Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Ein rechtliches Interesse im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO ist regelmäßig gegeben, wenn die erstrebte Kenntnis von dem Inhalt der Akten zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist, nicht dagegen, wenn es lediglich darum geht, aus den Akten tatsächliche Informationen zur Durchsetzung eigener, in keinem rechtlichen Bezug zu dem Prozessgegenstand stehender bzw. mit dem Streitstoff nicht zusammenhängender Ansprüche zu gewinnen.

    Daher steht einem Versicherer des Insolvenzschuldners ein Recht auf Einsicht in die Akten des Insolvenzverfahrens zu, wenn er sich mit den hieraus gewonnenen Informationen in einem anderweit geführten Rechtsstreit verteidigen kann.

    OLG Frankfurt, Beschl. v. 23. 7. 2008 - 20 VA 3/08

  • a) Eine Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters aus § 826 BGB für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsver-mögen (vgl. BGHZ 173, 246 - TRIHOTEL) kommt auch im Stadium der Liquidati-on der Gesellschaft (§§ 69 ff. GmbHG) in Betracht.
    b) Der für die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB bei der werbenden Ge-sellschaft anerkannte Grundsatz eines verselbständigten Vermögensinteresses gilt erst recht für eine Gesellschaft in Liquidation, für die § 73 Abs. 1 und 2 GmbHG den Erhalt des Gesellschaftsvermögens im Interesse der Gläubiger in besonderer Weise hervorhebt. Der Liquidationsgesellschaft kann daher ein eige-ner (Innenhaftungs-)Anspruch aus § 826 BGB gegen den Gesellschafter schon dann zustehen, wenn dieser unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG in sitten-widriger Weise das im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zweckgebundene Gesellschaftsvermögen schädigt, ohne dass zugleich die speziellen "Zusatzkriterien" einer Insolvenzverursachung oder -vertiefung erfüllt sind.

    BGH, Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07


  • Zur Freigabe des Deckungsanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer durch den Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Haftpflichtschuldners.
    AHB § 7 Nr. 3
    Das Abtretungsverbot steht einer Freigabe des Anspruchs auf Haftpflichtdeckung aus der Insolvenzmasse des Haftpflichtschuldners nicht entgegen.
    InsO § 52 Satz 2
    Die Masse haftet absonderungsberechtigten Gläubigern, die auf ihr Recht nicht ver-zichtet haben, auch dann nur in Höhe des bei der abgesonderten Befriedigung erlit-tenen Ausfalls, wenn der Insolvenzverwalter den mit dem Absonderungsrecht be-lasteten Gegenstand aus der Masse freigegeben hat.

    BGH, Urteil vom 2. April 2009 - IX ZR 23/08 -

  • BGH, 15.01.2009 - IX ZR 56/08

    Hat das Insolvenzgericht, sachverständig beraten, den antragstellenden Gläubiger dahin beschieden, es werde den Antrag ablehnen, weil die Masse voraussichtlich nicht ausreiche, die Kosten des Verfahrens zu decken, der Gläubiger könne dies aber durch Leistung eines Kostenvorschusses abwenden, kann dem Gläubiger wegen des von ihm daraufhin erbrachten Vorschusses ein Ersatzanspruch auch dann zustehen, wenn das Insolvenzgericht verfahrensfehlerhaft die tatsächlichen Grundlagen seiner Prognoseentscheidung nicht hinreichend ermittelt hatte.

  • FG Sachsen, 06.02. 2009 - 5 K 920/08

    Zugehörigkeit von Forderungen des Finanzamtes über die in Entgelten enthaltene Umsatzsteuer zu den Insolvenzforderungen - Begründetheit einer Umsatzsteuerforderung bei Erbringung einer Leistung i.S. des § 38 der Insolvenzordnung (InsO) bei einer Istversteuerung - Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Finanzrechtsstreit

  • a) Das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG (entsprechend § 64 Satz 1 GmbHG) gilt ab Eintritt der Insolvenzreife und nicht erst ab dem Ende der Insol-venzantragsfrist.
    b) Stellt der Aufsichtsrat fest, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen leistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-schäftsleiters nicht vereinbar sind. Verstößt er hiergegen schuldhaft, kann er der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein.

    BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07

  • Als Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sind auch mittelbare Zuwendungen, bei denen der Schuldner Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten.

