Antrag gem § 45 RVG, § 106 ZPO und § 126 ZPO in einem Verfahren - Durchblick verloren

  • Naja, ich sehe, wir kommen in dieser Frage auf keinen gemeinsamen Nenner. Lässt sich halt nicht ändern. Ich kann jedenfalls einen Vorrang der Erstattungsansprüche der Staatskasse gegenüber denen der Partei nicht erkennen. Wenn du Ihn erkennen kannst, musst du eben entsprechend verfahren.

    Vielleicht kann ja noch jemand anderes aus dem Forum Erhellendes hierzu liefern.
    Mich überzeugt bereits nicht, dass der vermeintlich bestehende Erstattungsanspruch der Partei davon abhängen soll, ob der Anwalt nach § 126 ZPO vorgeht oder aber die Landeskasse zahlen lässt.

    Ich liefere noch ein Beispiel:
    Der Mandant zahlt den Teilbetrag (wozu er in der Lage war) nicht vor der PKH-Antragstellung an den Anwalt, sondern erst nach der PKH-Bewilligung als angeordnete Einmalzahlung aus seinem Vermögen. Sollte dieser auch einen Teil der Zahlung zurückerhalten?
    M.E. ist das mit dem Sinn und Zweck der PKH (Hilfe soweit die Partei selbst hierzu nach den PKH-Voraussetzungen nicht in der Lage ist) nicht vereinbar. Daher kommt auch bei der Erstattung im Ausgangsfall erst die Landeskasse zum Zug.

  • Mich kannst du damit nicht überzeugen. Du sprichst wieder von einem Vorschuss "den der Mandant auch in der Lage war zu zahlen". Was heißt aber "in der Lage sein zu zahlen"? Das kann nur nach § 115 ZPO beurteilt werden. Und da steht einer PKH-Partei z.B. ein Freibetrag von 2600 € zu, von dem er natürlich gern seinem Anwalt die 300 € Vorschuss zahlen kann, im Sinne des PKH-Rechts aber nicht zahlen muss! Es gibt sogar Leute, die gar nichts haben und sich das Geld leihen, nur um der Vorschussforderung seines Anwalts gerecht zu werden (über dessen Forderung will ich mich mal lieber gar nicht auslassen). Die Staatskasse hat gegenüber dem Mandanten in diesen Fällen eben gerade keinen Anspruch, dass dieser einen Teil seiner Anwaltskosten bezahlen muss. Das ist für mich auch ein Grund, den Mandanten selbst am Erstattungsanspruch gegenüber der unterlegenen Partei teilhaben zu lassen.

  • Mich kannst du damit nicht überzeugen. Du sprichst wieder von einem Vorschuss "den der Mandant auch in der Lage war zu zahlen". Was heißt aber "in der Lage sein zu zahlen"? Das kann nur nach § 115 ZPO beurteilt werden. Und da steht einer PKH-Partei z.B. ein Freibetrag von 2600 € zu, von dem er natürlich gern seinem Anwalt die 300 € Vorschuss zahlen kann, im Sinne des PKH-Rechts aber nicht zahlen muss! Es gibt sogar Leute, die gar nichts haben und sich das Geld leihen, nur um der Vorschussforderung seines Anwalts gerecht zu werden (über dessen Forderung will ich mich mal lieber gar nicht auslassen). Die Staatskasse hat gegenüber dem Mandanten in diesen Fällen eben gerade keinen Anspruch, dass dieser einen Teil seiner Anwaltskosten bezahlen muss. Das ist für mich auch ein Grund, den Mandanten selbst am Erstattungsanspruch gegenüber der unterlegenen Partei teilhaben zu lassen.

    Das sind m.E. nicht nur spekulative sondern sachfremde Erwägungen, die Du hier anstellst.

