Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.§ 78 InsO soll einen "gezielten" Mehrheitsmissbrauch in der konkreten Situation einer Gläubigerversammlung zum einseitigen Nachteil einer Minderheit verhindern, nicht aber eine nachträgliche Prüfung der "wahren" Interessenlage durch das Insolvenzgericht ermöglichen.

    2.Wird mit der Summenmehrheit eines potenziellen Zahlungsverpflichteten der Antrag des Insolvenzverwalters abgelehnt, ihm für die Führung eines aussichtsreichen Prozesses gegen diesen Gläubiger die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, so widerspricht ein solcher Beschluss eindeutig den Interessen der unterlegenen Minderheit, da es nur darum geht, die Realisierung von Forderungen gegen einen Gläubiger zu verhindern.

    LG Konstanz, Beschl. v. 1. 7. 2013 - 62 T 68/13 A

  • Gem. § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

    LSG Bayern, Urt. v. 23. 4. 2013 - L 20 R 819/09

  • 1.Das bloße Bestehen eines bereicherungsähnlichen Rückgewähranspruchs aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO beseitigt die Erfüllungswirkung gezahlten Arbeitsentgelts so lange nicht, wie keine tatsächliche Rückzahlung erfolgt ist.

    2.Jedenfalls in solchen Fällen, in denen nicht nur eine Anfechtung der Entgeltzahlung nach § 131 InsO mit der Rechtsfolge der §§ 143, 144 InsO vorliegt, sondern die Rückforderung durch einen gerichtlichen Vergleich tituliert worden ist, liegt eine der tatsächlichen Rückzahlung gleichzustellende Konstellation vor.

    LSG NRW, Beschl. v. 22. 8. 2013 - L 9 AL 133/13 B

  • Wird ein aufgrund eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts erworbener Gegenstand weiterveräußert, wandelt sich der Anspruch auf Rückgewähr des durch das angefochtene Rechtsgeschäft Erlangten als Primäranspruch automatisch in einen Wertersatzanspruch (Sekundäranspruch) um.

    VG Göttingen, Urt. v. 12. 9. 2013 - 2 A 718/13

  • Versagungsanträge zur Gewährung der Restschuldbefreiung können nur Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben und deren Forderungen zur Tabelle festgestellt worden sind bzw. für den Fall des Bestreitens die rechtzeitige Erhebung einer Feststellungsklage nachweisen können.

    LG Flensburg, Beschl. v. 31. 10. 2013 - 5 T 89/13

  • 1.Das Regelhonorar eines vorläufigen Sachwalters ist zu bestimmen auf 25 % des Honorars eines endgültigen Sachwalters dessen Honorar sich auf der Basis von 60 % desjenigen des Insolvenzverwalters bemisst.

    2.Ein beantragter Zuschlag für eine Betriebsfortführung (hier 45 %) scheidet in der Eigenverwaltung regelmäßig aus, denn die Eigenverwaltung mit Sachwalterbetreuung setzt schon aufgrund ihrer Zweckbestimmung eine Betriebsfortführung voraus, sodass die darauf bezogene Aufsichts- und Kontrollfunktion schon mit der Regelvergütung abgegolten ist. Dies gilt vergleichbar auch für Zuschläge wegen einer besonders hohen Zahl von Arbeitnehmern, denn gerade bei der Eigenverwaltung gibt es naturgemäß keine bis wenig Berührungspunkte zu den Arbeitnehmern.

    3.Ein Zuschlag für eine umfangsmäßig der Insolvenzverwaltung gleichstehende Tätigkeit scheidet schon deshalb aus, weil er letztlich darauf hinausliefe, den Ansatz von 60 % als Regelhonorar eines Sachwalters vollständig und ohne nähere Differenzierung zu unterlaufen.

    LG Bonn, Beschl. v. 11. 10. 2013 - 6 T 184/13

  • 1.Ansprüche auf Urlaubsabgeltung sind Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS InsO; das gilt für den Urlaubsabgeltungsanspruch insgesamt.

    2.Eine Aufteilung in einen vor und einen nach Verfahrenseröffnung entstehenden Teilurlaubsanspruch ist mit dem Urlaubsrecht nicht vereinbar.