    BGH, Urt. v. 19. 2. 2009 - IX ZR 16/08

  • Ein Bescheid der Insolvenzrichter des Amtsgerichts, der den Antrag eines Rechtsanwalts (zugleich vereidigter Buchprüfer Fachanwalt für Steuerrecht und seit 1999 hauptberuflich als Insolvenzverwalter tätig) auf Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter/Treuhänder allein deshalb ablehnt, weil der Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Insolvenzgerichtes (Landgerichtsbezirk W) kein Büro unterhalte, ist rechtswidrig.
    Die zur organisatorischen Sicherstellung der Insolvenzabwicklung erforderliche und daher als Auswahlkriterium grundsätzlich nicht zu beanstandende "örtliche Erreichbarkeit" bzw. "Ortsnähe" lässt sich jedenfalls nicht schon bei einer Fahrzeit von 20 bis 30 Minuten verneinen.

    OLG Düsseldorf , Beschl. v. 27. 1. 2009 - I-3 Va 8/08

  • Die "Kündigungssperre" des Insolvenzverfahrens wirkt auch, wenn die schriftliche Kündigung des "Mietkaufs" (Leasingvertrag) vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgesandt worden ist, aber dem Leasingnehmer erst nach dem Eingang des Antrags bei Gericht zugeht.

    Bei einem "Mietkauf" gebührt der Mehrerlös aus der Verwertung des Mietobjekts dem Mietkäufer, wenn alle Ansprüche des Mietverkäufers befriedigt sind und danach das Eigentum an der Sache auf den Mietkäufer übergehen sollte.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 11. 2008 - I-24 U 51/08

  • Eine kassenärztliche Vereinigung ist berechtigt, Honorarrückforderungsansprüche wegen zu hoher Vorschusszahlungen vor Insolvenzeröffnung mit Honoraransprüchen des Insolvenzschuldners aufgrund nach Insolvenzeröffnung festgesetzter Honoraransprüche für die gleichen Quartale aufzurechnen.

    SG Marburg , Urt. v. 22. 10. 2008 - S 12 Ka 50/

  • Geschenktes Vermögen ist kein im Rahmen des § 295 Abs. 1 InsOhttp://www.insolvenzrecht.de/inhalte/werkgl…msearch_match_3http://www.insolvenzrecht.de/inhalte/werkgl…31,300#jurabs_1 herauszugebender Vermögenserwerb. Eine Schenkung kann in diesem Rahmen nur dann maßgeblich werden, wenn sie einen solchen erbrechtlichen Einschlag hat, dass sie sich objektiv betrachtet als ein Fall der vorweggenommenen Erbfolge darstellt.

    Es gehört zum Inhalt der Vermögensherausgabepflichten des Schuldners, den Treuhänder und das Gericht von sich aus über etwaiges dem § 295 Abs. 2 Nr. 2 InsO unterfallendes Vermögen zu unterrichten. 

    AG Oldenburg, Beschl. v. 3. 2. 2009 - 61 IN 21/03

  • Eine tarifliche Lohnverzichtsvereinbarung kann bei drohender Insolvenz des Arbeitgebers mit der Wirkung gekündigt werden, dass die bis dahin durch den Verzicht aufgelaufenen Lohnbestandteile für die Berechnung des Insolvenzgeldes von Bedeutung sein können. Das gilt aber nur insoweit, als die Lohnbestandteile im Insolvenzgeld-Zeitraum erarbeitet sind und deshalb Arbeitsentgelt "für" die der Insolvenz vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses darstellen.
    Dies hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts am 4. März 2009 im Falle des Arbeitnehmers eines insolventen Küchenmöbelherstellers entschieden, der höheres Insolvenzgeld für die Zeit von August bis Oktober 2003 unter Berücksichtigung aller Tariflohnerhöhungen einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld geltend gemacht hatte. Hierauf hatte die Belegschaft bis September 2003 während der knapp einjährigen Laufzeit eines Restrukturierungstarifvertrags verzichtet. Wegen der drohenden Insolvenz hatte die Gewerkschaft diesen Tarifvertrag im September 2003 gekündigt.

    BSG, Urt. v. 4. 3. 2009 - B 11 AL 8/08 R

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