Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • [h=1]Rechtsweg für Feststellung der Deliktsnatur einer Insolvenzforderung[/h]
    VwGO § 40 I; GVG §§ 13, 17 a IV; InsO §§ 185, 302 Nr. 1; AO § 69; BGB §§ 823 II, 826


    Der im Verfahren nach §§ 179 ff. InsO isoliert auszutragende Feststellungsstreit um die rechtliche Einordnung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung auf Gewerbesteuerhaftung (§ 69 AO) als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i. S. des § 302 Nr. 1 InsO ist im Zivilrechtsweg zu führen (im Anschluss an BGH, WM 2011, 142 = BeckRS 2010, 30435).

    BVerwG, Beschluss vom 12. 4. 2013 – 9 B 37/12

  • 1. In der Zahlung einer Geldstrafe kann eine anfechtbare Rechtshandlung i.S.v. § 133 I InsO liegen (vgl. BGH, FD-StrafR 2010, 311356).

    2. Die Regelung des § 36 I InsO, nach der unpfändbare Gegenstände nicht zur Masse gezogen werden dürfen, ist auf die Zeit vor Insolvenzeröffnung nicht anwendbar. Deshalb kommt es für die Frage der Gläubigerbenachteiligung nicht darauf an, ob der Insolvenzschuldner die Geldstrafe aus einem Teil seines Vermögens gezahlt hat, der möglicherweise unpfändbar gewesen wäre.

    3. Bei der Frage, inwieweit bei dem beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bestand, sind im Rahmen der Wissenszurechnung verschiedener Behörden grundsätzlich deren Zuständigkeitsgrenzen zu beachten (vgl. BGH, NJW 2011, 2791).

    4. Behauptet der Insolvenzverwalter im Anfechtungsprozess wegen der Zahlung einer Geldstrafe, die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei in der Hauptverhandlung im Strafprozess im Einzelnen erörtert worden, so kann sich das beklagte, durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vertretene Land nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken, sondern muss sich konkret zu den Vorgängen in der Hauptverhandlung erklären.

    OLG Zweibrücken, Urteil vom 17.05.2013

  • Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung eines gesellschaftsrechtlichen Schein-auseinandersetzungsguthaben als unentgeltliche Leistung anfechten, wenn tatsächlich keine Erträge erwirtschaftet worden sind, sondern die Auszahlung aus einer im Schneeballsystem gewonnenen Einlage ermöglicht wird; das gilt auch für eine Gewinnvorauszahlung.

    Die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist unentgeltlich, auch wenn der Leistungsempfänger irrtümlich vom Bestehen der Forderung ausgegangen ist (Anschluss an BGHZ 179, 137 Rn. 6).

    BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10 -

  • InsO § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2

    a) Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

    b) Der Schuldner hat umfassend über seine Einnahmen aus der selbständigen Tätig-keit Auskunft zu geben, wenn er geltend macht, im Hinblick auf mangelnde Erträge keine oder wesentlich niedrigere Beträge, wie nach dem fiktiven Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO geboten ist, an die Insolvenzmasse abführen zu können.

    BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 -

  • 1. Wird eine für ein Gesellschafterdarlehen anfechtbar bestellte Sicherung verwertet, greift die Anfechtung mangels einer Sperrwirkung des Befriedigungstatbestandes auch dann durch, wenn die Verwertung länger als ein Jahr vor der Antragstellung erfolgte.

    2. Eine von der Schuldnerin zur Sicherung eines Darlehens gewährte Forderungsabtretung ist anfechtbar, wenn der Gesellschafter der Schuldnerin mit 50 v.H. an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.

    BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11

  • Eine Zahlung an einen Gläubiger des Insolvenzschuldners stellt dann eine Leistung "an den Schuldner" i.S.v. Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rats v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren dar, wenn diese Zahlung zur Erfüllung einer gegenüber dem Insolvenzschuldner eingegangenen Verpflichtung erfolgt.

    EuGH, Schlussanträge v. 8. 5. 2013 - Rs. C-251/12

  • Nur wenn für die Forderung eines klagenden Gläubigers ein vollstreckbarer Titel vorliegt, obläge es dem bestreitenden Insolvenzverwalter den Widerspruch durch Aufnahme des Rechtsstreits zu verfolgen. Für den Fall einer unberechtigten Aufnahme hat er die verursachten Kosten zu tragen.

    BAG, Entscheidung v. 15. 5. 2013 - 5 AZR 252/12 (A)

  • Sind Lieferanten, Waren- oder Geldkreditgeber nicht bereit, sich unter der bisherigen Führung des Schuldners an einer kooperativen Sanierung zu beteiligen und einen Sanierungsbeitrag zu leisten oder auch nur die Belieferung aufrechtzuerhalten, so resultieren hieraus Nachteile i.S.v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO.

    AG Köln, Beschl. v. 1. 7. 2013 - 72 IN 211/13

  • 1.Kostenforderungen, die aus der anwaltlichen Vertretung des Betriebsrats vor Stellung des Insolvenzantrags resultieren, sind Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO.
    2.Eine selbstständige Verpflichtung i.S.v. §§ 780, 781 BGB ist nur anzunehmen, wenn die mit dem Versprechen übernommene Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen losgelöst und rein auf den Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Der Parteiwille darf nicht nur auf Bestätigung einer bestehenden Verpflichtung, sondern muss auf Begründung einer vom Grundgeschäft losgelösten Verpflichtung wenigstens dem Grunde nach gerichtet sein.

    LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21. 3. 2013 - 2 TaBV 43/12

  • 1.Hat der Schuldner in einem gerichtlichen Vergleich den Rechtsgrund der dadurch titulierten Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung außer Streit gestellt, so steht für den Feststellungsprozess bindend fest, dass die Forderung auf einer unerlaubten Handlung beruht.

