Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Das die Zahlung von Insolvenzgeld rechtfertigende Insolvenzereignis einer Betriebseinstellung bei offensichtlicher Masselosigkeit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III liegt vor, wenn bei nachgewiesener Betriebseinstellung die äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für eine Masselunzulänglichkeit sprechen. Die Feststellungslast dafür trägt der Antragsteller des Insolvenzgeldes. Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten (vgl. BSG, Urt. v. 22.9.1993 - 10 RAr 9/91).

    Zu den äußeren Indizien für eine Masselosigkeit.


    LSG Bayern, Urt. v. 25. 10. 2017 - L 10 AL 36/17

  • § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO bestimmt, dass dann, wenn für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Abschlussprüfer bestellt wurde, die Wirksamkeit dieser Bestellung durch die Eröffnung nicht berührt wird. Dabei wird die Regelung als gesetzliche Durchbrechung der §§ 115, 116 InsO angesehen, wonach Geschäftsbesorgungsaufträge mit der Verfahrensöffnung erlöschen. Auch die Prüfungsaufträge für frühere Jahre können als von der gesetzlichen Regelung des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO erfasst angesehen werden.

    OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4. 5. 2017 - 14 W 21/17 (Wx)

  • Die Klage des Insolvenzverwalters auf Ersatz eines Quotenverringerungsschadens ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig, wenn der Verwalter nicht darlegt, dass es sich bei den geschädigten Gläubigern um Altgläubiger handelt.

    Der Anspruch auf Erstattung von Zahlungen nach Insolvenzreife entsteht mit der jeweiligen Zahlung; die Entstehung hängt nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Insolvenzantrags mangels kostendeckender Masse ab.

    Der Anspruch auf Ersatz eines Quotenverringerungsschadens und der Anspruch auf Erstattung von Zahlungen nach Insolvenzreife bilden jedenfalls dann keinen einheitlichen Streitgegenstand, wenn sie sich nicht betragsmäßig decken.


    OLG München, Urt. v. 18. 5. 2017 - 23 U 5003/16

  • Die jährliche Sonderzahlung nach dem Berliner Sonderzahlungsgesetz wird nach den landesgesetzgeberischen Vorstellungen auch aus Anlass des Weihnachtsfestes gezahlt, um den damit in Zusammenhang stehenden Bedürfnissen des Beamten Rechnung zu tragen.

    OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. 9. 2017 - 4 B 20.15

  • Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt zur Begründung von Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur dann, wenn er dadurch seine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt. Die bloße Duldung einer (freiberuflichen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis, macht die aus diesen Einkünften entstehenden USt - ebenso wie die Einkommensteuern - noch nicht zu Masseverbindlichkeiten. Es steht insoweit nicht in der Rechtsmacht des Schuldners, am Insolvenzverwalter vorbei die Masse zu belasten.

    Zur Abgrenzung von Aufklärungsmaßnahmen zu Verwaltungshandeln i.S.d. § 55 InsO.


    FG Köln, Urt. v. 11. 10. 2017 - 9 K 3566/14

  • Die Anordnung einer Eigenverwaltung ist grds. auch bei einer beabsichtigten oder bereits eingeleiteten Liquidation des Unternehmens zulässig. Die Veräußerung von Beteiligungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens steht dem ebensowenig entgegen wie eine kurz vor der Antragstellung erfolgte Sitzverlegung.

    Der vollständige Austausch der Geschäftsführung vor dem Insolvenzantrag steht der Anordnung der Eigenverwaltung nicht entgegen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn dem Altgeschäftsführer mögliche Straftaten zur Last gelegt worden sind. Mögliche Ansprüche hat der Sachwalter im Verfahren zu prüfen und ggf. geltend zu machen.

    Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist ein geeignetes und milderes Mittel gegenüber einem Antrag auf Aufhebung einer vorläufigen Eigenverwaltung.


    AG Bremen, Beschl. v. 21. 12. 2017 - 513 IN 16/17

  • Das Merkmal "gleichrangig" i.S.v. § 245 Abs. 2 S. 3 InsO bezieht sich auf die Rangfolge der §§ 38, 39 InsO. Der Planverfasser kann dem Scheitern des Insolvenzplans am Obstruktionsverbot des § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO nur entgegenwirken, indem er allen Gruppen nicht nachrangiger Gläubiger dieselbe Quote gewährt.