    3.Bestimmt der Insolvenzverwalter mit seiner Freistellungserklärung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB, welche Ansprüche er in welcher Reihenfolge mit der Freistellung erfüllen will, soll mit der Formulierung "unter Anrechnung seiner Ausgleichsansprüche nach dem Arbeitskonto, unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche" zuerst die Freistellung unter Anrechnung der Ausgleichsansprüche nach dem Arbeitszeitkonto und danach unter Anrechnung der Urlaubsansprüche erfüllt werden; ein anderer Sinn kommt dieser Reihenfolge für den Arbeitnehmer erkennbar (§ 133 BGB) nicht zu.

    4.Die mit einer Freistellungserklärung vorgenommene Tilgungsbestimmung des § 366 Abs. 1 BGB gilt auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis.

    LAG Sachsen, Urt. v. 26. 2. 2013 - 1 Sa 360/12

  • OLG Hamm, Urt. v. 16. 4. 2013 – 27 U 139/12
    Zur Beweislast der beklagten Partei als Gesellschafter einer GmbH bei einer Klage des Insolvenzverwalters auf Einzahlung der Stammeinlage in Höhe des Nennbetrages des Geschäftsanteils; keine Beweislastumkehr aus Billigkeitsgründen

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    Bundesarbeitsgericht
    Urteil vom 21. November 2013 - 6 AZR 979/11 -

    Pressemitteilung Nr. 71/13

    Keine Passivlegitimation des Insolvenzverwalters für Kündigungsschutzklage nach Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO


    Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Insolvenzverwalter über. Eine Kündigungsschutzklage ist dann gegen den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu richten, und zwar auch dann, wenn die Kündigung noch vom Insolvenzschuldner erklärt wurde.

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  • Die Fahrzeugzulassung darf in Niedersachsen grundsätzlich auch dann von der Zahlung von Gebühre und Auslagen aus vorangegangenen Zulassungsvorgängen abhängig gemacht werden, wenn über das Vermögen des Fahrzeughalters ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

    VG Lüneburg, Beschluss vom 10. 10. 2013 − 1 B 72/13

  • 1.Nach § 36 Abs. 1 InsO gehört pfändungsfreies Arbeitsentgelt i.S.v. § 850c ZPO nicht zur Insolvenzmasse. Der Arbeitnehmer ist trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen insoweit klagebefugt.

    2.Bei der Berechnung des pfändungsfreien Arbeitsentgelts ist der Ehegatte nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner ihm tatsächlich Unterhalt leistet. Bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, ist davon grds. auszugehen. Bei getrennt lebenden Ehegatten muss der Schuldner nachweisen, dass er tatsächlich Unterhalt leistet.

    BAG, Urt. v. 28. 8. 2013 - 10 AZR 323/12

  • 1.Für die Prüfung der Klagebefugnis kommt es nicht darauf an, ob die behauptete Rechtsverletzung tatsächlich vorliegt. Dementsprechend genügt für eine Klagebefugnis des Insolvenzverwalters, dass er sich gegen (auch) ihm zugestellte Bescheide gerichtlich zu Wehr setzt, die möglicherweise die Insolvenzmasse betreffen. Ob Letzteres tatsächlich zutrifft, ist allein eine Frage der Begründetheit der Klage.

    2.Bei Regressforderungen aus vertragsärztlicher Tätigkeit ist nach der Rechtsgrundlage der Forderung zu differenzieren. Bei unzulässiger Verordnung von Medikamenten ist i.d.R. die Grundlage eines späteren Rückgriffs bereits hierdurch oder spätestens durch die Ausgleichung der Apothekenforderung seitens der Krankenkasse gelegt. Bei nachträglicher Wirtschaftlichkeitsprüfung entsteht dagegen der Regressanspruch nicht vor Ablauf des Vergleichsjahres nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 5, 1. HS SGB V (Anknüpfungspunkt für die Richtgrößenermittlung).

    3.Nach Insolvenzeröffnung entstandene Regressverbindlichkeiten aufgrund Überschreitung der Richtgrößenvolumina stellen keine notwendigen Ausgaben zur Erzielung von Einnahmen aus dieser Tätigkeit und damit auch keine Masseforderungen bzw. -verbindlichkeiten dar; sie richten sich vielmehr als Neuverbindlichkeit gegen den Schuldner (Vertragsarzt) selbst.

