Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Der Anspruch des Schuldners gegen seinen (hier: getrennt lebenden) Ehegatten auf Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Insolvenzverfahrens ist nicht davon abhängig, dass die Verbindlichkeiten, die Gegenstand des Insolvenzverfahrens sind, im Zusammenhang mit der ehelichen Lebensgemeinschaft stehen (Anschluss BGH, Beschl. v. 25.11.2009 - XII ZB 46/09; entgegen BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - IX ZB 539/02, ZInsO 2003, 800).

    LG Duisburg, Beschl. v. 28. 9. 2012 - 7 T 130/12

  • Ist der vom Schuldner gem. § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO vorgeschlagene vorläufige Sachwalter beim Insolvenzgericht in der Vergangenheit aus dem Kreis der dort bestellten Insolvenzverwalter delistet worden, so kommt eine nunmehrige Bestellung des Vorgeschlagenen als vorläufiger Sachwalter von vornherein nicht in Betracht.

    Gegen die abweichende Entscheidung des Insolvenzgerichtes gem. § 270b Abs. 2 S. 2 InsO (Nichteinsetzung des vom Schuldnerunternehmen vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalters) im Schutzschirmverfahren ist kein Rechtsmittel gegeben. Zum Inhalt eines Hinweises nach § 270a Abs. 2 InsO gehören Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages (sofern gegeben) und Hinweise zum Eintritt der Voraussetzungen des § 270b Abs. 4 S. 2 InsO (sofern gegeben).

    AG Hamburg, Beschl. v. 2. 7. 2013 - 67e IN 108/13

  • Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nach Satz 3 der 22. Begründungserwägung der EuInsVO ist es, dass das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht wird, seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 EuInsVO überprüft, dh. untersucht, ob der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in diesem Mitgliedstaat hat. Im Gegenzug dazu verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, dass die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anerkennen, ohne die Zuständigkeitsbeurteilung des ersten Gerichts überprüfen zu können.

    Mit dem deutschen ordre public iSv. § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO ist eine Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er über die Frage entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint.

    Ein Verstoß gegen den ordre public ist nur ausnahmsweise anzunehmen. Erforderlich ist eine offensichtliche Verletzung wesentlicher Grundsätze deutschen Rechts. Bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht. In erster Linie ist darauf abzustellen, ob bereits die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen ordre public verstößt (anerkennungsrechtlicher oder auch verfahrensrechtlicher ordre public). Eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public führt grundsätzlich dazu, dass der Verfahrenseröffnungsakt nicht anerkannt wird. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann auch dadurch begründet sein, dass die Anwendung ausländischen Rechts aufgrund von Kollisionsnormen nachgeordnete Folgewirkungen erzeugt (materiell-rechtlicher ordre public). Das entzieht der Anerkennung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht insgesamt die Grundlage, sondern führt dazu, dass die entsprechenden ausländischen Rechtsnormen nicht angewandt werden.

    Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird ua. durch das Verbot der Einzelfallgesetzgebung in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Dass der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass der Regelung nimmt, macht die Bestimmung nicht zu einem Einzelfallgesetz, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln.

    Das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

    Ein Arbeitnehmer, der sich zur Klageerhebung eines Prozessbevollmächtigten bedient, haftet demgegenüber nicht für das Verschulden von Hilfspersonen seines Prozessbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt darf einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbstständigen Erledigung übertragen. Solche einfachen Tätigkeiten sind die Überprüfung bestimmender Schriftsätze auf die erforderliche Unterschrift und das Absenden eines Telefaxes. Der Rechtsanwalt muss allerdings durch eine allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen haben, dass bei normalem Lauf der Dinge Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift vermieden werden. Den Prozessbevollmächtigten darf kein eigenes Organisationsverschulden an der Fristversäumung treffen, etwa bei der Auswahl oder Überwachung der Hilfsperson.

    Für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats iSv. § 102 Abs. 1 BetrVG genügt es, dass der Betriebsrat über die für die Berechnung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins erforderlichen Kenntnisse verfügt. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und mit welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden soll. Der Arbeitgeber kann keinen ungefähren Endtermin nennen, wenn er vor Erklärung der Kündigung noch die Zustimmung oder Zulässigerklärung einer anderen Stelle einzuholen hat. In diesem Fall reicht es aus, wenn er den Betriebsrat auf die noch einzuholende Zustimmung oder Zulässigerklärung hinweist oder sie dem Betriebsrat bekannt ist. Dann braucht der Arbeitgeber den Betriebsrat bei unverändertem Kündigungssachverhalt nicht erneut zu beteiligen, selbst wenn das Zustimmungs- oder Zulässigerklärungsverfahren jahrelang andauert. Die Betriebsratsanhörung kann bereits vor der Zustimmung oder Zulässigerklärung der zuständigen Behörde erfolgen.