  • Es ist nicht sach- und rechtsfremd zu behaupten, dass jemand im Sinne des PKH-Rechts als arm zu bezeichnen ist, der nach dem Gesetz die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH o.Z. erfüllt und dann auch nicht für einen Teil der Vergütung seines Anwalts aufkommen muss. Da die Parteien ordnungsgemäß überprüft werden, hat dies auch nichts spekultatives an sich. Es wurde schlichtweg Geld von etwas aufgebracht, wozu keine Verpflichtung bestand. In der Praxis findet man nur immer wieder solche Fälle, dass die Anwälte - die Armut ihrer Mandanten kennend - dennoch Rechnungen ausstellen.
    Wenn dann jemand von seinem Freibetrag für einen Teil der Vergütung seines Anwalts dennoch aufkommt, kann das nicht insoweit zu seinen Lasten gehen, dass er vom Erstattungskuchen rein gar nichts abbekommen soll. Der Anwalt könnte ja auch den Vorschuss an seinen Mandanten zurückzahlen, dann hätte er vollen ungekürzten Anspruch gegenüber der Staatskasse.
    Warum der Kläger für seinen Vorschuss rein gar nichts erstattet bekommen soll, kann sich einfach nicht erschließen, wenn man die betreffenden Vergleiche und rechtlichen Verpflichtungen betrachtet.
    Aber das soll es nun endgültig sein mit der offenbar endlosen Diskussion. Leider hat sich ja auch niemand anders zu Wort gemeldet, obwohl ein solcher Fall jeden mal treffen könnte.

  • Allerdings besteht neben dem Anspruch der Staatskasse eben auch noch ein Erstattungsanspruch des Klägers selbst, wenn er Zahlungen an seinen Anwalt geleistet hat. Dies ist sicherlich unbestritten, der Erstattungsanspruch besteht erst einmal. Und ich kann im Gesetz nun mal nicht erkennen, dass der Anspruch der Staatskasse in einem solchen Fall vorrangig zu bedienen ist. (...)


    Die Allgemeinheit, die für die Partei in Vorleistung(!) tritt, hat auch einen entsprechenden Vorrang(!) vor ihr, Erstattungsbeträge (zugunsten der Partei) zu allererst auf ihre Vorleistung für sie zu verrechnen, bevor die Partei selbst daran überhaupt zu beteiligen ist. Daß sich durch eine etwaige Vorschußzahlung der Partei der von der Allgemeinheit gezahlte Betrag vermindert, ändert an diesem Sinn und Zweck der PKH doch nichts.

    Wenn der Kläger hier selbst seine Forderung einbüßt, weil die Staatskasse hier alles geltend macht, ist dies gleichzusetzen mit einer Konstallation, dass die Staatskasse gegen den Kläger Forderungen geltend macht, was aber gerade auf Grund einer PKH-Bewilligung o.Z. nicht möglich ist.


    Der Vergleich hinkt aus den oben dargestellten Gründen. Die Staatskasse (also Du und ich und alle übrigen Steuerzahler) sind nicht der Samariterverein der PKH-Partei. Wir schießen für sie die Kosten im Rahmen des Gesetzes vor. Wenn sie daher über dieselben Kosten einen Erstattungsanspruch hat, halte ich es für selbstverständlich, daß damit zu allererst unsere Leistung für sie beglichen wird.

    Im übrigen kommt das Vorstehende m. E. auch durch den (seit dem 1. Januar) geltenden neuen § 120a Abs. 3 ZPO zum Ausdruck, wo der Gesetzgeber den Einsatz des Geldes geregelt hat, das durch den Prozess "erlangt" worden ist. Dort geht der Gesetzgeber nämlich davon aus, dass diese Beträge grundsätzlich zur Deckung der Verfahrenskosten eingesetzt werden müssen (was bislang in der Rechtsprechung umstritten war). Der Gesetzgeber hat hier also auch die Notwendigkeit gesehen, möglichst zügig die Allgemeinheit von ihrer Vorleistung für die Partei zu befreien.

