Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.
    Das Recht, in der Insolvenz des Mitglieds einer Genossenschaft die Mitgliedschaft mit dem Ziel zu kündigen, den zur Insolvenzmasse gehörigen Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens (§ 73 GenG) zu realisieren, steht dem Insolvenzverwalter zu.
    2.
    Eine analoge Anwendung von § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ist unter dem Gesichtspunkt verfassungskonformer Auslegung im Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten.

    BGH, Urt. v. 17. 9. 2009 - IX ZR 63/09

  • Ein negatives Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto stellt einen Vergütungsvorschuss des Arbeitgebers dar. Diesen hat der Arbeitnehmer bei Ausscheiden auszugleichen, wenn der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden konnte, ob und in welchem Umfang das negative Zeitguthaben entstanden ist. Im Streitfall muss der Arbeitnehmer entweder beweisen, dass das entstandene negative Zeitguthaben wegen der entsprechenden Weisungen des Arbeitgebers entstanden ist oder, dass er vor Ende des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft vergeblich angeboten hat, um das negative Zeitguthaben auszugleichen.

    LAG Hessen, Urt. v. 10. 2. 2009 - 13 Sa 1162/08

  • 1.
    Bemessungsgrundlage für die Vergütung ist der Wert des der Verwaltung des vorläufigen Insolvenzverwalters zugrunde liegenden Schuldnervermögens zum Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung (Aktivvermögen einschließlich Aus- und Absonderungsrechten, soweit der vorläufige Verwalter sich damit in nennenswertem Umfang befasst hat). Grundbesitz, auch wenn er mit Grundschulden belastet ist, ist dabei mit dem vollen Verkehrswert zu berücksichtigen.
    2.
    Eine nennenswerte Tätigkeit liegt in der Nutzung der Immobilien im Rahmen einer Geschäftsfortführung, insbesondere wenn damit eine lückenlose und fortlaufende Bewachung und Überwachung der Immobilien verbunden ist. Beim beweglichen Anlagevermögen liegt nicht nur eine nennenswerte, sondern auch eine erhebliche Tätigkeit vor, wenn das erfasste, bewertete und gesicherte bewegliche Anlagevermögen auf mehrere Standorte überregional verteilt ist.
    3.
    Die Regelvergütung des vorläufigen Verwalters beträgt 25 % der Vergütung des endgültigen Verwalters.
    4.
    Dem vorläufigen Insolvenzverwalter ist für die Betriebsfortführung ein Zuschlag i.H.v. 25 % zu gewähren.
    5.
    Ein weiterer Zuschlag von 25 % wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten ist gerechtfertigt bei Gesprächen und Verhandlungen mit potenziellen Beteiligungspartnern im Ausland unter Beteiligung von Vertretern des Bundeskanzleramts und von Bundes- und Landesministerien zur Vorbereitung von Förderanträgen sowie im Hinblick auf die technisch schwierige Problematik der LTA-Technologie.
    6.
    Für die Durchführung einer Insolvenzgeldvorfinanzierung für 96 Arbeitnehmer und die Bearbeitung des Arbeitnehmerbereichs ist ein weiterer Zuschlag von 25 % gerechtfertigt.

    LG Cottbus, Beschl. v. 2. 9. 2009 - 7 T 422/05

  • Streckt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Reparaturkosten für den Dienstwagen vor, kann er im Fall der Insolvenz keine Erstattung der Kosten im Rahmen des Insolvenzgelds verlangen. Das von der Arbeitslosenversicherung zu zahlende Insolvenzgeld soll allein das ausgefallene Arbeitsentgelt ersetzen. Kosten für die Reparatur eines selbst genutzten Dienstwagens gehörten nicht zu diesem Entgelt.

    LSG NRW, Urt. v. 1. 10. 2009 - L 9 AL 89/07

  • 1.
    Das durch einen Antrag des Schuldners eingeleitete Verfahren nach Chapter 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code wird als Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens anerkannt.
    2.
    Die Einleitung dieses Verfahrens bewirkt die Unterbrechung des Nichtigkeitberufungsverfahrens.
    3.
    Betrifft die Insolvenz das Vermögen des Nichtigkeitsbeklagten, kann der Nichtigkeitskläger das Berufungsverfahren jedenfalls nicht aufnehmen, bevor er bei den zuständigen US-amerikanischen Gerichten um eine Aufhebung der Unterbrechung ("relief from the stay") nachgesucht hat.

    BGH, Urt. v. 13. 10. 2009 - X ZR 79/06

  • Kündigt der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers der Schuldnerin (GmbH), ohne dass beiderseits weitere Erklärungen abgegeben wurden, so ist
    der Anspruch des gekündigten Geschäftsführers auf Karenzentschädigung aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot keine Masseschuld.

    BGH, Beschl. v. 8. 10. 2009 - IX ZR 61/06

  • 1.
    Die Erbringung von Werkleistungen durch den späteren Insolvenzschuldner im anfechtungsrelevanten Zeitraum stellt eine kongruente Deckung dar, wenn der zugrunde liegende Werkvertrag vor der kritischen Zeit geschlossen wurde und der Leistungsempfänger daher einen Anspruch auf Erbringung der Werkleistungen hatte.
    2.
    Ermöglicht die Leistungserbringung im anfechtungsrelevanten Zeitraum die Aufrechnung mit Gegenforderungen des Leistungsempfängers, die dieser andernfalls lediglich als Insolvenzforderungen geltend hätte machen können, hat der Leistungsempfänger die Aufrechnungslage unter den Voraussetzungen des § 130 InsO gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar erworben.
    3.
    Die Erbringung der Werkleistungen stellt keine Bedingung i.S.v. § 140 Abs. 3 InsO dar.
    4.
    Ist ein staatlicher Rechtsträger Inhaber der Aufrechnungslage, kommt es für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen des § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO auf diejenige Stelle an, die die Aufrechnung betreibt (hier: das Finanzamt).