    Eine dem Wortlaut des § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO widersprechende Ausnahme für privilegierte Gläubiger, die über eine gemäß § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderung verfügen, ist unzulässig und im Übrigen auch nicht erforderlich.

    Bei nicht vollständiger Erfüllung der Voraussetzungen des § 245 Abs. 2 InsO ist keine Einzelfallprüfung mehr anzustellen, ob eine angemessene Beteiligung i.S.d. § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorliegt.


    AG Köln, Beschl. v. 14. 11. 2017 - 73 IN 173/15

  • Art. 97 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige rechtlich selbstständige Gesellschaft, die eine Enkelgesellschaft eines Stammhauses ist, das seinen Sitz nicht in der Union hat, eine "Niederlassung" dieses Stammhauses im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt.

    EuGH, Urt. v. 18. 5. 2017 - Rs. C-617/15

  • Zur Einlagepflicht des Kommanditisten einer Massenkommanditgesellschaft im Liquidationsstadium.

    Der Liquidator einer aufgelösten KG hat im Rahmen seiner Aufgabe, die Aktiv- und Passivsalden unter den Gesellschaftern auszugleichen, das Recht und die Pflicht, im Namen der Gesellschaft die noch ausstehenden Einlagen, soweit zur Kompensation erforderlich, einzuziehen. Eine solche Einziehung kommt aber grundsätzlich erst in Betracht, wenn und soweit ein im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung zu erstellender Ausgleichsplan einen Passivsaldo zulasten des in Anspruch genommenen Gesellschafters aufweist.


    OLG Saarbrücken, Urt. v. 29. 3. 2017 - 1 U 82/16

  • Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG.

    Von einem Forderungsausfall ist erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus.


    BFH, Urt. v. 24. 10. 2017 - VIII R 13/15

  • BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 88/16

    a) Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners beruht, kann der Geschäftsführer nicht mit der pauschalen Behauptung bestreiten, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Er hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und ggf. zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen.

    b) Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz sind auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) einzubeziehen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - XII ZR 95/16

    a) Das Vermieterpfandrecht umfasst auch Fahrzeuge des Mieters, die auf dem gemieteten Grundstück regelmäßig abgestellt werden.

    b) Das Pfandrecht erlischt, wenn das Fahrzeug für die Durchführung einer Fahrt von dem Mietgrundstück auch nur vorübergehend entfernt wird. Es entsteht neu, wenn das Fahrzeug später wieder auf dem Grundstück abgestellt wird.

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  • BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - IX ZB 18/17

    a) Auch beim beihilfeberechtigten Privatversicherten rechtfertigen Kosten für die medizinische Behandlung, die von der gesetzlichen Krankenkasse für den gesetzlich Versicherten und der Sozialhilfe für den Sozialhilfeberechtigten nicht übernommen würden, in der Regel keine Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens.

    b) Nimmt der pflegebedürftige Schuldner Pflegegeld nach § 37 SGB XI in Anspruch, kann sein Pfändungsfreibetrag nicht wegen der benötigten Hilfestellungen für die erforderliche Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung erhöht werden.

    c) Nimmt der pflegebedürftige Schuldner Sachleistungen nach § 36 SGB XI in Anspruch, kommt eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages in Betracht, wenn die Leistungen der Pflegeversicherung für eine erforderliche und verhältnismäßige Pflege wegen der in § 36 Abs. 3 SGB XI genannten Höchstbeträge nicht ausreichen, sofern die Sozialhilfe im Fall der Mittellosigkeit des Schuldners für die Pflegeleistungen aufkommen würde.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • AG Göttingen, Beschluss vom 12.12.2017, 74 IN 141/17

    1. Der Stundensatz für die Tätigkeit als Sachverständiger im Eröffnungsverfahren beträgt 115 € (OLG Karlsruhe ZInsO 2016, 355 m. zust. Anm. Straßburg ZInsO 2016, 318; AG Göttingen ZInsO 2016, 1758; ZInsO 2017, 403; LG Göttingen Beschluss vom 11. August 2016, 10 T 50/16; ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 29. September 2017, 8 W 75/17).