    Warum soll der Kläger dann auf 300 € sitzen bleiben und die Staatskasse ihre Forderung vollständig ausgeglichen bekommen? Hätte der Kläger nämlich gar keinen Vorschuss an seinen Anwalt gezahlt, würde er jetzt bei +/-0 stehen und die Staatskasse eine offene Forderung sogar in Höhe von 300 € haben.
    Wenn ich mir jetzt diese Argumention anschaue, erscheint mir meine Lösung gar nicht so schlecht. Schließlich war der Kläger - jedenfalls im Verhältnis zur Staatskasse - gar nicht verpflichtet, einen Teil der Vergütung zu bezahlen. Das hat er nur seinem Anwalt zu verdanken.


    Gerade weil er nicht verpflichtet war, kann ihm das auch nicht zugute gehalten werden. Sonst könnte man das im Umkehrschluß auch als unzulässigen Vertrag (bzw. Leistung = Zahlung des Mandanten) zu Lasten Dritter werten, wenn die Allgemeinheit ihren vorrangigen Erstattungsanspruch dadurch verlieren soll, daß die PKH-Partei Zahlungen erbringt, zu denen sie nicht verpflichtet ist. Dann wird der Sinn und Zweck der PKH, durch die Allgemeinheit die "arme" Partei wirtschaftlich zur Rechtsverfolgung/-verteidigung zu unterstützen, m. E. ad absurdum geführt.

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  • Die von mir vertretene Auffassung, dass eine bedürftige Partei hinsichtlich ihrer eigenen Aufwendungen anteilmäßig am Kostenerstattungsanspruch zu beteiligen ist, findet durchaus in Rechtsprechung und Literatur so wieder:

    OLG Schleswig, JurBüro 1972, 604
    "Der auf die Staatskasse übergegangene Anspruch erstreckt sich nicht auf die Auslagen, die die durch Prozesskostenhilfe begünstigte Partei selbst aufgewandt hat und von der unterlegenen Partei erstattet verlangen kann."

    So auch Riedel, Sußbauer "BRAGO", 8. Auflage zu § 130 BRAGO (was dem heutigen § 59 RVG entspricht).
    Dort findet man insoweit 5 Fallbeispiele, bei denen die Staatskasse jeweils nicht in voller Höhe ihren übergegangenen Anspruch geltend machen kann, während die bedürftige Partei hinsichtlich ihrer eigenen Auslagen stets anteilmäßig am Erstattungsanspruch teilnimmt und so einen Teil ihrer Auslagen festgesetzt bekommt.

    Die hier gefühlsmäßig geführte Diskussion, der man rein aus einem inneren Gerechtigkeitssinn im Sinne der Allgemeinheit durchaus folgen kann, findet aber im Ergebnis nicht die rechtliche Grundlage hierfür. Und nur darauf kommt es an.

    Und bevor noch jemand kommt und meint, unter "Auslagen einer Partei" fallen eventuell nur eigene Auslagen wie Fahrtkosten, dem muss gesagt werden, dass unter Auslagen einer Partei all das zählt, was eine Partei außerhalb von Gerichtskosten zahlen muss. Dazu zählen auch die an Anwälte gezahlten Vorschüsse oder Vergütungsteile. Auch bei den Strafkosten zählt man - etwa bei einem Freispruch - die an den Anwalt gezahlten Vergütungen als "Auslagen" des Angeklagten.

    Und das eine Partei, die so arm im Sinne des Gesetzes ist, dass sie überhaupt keine Anwaltskosten zu zahlen bräuchte, dann für den Fall, dass sie entgegen ihrer Verpflichtung doch etwas bezahlt hat, am Erstattungsanspruch beteiligt wird, ist für mich sehr gut nachvollziehbar. Eine andere Sicht ist ausschließlich im Interesse des Steuerzahlers gedacht und entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Auf Wunschdenken kommt es hierbei nicht an.

