Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Das Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit fällt, sofern keine Ausübungsgestattung über den Kreis der nach § 1093 Abs. 2 BGB berechtigten Personen vorliegt, nicht in die Insolvenzmasse. Demgemäß ist auch der Insolvenzverwalter nicht befugt, über ein zugunsten des Schuldners im Grundbuch eingetragenes Wohnungsrecht zu verfügen.

    OLG München, Beschl. v. 14. 9. 2010 - 34 Wx 72/10

  • Nach dem Rechtszustand vom 18.8.2009 ist, auch wenn Eigentümerin des Grundstücks die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, der Insolvenzvermerk beim miteingetragenen Gesellschafter, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, eintragungsfähig.

    OLG München, Beschl. v. 2. 7. 2010 - 34 Wx 62/10

  • Hat der Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 143 Abs. 2 SGB III auch dann bereits ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn er Krankengeld nach § 44 SGB V bezieht. Der Ruhenszeitraum verschiebt sich nicht auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung.

    BAG, Urt. v. 17. 11. 2010 - 10 AZR 649/09

  • Das - wegen Nichtzahlung der vereinbarten Abfindung ausgeübte - gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers von einem Aufhebungsvertrag wird im Allgemeinen nicht durch Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers ausgeschlossen (Parallelverfahren zu 12 Sa 206/10 - Kammerurteil v. 28.4.2010).

    LAG Düsseldorf, Urt. v. 20. 1. 2010 - 12 Sa 962/09

  • Führt der Unterhaltsberechtigte einen eigenen Haushalt und hat aus seinem Einkommen die Mietzahlung und die weiteren Unkosten des Haushaltes zu leisten, wird der Lebensbedarf i.d.R. so hoch sein, wie der des Schuldners selbst. In derartigen Fällen ist es nahe liegend und wird regelmäßig billigem Ermessen entsprechen als Orientierungshilfe den Grundfreibetrag gem. § 850c Abs. 1 ZPO heranzuziehen.

    LG Chemnitz, Beschl. v. 4. 6. 2009 - 3 T 178/09

  • 1. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB stellt eine Verurteilung i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar.

    2. Wegen § 51 Abs. 2 BZRG ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach dem Schlusstermin, aber vor der Entscheidung durch das Gericht nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BZRG aus dem Register entfernt wird.

    LG Offenburg, Beschl. v. 14. 2. 2011 - 4 T 33/11

  • Die Verrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit einem aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners ist, sofern bei Erbringung der Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen des § INSO § 130 InsO oder des § INSO § 131 InsO vorgelegen haben, unzulässig (Änderung der Rechtsprechung).

    BFH, Urt. v. 2. 11. 2010 − VII R 6/10 (FG Berlin-Brandenburg)

  • 1. Der Geschäftsführer darf die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vereinbarten Löhne einschließlich Lohnsteueranteil nicht ausreichen.

    2. Bei Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und des Eintritts des Schadens sind hypothetische Kausalverläufe (z. B. Anfechtung durch den Insolvenzverwalter) nicht zu berücksichtigen.

    3. Im Rahmen der Ausübung des Auswahlermessens darf das FA den Umstand, dass ein Mitgesellschafter durch die Kündigung seiner Mitbürgschaft die Ursache für die Stornierung der Lastschrift zugunsten des FA gesetzt hat, nicht besonders berücksichtigen, da es sich um ein gesellschaftsinternes Ereignis handelt.

    FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. 8. 2010 - 9 K 9059/08 (NZB eingelegtBFHVII B 203/10)

  • Der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Insolvenzverwalter eines insolventen Immobilienfonds in der Form einer Kommanditgesellschaft von Anlegern des Fonds aus abgetretenem Recht der Treuhandkommanditistin Rückzahlung von Ausschüttungen verlangen kann, soweit dadurch die Einlagen der Anleger zurückgewährt wurden.
    Die Anleger, die sich über eine Treuhandkommanditistin an den Falk-Fonds Nr. 68 und Q 1 beteiligt hatten, erhielten jährliche Ausschüttungen in Höhe von ca. 5 % ihrer über die Treuhänderin geleisteten Einlagen. In den acht Verfahren, in denen der Bundesgerichtshof heute seine Urteile verkündet hat, waren die Klagen, mit denen der Insolvenzverwalter von den Anlegern Rückzahlung der Ausschüttungen verlangt hat, von einzelnen Land- und Oberlandesgerichten abgewiesen worden, bei anderen hatten sie (teilweise) Erfolg.
    Der Bundesgerichtshof hat die Klagen überwiegend für begründet erachtet. Bei den den Falk-Fonds Q 1 betreffenden Verfahren hat der Bundesgerichtshof dem Kläger jeweils einen Anspruch auf Rückzahlung sämtlicher Ausschüttungen zuerkannt. Dieser Fonds hatte von Anfang an Verluste erwirtschaftet, so dass durch alle Ausschüttungen die über die Treuhandkommanditistin gezahlten Einlagen der Anleger wieder zurückgewährt wurden und dadurch die Haftung zunächst der Treuhandkommanditistin und in deren Folge auch die Haftung der Anleger für Verbindlichkeiten des Fonds gegenüber Gläubigern der Gesellschaft wieder ausgelöst wurde. Der Falk-Fonds Nr. 68 hatte dagegen in den Anfangsjahren Gewinne erwirtschaftet, so dass die Ausschüttungen nicht vollständig zurückbezahlt werden müssen.
    Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht bestätigt, dass die gesetzliche Haftung des Kommanditisten für Schulden der Gesellschaft in Höhe seiner Einlage unmittelbar nur die Treuhänderin trifft. Diese kann jedoch verlangen, dass die Anleger sie von ihrer Haftung freistellen. Aufgrund der an den Insolvenzverwalter abgetretenen Freistellungsansprüche der Treuhandkommanditistin sind die Anleger diesem zur Zahlung in Höhe der Ausschüttungen verpflichtet, soweit diese zur Rückgewähr der Kommanditeinlagen geführt haben. Die Abtretung verstößt weder gegen ein gesetzliches noch gegen ein vertragliches Abtretungsverbot. Den von den Anlegern erhobenen Einwand der Verjährung sowie die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen hat der Bundesgerichtshof für nicht durchgreifend erachtet.
    Urteile vom 22. März 2011
    II ZR 224/08

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Der Insolvenzschuldner bedarf für das Betreiben der Zwangsvollstreckung auch aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens titulierten Forderungen einer Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters.

    2. An die Bestimmtheit der Freigabeerklärung sind hohe formale Anforderungen zu stellen, da sie die Rechtsnachfolgeklausel des § 727 ZPO ersetzen soll.

    3. Eine ohne Bezeichnung der konkreten Forderung und ohne Datum erteilte Freigabeerklärung erfüllt das Bestimmtheitserfordernis nicht und genügt den Anforderungen des § 750 ZPO für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht.

    AG Waiblingen, Beschluss vom 04.03.2011 - M 955/11

  • AG Göttingen: Erstreckung der Freigabeerklärung auf nicht ausdrücklich aufgeführte Gegenstände

    1. Über eine Erinnerung gemäß § 148 Abs. 2 Satz 2 InsO entscheidet der Richter am Insolvenzgericht.

    2. Inwieweit der Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in der Insolvenz gilt, bleibt dahingestellt. Erforderlich ist in jedem Fall, dass die persönliche Tätigkeit überwiegende Bedeutung hat.

    3. Eine Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO erstreckt sich auf nicht ausdrücklich aufgeführte Gegenstände nur, wenn sie eine untergeordnete Funktion ausüben. (Leitsätze des Gerichts)

    AG Göttingen, Beschluss vom 21.02.2011 - 71 IN 38/10

  • 1. Die besonderen Streitwertvorschriften der §§ INSO § 182, INSO § 185 S. 3 InsO betreffen nur solche Verfahren, bei denen Insolvenzforderungen gem. § INSO § 38 InsO Gegenstand einer „Feststellung” nach dem ersten Abschnitt des fünften Teils der InsO sind.

