Selbstständige in der Insolvenz

  • Hallo,

    ich habe ein Verfahren mit einem wirtschaftlich selbstständig tätigen Freiberufler als Schuldner. Dieser stellte einen allgemeinen Antrag ihm doch umfassende Beträge wegen seiner beruflichen Tätigkeit pfandfrei zu belassen. Die Insolvenzverwaltung hat jeweils nur den Sockelbetrag nach der Tabelle zu § 850c bei Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht ausgekehrt. Trotz mehrfacher Aufforderung hat der Schuldner seinen Antrag nicht beziffert.
    Ich habe dann in Anlehnung an § 850 e eine Anordnung hinsichtlich der Berechnung des pfändbaren Einkommens getroffen, unter Berücksichtigung von Rücklagen auf Steuern. Mangels Bezifferung habe ich dem Schuldner keine weiteren Beträge zukommen lassen.
    Jetzt habe ich die vollumfängliche Beschwerde vorliegen. Die Literatur und Rechtsprechung lässt einem in diesem Fall etwas alleine, ich habe zumindest nichts einschlägiges gefunden (alle finden diesen Fall problematisch).
    Die Beschwerde wird wohl als Erinnerung zu behandeln sein.
    Hat jemand einschlägige Erfahrung?

    Harry

  • Hallo Harry,

    zäumen wir das Pferd von hinten auf:

    Da keine Beschwerde gegen die Entscheidung nach § 36 Abs. 2 InsO möglich ist (siehe § 6 Abs. 1 InsO) gilt - wie du zutreffend schreibst, § 11 Abs. 2 RPflG!

    Ob die Erinnerung zu vermeiden gewesen wäre? Wohl kaum. Ohne detaillierte Darlegung des Mittelbedarfs gibt es nichts für den Selbständigen! Es kann niemals Aufgabe des InsG sein hier eigene Ermittlungen anzustellen. Ich lasse mir anhand vergangener Abrechnungszeiträume dezidiert darlegen wie viel der Schuldner zur Fortführung der selbständigen Tätigkeit benötigt. Im vorliegenden Fall hätte ich den Schuldnerantrag (wenigstens teilweise) zurückgewiesen und damit natürlich auch eine Beschwerde gefangen. Wie fiel denn die Stellungnahme des InsVerw zum Antrag aus? Wurde von dessen Seite nicht moniert, dass keine konkreten Ansätze geltend gemacht wurden? Wenn der Schuldner nunmehr detailliertes Zahlenmaterial nachliefert kannst du ja nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG abhelfen.

    Übrigens: Den Beschluss auf § 850e ZPO stützen zu wollen halte ich persönlich für etwas verfehlt. Nachfolgend Textpassagen wie ich sie in vergleichbarer Situation verwende. Vielleicht kannst du sie künftig verwenden.

    "Das Insolvenzgericht war zur Entscheidung berufen (§§ 36 Abs. 1 und 4 InsO; 850i ZPO). Die Vergütungsansprüche des Schuldners stellen typische nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste i.S. des § 850i ZPO dar. Sie sind uneingeschränkt pfändbar. Dem Schuldner sind, um eine Schlechterstellung mit einem abhängig Beschäftigten mit regelmäßig wiederkehrenden Einkünften zu vermeiden, auf Antrag die Beträge pfandfrei zu belassen die ihm verbleiben würden, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeitseinkommen bestünde (§ 850i Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Dies sind im vorliegenden Fall € xxxx,xx/mtl. Darüberhinaus müssen dem Schuldner selbstredend die Beträge belassen werden deren er zur Fortführung seines wie auch immer ausgestalteten Geschäftsbetriebes bedarf. Diese höchstrichterlich anerkannte Zuweisung kann auf analoger Anwendung von § 850a Nr. 3 ZPO, wonach Werbungskosten in Form von Aufwendungen als unpfändbar zu berücksichtigen sind (BGH in NJW 2003, 2167) oder, soweit Gesamtzahlungen von der kassenärztlichen Vereinigung vorgenommen werden, auf § 850f Abs. 1 ZPO gestützt werden (Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 850a Rdn 7 m.w.N.). Der Schuldnr hat mit seinem in Bezug genommenen Schriftsatz glaubhaft gemacht, dass… "

    Gruß

    HuBo

  • Habe in letzter Zeit vermehrt Selbständige in meinen Insolvenzverfahren (v.a. Fliesenleger, Ärzte, Gaststättenbesitzer etc).
    Für mich stellt sich hierbei folgendes Problem:
    Der Insolvenzverwalter lässt in diesen Fällen von der Gläubigerversammlung regelmäßig unter dem TOP § 157 InsO die Fortführung des Geschäftsbetriebs beschließen (will heißen, er rät dazu, da seiner Ansicht nach bei Fortführung des Betriebes mehr Einnahmen als bei Stilllegung zu erwarten sind; zum anderen stellt er sich auf den Standpunkt, dass er den Schuldnern das Recht der freien Berufsausübung nicht verwehren darf).
    Bei der Schlussrechnung hat er nun bis auf die Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb keine weiteren Einnahmen durch Verwertung erziehlt, da die sonstigen Massegegenstände für die Fortführung des Betriebes unverzichtbar und somit nach § 811 ZPO unpfändbar sind.
    Kann das Insolvenzgericht in diesem Fall der Schlussverteilung zustimmen? M.E. ist in diesen Fällen noch nicht alles verwertet. Zum einen fallen durch die Selbständigkeit täglich neue Einnahmen in die Masse, zum anderen könnte der Schuldner nach Aufhebung seinen Geschäftsbetrieb einstellen und selbst die verbliebenen -bisher unpfändbaren- Gegenstände verwerten.
    Andere Meinungen?