  • Es ist nicht "Wunschdenken" und entbehrt auch nicht "einer gesetzlichen Grundlage". Die gesetzliche Grundlage ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck der PKH und der insoweit bestehenden verschiedenen Ansprüche im Dreiecksverhältnis RA-Partei-Staatskasse. Die von Dir genannte Entscheidung (dazu gibt es noch diejenige des OLG München, Beschluß v. 30. Januar 1981 - 11 WF 1001/81, AnwBl. 1982 115 = JurBüro 1982, 417) und Literatur betrifft in der Tat zwar Auslagen der Partei und die Frage, wie diese bei der Ausgleichung im Verhältnis zum Übergangsanspruch zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsprechung betrifft aber ausschließlich die Aufwendungen der Partei, die nicht die Vergütung ihres RA betreffen und die neben dieser RA-Vergütung geltend gemacht werden. Denn (allein) an die PKH-RA-Vergütung sind die verschiedenen Ansprüche aus dem o. g. Dreiecksverhältnisses geknüpft und gerade nicht an die übrigen Kosten, welche die Partei von ihrem unterlegenen Gegner erstattet verlangen kann. Deshalb mußte die Rechtsprechung allein darüber entscheiden, wie solche Auslagen der Partei, die nichts mit der Vergütung des RAs der Partei zu tun haben, bei der Kostenausgleichung zu berücksichtigen sind. Die "gerechteste Methode" wurde dabei durch die von Dir erwähnte Verhältnisrechnung erzielt.

    Verständlich ist durchaus (und hier stimme ich Deinen Gedanken auch zu), daß eigene Auslagen/Kosten der Partei (nach JVEG oder ggf. weitere prozeßbezogene, aber gerade nicht solche, die die RA-Vergütung betreffen) die Partei auch ungeschmälert alleine für sich behalten darf. Das kann aber immer nur die Auslagen der Partei betreffen, die nicht dieses o. g. Dreiecksverhältnis, also die nicht die RA-Vergütung berühren. Denn für diese besteht (soweit die Staatskasse den RA der Partei befriedigt hat) nach § 59 I 1 RVG ein eigener Anspruch gegenüber der Partei bzw. dem unterlegenen Gegner. Muß der Gegner RA-Vergütung und Auslagen der Partie nicht voll erstatten, sondern nur anteilig, kommt die genannte Rechtsprechung zur Verhältnisrechnung ins Spiel.

    Du meinst nun mit z. B. einem Rückgriff auf die Bezeichnung im Strafverfahren, daß mit "Auslagen der Partei" jedwede eigene Leistung der Partei (mit Ausnahme der Gerichtskosten) gemeint sei, weil dort z. B. die "Auslagen der Partei" auch die RA-Vergütung umfasse. Diese Auffassung, die Du auf die von Dir zitierte Rechtsprechung zur Verhältnisberechnung stützt, wird aber durch diese Rechtsprechung nicht getragen. Das mit "Auslagen der Partei" nicht die Vergütung des RA gemeint sein darf, sieht insoweit auch das vorzitierte OLG München. Dieses führt insoweit dazu aus:

    "Umstritten ist, wie der sich nach dem Kostenausgleich ergebende Erstattungsbetrag dann auf den Prozeßbevollmächtigten, die Staatskasse und die arme Partei zu verteilen ist, wenn in ihm eigene Auslagen der Partei - wie hier die Kosten für das Privatgutachten -, die mit den Gebühren und Auslagen sowohl des Wahlanwaltes als auch des Armenanwaltes nichts zu tun haben, enthalten sind. Hier gibt es eine Reihe von Berechnungsarten, die in unterschiedlichem Ausmaß zur Bevorzugung des einen oder des anderen Beteiligten führen. Der Senat folgt der von Riedel-Sußbauer (BRAGebO, 4. Aufl. Rdnr. 27 zu § 130), dem VGH Kassel, JVBl 64, 145 sowie dem OLG Oldenburg JurBüro 80, 1052 angewandten Berechnungsmethode. Sie führt zu dem gerechtesten Ergebnis, weil sie im Wege einer Verhältnisrechnung aufgrund der Quotenverteilung die den gesamten Erstattungsanspruch erfassende Minderung anteilsmäßig auf den Prozeßbevollmächtigten bzw. die Staatskasse auf der einen Seite und auf die arme Partei auf der anderen Seite verteilt."


