Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • OLG Jena vom 20.03.2013, 2 U 554/12 (n.r., IX ZR 87/13), o.L.
    1. Bei einer Sammelanmeldung ist jede Forderung individualisiert und substantiiert dazulegen, damit es dem Verwalter und anderen Gläubigern möglich bleibt, einzelne Forderungen zu bestreiten.

    2. Eine Verweisung auf Anlagen ist dann unzureichend, wenn daraus der Grund der Forderung nicht hervorgeht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 23. April 2013 - II ZB 21/11

    Beantragt ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens, steht der Ursächlichkeit der Mittellosigkeit für die Fristversäumung nicht entgegen, dass er als Rechtsanwalt selbst hätte Berufung einlegen können. 

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  • 1.Der Begriff der Beihilfe umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die von einem Unternehmen normalerweise zu tragenden Belastungen vermindern und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.

    2.Zahlungserleichterungen stellen eine staatliche Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, wenn das begünstigte Unternehmen in Anbetracht der Bedeutung des hiermit gewährten wirtschaftlichen Vorteils derartige Erleichterungen offenkundig nicht von einem privaten Gläubiger erhalten hätte, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der öffentliche Gläubiger und von einem Schuldner, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die Zahlung der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen sucht.

    3.Insoweit ist jede Information als erheblich zu betrachten, die den Entscheidungsprozess eines privaten Gläubigers, der als durchschnittlich vorsichtig und sorgfältig anzusehen ist, sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der öffentliche Gläubiger und von einem Schuldner, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die Zahlung der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen sucht, nicht unwesentlich beeinflussen kann.

    4.Die Dauer des Insolvenzverfahrens ist ein Gesichtspunkt, der den Entscheidungsprozess eines durchschnittlich vorsichtigen und sorgfältigen privaten Gläubigers, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie die örtliche Steuerbehörde, nicht unwesentlich beeinflussen kann, sodass die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung des Kriteriums des privaten Gläubigers namentlich die zur Dauer eines solchen Verfahrens verfügbaren Informationen zu berücksichtigen hatte.

    EuGH, Urt. v. 24. 1. 2013 - Rs. C-73/11 P

  • 1.Eine Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn die vorgenommene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff der Insolvenzgläubiger auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert. Im Rahmen von § 133 Abs. 1 InsO genügt insofern bereits ein mittelbarer, sich erst künftig realisierender, Zusammenhang zwischen der Rechtshandlung des Verfahrensschuldners und der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger.

    2.Es sind Fälle denkbar, die sich als zunächst insolvenzrechtlich neutral darstellen, weil dem aufgrund der insoweit bedeutsamen Rechtshandlung des Schuldners eine Gegenleistung des Anfechtungsgegners gegenübersteht - hier die Übernahme der Vermieterpflichten aus dem zugrunde liegenden Mietverhältnis -, die sich im Insolvenzfall aber gerade für die Gläubiger des Verfahrensschuldners als rechtsnachteilig erweisen, weil die Insolvenzmasse aufgrund des Rechtsgeschäfts zu ihrem Nachteil geschmälert wird.

    3.Auch ein bestehendes persönliches Näheverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Begünstigten oder jedenfalls ein solches gem. § 138 InsO - trotz fehlender unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung - sowie eine ungewöhnliche Ausgestaltung der in Betracht kommenden Rechtshandlung oder in diesem Zusammenhang ungewöhnliche Begleitumstände, etwa ihre Vornahme in besonderer Eile während einer sich abzeichnenden wirtschaftlichen Krise des Schuldners können indizielle Bedeutung für den Benachteiligungsvorsatz haben.

    4.Bei der Verschaffung eines langfristig angelegten Nutzungsrechts mit ratierlich entstehenden künftigen Mietzinsverpflichtungen handelt es sich nicht um einen kurzerhand bewirkten endgültigen Austausch von Leistung und Gegenleistung.

