Gegenständlich beschränkter Erbschein

  • Folgender Fall:
    EL war Deutscher; er lebte in Groß Britannien u. ist nach dem Krieg aus der Gefangenschaft nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt u. am 01. 04. 1990 dort verstorben. Er hat in England geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Der EL hinterläßt ein Grundstück im Raum Sa.-Anhalt, welches jetzt zum Verkauf ansteht. Der durch einen Notar eingereichte Antrag lautet wie folgt: Gegenständlich beschränkter ES mit folgenden Quoten:
    Ehefrau 3/4 sowie anteilig seine 12 Geschwister bzw. Neffen und Nichten, da bereits Geschwister vorverstorben sind.
    Ich bin der Meinung, dass das Erbrecht der ehemaligen DDR, also ZGB Anwendung finden muss (Erbfall v. 01. 01. 1976 bis 02. 10. 1990).:gruebel:
    § 1 Art. 235 BGB behinhaltet, dass sich gem. § 25 Abs. 2 RanwG der DDR die erbrechtl. Verhältnisse in Bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken, die sich in der DDR befinden, nach dem Erbrecht der DDR; also Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR richten. Diese Regelung ist gem. Art. 3 Abs. 3 auch anzuwenden, wenn nach den interlokalen Regeln für den vor dem 03. 10. 90 liegenden Erbfall das Recht der Bundesrepublik berufen wäre.
    Zum Nachweis, dass BGB anzuwenden sei. hat mir der Notar jetzt einen Reisepass vorgelegt, welcher am 21. 7. 81 durch die Botschaft der BRD ausgestellt worden ist.
    Andererseits war der EL zu damaliger Zeit gezwungen einen bundesdeutschen Pass zu beantragen, da zwischen England und der DDR keine diplomatischen Beziehungen bestanden.
    Bevor der EL in britische Gefangenschaft geriet, lebte er ausschließlich in Sachsen-Anhalt.
    Ich bin der Meinung, dass die Ehefrau d. EL Alleinerbin geworden ist, bin mir aber nicht sicher. Der Notar verbleibt bei seinem gestellten Antrag.
    Könnt Ihr mir weiterhelfen?:oops:

  • War denn der Erblasser Alleineigentümer der Immobilie oder in Erbengemeinschaft daran beteiligt?

    Zusatz schon vorweg: Bei DDR Erbrecht vorsicht!!!! Die Ehefrau wird dann bei kinderloser Ehe Alleinerbin!

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ist die Ehefrau Engländerin?

    Wann erfolgte die Eheschließung?

    Erblasser im Hinblick auf den Grundbesitz Alleineigentümer, Bruchteilsmiteigentümer oder Mitglied einer Erbengemeinschaft?

  • @juris2112:

    "Keine weiteren Fragen euer Ehren":D

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  • @juris:

    Nein, ich habe das nicht als Frage sondern eher als Aussage von mir verstanden.

    So nach dem Motto: Noch Fragen Hauser?

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  • Ehefrau ist Engländerin, Heiratsurkunde liegt mir bisher nicht vor, muss ich nach abfordern, lt. Reisepass müssen beide schon im Jahr 1981 verheiratet gewesen sein.
    Der EL ist als Mitglied einer Erbengemeinschaft mit seinen Geschwistern sowie Nichten u. Neffen im GB eingetragen.

  • Dann kann das Erbrecht des DDR-ZGB keinesfalls anwendbar sein, weil ein erbengemeinschaftlicher Anteil -was früher umstritten war- kein "unbewegliches Vermögen" i.S. des § 25 Abs.2 DDR-RAG darstellt (BGHZ 146, 310; KG FamRZ 2004, 736). Der Erblasser wird daher aus deutscher Sicht für seinen gesamten Nachlass nach dem Erbstaut des BGB beerbt (Art.25 Abs.1 EGBGB). Damit kann die Ehefrau des Erblassers nicht dessen gesetzliche Alleinerbin geworden sein.

    Auf welche Höhe sich die gesetzliche Erbquote der Ehefrau beläuft, hängt davon ab, welcher Güterstand in der Ehe des Erblassers gegolten hat. Das lässt sich ohne Kenntnis vom Zeitpunkt der Eheschließung nicht feststellen (vgl. die Übergangsregelung des Art.220 EGBGB).

  • Ja, habe ich´s mir doch gedacht und daher auch gleich danach gefragt.

    Dein Erblasser ist also nicht direkter Eigentümer einer Immobilie, sondern hat streng betrachtet einen schuldrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch an einer Erbengemeinschaft, die eine Immobilie besitzt. Damit ist sein Anspruch nicht dinglicher, sondern schuldrechtlicher Art.

    Ergo: BRD Erbrecht und nicht ZGB.

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  • Nachtrag:

    Nehmen wir an, der Erblasser wäre Alleineigentümer oder Bruchteilsmiteigentümer des Grundbesitzes gewesen.