    Also allein in diesem Fall sieht die Rechtsprechung überhaupt einen Anlaß, daß die Partei an dem Erstattungsbetrag anteilsmäßig partizipiert.

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  • Man findet in den gesamten Beispielfällen leider nur keinen darunter, der dem hier in Frage stehenden Fall ähnelt, weil wohl kein Autor oder kein Gericht auf den Gedanken gekommen ist, dass eine arme Partei Anteile der Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten dennoch bezahlt (obwohl er es gar nicht müsste). Daraus würde ich noch nicht den Schluss von Bolleff ziehen. Für mich entscheidend ist, dass der Kläger auf Grund seiner Armut eigentlich gar nichts zahlen müsste. Insoweit ist er schon schlechter gestellt, wenn er dennoch etwas zahlt und dann nur einen Teil davon vom Gegner erstattet verlangen kann, weil der größere Teil von der Staatskasse geltend gemacht wird.
    Aber lassen wir das eben - jeder muss eben sehen wie er es macht, wenn er mal einen solchen Fall vor sich liegen hat. Im Zweifelsfall kann man ja auch nochmal seinen Bezirksrevisor fragen - und wie meine Erfahrungen zeigen, können die auf eine Frage umgehend fast nie eine Antwort geben, weil sie selbst in vielen Fragen unterschiedliche Auffassungen haben.

  • Für mich entscheidend ist, dass der Kläger auf Grund seiner Armut eigentlich gar nichts zahlen müsste. Insoweit ist er schon schlechter gestellt, wenn er dennoch etwas zahlt und dann nur einen Teil davon vom Gegner erstattet verlangen kann, weil der größere Teil von der Staatskasse geltend gemacht wird.


    Eine Schlechterstellung sehe ich aus zwei Gründen nicht: Argumentativ halte ich es schon nicht für richtig, eine Schlechterstellung anzunehmen, weil er freiwillig etwas zahlt. Voraussetzung für eine Schlechterstellung wäre, daß er zur Zahlung verpflichtet wäre. Nur dann wäre überhaupt ein vergleichbarer Sachverhalt gegeben, anhand dessen man ggf. eine Ungleichbehandlung festellen könnte. Wenn ihn niemand zur Zahlung zwingt und er am Ende "schlechter" steht, dann mag das subjektiv vielleicht so sein. Objektiv fehlt es aber daran, da hier Ungleiches gleich behandelt werden soll.

    Zum anderen sehe ich die Ungleichbehandlung auch deshalb nicht, weil sich durch die Zahlung der Partei an den RA der Anspruch des RA gegenüber der Staatskasse entsprechend vermindert, was wiederum zur Verminderung des Anspruches der Staatskasse gegenüber der Partei führt. Denn die Partei bleibt natürlich weiterhin verpflichtet, den Anspruch der Staatskasse zu erfüllen. § 122 I Nr. 1 ZPO sperrt lediglich die Durchsetzung dieses Anspruches der Staatskasse (wie der § 122 I Nr. 3 ZPO die Durchsetzung des Anspruches des RA gegen die Partei sperrt, die Partei aber nicht von ihrer Verpflichtung zur Erfüllung dieses Anspruches befreit). Wenn nun also eine Erstattung des Gegners erfolgt und die Staatskasse als erstes die Hand aufhält, vermindert sich zugleich der Anspruch der Staatskasse gegen die Partei. Die Partei erhält also das Geld zurück, nur eben nicht direkt in ihre Kasse, sondern im Wege der Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber der Staatskasse.

    Nach Deiner Auffassung würde die Partei daher in Wahrheit nicht benachteiligt, sondern im Gegenteil vielmehr bevorzugt, indem sie Geld, das andere für sie gezahlt haben, aufgrund des § 122 I Nr. 1 ZPO behalten könnte.

    Davon gedanklich zu trennen ist der Fall, daß die Partei eigene Auslagen geltend macht, die nichts mit dem vorstehenden Geld zu tun haben. Da es ist natürlich absolut gerechtfertigt, der Partei im Wege der in meinem Vorbeitrag genannten und auch von Dir zitierten Rechtsprechung bzw. der Verhältnisrechnung an einer Erstattung teilhaben zu lassen.