    OLG Brandenburg, Urt. v. 14. 5. 2013 - 3 U 112/10

  • Legt die Gläubigerin nach dem Bestreiten der Forderung durch den Insolvenzverwalter wegen fehlender prüffähiger Unterlagen solche Unterlagen nicht vor und nimmt auch vor der Aufnahme des Rechtsstreites darüber keinen Kontakt zum Insolvenzverwalter auf, so ist für dessen Feststellung zur Tabelle nach der Vorlage prüffähiger Unterlagen von einem sofortigen Anerkenntnis auszugehen.

    LG Berlin, Beschl. v. 5. 4. 2013 - 83 T 66/13

  • Zur Aufklärung über eine wirtschaftliche Bedrängnis des Verkäufers oder über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens besteht dann Veranlassung, wenn der Verkäufer weiß, dass er ihn betreffende Verpflichtungen nicht erfüllen kann oder das vorläufige Insolvenzverfahren den Vertragszweck gefährdet.

    LG Saarbrücken, Urt. v. 14. 9. 2012 - 5 S 18/12

  • 1.Verletzt ein Treuhänder i.S.v. § 292 InsO eine Pflicht gegenüber dem Schuldner, kommt als Anspruchsgrundlage nicht § 60 InsO in Frage, sondern nur § 280 Abs. 1 BGB.
    2.Einem Treuhänder obliegt es grundsätzlich nicht, zu Lasten des Schuldners einen Antrag auf Herabsetzung des pfändungsfreien Betrages gem. § 850c Abs. 4 ZPO i.V.m. § 36 Abs. 4 InsO zu stellen.

    AG Köln, Urt. v. 21. 3. 2013 - 137 C 566/12

  • Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.

    Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags.

    Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungs-schaden.

    BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 -

  • BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - IX ZR 310/12

    Der Erstattungsanspruch des Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters ist unpfändbar, wenn der Mieter Arbeitslosengeld II bezieht und die Erstattung deshalb im Folgemonat die Leistungen der Agentur für Arbeit für Unter-kunft und Heizung des Hilfeempfängers mindert (im Anschluss an BSG, NZS 2013, 273).

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  • BGH vom 20.06.2013, IX ZB 10/13, ohne Leitsatz:
    Voraussetzung der Anordnung einer Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Klärung der Zugehörigkeit des entsprechenden Gegenstandes zur Insolvenzmasse. Sie kann deshalb nicht vom Insolvenzgericht offen gelassen und entsprechend § 47 Satz 2 InsO der Klärung im ordentlichen Verfahren überlassen werden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und kann dazu auch Beweise erheben (§ 5 Abs. 1 InsO).

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  • BAG Urteil - 6 AZR 556/11 - vom 16.05.2013

    Verschleiertes Arbeitseinkommen - Freigabe aus der Masse 

    1. Der pfändbare Teil des verschleierten Arbeitseinkommens unterfällt gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO dem Massebeschlag. Deshalb wird die zukünftige Wirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß § 114 Abs. 3 InsO für die Zwecke und die Dauer des Insolvenzverfahrens durchbrochen. Insoweit wird der Prioritätsgrundsatz des § 804 Abs. 3 ZPO durch das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung ersetzt.

  • Eigener Ls:
    Stellt der Anfechtungsgegner ein auf seinen Namen lautendes Bankkonto dem Schuldner in Kenntnis von dessen Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung, dann ist der Einzug von Forderungen des Schuldners gegen Dritte auf dieses Konto gegenüber dem Kontoinhaber anfechtbar.

    FG Neustadt, Urt. v. 22.11.2012 - 5 K 1186/12

  • Ein Antrag auf Eigenverwaltung ist gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO abzulehnen, wenn die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen würde. Ein solcher Nachteil liegt vor, wenn wesentliche Gläubiger ernsthaft erklären, sich unter der bisherigen Unternehmensführung nicht an einer kooperativen Sanierung zu beteiligen.