    BAG, Urt. v. 25. 4. 2013 - 6 AZR 49/12


  • Die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Wirtschaftsgüter resultiert, ist als sonstige Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren.

    Diese Einkommensteuerschuld ist auch dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, wenn das verwertete Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet war und - nach Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger aus dem Verwertungserlös - der (tatsächlich) zur Masse gelangte Erlös nicht ausreicht, um die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu befriedigen (Aufgabe der anderslautenden Rechtsprechung im BFH-Urt. v. 29.3.1984 - IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl. II 1984, 602, unter 3.).

    BFH, Urt. v. 16. 5. 2013 - IV R 23/11

  • Nach Abweisung eines Gläubigerantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse kann der betroffene Schuldner ohne Einhaltung einer Sperrfrist jederzeit eigene Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung und Verfahrenskostenstundung stellen.

    AG Köln, Beschl. v. 1. 7. 2013 - 72 IN 224/13

  • § 184 Abs. 2 InsO ist lediglich zu entnehmen, dass es dem Schuldner obliegt, binnen einer Frist von einem Monat seinen Widerspruch zu verfolgen, ohne diese Verfolgung von der notwendigen Erhebung einer Klage abhängig zu machen. Der Widerspruch ist vielmehr mit den im Zeitpunkt der Unterbrechung vorgesehenen jeweiligen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfs aufzunehmen und fortzusetzen.

    BFH, Beschl. v. 15. 3. 2013 - VII B 49/12

  • Für eine Feststellung des Gebührenstreitwerts ist § 58 GKG grundsätzlich auch im Fall der Antragsrücknahme anzuwenden. Insoweit sind auch Absonderungsrechte der Gläubigerin im Rahmen von § 58 Abs. 2 GKG in Abzug zu bringen, denn für eine unterschiedliche Bestimmung des Werts der Insolvenzmasse als Bemessungsgrundlage für den Fall eines Eigen- oder eines Gläubigerantrags bestehen keine tatsächliche oder systematische Anhaltspunkte.

    LG Itzehoe, Beschl. v. 24. 6. 2013 - 4 T 57/13

  • Es kann dem Insolvenzverwalter nicht zum Nachteil gereichen, wenn dieser eine wirtschaftlich sinnvolle Gestaltung - Kapitalausstattung der Tochtergesellschaften - wählt, anstatt eine Zahlungsweise zu wählen, welche eine formal für ihn günstigere Schlussrechnung ergibt.

    Werden durch eine Investorin den Tochtergesellschaften einer Schuldnerin aufgrund eines Kaufvertrags über das Vermögen der Schuldnerin Finanzmittel zugeführt, auf welche diese keinen Anspruch haben, dann sind diese Zahlungen im Rahmen einer gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung auch der Berechnungsgrundlage für die Vergütung zuzurechnen.

    LG München I, Beschl. v. 19. 6. 2013 - 14 T 12868/13

  • Der negativen Feststellungsklage, mit welcher die schuldnerische GmbH ihren im Prüfungstermin erhobenen Widerspruch gegen die Feststellung einer Forderung verfolgt, für die ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorliegt, kann nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, solange nicht feststeht, dass eine Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.

    BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - IX ZR 286/12 -

  • Stellt eine Gesellschafterin ihren Gewinnauszahlungsanspruch in der Krise fällig, nachdem der andere Gesellschafter eine diesbezügliche Rangrücktrittserklärung abgegeben hat und begründet auch mit diesem Anspruch die Einleitung bzw. Fortsetzung eines Schutzschirmverfahrens, so ist ein solches Handeln rechtsmissbräuchlich und mit den Treuepflichten eines Gesellschafters unvereinbar.

    LG Frankfurt/M., Beschl. v. 19. 7. 2013 - 3-09 O 78/13


  • 1. Für einen Streit über die Massezugehörigkeit des Pkw eines schwerbehinderten Schuldners zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter (Treuhänder) ist weder das Vollstreckungs- noch das Prozess-, sondern das Insolvenzgericht zuständig.