    In diesem Fall käme für den Grundbesitz wegen § 25 Abs.2 DDR-RAG das Erbstatut des DDR-ZGB zum Zuge, sodass die Ehefrau nach § 366 DDR-ZGB mangels Vorhandensein von erblasserischen Abkömmlingen gesetzliche Alleinerbin wäre. Da der Erblasser seit Kriegsende in England lebte und die DDR erst später gegründet wurde, kann er (auch aus Sicht der DDR) keinesfalls „Staatsangehöriger“ der DDR gewesen sein. Aber selbst wenn die DDR den Erblasser als „ihren“ Staatsangehörigen beansprucht hätte, würde dies nur zur Folge gehabt haben, dass das Erbstatut des DDR-ZGB aus Sicht der DDR auch ohne Anwendung der dortigen Kollisionsregeln unmittelbar anwendbar wäre. Da die BRD die Staatsangehörigkeitsfrage bekanntermaßen anders sah, läge insoweit die Fallgestaltung eines sog. „hinkenden“ Rechtsverhältnisses vor.

    Zur Lösung der hiermit zusammenhängenden Probleme im Hinblick auf die Anwendung des zutreffenden Erbstatuts vgl. Böhmer StAZ 1990, 357, Rauscher StAZ 1991, 1 und DtZ 1991, 20, Rodemer RpflStud 1990, 67, Hoffmann IPrax 1991, Jayme IPrax 1991, 11, Henrich IPrax 1991, 19, Köster Rpfleger 1991, 97, Böhringer Rpfleger 1991, 275, Wandel BWNotZ 1991, 1, Dörner/Meyer-Sparenberg DtZ 1991, 1, Mansel DtZ 1991, 124, Adlerstein/Desch DtZ 1991, 193 und Schotten/Johnen DtZ 1991, 225.

  • Ich bin Euch soooooo dankbar. Hinsichtlich des Güterstandes hat sich der Notar lediglich allgemein darauf beschränkt, dass der EL im ges. Güterstand gelebt hat. Ich werde jetzt noch die HU abfordern und dem Hinweis von juris 2112 bzgl. Feststellung der Erbquoten folgen.
    Ich danke Euch allen, die sich so rege am Forum beteiligt haben. Ihr habt mir sehr geholfen.
    Noch einen schönen restlichen Arbeitstag u. ein sturmloses WE.

  • Dann kann das Erbrecht des DDR-ZGB keinesfalls anwendbar sein, weil ein erbengemeinschaftlicher Anteil -was früher umstritten war- kein "unbewegliches Vermögen" i.S. des § 25 Abs.2 DDR-RAG darstellt (BGHZ 146, 310; KG FamRZ 2004, 736). Der Erblasser wird daher aus deutscher Sicht für seinen gesamten Nachlass nach dem Erbstaut des BGB beerbt (Art.25 Abs.1 EGBGB). Damit kann die Ehefrau des Erblassers nicht dessen gesetzliche Alleinerbin geworden sein.



    Rein pragmatische Frage :

    Sehe ich das jetzt falsch oder ist das nicht ein Problem des Grundbuchamtes in den neuen Bundesländern ?

    Ich als Nachlassgericht erteile doch ggf. nur den "ZGB-Erbschein":

    "- hinsichtlich des Eigentums und anderer Rechte an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik - ".

    Was darunter fällt oder nicht, muss das GBA doch in eigener Zuständigkeit bei Vorliegen eines Berichtigungsantrags prüfen - oder ?

    Wenn mir vorgetragen wird, dass es ein "DDR-Grundstück" hinsichtlich eines in HH wohnhaften BRD-Erblassers gibt, dann prüfe ich doch nicht, ob es sich vielleicht nur um einen Anteil an der Erbengemeinschaft handelt sondern erteile den "ZGB-Erbschein" ?!

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Eigentlich ist klar, dass ein Erbschein in Anwendung eines Nicht-BGB-Erbstatuts (also auch nach dem ZGB der ehemaligen DDR) nur erteilt werden kann, wenn feststeht, dass dieses Erbstatut auch materiell zum Zuge kommt (zuletzt KG Rpfleger 2004, 44 = FamRZ 2004, 736 = VIZ 2004, 92). Denn ansonsten geht die im Erbschein festgestellte "Erbfolge" ja ins Leere. Und wenn sie ins Leere geht, kann der betreffende Erbschein natürlich auch im Grundbuchverfahren nicht verwendet werden.

    Es macht also unter keinem Gesichtspunkt irgendeinen Sinn, einen Erbschein in die Welt zu setzen, dessen Inhalt völlig irrelevant und -natürlich- auch unrichtig ist. Denn er wäre nach § 2361 BGB sofort wieder einzuziehen.