    AG Köln, Beschluss vom 01.07.2013 - 72 IN 211/13

  • Ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO dient dazu, dass das Guthaben auf dem Konto in Höhe des nicht der Pfändung unterliegenden Teiles vor Pfändungen durch Dritte geschützt ist. Das gilt umso mehr, als das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Ein Pfändungsschutzkonto ist nicht mit einem normalen Girokonto zu vergleichen. Würde durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Pfändungsschutzkonto bzw. die vertragliche Beziehung betreffend das Pfändungsschutzkonto aufgehoben werden, so würde der Gedanke des § 850k ZPO in sein Gegenteil verkehrt.

    AG Verden, Urteil vom 14.02.2013 - 2 C 59/13 (III)

  • Insolvenzgläubiger können nach § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, also im Wege der Anmeldung nach den §§ 174 ff. InsO. Es obliegt der Entscheidung des Betroffenen, ob er seine in den Vorinstanzen erfolglos geltend gemachten Forderungen nunmehr zur Tabelle anmeldet und im Falle ihres Bestreitens durch den Insolvenzverwalter die Feststellung nach § 179 Abs. 1 InsO betreibt. Zu diesem Zweck müsste der Betroffene nach § 180 Abs. 2 InsO - unter Änderung seines bisherigen Zahlungsantrags - den unterbrochenen Rechtsstreit aufnehmen.

    BAG, Urteil vom 15.05.2013 - 5 AZR 252/12 (A)

  • BGH, Beschluss vom 20. Juni 2013 - IX ZB 11/12


    Ein Schuldner verschwendet kein Vermögen, wenn er das Mobiliar einer gepachteten Gaststätte unentgeltlich auf einen Erwerber in der Erwartung überträgt, dass der Verpächter diesem die Gaststätte nur verpachten wird, wenn er die in Höhe des Verkehrswerts des Mobiliars offen stehenden Ansprüche auf Zahlung der Pacht begleicht.

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  • 1.Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers einer GmbH ist nicht allein deshalb nichtig, weil sie im Rahmen einer sog. "Firmenbestattung" erfolgt.

    2.Die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer GmbH ist in entsprechender Anwendung von § 241 AktG zu beurteilen.

    3.Soweit sich die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen drittschützende Vorschriften (§ 241 Nr. 3 AktG) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 241 Nr. 4 AktG) ergeben kann, muss der Verstoß sich aus dem Inhalt des Beschlusses selbst in der Weise ergeben, dass er ihm seinem inneren Gehalt nach anhaftet.

    OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19. 4. 2013 - 2 (7) Ss 89/12 - AK 63/12

  • 1.Der Insolvenzverwalter ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung gehalten umfassend und unverzüglich die Aussichten einer umfassenden Befriedigung der Gläubiger zu prüfen. Hierzu gehören insbesondere Ansprüche aus Anfechtung und die Ermittlung des Zeitpunkts des Eintritts der materiellen Insolvenz. Entsprechendes Personal dafür hat er vorzuhalten oder Dritte als Dienstleister damit zu beauftragen.

    2.Die Ziele des Insolvenzverfahrens, gleichmäßige Gläubigerbefriedigung und Sanierung, stehen gleichberechtigt nebeneinander in einem Spannungsverhältnis.

    LG Dresden, Urt. v. 31. 5. 2013 - 10 O 3091/12

  • 1.Die Ressortspezialisierung der einzelnen Vorstandsmitglieder einer AG entbindet diese nicht von der persönlichen Haftung in der Krise, da sich ihre besondere Überwachungspflicht in dieser Zeit auf die Gesamtgeschäftsführung erstreckt.

    2.Haben die Vorstandsmitglieder vor und während der Krise permanent qualifizierte externe Beratung in Anspruch genommen, aus der sich für sie zwar eine schwierige Situation, nicht aber eine Insolvenzantragspflicht entnehmen ließ, widerlegt dies hinreichend das ansonsten zu vermutende Verschulden, denn die Geschäftsleiter einer Gesellschaft müssen nicht selbst über die Fähigkeit verfügen, die Insolvenzreife einer Gesellschaft zu erkennen.

    LG Lüneburg, Urt. v. 30. 5. 2013 - 7 O 119/12

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