dann ist alles gut. Es ist zu hoffen, dass der Landesrechnungshof hier ein Auge darauf richtet, damit die Ergebnisse tatsächlich "objektiv" bewertet werden.

    Kurzum wir bekommen das, was wir auch wählen!

  • Es gibt kaum etwas sinnloseres, als Ordnungsgelder einzutreiben. Da wird ein Haufen Geld für die Beitreibung von Kleinstbeträgen verballert. Wenn ich meine Erfolgsquote so ansehe, glaube ich nicht, daß Inkassos es besser können (der einzige, der sich bei der Beitreibung -privat- von Vereinsbeiträgen entziehen konnte, ist ausgewandert.), tut mir leid.


  • Übrigens bin ich gar nicht sicher, dass die Gerichtsvollzieher "für lau" für die Landesjustizkassen losziehen. Sie haben uns ihre Kosten immer brav mitgeteilt, wir das Geld mit beigetrieben.
    Wäre schön, wenn sich einer der anwesenden GV hierzu äußerte.



    Die Gerichtsvollzieher bekommen keine Vergütung bei gerichtskostenbefreiten Antragstellern, von diesen. Sie bekommen lediglich ihre Auslagen, Kopiekosten, Wegegeld usw. Falls sie was beitreiben, können sie selbsverständlich ihre Kosten vorweg entnehmen. Deswegen teilen sie der Ljk ihre Kosten auch mit, damit wenn später doch noch was gezahlt wird, sie ihre Kosten erstattet bekommen. Aber wenn es nichts zu holen gab haben sie für "lau" gearbeitet.
    Das kannst du mir glauben :D ich habe die Gv mal ne Weile geprüft. :) Deswegen sind Aufträge von der LJK, der GEZ, bei den GV auch so beliebt.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • nicht ganz richtig: Es gibt nur die Auslagenpauschale KV 713 von 20 % der zu erhebenden Gebühren; d.h. für solche Anträge fährt man mehrmals kostenlos zu den Schuldnern und das bei Spritpreisen von 1,60. Das sollte man auch mal bedenken.

  • Schtümmt, jetzt gibts ja die Pauschale. Gabs es damals nicht. Ich überlege die ganze Zeit was sind außerdem noch befreite Großgläubiger?

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Das kannst du mir glauben :D ich habe die Gv mal ne Weile geprüft. :) Deswegen sind Aufträge von der LJK, der GEZ, bei den GV auch so beliebt.


    Natürlich glaub ich Dir das, wollte auch keinem auf den Schlips treten. :)
    War für mich halt nur schwer vorstellbar; also wieder was dazugelernt.
    Dann wundere ich mich noch mal so sehr, wie nett damals zu meinen LJK-Zeiten die allerallermeisten Gerichtsvollzieher zu uns waren.

  • Um mal mit einem weit verbreitetem Irrtum aufzuräumen: Inkassounternehmen sind keineswegs darauf erpicht zu vollstrecken!

    Vor allem die großen am Markt versuchen sehr stark alle Forderungen außergerichtlich beizutreiben, also mittels Aufforderungsschreiben, vor alloem aber mittels Telefon. Und gerade letzteres unterscheided sie von Papa Staat, denn dort greift niemand zum Telefonhörer um den Schuldner an die Bezahlung seiner Forderung zu erinnern.

    Titulierung und ZV sind sehr teuer und meist ergebnislos. Denn wer widerstandslos einen Titel gegen sich ergehen läßt ist meistens wirtschaftlich blank. Da ist beiden Seiten mit einer telefonisch vereinbarten Ratenzahlung meist sehr viel mehr geholfen.

    Ich will damit auf keinen Fall das Image der Inkassounternehmen aufpolieren, aber ein wenig zum besseren Verständnis der Hintergründe beitragen. Die Rechtspflegeschaft sieht das alles natürlich nicht auf den ersten Blick, denn die zig-tausend außergerichtlich beigelegten Verfahren schlagen ja nie bei Gericht auf.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • [quote='Chris_A','RE: 3-jähriges Pilotprojekt: Kostenbeitreibung in Ba.-Wü. durch priv. Inkasso-Unternehmen'] Um mal mit einem weit verbreitetem Irrtum aufzuräumen: Inkassounternehmen sind keineswegs darauf erpicht zu vollstrecken!

    ..................................................:gruebel::gruebel::gruebel:

    und ich dachte doch bisher immer, dass das Vollstrecken die eigentliche
    Aufgabe/der Zweck des Inkassounternehmens ist....