    Man findet in den gesamten Beispielfällen leider nur keinen darunter, der dem hier in Frage stehenden Fall ähnelt, weil wohl kein Autor oder kein Gericht auf den Gedanken gekommen ist, dass eine arme Partei Anteile der Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten dennoch bezahlt (obwohl er es gar nicht müsste).


    Ich will Dich nicht vor den Kopf stoßen, aber ich denke, daß Du hier "das Rad neu erfindest". M. E. stellt sich die Frage, wie Du sie stellst, aus den obigen Gründen gar nicht, weil sie eindeutig zu beantworten ist. Ich meine auch, daß man der Entscheidung des OLG München (dem Zitat) genau das entnehmen kann, was Du vermißt: Eine anteilsmäßige Teilhabe der PKH-Partei an einer Erstattung kommt nur für Auslagen der Partei in Betracht, die weder die Wahl-, noch die PKH-Vergütung betreffen. Denn andernfalls ist aufgrund der Vorleistung die Staatskasse immer vorrangig zu befriedigen, da ihr Anspruch zuvorderst befriedigt werden soll, erst recht, wenn sie ihren Anspruch aufgrund der Sperrwirkung des § 122 I Nr. 1 ZPO gegen die Partei nicht durchsetzen kann, die Partei aber über dieselbe Art der Leistungen (welche die Staatskasse für sie erbringt) einen Erstattungsanspruch gegen einen Dritten besitzt.

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  • Wir haben im April wieder einen Tag Fortbildung bei einem OLG-Richter, der in Kostenfragen absolut fit ist, dies schon seit Jahren macht und auch schon zahlreiche Entscheidungen getroffen hat. Insoweit haben wir die Gelegenheit, ihm vorher Themen/Fragen/Beispiele zukommen zu lassen. Ich habe, nachdem wir uns hier im Thread gegenseitig nicht überzeugen konnten, ihm folgenden Beispielfall zugesandt:

    Kläger, PKH o.ZB.
    Beklagter
    Kostenentscheidung: Kläger 1/4 Beklagter 3/4
    Regelanwaltsvergütung beider Anwälte 800 €, dem PKH-Anwalt des Klägers hat die Staatskasse 600 € ausgezahlt, er hat zudem von seinem Mandanten einen Vorschuss von 100 € bekommen, obwohl der Kläger "arm" im Sinne der PKH-Vorschriften ist.
    Die Kostenquotelung ergibt eine Erstattung von 400 €, die der Beklagte zu leisten hat. Die Frage besteht nun darin, welchen Anteil davon an wen.
    Dass davon auf Grund der Regelung des § 59 RVG vorrangig dem Kläger-Anwalt noch seine restlichen 100 € zustehen, ist sicher außer jeglicher Diskussion.
    Fraglich ist nun, wer (Staatskasse aus übergegangenem Anspruch, Kläger wegen seiner geleisteten Zahlung) in welchem Umfang Anspruch auf die restlichen 300 € hat.
    Riedel/Sußbauer lässt sich in seinem Kommentar (ehemals § 130 BRAGO) nur insoweit in Beispielen aus, als dem Kläger andere persönliche Auslagen, wie etwa Fahrtkosten, entstanden sind. Zu diesen kann der Kläger dann der Forderungshöhe in Relation mit der der Staatskasse entsprechend anteilmäßig an der Gesamterstattungsforderung teilhaben. Nicht darauf eingegangen wird in den Beispielfällen, wie es sich verhält, wenn der Kläger für einen Teil der Anwaltsvergütung aufgekommen ist.
    Ist dann vorrangig die auf die Staatskasse übergegangene Forderung zu befriedigen oder müssen sich Kläger und Staatskasse entsprechend der Höhe ihrer Forderungen anteilmäßig in den Erstattungsbetrag teilen?