    OLG München, Urt. v. 8. 9. 2009 - 5 U 2499/09

  • 1.
    Der Sicherungsgeber führt mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) noch keine Lieferung an den Sicherungsnehmer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 3 Abs. 1 UStG aus. Zur Lieferung wird der Übereignungsvorgang erst mit der Verwertung des Sicherungsguts, gleichgültig, ob der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut dadurch verwertet, dass er es selbst veräußert, oder dadurch, dass der Sicherungsgeber es im Auftrag und für Rechnung des Sicherungsnehmers veräußert.
    2.
    Veräußert der Sicherungsgeber das Sicherungsgut an einen Dritten, liegt ein Dreifachumsatz (Veräußerung für Rechnung des Sicherungsnehmers) erst vor, wenn aufgrund der konkreten Sicherungsabrede oder aufgrund einer hiervon abweichenden Vereinbarung die Verwertungsreife eingetreten ist (Änderung der Rechtsprechung).

    BFH, Urt. v. 23. 7. 2009 - V R 27/07

  • Tarifliche Ergänzungsvereinbarungen, nach deren Wortlaut ein Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer zeitweilig nicht entsteht, ist im Gesamtzusammenhang der Regelung eines Sanierungsbeitrags sowie nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Danach können Arbeitnehmer die Auszahlung der ihnen gutgeschriebenen Sanierungsbeiträge verlangen, wenn die angestrebte Sanierung scheitert und Insolvenzantrag gestellt wird. Es entsteht danach eine Auszahlungsforderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann.

    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30. 6. 2009 - 3 Sa 31/09

  • 1.
    Versagungsanträge von Gläubigern mit bestrittenen Forderungen oder von absonderungsberechtigten Gläubigern sind mit dem gleichzeitigen Nachweis im Sinne einer Glaubhaftmachung der Erhebung der Feststellungsklage bzw. eines Ausfalles zu stellen. Ansonsten sind sie unzulässig.
    2.
    Es bleibt offen, ob Restschuldbefreiungsversagungsanträge bei drohendem Überschreiten der Dauer von sechs Jahren des eröffneten Verfahrens in einem vom Rechtspfleger gesondert anzuberaumenden "Anhörungstermins zur Stellung von Versagungsanträgen" zulässigerweise gestellt werden können. Ein solcher Termin genügt den Voraussetzungen des § 300 InsO wohl nicht.

    LG Hamburg, Beschl. v. 7. 10. 2009 - 326 T 45/09

  • In einem masselosen (Verbraucher-)Insolvenzverfahren kann das Insolvenzgericht dem Mitglied des Gläubigerausschusses anstelle der geltend gemachten Vergütung nach Stundensätzen eine - niedrigere - Pauschalvergütung bewilligen, die sich an der Höhe der (Treuhänder-)Verwaltervergütung orientiert.

    BGH, Beschl. v. 8. 10. 2009 - IX ZB 11/08

  • 1.
    Eine schwangere Arbeitnehmerin muss die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 9 I MuSchG grundsätzlich innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist gerichtlich geltend machen.
    2.
    Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG läuft auch an, wenn die den Sonderkündigungsschutz auslösenden Voraussetzungen (Schwangerschaft) erst nach Zugang der Kündigung der Arbeitnehmerin bekannt werden. Sie wird durch die Mitteilung der Arbeitnehmerin an den Arbeitgeber nach Kündigungsausspruch, sie sei schwanger, nicht gehemmt oder unterbrochen.
    3.
    Erhebt die schwangere Arbeitnehmerin keine Kündigungsschutzklage, obwohl sie den Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung und noch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 I 1 MuSchG von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat, wird die Kündigung nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam fingiert (§ 7 KSchG).
    4.
    Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Erlangt er erst nach Zugang der Kündigung diese Kenntnis, findet § 4 Satz 4 KSchG keine Anwendung.

    BAG, Urt. v. 19. 2. 2009 - 2 AZR 286/07

  • 1.
    Legt der Arbeitgeber ein Personalabbauprogramm auf, durch das Arbeitnehmer der rentennahen Jahrgänge durch übertarifliche Leistungen zum Abschluss von Aufhebungsverträgen angeregt werden sollen, ist er bei der Ausgestaltung des Programms an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und an die Diskriminierungsverbote aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gebunden.
    2.
    Sieht das Programm vor, dass alle darauf eingehenden Arbeitnehmer durch eine Sonderzahlung an die Rentenkasse nach § 187a SGB VI so gestellt werden sollen, dass sie trotz vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente eine ungekürzte Rente erhalten, und sieht das Programm weitere erhebliche Zahlungen in Form von Abfindungen und Einmalzahlungen vor, ist es verboten, schwerbehinderte Arbeitnehmer der in Betracht kommenden Jahrgänge von dem Programm gänzlich ausschließen, nur weil sie auch ohne Zuzahlungen nach § 187a SGB VI zum Beispiel nach § 236a Absatz 4 SGB VI einen Anspruch auf ungekürzte Rente haben.

    LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21. 7. 2009 - 5 Sa 9/09

  • BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.7.2009, VII R 49/08

    Keine Haftungsinanspruchnahme des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (des GF) die von der GmbH geschuldeten Lohnsteuern nicht abgeführt hat

    Jedenfalls nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 konnte das FA den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die von der GmbH geschuldeten Lohnsteuern nicht abgeführt hat, nicht mit Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Die Haftungsschuld war keine Masseverbindlichkeit. Die bloße Duldung der Geschäftsführertätigkeit durch den Insolvenzverwalter erfüllte nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz InsO.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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