    LSG NRW, Urt. v. 15. 5. 2013 - L 11 KA 147/11

  • 1.Sind die Gläubiger in einem Insolvenzverfahren entgegen Art. 103 GG nicht im Rahmen der Festsetzung einer beantragten Vergütung angehört worden, müssen sie auch nicht mit einer alsbaldigen Festsetzung der Vergütung rechnen. Sie sind daher auch nicht gehalten, Veröffentlichungen im Internet daraufhin zu kontrollieren, ob Vergütungen festgesetzt worden sind.

    2.Auf eine unrichtige Bekanntmachung zur Festsetzung einer Vergütung (hier Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters statt des vorläufigen Insolvenzverwalters) kann sich kein Vertrauen des durch die tatsächliche Festsetzung begünstigten vorläufigen Verwalters gründen. Legen die Gläubiger infolge Unkenntnis der bereits erfolgten, aber nicht richtig bekannt gemachten Festsetzung, erst lange Zeit später sofortige Beschwerde ein, so stellt dies für den Begünstigten auch keine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte da.

    3.Ein Antragsteller hat die Berechnungsgrundlage mit konkretem Tatsachenvortrag zu belegen und für das Gericht nachvollziehbar darzulegen, wie sich die von ihm zugrunde gelegte Masse berechnet. Solange ein Antragsteller dieser Darlegungslast nicht nachkommt, ist es nicht die Aufgabe des Gerichts sich aus anderen Behelfsunterlagen oder gar durch Hinzuziehung eines Sachverständigen ein eigenes Bild von der richtigen oder falschen Berechnung zu machen.

    4.Trägt ein Antragsteller im Rahmen der Geltendmachung von Erhöhungstatbeständen wegen erheblicher Mehrbelastung vor, er könne den tatsächlichen Mehraufwand einer Tätigkeit nicht darlegen, weil er Zeit- und Stundennachweise sowie Einsatzlisten für die Mitarbeiter nicht geführt habe und dazu auch nicht verpflichtet sei, ist dem Gericht eine am tatsächlichen Mehraufwand orientierte Beurteilung der Angemessenheit eines Zuschlags nicht möglich.

    5.Im Rahmen einer Gesamtschau ist stets zu berücksichtigen, dass in einem Insolvenzverfahren realisierte Zuschlagstatbestände nicht getrennt oder isoliert voneinander bearbeitet werden, sondern sich mit Synergieeffekten gleichzeitiger Bearbeitungen in anderen Bereichen zumindest teilweise überschneiden.

    LG Aurich, Beschl. v. 29. 10. 2013 - 4 T 206/10

  • 1.Dem sog. "isolierten Sachverständigen" ist nach der Neufassung des JVEG vom 23.7.2013 regelmäßig ein Stundensatz von 95 € zuzubilligen.

    2.Dagegen spricht auch nicht die Gesetzesbegründung, denn aus der neuen Sachgebietsliste ergibt sich im Hinblick auf die in Nr. 6 aufgeführten unterschiedlichen Honorargruppen gerade keine regelmäßige Einordnung.

    3.Insbesondere kann nicht im Regelfall eine Einordnung unter die Honorargruppe 11 ("Unternehmensbewertung" = 115 €) vorgenommen werden. Auch nach der Rechtsprechung zur alten Rechtslage erfolgte regelmäßig keine Einordnung unter die bereits im JVEG a.F. existierende Honorargruppe 10 ("Unternehmensbewertung").

    AG Darmstadt, Beschl. v. 17. 10. 2013 - 9 IN 612/13

  • BGH, Beschluss vom 21.11.2013, IX ZB 22/12, ohne Leitsatz.

    Die vom Schuldner aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogenen Altersrenten - eine ausländische und eine deutsche in Höhe kann nach § 850e Nr. 2a ZPO zusammengerechnet werden so, dass der nach dem so ermittelten Gesamteinkommen gemäß § 850c ZPO unpfändbare Betrag in erster Linie der von dem ausländischen Rententräger gezahlten Altersrente zu entnehmen ist.

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  • BGH, Beschluss vom 14. November 2013 - IX ZB 101/11

    Der Lauf der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen die Vergütung festsetzenden Beschluss ist nach Veröffentlichung des Beschlusses im Internet und der dadurch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO bewirkten Zustellung nach § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Fall 2 BGB zu berechnen.

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  • BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12

    Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt.
    ...

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