    Ich bin gespannt, was er dazu sagt, und werde dann seine geschätzte Meinung auch akzeptieren, egal wie sie ausfällt. Bislang konnte ich jedenfalls hier - auf Grund der im Gesetz nicht ersichtlichen Grundlagen (anders als im Fall des § 59 RVG was das Verhältnis Anwalt zur Staatskasse angeht) - nicht davon überzeugt werden, dass der Staatskasse in solchen Fällen der Vorrang gebührt.

  • Es ist nicht schlimm, wenn man eine Mindermeinung vertritt und sich andere der eigenen Meinung nicht anschließen, aber von einer "eindeutigen Sachlage" kann ja nun wirklich überhaupt nicht die Rede sein, schon deswegen, weil ein derartiger Fall (anders als in § 59 RVG) eben gerade nicht vom Gesetz geregelt ist.
    Halten wir uns zugute: Wir machen uns wenigstens Gedanken über einen solchen Fall. Wenn ich meine Anwärter (aus der Vergangenheit) sobetrachte, haben die schon Probleme mit wesentlich einfacheren Fällen, die ganze Problematik rund um Kosten liegt den meisten überhaupt nicht. Ganz problematisch wird es dann, wenn die in den Quoten obsiegende Partei noch Raten zahlen muss.

  • Für mich entscheidend ist, dass der Kläger auf Grund seiner Armut eigentlich gar nichts zahlen müsste.


    Ich glaube, hier besteht - aus meiner Sicht - bei Dir der gedankliche Fehler: Du unterstellst, die PKH-Partei müsse "gar nichts zahlen". Und genau das ist rechtlich gesehen nicht richtig. Sie hat sowohl den RA, als auch die Staatskasse - soweit sie den RA für die Partei befriedigt - zu bezahlen. Die Bewilligung der PKH setzt nur dem RA und der Staatskasse die Schranke, daß sie diesen Zahlungsanspruch gegen die Partei nicht zwangsweise durchsetzen kann. Die Partei wird aber durch diese Schranke nicht von ihrer Zahlungspflicht gegenüber ggf. beiden befreit. Dein gedanklicher Fehler - aus meiner Sicht - ist also, daß Du diese Durchsetzungssperre quasi gleichsetzt mit einem Erfüllungsanspruch des RA und der Staatskasse.

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  • Also ich weiß wirklich nicht wie ich's machen soll....

    Kläger hat PKH o.R.
    Beklagter ist der Freistaat Bayern
    Streitwert: unter 3000,00 Euro
    Kläger trägt 1/4 und Beklagter trägt 3/4

    Antrag des beig. Kl-Vertr. auf PKH-Vergütung in Höhe von 857,51 Euro. Der RA gibt an von seinem Mandanten 119,00 Euro erhalten zu haben. Ausbezahlt wurden dem beig. RA daher 738,51 Euro.

    Ausgleichsantrag des Kl-Vertr. in Höhe von 857,51 Euro
    Ausgleichsantrag des Bekl-Vertr. in Höhe von 727,69 Euro

    Wer bekommt jetzt was von wem?
    119,00 Euro gegen die bekl. Partei festsetzen? Ein evtl. Übergang besteht zwar, aber der Bekl. ist ja der Freistaat Bayern.

    Das ist das letzte mal, dass ich euch in der Sache nerve (versprochen!).

  • Wie passt das zu #31?
    Gesetzt den Fall 857,51 € und 727,69 € sind tatsächlich auszugleichen, dann würde ich den von dem Beklagten zu erstattenden Betrag nach § 59 RVG überleiten. Bolleff wird dies Ergebnis teilen - Andy.K vertritt bis zum Tagungsvotums eines OLG-Richters eine andere Auffassung (Da stellt sich auch noch die Frage nach dem Sinn und Zweck des § 55 Abs. 5 S. 4 RVG.).

    Einmal editiert, zuletzt von Little Steven (14. März 2014 um 13:57)


  • Wie passt das zu #31?

    Na ja - die Beträge haben sich nochmal geändert.....


