Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Der Ausschluss von Zuwendungsbewerbern, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet worden ist, von der Gewährung öffentlicher Zuwendungen nach Nr. 3 Satz 2 der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlassenen "Förderrichtlinie des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser II - Förderzeitraum 2012 - 2014" vom 17.11.2011 und der darauf beruhenden ständigen Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

    OVG Niedersachsen, Urt. v. 15. 11. 2016 - 8 LB 58/16

  • Die entgeltliche Recherche via App unter Verknüpfung bzw. Auswertung der öffentlich zugänglichen Daten der Datenbank http://www.insolvenzbekanntmachungen.de stellt eine Datenveränderung i.S.v. § 3 Abs. 4 Nr. 2 BDSG dar.

    Insbesondere aufgrund der mit der gegenständlichen App verknüpften Kartenfunktion und somit einhergehenden "Prangerwirkung" dürfte diese das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Schuldner verletzen - diese App daher unzulässig sein.


    AG Rockenhausen, Urt. v. 26. 7. 2016 - 2 C 341/16

  • Die Vergütung des Insolvenztreuhänders ist dem Privatbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen und kann deshalb nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

    Hat der Steuerpflichtige die entscheidende Ursache für seine Zahlungsschwierigkeiten selbst gesetzt, so kann die Insolvenztreuhändervergütung auch nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.


    BFH, Urt. v. 4. 8. 2016 - VI R 47/13

  • Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss eine Masseverbindlichkeit auf eine - wie auch immer geartete - Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Die erforderliche insolvenzrechtliche Begründung ist nicht mit der steuerlichen Entstehung (z.B. § 36 Abs. 1 EStG) oder der Fälligkeit der Steuerforderung gleichzusetzen. Eine Einkommensteuerschuld sowie Einkommensteuervorauszahlungen, die auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten gewerblichen Einkünfte des Insolvenzschuldners entfallen, sind keine vorrangig zu befriedigenden Masseverbindlichkeiten.

    FG Düsseldorf, Urt. v. 21. 7. 2016 - 11 K 613/13 E

  • Die Höhe der Vergütung des in einem Regelinsolvenzverfahren bestellten Sachverständigen, der nicht zugleich als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wurde (sog. isolierter Sachverständiger), richtet sich nicht nach § 9 Abs. 2 JVEG, sondern liegt regelmäßig darüber.

    Für die Eingruppierung des Sachverständigen in eine Honorargruppe kommt es auf den dem Sachverständigen erteilten Auftrag an, nicht auf das Ergebnis seines Gutachtens.


    OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 8. 2016 - 6 W 45/16

  • Das Sanierungskonzept muss sich aus den Informationen, die dem Gläubiger mitgeteilt werden, als schlüssig darstellen und Erfolg versprechend erscheinen. Sicher muss der Erfolg indes nicht sein.

    Von einem Erfolg versprechenden Sanierungsplan kann der Gläubiger nicht ausgehen, wenn er keine Kenntnis von den Ursachen der drohenden Insolvenz sowie den Gründen für eine positive Fortführungsprognose hat. Die Reduzierung allein der Schulden durch (Teil-)Verzicht der Gläubiger ist für eine Sanierung i.d.R. nicht Erfolg versprechend, wenn dadurch nicht die Ursachen der Krise nicht beseitigt werden und in der Zukunft unverändert fortwirken würden.


    LG Hamburg, Urt. v. 10. 1. 2017 - 303 O 515/15

  • Der durch erhebliche Steuerrückstände und Bankschulden dokumentierte Vermögensverfall führt bei einem Steuerberater zu einer gesetzlich vermuteten Gefährdung von Mandanteninteressen.

    Für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater und auch für seine Wiederbestellung kommt es grds. nicht auf eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen an.

    Den Steuerberater, der eine (Wieder-)Bestellung anstrebt, trifft die Darlegungslast dahin gehend, dass eine Gefährdung von Mandanteninteressen gerade nicht vorliegt.


    FG Köln, Urt. v. 5. 10. 2016 - 2 K 1461/16

  • Das Insolvenzgericht darf von Amts wegen im Antragsverfahren der Verbraucherinsolvenz das in der Bescheinigung der Schuldnerberatung (Anl. 2 gemäß VerbrInsFV) verzeichnete "Scheiternsdatum" des Scheiterns des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs bei sich daraus ergebenden offensichtlichen Verfahrensfehlern (hier: Nichteinhaltung der den Gläubigern gesetzten Stellungnahmefrist) prüfen.

    Etwaige nicht fristgerecht nachgebesserte Bemängelungen der Scheiterns-Bescheinigung können Grundlage für die "Rücknahmefiktion" (§ 305 Abs. 3 InsO) sein.

    Das Scheitern des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuches ist nur in dem in § 305a InsO geregelten Fall vor Ablauf der Stellungnahmefrist der Gläubiger zu bescheinigen.

    Die gerichtlich mitgeteilte Rücknahmefiktion ist nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifbar.


    LG Hamburg, Beschl. v. 2. 1. 2017 - 326 T 149/16 (rkr.)

  • BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 - IX ZR 95/16

    Übernimmt eine Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft eine harte Patronatserklärung, ist sie dem Gläubiger zur Schadensersatzleistung verpflichtet, wenn ihn die Tochtergesellschaft befriedigt, er diese Zahlung jedoch im Wege der Insolvenzanfechtung erstatten muss.

    Erweist sich die Befriedigung des aus einer harten Patronatserklärung gesicherten Gläubigers als anfechtbar, kann der Gläubiger gegenüber dem Patron die ihm aus der Patronatserklärung zustehenden Rechte geltend machen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die anfechtungsrechtlichen Bestimmungen der InsO dienen dem Zweck, die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger schon für einen früheren Zeitpunkt als den der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen und zeitlich vorausgegangene Vermögensverschiebungen, durch die die Insolvenzmasse verkürzt wurde, rückgängig zu machen, um dadurch den Bestand des haftenden Schuldnervermögens wiederherzustellen.

    Ein mehrmonatiger Zahlungsverzug eines Schuldners, der keine Einwendungen gegen ihm gegenüber erhobene Forderungen geltend macht, lässt im Wirtschaftsverkehr nur die realistische Schlussfolgerung unüberwindlicher Zahlungsschwierigkeiten zu.


    OLG Celle, Urt. v. 1. 12. 2016 - 16 U 127/16

  • Wird über das Vermögen einer GmbH, die Schuldverschreibungen ausgegeben hat, das Insolvenzverfahren eröffnet, steht die Befugnis zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG nicht mehr dem Geschäftsführer der Anleiheschuldnerin, sondern dem Insolvenzverwalter zu.

    § 9 Abs. 1 SchVG regelt nicht, wer im Falle der Insolvenz einer GmbH als Anleiheschuldnerin für diese zur Einberufung der Anleihegläubigerversammlung berechtigt ist.

    Der Geschäftsführer kann als Gesellschaftsorgan nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH nur noch solche Kompetenzen wahrnehmen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (Anschluss an BGH, Urteil vom 26.1.2006 - IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260 Rn. 6)

    Die dem Geschäftsführer verbleibende Befugnis, Versammlungen zur Beschlussfassung einzuberufen, bezieht sich nur auf den innergesellschaftlichen Bereich.

    Die Befugnis zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung ergibt sich nicht als Annexkompetenz der Schuldnerin zur Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 218 Abs. 1 InsO oder zum Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung aller Insolvenzgläubiger gemäß § 213 Abs. 1 Satz 1 InsO.

    § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG 2009 regelt nur die Einberufung der ersten Gläubigerversammlung.

    Beruft der Geschäftsführer einer insolventen GmbH eine Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG 2009 ein, verletzt er eine ihm gegenüber der GmbH obliegende Leistungstreuepflicht.


    OLG Stuttgart, Urt. v. 27. 12. 2016 - 10 U 97/16

  • Bei anzeigepflichtigen Massenentlassungen gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist für die Zahl der in der Regel Beschäftigten im Stilllegungsfall auch bei einem sukzessiven Vorgehen des Arbeitgebers mit mehreren Entlassungswellen der Zeitpunkt maßgeblich, in dem zuletzt noch eine normale Betriebstätigkeit entfaltet wurde.

    Sollen in einem Betrieb nacheinander mehrere Massenentlassungen i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG durchgeführt werden, kann u.U. das Konsultationsverfahren ebenso wie das Anzeigeverfahren bezogen auf alle beabsichtigten Kündigungen zusammengefasst werden. Die Massenentlassungen bedürfen nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht zwingend gesonderter Verfahren nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Im Gegenteil dient es der vollständigen Information des Betriebsrats und der Agentur für Arbeit, wenn im Rahmen eines einzigen Konsultations- und Anzeigeverfahrens ein vollständiger Überblick über die beabsichtigten Kündigungswellen gegeben wird. Dies entspricht § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Abs. 3 Satz 4 KSchG, wonach die erforderlichen Angaben über den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, zu machen sind.

    Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden (§ 18 Abs. 1 KSchG). Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie gem. § 18 Abs. 1 und 2 KSchG zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG einer erneuten Anzeige (§ 18 Abs. 4 KSchG). Dabei schließt sich die Freifrist von 90 Tagen des § 18 Abs. 4 KSchG unmittelbar an die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG an.


    BAG, Urt. v. 9. 6. 2016 - 6 AZR 638/15


  • Von einer Uneinbringlichkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist auch dann auszugehen, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgeltes für mehr als 2 Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann.

    FG Niedersachsen, Urt. v. 18. 8. 2016 - 5 K 288/15

  • Eine wirksame Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt einen persönlichen Kontakt des Bescheinigers mit dem Schuldner voraus.

    Bei großer räumlicher Entfernung zwischen Wohnsitz des Schuldners und Kanzleisitz des Bescheinigers spricht eine Vermutung dafür, dass eine persönliche Beratung nicht erfolgt ist.

    Es ist Aufgabe des Bescheinigers, diese Vermutung zu widerlegen. Andernfalls ist der Antrag ohne weitere Nachfragen abzuweisen (Bestätigung von AG Göttingen, Beschl. v. 16.12.2016 - 74 IK 356/16).


    AG Göttingen, Beschl. v. 4. 1. 2017 - 74 IK 1/17 (rkr.)

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