    Vielleicht kann mich mal einer aufklären...:D:D



  • und ich dachte doch bisher immer, dass das Vollstrecken die eigentliche
    Aufgabe/der Zweck des Inkassounternehmens ist....

    Vielleicht kann mich mal einer aufklären...:D:D



    Ja, aber gerichtlich erst seit heute :):

    § 79 Parteiprozess
    [Blockierte Grafik: http://www.juris.testa-de.net/jportal/jp_js1…/lay/1px_tr.gif](1) Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Vertretung des Gläubigers befugt wären oder eine Forderung einziehen, deren ursprünglicher Gläubiger sie sind.
    (2) Die Parteien können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vertretungsbefugt nur 1. Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
    2. volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
    3. Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbraucherverbände bei der Einziehung von Forderungen von Verbrauchern im Rahmen ihres Aufgabenbereichs,
    4. Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes) im Mahnverfahren bis zur Abgabe an das Streitgericht, bei Vollstreckungsanträgen im Verfahren der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen wegen Geldforderungen einschließlich des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls, jeweils mit Ausnahme von Verfahrenshandlungen, die ein streitiges Verfahren einleiten oder innerhalb eines streitigen Verfahrens vorzunehmen sind.
    Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.
    (3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
    (4) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor einem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.


    [Blockierte Grafik: http://www.juris.testa-de.net/jportal/jp_js1…/lay/1px_tr.gif]§ 79: IdF d. Art. 8 Nr. 3 G v. 12.12.2007 I 2840 mWv 1.7.2008



  • Es handelt sich übrigens NICHT um das Unternehmen, für das ich arbeite. :teufel:

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Danke für den link, na ja: charmanter Telefonterror ist auch eine Art der Vollstreckung....

    Interessant ist auch der Hinweis auf die "Erfolgsprämie" für die Telefonistin

  • Na dann bin ich gespannt, ob und was da rauskommt und was das unter dem Strich kostet. Die LJK kann die Beitreibung mit Hilfe ihrer Vollstreckungsorgane sicherlich besser bewerkstelligen, wenn genügend Personal und Zeit zur Verfügung steht und
    die Mitarbeiter motiviert werden ( Erfolgsprämie entsprechend der Beitreibungsquote).
    Aber die Leute bei der Justizkasse bzw. die Vollstrecker sollen immer mehr und schneller arbeiten und erhalten aufgrund der Sparmaßnahmen keine angemessene Gehaltserhöhung mehr und das meist bei verlängerter Wochenarbeitszeit.
    Da kann man doch verstehen, dass die Leute lieber schauen, dass sie die Akten so schnell wie möglich weghauen ohne ihre eigentlichen Möglichkeiten auszunutzen
    (ich bin doch nicht blöd... ist doch einer der bekannten Sprüche). Auch Idealismus hat irgendwo seine Grenzen, wenn sich die Mitarbeiter der Justizkassen verarscht fühlen. ..

  • Ich hatte dieser Tage einen solchen Fall, so dass ich davon berichten kann. Hoffentlich ist er nicht repräsentativ.

    Ein Mandant erscheint mit einem privaten Inkassoschreiben, das erkennbar textbausteinmäßig an die Zahlung eines nicht bezifferten (!!!) Betrages erinnert. Als Gläubiger ist die Landesoberkasse angegeben, als Aktenzeichen ist nicht das der Justiz, sondern das des Inkassounternehmens angegeben.

    Telefonisch bekam man bei dem Unternehmen niemanden ans Telefon, jedenfalls nicht, als ich es im Beisein des Mandanten versuchte. Man konnte aber das Inkassoaktenzeichen eintippen/einsprechen und erhielt dann von einer elektronischen Stimme die Forderungshöhe. Ein Kleinbetrag.

    Da hierdurch noch nicht erkennbar war, worum es sich handelt, habe ich bei der Landesoberkasse angerufen. Die konnten dann über Namen und Anschrift des Mandanten identifizieren, welche Sache es war, die an das Inkassobüro abgegeben worden war. Es war eine ältere Verkehrsstrafsache, in der irgend ein minimaler Kostenrest noch offen war, den den LOK gar nicht mehr geltend gemacht hätte, wenn nicht die Inkassoneuerung gekommen wäre. Nachdem dem Mandanten also klar war, worum es sich handelt, hat der Mandant den Betrag in bar in der Kanzlei gelassen und ich habe ihn an das Inkassobüro überwiesen.

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