    Gesetzt den Fall 857,51 € und 727,69 € sind tatsächlich auszugleichen, dann würde ich den von dem Beklagten zu erstattenden Betrag nach § 59 RVG überleiten. Bolleff wird dies Ergebnis teilen - Andy.K vertritt bis zum Tagungsvotums eines OLG-Richters eine andere Auffassung (Da stellt sich auch noch die Frage nach dem Sinn und Zweck des § 55 Abs. 5 S. 4 RVG.).

    Wie leite ich den Betrag (hier 119,00 Euro) nach § 59 RVG über bzw. wie formuliere ich das in meinem Beschluss der z.Zt. wie folgt aussieht



    Folgende außergerichtliche Kosten sind in die Ausgleichung einzubeziehen:

    Klagepartei
    Anwaltskosten
    Die außergerichtlichen Kosten betragen insgesamt


    In Höhe von 342,21 € ist der Erstattungsanspruch infolge Auszahlung der Prozesskostenhilfevergütung an den beigeordneten Rechtsanwalt auf die Staatskasse übergegangen (§ 59 I 1 RVG).
    Ein Übergang des Anspruchs in Höhe der vollen ausbezahlten PKH-Vergütung verbietet sich, soweit der beigeordnete Rechtsanwalt dadurch benachteiligt wäre (§ 59 I 2 RVG).


    Dem Betrag liegt folgende Berechnung zugrunde:

    ausgezahlte PKH-Vergütung (§ 49 RVG)


    PKH-Vergütung (Anspruch gegen Staatskasse nach § 49 RVG) zuzüglich Erstattungsanspruch (Anspruch gegen Gegner) darf die Wahlanwaltsvergütung (§ 13 RVG) nicht übersteigen. (Nur) der die Summe übersteigende Betrag geht über.

  • Auszugleichende außergerichtliche Kosten
    a) des Klägers: 857,51€,
    b) des Beklagten: 727,69€
    - insgesamt: 1.585,20€.

    Hiervon trägt der Beklagte ¾: 1.188,90 €.
    Abzüglich eigener Kosten: 727,69 €
    verbleiben zu erstattende 461,21 €.

    Nach Zahlungen aus der
    Landeskasse offene und
    festzusetzende Anwaltskosten
    des Klägers: 119,00 €.
    Der zu erstattende Mehrbetrag 342,21 € geht nach § 59RVG auf die Landeskasse über und wird dem Beklagten noch gesondert in Rechnung gestellt.

  • Guten Morgen,

    ja, zu dem Ergebnis, dass 119,00 Euro gegen den Bekl. festzusetzten sind bin ich auch gekommen... aber was ist dann hiermit


    ....dann würde ich den von dem Beklagten zu erstattenden Betrag nach § 59 RVG überleiten....

    Den letzten Satz meines Vorbeitrags schreibst Du in die KFB-Gründe.

    Vfg.
    1. KFB
    2. Kostenbeamten - § 59 RVG i.H.v. 342,21 € gegen Beklagten vgl. KFB-Gründe

  • Sachstand: Ich habe zu einer Fortbildung den Fall angebracht. Der Dozent (Vorsitzender Richter des OLG, insbesondere seit Jahren zuständig für Kostenbeschwerden) konnte dazu ebenfalls keine abschließende und klare Position beziehen. Weder aus dem Gesetz noch aus bekannter Rechtsprechung oder Literatur ließe sich für den konkreten Fall ableiten, wie das Ergebnis auszusehen hätte. Rein gefühlsmäßig (!!) würde er allerdings dazu neigen, die Staatskasse vorrangig zu bedienen.
    Damit sind wir wieder dort, wo wir waren: Jede Seite kann seine Auffassung nicht schlüssig begründen. Das bedeutet aber, dass keiner dem anderen vorwerfen muss, er würde nahe am Rand der Gesetzesbeugung seine persönlichen Auffassungen praktizieren. Es ist nunmal so, wie so oft in juristischen Fragen: Es sind mehrere Meinungen möglich, jeder muss in seinen Entscheidungen seine nur ordentlich begründen.
    Und bei dieser Akzeptanz sollte es auch bleiben!

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