    2. Das Insolvenzgericht entscheidet als besonderes Vollstreckungsgericht im Verfahren gem. § 36 Abs. 4 InsO nicht nur in den in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO aufgeführten Fällen.

    LG Göttingen, Beschl. v. 7. 3. 2013 - 10 T 18/13, ZVI 2013, 159

  • Bei Insolvenz des Vermieters und einem viele Jahre zuvor geschlossenen Altmietvertrag begründen weder die Gebrauchsgewährung gegen eine deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Kaltmiete noch die in der Vergangenheit unterbliebene, rechtlich zulässige Mieterhöhung als solche eine nach §§ 129, 134 InsO anfechtbare, (teilweise) unentgeltliche Leistung.

    OLG München, Beschluss vom 21.06.2013 - 14 U 579/13

  • KG, Beschluss vom 10.06.2013 - 2 Ws 190/13 - 141 AR 168/13


    1. Die Wirksamkeit eines vor Beginn der Fristen der §§ INSO § 88, INSO § 130 InsO angeordneten und durch Pfändung bereits vollzogenen dinglichen Arrests in das Vermögen einer Gesellschaft wird durch ein nachfolgendes Insolvenzverfahren nicht berührt.

    2. Dies gilt auch dann, wenn der dingliche Arrest allein der Sicherung des staatlichen Auffangrechtserwerbs im Sinne des § STPO § 111i Abs. STPO § 111I Absatz 5 StPO dient.

  • a) Zahlt ein Gesellschafter, dem im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag von der Gesellschaft Darlehen zurückgewährt worden sind, die erhaltenen Beträge an die Gesellschaft zurück, um die ursprüngliche Vermögenslage der Gesellschaft wiederherzustellen, entfällt die mit der Rückgewährung eingetretene objektive Gläubigerbenachteiligung; erfolgt die Rückzahlung auf ein im Soll geführtes Konto der Gesellschaft bei einer Bank, für das der Gesellschafter eine Sicherheit bestellt hat oder als Bürge haftet, kann die Rückführung des Saldos gemäß § 135 Abs. 2 InsO anfechtbar sein.

    b) Führt die Gesellschaft durch die Zahlung des Gesellschafters auf das debitorische Konto das besicherte Drittdarlehen nur teilweise zurück und kann der Gesellschafter weiterhin aus der von ihm bestellten Sicherheit von der Bank in Anspruch genommen werden, darf die Summe aus dem Anfechtungsanspruch nach § 135 Abs. 2 InsO und der fortbestehenden Verpflichtung des Gesellschafters aus der Sicherheit den Höchstbetrag der eingegangenen Sicherheitsverpflichtungen des Gesellschafters nicht übersteigen.

    Die vormaligen Novellenregeln der §§ 32a, 32b GmbHG aF sind im Sinne der Übergangsvorschrift zum MoMiG als Vorschriften der Insolvenzordnung über die Anfechtung von Rechtshandlungen anzusehen.

    BGH, Versäumnisurteil vom 4. Juli 2013 - IX ZR 229/12 -

  • 1. Veräußert der Insolvenzverwalter den schuldnerischen Geschäftsbetrieb im Wege eines asset-deals oder Beteiligungen der Insolvenzschuldnerin im Wege eines share-deals, sind vom Erwerber übernommene schuldrechtliche Verpflichtungen der Schuldnerin oder ihrer Tochtergesellschaften an Dritte als Teil der zu erbringenden Gegenleistung der Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters hinzuzurechnen.

    2. Für die Fortführung des Unternehmens ist ein Zuschlag auf die Vergütung des Insolvenzverwalters in Höhe von 50 Prozent angemessen, für die Sanierung des Unternehmens ist ein solcher in Höhe von 70 Prozent angemessen.

    LG München I, Beschl. v. 19. 6. 2013 – 14 T 12868/13

  • 1. Der Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist unzulässig, wenn der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt ist.

    2. Der Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist unzulässig, wenn dem Gericht in der diesbezüglichen Antragsschrift nicht eine repräsentative Besetzung des vorläufigen Ausschusses gem. § 67 Absatz II InsO vorgeschlagen und entsprechende Einverständniserklärungen der insofern in Betracht kommenden Personen mit der Amtsannahme beigefügt werden.