    2. Befasst sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit einem Grundstück nicht in erheblichem Umfang gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV, ist in die Berechnungsgrundlage der unbelasteten Teil einzubeziehen (AG Göttingen, Beschluss vom 14. August 2009, 74 IN 73/09, ZInsO 2009, 1781 = ZVI 2009, 390; a.A. AG Hannover, Beschluss vom 18. April 2017, 903 IN 172/16, ZInsO 2017, 1286 = ZVI 2017, 399).

    3. Einzubeziehen sind entgegen der herrschenden Meinung in die Berechnungsgrundlage auch die vom vorläufigen Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren festgestellten und im Abschlussgutachten dargestellten Anfechtungsansprüche (AG Göttingen, Beschluss vom 18. Dezember 2006, 74 IN 223/06, ZInsO 2007, 89 = ZIP 2007, 37). | § 11 Abs 1 S 2 InsVV).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • AG Göttingen, Beschluss vom 15.12.2017,| 74 IN 92/14

    1. Ein Insolvenzgläubiger kann durch Vorlage eines Gehaltsvergleiches (Gehaltsvergleich.com) glaubhaft machen, dass der Schuldner entgegen § 295 Abs. 2 InsO die Insolvenzgläubiger nicht so stellt, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

    2. Verbleibt ein pfändbarer Einkommensanteil, hat der Schuldner darzulegen, dass ihn entgegen § 296 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz InsO kein Verschulden trifft, etwa weil er sich vergeblich um abhängige Beschäftigung bemüht hat (vergleiche BGH ZInsO 2009, 1217). | § 295 Abs 2 InsO, § 296 Abs 1 S 1 Halbs 2 InsO).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Insolvenzverwalter ist zur Erhebung einer Bilanznichtigkeitsklage entsprechend §§ 256 Abs. 7 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG befugt. Aus dessen (ausnahmsweise) anzuerkennenden (Klage-)Befugnis folgt aber nicht, dass damit zugleich auch die korrespondierenden Vorschriften über die Klageerhebung und -führung unberücksichtigt bleiben können. So statuiert für die besondere Klageart der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG einen eigenständigen vertretungsrechtlichen Grundsatz von einer Doppelvertretung durch Aufsichtsrat und Vorstand, welcher einen Rückgriff auf die in § 78 AktG geregelte allgemeine Vertretungsbefugnis allein des Vorstands damit grds. ausschließt.

    OLG Dresden, Urt. v. 9. 11. 2017 - 8 U 772/17

  • Die Kausalität zwischen Rechtshandlungen und der Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil der Kläger in der Summe höhere Zahlungen angefochten hat, als Insolvenzforderungen zur Tabelle angemeldet worden sind. Auch insoweit kommt es auch bei Erfolg aller Anfechtungen nicht zu einem "Überschuss" der Insolvenzmasse, weil jede erfolgreiche Insolvenzanfechtung sogleich zu einer Anmeldung der nunmehr (wieder) offenen Forderung des jeweiligen Anfechtungsgegners zur Insolvenztabelle führt.

    Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt i.a.R. mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.


    OLG Hamburg, Urt. v. 20. 9. 2017 - 1 U 44/17

  • Die mit der Rechtsverfolgung verbundenen Aufwendungen haben bei der Beurteilung der Frage, ob den wirtschaftlichen Beteiligten die Aufbringung der Prozesskostenvorschüsse zugemutet werden kann, außer Betracht zu bleiben, denn sie würden im Fall eines Prozesserfolges nicht die Masse belasten, sondern zu erstatten sein (§ 91 Abs. 1 ZPO).

    Die Frage nach der Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung der wirtschaftlich Beteiligten stellt sich regelmäßig erst dann, wenn der Insolvenzverwalter vergeblich versucht hat, sie zur Übernahme der Kosten zu bewegen.


    OLG Naumburg, Beschl. v. 2. 1. 2018 - 5 W 71/17

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