    2. Um keine Insolvenzforderung i. S. von § INSO § 38 InsO handelt es sich bei der Anforderung der voraussichtlichen Kosten einer dem Insolvenzverwalter als Abfallbesitzer angedrohten Ersatzvornahme.

    OVG Magdeburg, Beschluss vom 4. 11. 2010 - 2 O 126/10

  • 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreibenden ist in der Regel Ausdruck ungeordneter Vermögensverhältnisse und damit auch seiner Unzuverlässigkeit.

    2. Verstöße eines Gewerbetreibenden gegen Verhaltensvorschriften unterfallen der Sperrwirkung des § GEWO § 12 GewO, wenn sie gewerbebezogen sind und in einem engen Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten stehen, die das Insolvenzverfahren ausgelöst haben.

    3. Ein solcher Zusammenhang besteht nicht, wenn ein Gewerbetreibender bei der Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit im Anschluss an eine Freigabeerklärung nach § GEWO § 35 GEWO § 35 Absatz II GewO gegen seine steuerrechtlichen Erklärungspflichten verstößt.

    OVG Koblenz, Urteil vom 3. 11. 2010 - 6 A 10676/10

  • Ist in dem Zahlungsverhalten des Schuldners eine Strategie zu erkennen, wonach grds. erst nach ein- oder mehrmaliger Aufforderung durch den (die) Gläubiger geleistet wird oder grds. die Rechtmäßigkeit von Forderungen der Gläubiger angezweifelt wird, und sich auf diese Weise selbst laufend Zahlungsaufschübe zugebilligt werden, selbst wenn die Gläubiger darauf nicht immer mit der gebotenen Entschiedenheit reagieren und generell das "Überziehen" von Zahlungsfristen zulassen, ohne den (die) Schuldner in Verzug zu versetzen, so lässt ein derartiges Verhalten ohne Zweifel auf einen Mangel an Zahlungsmitteln schließen, der den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit erfüllen kann, nicht nur der Zahlungsunwilligkeit.

    LG Düsseldorf, Urt. v. 3. 9. 2010 - 1 O 22/09

  • 1. Anträge des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können vor dem FG im Wege einstweiligen Rechtsschutzes überprüft werden.

    2. Ein auf einen Rückstand in geringer Höhe gestützter Antrag ist ermessensfehlerhaft und lässt Zweifel an der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufkommen.

    3. Eine endgültige Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann ausnahmsweise ergehen, wenn die wirtschaftliche Existenz des Schuldners durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unmittelbar bedroht ist.

    FG Niedersachsen, Beschl. v. 27. 10. 2010 - 15 V 340/10

  • Bei dem durch die Zustellung des Eröffnungsantrags an den Schuldner in Gang gesetzten Insolvenzeröffnungsverfahren (vgl. hierzu BGHZ 149, 178, 181 = ZInsO 2002, 29) stehen sich nur der antragstellende Gläubiger und der Schuldner ähnlich wie die Parteien eines Zivilprozesses gegenüber; der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht "Partei". Die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters gehören nicht zu den "Kosten des Verfahrens".

    LG Lüneburg, Urt. v. 18. 2. 2011 - 3 O 207/10

  • Ein Verwalter, gegen den der dringende Verdacht besteht, in einzelnen Insolvenzverfahren Vermögensdelikte zum Nachteil der Masse begangen zu haben, offenbart eine allgemeine charakterliche Ungeeignetheit für die Ausübung des Verwalteramts, die es rechtfertigt, ihn auch in anderen, von den Straftaten nicht betroffenen Verfahren aus dem Amt zu entlassen.

    GG Art. 103 Abs. 1
    Ein Gehörsverstoß kann grundsätzlich durch die Nachholung des rechtlichen Gehörs im Rechtsmittelzug geheilt werden.

    BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 192/10 -

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