    AG Hamburg, Beschl. v. 6. 5. 2013 – 67 c IN 165/13

  • 1. Der pfändbare Teil des verschleierten Arbeitseinkommens unterfällt gem. § 36 Absatz I 2 InsO dem Massebeschlag. Deshalb wird die zukünftige Wirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gem. § § 114 Absatz III InsO für die Zwecke und die Dauer des Insolvenzverfahrens durchbrochen. Insoweit wird der Prioritätsgrundsatz des § 804 Absatz III ZPO durch das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung ersetzt.

    2. Der in einem Rechtsstreit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erreichte Prozesserfolg kann dadurch gesichert werden, dass der Treuhänder das verschleierte Arbeitseinkommen eines Schuldners aus dem Massebeschlag zu Gunsten eines Gläubigers freigibt und dieser sich verpflichtet, das beigetriebene verschleierte Arbeitseinkommen an die Insolvenzmasse abzufüh ren (modifizierte Freigabe). Eine solche Freigabeerklärung wirkt allerdings nur für die Zukunft.

    3. Ein vor Wirksamwerden der Ausgliederung nach § 123 Absatz III UmwG gegen den übertragenden Rechtsträger erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss entfaltet für die Dauer der Nachhaftung nach §§ UMWG § 156 f. UmwG weiterhin auch Wirkung gegenüber dem übertragenden Rechtsträger. Anderenfalls wäre der von §§ UMWG § 156 f. UmwG bezweckte Gläubigerschutz nicht ausreichend gewährleistet.

    4. Für eine Begrenzung der Nachhaftung auf den Zeitpunkt bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit ist kein Raum.

    5. Gemäß § 157 Absatz I 1 UmwG haftet der übertragende Einzelkaufmann nicht mehr für die Ansprüche auf fiktives Arbeitsentgelt i. S. von § 850h Absatz II ZPO, die später als fünf Jahre nach dem Ausgliederungsstichtag fällig werden. Das gilt auch dann, wenn innerhalb der Fünf-Jahres-Frist über diese Ansprüche ein vollstreckbarer Titel erwirkt worden ist.

    6. Auch verschleiertes Arbeitseinkommen i. S. von § 850h Absatz II ZPO gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse. Insoweit wird die Masse zu Gunsten der Gesamtheit der Gläubiger um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, verliert die Pfändung des pfändbaren Teils des verschleierten Arbeitseinkommens ihre Wirkung nach Ablauf des in § 114 Absatz III InsO genannten Zeitraums. Den pfändbaren Teil der angemessenen Vergütung kann danach nur noch der Treuhänder beanspruchen.

    7. Der in einem Rechtsstreit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erreichte Prozesserfolg kann dadurch gesichert werden, dass der Treuhänder das verschleierte Arbeitseinkommen eines Schuldners aus dem Massebeschlag zu Gunsten eines Gläubigers freigibt und dieser sich verpflichtet, das beigetriebene verschleierte Arbeitseinkommen an die Insolvenzmasse abzuführen (modifizierte Freigabe). Eine solche Freigabeerklärung wirkt allerdings nur für die Zukunft. Mit Wirksamwerden der Freigabe kann der Gläubiger mit dem durch die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichten Rang bis zum Ablauf der Nachhaftungsgrenze die Zwangsvollstreckung wieder betreiben.

    8. Mit Ablauf des Nachhaftungszeitraums der §§ UMWG § 156 f. UmwG endet die Vollstreckungsmöglichkeit aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Ein Urteil in einem im Zeitpunkt der Ausgliederung bereits anhängigen Rechtsstreit zwischen dem übertragenden Rechtsträger und einem Gläubiger entfaltet keine rechtskrafterstreckende Wirkung auf den übernehmenden Rechtsträger. § 265 Absatz II ZPO findet in einem solchen Fall weder unmittelbare noch analoge Anwendung.

    9. § 524 Absatz II 3 ZPO sieht bei Anschließungen in Prozessen, die eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ ZPO § 323 ZPO) zum Gegenstand haben, eine Ausnahme vom Erfordernis der Einlegung der Anschlussberufung innerhalb der Frist des § 524 Absatz II 2 ZPO vor. Diese Ausnahmeregelung erfasst Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, durch die sich nicht lediglich die Höhe der wiederkehrenden Leistungen ändert, sondern ein neuer Streitgegenstand eingeführt wird, insbesondere eine Änderung der Anspruchsberechtigung geltend gemacht wird, nicht.

    BAG, Urt. v. 16. 5. 2013 − 6 AZR 556/11

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