    2.Der Nachweis der deliktischen Forderung kann auch durch einen Vertrag, der ein Anerkenntnis enthält, geführt werden.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 7. 6. 2013 - I-7 U 198/11

  • 1. Wird eine für ein Gesellschafterdarlehen anfechtbar bestellte Sicherung verwertet, greift die Anfechtung mangels einer Sperrwirkung des Befriedigungstatbestandes auch dann durch, wenn die Verwertung länger als ein Jahr vor der Antragstellung erfolgte.

    2. Eine von der Schuldnerin zur Sicherung eines Darlehens gewährte Forderungsabtretung ist anfechtbar, wenn der Gesellschafter der Schuldnerin mit 50 v.H. an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.

    BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11

    Die Fundstelle passt nicht. Könnte die Entscheidung allerdings auch nicht finden.

  • Wird eine für ein Gesellschafterdarlehen anfechtbar bestellte Sicherung verwertet, greift die Anfechtung mangels einer Sperrwirkung des Befriedigungstatbestandes auch dann durch, wenn die Verwertung länger als ein Jahr vor der Antragstellung erfolgte.
    Eine von der Schuldnerin zur Sicherung eines Darlehens gewährte Forderungsabtretung ist anfechtbar, wenn der Gesellschafter der Schuldnerin mit 50 v.H. an der dar-lehensgebenden Gesellschaft beteiligt und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.

    BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11 -

  • Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Ersatzanspruch nach § 64 GmbHG geltend und beruft sich dabei auf eine Überschuldung der Gesellschaft i.S.d. § 19 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung, hat er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten darzulegen; die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose - mit der Folge einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten - obliegt dem Geschäftsführer. Im Zusammenhang mit Kontobewegungen fallen unter den Begriff der verbotenen Zahlungen nach § 64 Abs.

    GmbHG a.F. nicht nur Auszahlungen an Gesellschaftsgläubiger, sondern auch Einzahlungen auf Gesellschaftskonten, wenn diese zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem das Konto debitorisch geführt wird, denn auch dadurch tritt eine Gläubigerbenachteiligung ein, weil durch die Rückführung des Debets die Schuldnerbank als Gläubigerin gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern bevorzugt wird.

    Der Geschäftsführer ist verpflichtet, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern; hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Fehlt ihm hierfür die erforderliche Sachkunde, ist er nur entschuldigt, wenn er sich unverzüglich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und das Ergebnis dieser Beratung einer Plausibilitätskontrolle unterzieht.

    OLG Hamburg, Urt. v. 20. 6. 2013 - 11 U 107/11

  • Nach § 174 Abs. 2 InsO sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Mit dem Grund der Forderung ist der Klagegrund und damit der Sachverhalt gemeint, aus dem die Forderung entspringt. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben kann, muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden.

    Handelt es sich um eine Sammelanmeldung, der mehrere Forderungen eines Berechtigten zugrunde liegen, hat für jede einzelne Forderung eine Substanziierung zu erfolgen. Jede einzelne Forderung muss individualisierbar sein, damit es dem Verwalter und anderen Gläubigern möglich bleibt, einzelne Forderungen zu bestreiten. Von daher genügt es nicht, die einzelnen Forderungen nur zu addieren und lediglich den Gesamtbetrag mit einer Aufstellung der hieran beteiligten Gläubiger anzugeben.

    Wenn mehrere Forderungen im Raum stehen und der Gläubiger Verrechnungen mit - streitigen - Gegenansprüchen des Schuldners vornimmt, muss aus einer Sammelanmeldung deutlich hervorgehen, welche Verrechnung sich auf welche Forderung bezieht. Ansonsten wäre der Insolvenzverwalter nicht in der Lage zu prüfen, ob die Aufrechnungsvoraussetzungen bei den einzelnen Gegenforderungen vorliegen, z.B. wenn Aufrechnungshindernisse bestehen.

    § 174 Abs. 2 InsO dient auch dem Schutz der übrigen Insolvenzgläubiger, sodass nicht aufgrund einer Vorkenntnis des Insolvenzverwalters ein niedrigerer Maßstab anzulegen ist.

    OLG Jena, Endurt. v. 20. 3. 2013 - 2 U 554/12

  • Handelt ein vorläufiger Insolvenzverwalter im Rahmen eines Lastschriftwiderrufs ausschließlich aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung und tritt als Folge eines Widerrufs u.a. die Befreiung des Gesellschafters der Schuldnerin ein, so kann dieses Handeln nicht dem Schuldner als Rechtshandlung i.S.d. § 135 Abs. 2 InsO zugerechnet werden.

    OLG München, Endurt. v. 2. 7. 2013 - 5 U 5067/12

  • Der Verstoß gegen die mietvertragliche Verpflichtung, die Zustimmung des Vermieters bei einer Unterverpachtung einzuholen, ist nicht gleichbedeutend mit einer Verletzung von Sorgfalts- oder Schutzpflichten, die dem Insolvenzverwalter gegenüber der Schuldnerin auferlegt sind.

    OLG München, Hinweisbeschl. v. 30. 10. 2012 - 14 U 2739/12

  • Die Wahrnehmung der Chance eines Gläubigers auf eine mögliche Anfechtung erlangter Zahlungen zu warten, um bei Unterlassen der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter die gezahlten Gelder behalten zu dürfen, bedeutet auf der Kehrseite, dass sich ein so handelnder Gläubiger im Fall der begründete Anfechtung nicht nur der Rückzahlung des Erlangten zu unterwerfen hat, sondern auch der Zahlung von Verzugszinsen.

    LG Dortmund, Urt. v. 4. 6. 2013 - 1 S 282/12

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