  • Dass unnötige Arbeit nicht sinnvoll ist, ist mir auch geläufig.
    Ich wollte auch mehr auf die Frage der Prüfungspflicht des Nachlassgerichts hinaus :

    Nach der vorstehenden Rechtsauffassung müsste ich also m.E. vor Erbscheinserteilung die Richtigkeit des Sachvortrags des Antragstellers dahingehend prüfen, dass der Erblasser als alleiniger Eigentümer oder Bruchteilseigentümer im Grundbuch der neuen Bundesländer auch tatsächlich eingetragen ist ?!

    (Ein Antragsteller vermag zumeist nicht zwischen Eigentum in GbR bzw. in Bruchteilen zu unterscheiden...)

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Früher war es streitig, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung eines Erbscheins in Anwendung des DDR-ZGB bereits besteht, wenn der Antragsteller behauptet, es sei "unbewegliches Vermögen" i.S. des § 25 Abs.2 DDR-RAG vorhanden (was zunächst überwiegend bejaht wurde). Der BGH hat diesem Streit ein Ende gesetzt und festgestellt, dass ein solche Erbscheinserteilung nur in Betracht kommt, wenn das Erbstatut des ZGB auch tatsächlich zum Zuge kommt (BGHZ 131, 22). Dass diese Prüfung für das NachlG im Einzelfall schwierig sein kann, ist eine andere Frage.

  • Ich komme nochmal auf den gegenst. beschr. Erbschein zurück. Mir liegt mittlerweile die Heiratsurkunde vor. Der deutsche EL hat am 25. 09. 1948 in England geheiratet. In Art. 220 Abs. 3 EGBGB wird in diesem Fall auf Art. 15 EGBGB verwiesen, danach kann der Güterstand frei gewählt werden. In Abs. 3 heißt es, dass für unbewegl. Vermögen das Recht des Lageortes gewählt werden kann. Das Grundstück ist, wie erwähnt, in Sa.-Anhalt belegen. Es ist demnach richtig, BGB anzuwenden? Ehefrau erbt 3/4 Anteil.

  • Nach Art.220 Abs.3 S.6 EGBGB bleiben die güterrechtlichen Wirkungen für vor dem 1.4.1953 geschlossene Ehen unberührt. Dies bedeutet, dass für das Güterrecht dieser Ehen das alte IPR anwendbar bleibt, sodass nach Art.15 Abs.1 EGBBG a.F. das Heimatrecht des Ehemannes im Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich ist (Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNr.6). Eine nach Art.220 Abs.3 S.6 EGBGB mögliche Rechtswahl kann nicht vorliegen, weil sie nach Art.15 Abs.3 und Art.14 Abs.3 EGBGB notariell beurkundet oder dem gewählten Recht bzw. dem Ortsrecht entsprechen muss. Für eine solche rechtsgeschäftliche Rechtswahl fehlt jeder Anhaltspunkt. Damit galt in der Ehe des Erblassers ab dem Zeitpunkt der Eheschließung der damalige deutsche gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes (§§ 1363-1425 BGB a.F.), der in der Zeit vom 1.4.1953 bis 30.6.1958 durch den außerordentlichen Güterstand der Gütertrennung (§§ 1426-1431 BGB a.F.) abgelöst und am 1.7.1958 in den heutigen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft übergeleitet wurde, soweit die Ehegatten nach Maßgabe der Überleitungs-vorschriften des GleichberG nichts anderes vereinbart haben (wofür im vorliegenden Fall nichts spricht). An diesen güterrechtlichen Änderungen haben auch die güterrechtlichen Verhältnisse in der Ehe des Erblassers teilgenommen, weil er seine deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren hat (OLG Stuttgart NJW 1958, 1972; BayObLG FamRZ 1959, 360).

    Da eine Anwendung des ZGB der ehemaligen DDR nicht in Betracht kommt (vgl. oben #8), ist der Erblasser kraft Gesetzes nach dem Erbstatut des BGB von seiner Ehefrau zu 3/4 (§§ 1931, 1371 BGB) und im übrigen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge anteilig von seinen Geschwistern, Neffen und Nichten beerbt worden. Der gestellte Erbscheinsantrag ist daher inhaltlich zutreffend.

    Die Anwendung des Erbstatuts des BGB beruht im vorliegenden Fall aber "ganz normal" auf Art.25 Abs.1 EGBGB und nicht auf einer vorgeblichen und im vorliegenden Fall überhaupt nicht getroffenen Rechtswahl i.S. des Art.220 Abs.3 S.6 EGBGB.

  • juris 2112 ich danke Dir für Deine schnelle und sehr ausführlich fundierte Hilfe. Ich hatte so einen Antrag das erste Mal, den hat man ja nicht alle Tage. Also nochmals vielen Dank und eine schöne Woche.

  • Gerne geschehen.

    Aufgrund der Anwendung des Erbstatuts des BGB ist aber natürlich kein gegenständlich beschränkter, sondern ein "ganz normaler" Erbschein zu erteilen (kein Fall des § 2369 BGB!).

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