  • Teufelskreis, oder?
    Ich gehe auch grundsätzlich von einer freien Berufsausübung des Schuldners. Die InsO geht eigentlich nur von einem abhängig beschäftigten Schuldner aus, dieser Fall wurde (wie vieles anderes) nicht bedacht.
    Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerversammlung doch die Fortführung genehmigt. Damit einhergehend könnte man von einer "Freigabe" der für die Fortführung notwendigen Gegenstände ausgehen. Dann wären diese nicht zu verwerten.
    Da der Schuldner selbstständig ist hat er nach § 295 II InsO seine Gläubiger so zu stellen, als sei er abhängig beschäftigt. Dazu braucht er dann wohl auch seine Geräte. Sollte er aber ad hoc entscheiden einzustellen und diese zu verkaufen könnte hierin ein Obliegenheitsverstoss liegen.
    Wie wäre es nun, wenn der Schuldner eine Summe X an die Masse zur Ablösung der Gegenstände aus der Masse zahlt oder zahlen lässt. Letztlich eine Frage nach der Größenordnung. Bei 2 Bohrmaschinen würde ich mir keine Gedanken machen, bei einer Bagger schon (übertriebene Darstellung).
    Was ist mit Absonderung? Normalerweise ist doch irgendeine Bank mit einem Kredit dabei, der diese Geräte sicherungsübereignet wurden. Haben diese auf die Absonderung verzichtet? Oder behalten sie sich eine Absonderung vor? Weil dann sähe die Masse kein Geld aus der Verwertung.

    Soweit mal nur ein paar Überlegungen. Bei mir wurden mal in einem Verfahren die Geräte von dritter Seite aus der Masse ausgelöst. Halte ich für eine saubere Lösung.

  • Hallo! Habe diese Woche Berichtstermin mit einem freiberuflichen Schuldner. Der IV schreibt in seinem Bericht, er habe das Gewerbe des Schuldners abgemeldet, am nächsten Tag habe dieser das Gewerbe wieder angemeldet, daraufhin habe er den Geschäftsbetrieb des Schuldners wegen der Masseverbindlichkeiten (zwei -mit dem Schuldner verwandte- Arbeitnehmer sind vorhanden) vorsorglich aus der Masse freigegeben.
    Da als Tagesordnungspunkt immer die Entscheidung der Gläubigerversammlung zu § 157 InsO angegeben ist, weiß ich nun nicht, was diese zu diesem Punkt beschließen soll (Anträge hat der IV nicht gestellt). Die Fortsetzung, die Einstellung oder überhaupt nichts, da die Sache schon von dem IV entschieden ist? :gruebel:
    (Regelmäßig lassen wir hier den Punkt beschließen: " Der Geschäftsbetrieb des Schuldners bleibt eingestellt.") Wäre das auch hier möglich und bezieht sich dann auf den durch den IV eingestellten ersten Betrieb? Könnte einer der Arbeitnehmer (zugleich Gläubiger) zu diesem Punkt die Fortsetzung beschließen?

  • Wenn das Geschäft freigegeben wurde, dann gehört es nicht mehr zur Insolvenzmasse und deshalb kann darüber letztlich auch nicht mehr entschieden werden. Entweder man nimmt es als Tagespunkt heraus. Ich würde zur Sicherheit aufnehmen, dass das Geschäft eingestellt wurde. Wenn der Schuldner es wieder aufgenommen hat, so ist das allein seine Sache. Der InsoV konnte die Masse ja nur durch die Freigabe schützen. Eine Untersagung seitens der Gläubigerversammlung wäre ja nicht möglich.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Entweder man nimmt es als Tagespunkt heraus.



    Einfach weglassen oder förmliche Feststellung ins Protokoll, dass eine Abstimmung zu diesem TOP unterbleibt, da der IV den Betrieb freigegeben hat? :gruebel:

  • Ich denke, man kann es herauslassen, da hier ein Fall des §158 InsO gegeben ist. Der InsoVerwalter hat ja bereits vor Berichtstermin das Unternehmen stillgelegt. Dafür braucht er auch keine Zustimmung der Gläubigerversammlung. Und dann ist es auch kein Tagesordnungspunkt im Berichtstermin mehr (u.a. HK-Flessner,§ 157, Rn. 2). Eine förmliche Feststellung im Protokoll bedarf es deshalb nicht.

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