Arbeitsalltag eines Rechtspflegers

  • Ich bedaure es , den Satz des Kollegen in den Fokus gerückt zu haben;
    bestimmt hat er den netten Hinweis hier " Achtung Ironie "vergessen.

    Ein achtsamer Umgang miteinander sollte grundsätzlich verunglimpfenden Allgemeinplätzen keinen Raum gewähren.

    rusu:
    wie holt man Dich aus Deiner tristen Amtsstube?
    Hilft es, wenn ich Dir sage, dass mit Deine Ratschläge in Hinterlegungssachen unverzichtbar sind?!!
    Was unseren Alltag hier betrifft:
    wir haben eine wunderschöne Sicherheitsschleuse- an der nun unsere Wachtmeister beschäftigt sind; d. h. wir schleppen die Akten selber- äußerst kommunikativ, weil ich genau 7 Anlaufstellen habe.
    Geht zwar Zeit drauf, hält aber den Kreislauf in Schwung und man hat guten Kontakt zur Basis.
    Und ich freu mich eigentlich immer auf Montage!

  • Das immer so hoch gelobte Praktikum ist wirklich keine Entscheidungshilfe, es ist eine lustige Veranstaltung, die dem Ernst des Anlasses nicht gerecht wird und nichts von dem zeigt, was den Berufsalltag später ausmacht, man erkennt das Laufrad nie.

    das stimmt meiner meinung nach nur teilweise. die leute, die praktikanten betreuen, versuchen zwar zumeist, das ganze unterhaltsam zu gestalten und ein möglichst interessantes programm zu bieten, was dann leider zulasten eines allzu realistischen einblicks in den job geht. aber einen groben einblick in das system und das ganze umfeld bekommt man doch. ein praktikum kann vor allem auch hilfreich sein, wenn vorher völlig falsche vorstellungen vom beruf herrschten.

    Eine gute Berufswahl umfasst viele, sehr viel Berufe und ein systematisches Ausschlussverfahren. Es ist eine Entscheidung, die im Kopf stattfindet.

    bei den beamten scheinen mir viele wirklich nur mit dem kopf, also rein rational, den beruf gewählt zu haben, insbesondere die frauen. hauptsache sicherer beamtenjob, festes gehalt, gleitzeit, teilzeitmöglichkeit - scheinbar fast egal, welche art von arbeit dafür zu verrichten ist. ich würde allerdings keinem jungen menschen dazu raten, nur nach solchen bloßen vernunftkriterien zu entscheiden, um dann ggf. irgendetwas über 40 jahre lang zu machen, was individuell ggf. dauerhaft nicht zufriedenstellend ist.

    ich würde empfehlen, zuerst einmal die eigenen fähigkeiten, interessen und neigungen zu hinterfragen und vor allem aufgrund dieser dinge zu schauen, was beruflich am besten passen könnte. wenn das die rechtspflegerei ist, ist es gut. wenn nicht, wäre die sicherheit des beamtenjobs auf kosten einer ggf. dauerhaft unbefriedigenden tätigkeit zu teuer erkauft.

  • Mit meinem Beitrags sollte endlich die Ausgangsfrage beantworten werden. Diese lautete: Wie sieht der Alltag des Rechtspflegers aus?
    Wenn ich mich etwas distanzierter zum Beruf äußere, so deshalb, weil ich durchaus auf einige andere Tätigkeiten zurückblicken kann u. a. Flugzeugelektroniker, später Flugdatenbearbeiter bei der Flugsicherung, einen Gesellenbrief vor der IHK habe ich mal in sechs Monaten (incl. 1 Monat Ferien) gemacht. Drei Jahre habe ich im Ausland gelebt.
    Für mich ist Rechtspfleger durchaus ein Beruf, der den ernährt, der ihn ausübt, der sicher ist, mit dem man sogar ganz gut leben kann. Aber das bieten aber viele andere Berufe auch und einige auch noch mehr. Ist man Rechtspfleger, ist ein Wechsel kam noch möglich. Vierzig Jahre in einem einzigen Beruf sind lang, sehr lang.
    Was mein tristes Büro angeht, es ist nicht trist, ich habe drei Pflanzen im Zimmer, zwei Kakteen und einen Pfennig- oder Geldbaum (letzteren sollte man auf der Hinterlegungsstelle immer haben). Und wenn alles klappt kann ich sogar zweimal die Woche in der Mittagspause eine halbe Stunde Yoga machen, dann habe ich auch Bewegung.Also alles in bester Ordung, relativ gesehen.

  • Hmm,

    es ist vielleicht eine ganz gute Idee, einfach mal seine Erfahrung mit anderen Berufen mit denen, die man als Rechtspfleger gesammelt hat zu vergleichen.

    Gelernt habe ich den Beruf eines Sozialversicherungsfachangestellten bei einer Krankenkasse. Ich bin dann über einen Träger der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst zum Rechtspfleger gekommen. Ich habe also 3 Tätigkeiten, die ich vergleichend darstellen kann. Das Besondere hieran ist, dass ich ausschließlich in Verwaltungen tätig gewesen bin.

    Ich denke, das ist auch die erste Entscheidung, die jemand bei seiner Berufswahl treffen muss. V.a. dann, wenn die Verwaltung in Betracht kommt. Wenn beim Arbeitsamt ein sauberes Berufsumfeld und eine Tätigkeit im Innendienst angegeben werden würde, lohnt sich wenigstens der Vergleich. Das unterscheidet mich wohl auch etwas von Rusu, der wohl auch in anderen Sparten als der reinen Verwaltung tätig war.

    Die Krankenkasse hatte eine durchaus anspruchsvolle Ausbildung zu bieten. Nicht so gefallen hatte mir dagegen meine spätere Tätigkeit. Es bestand eigentlich nur eine Auswahl aus 3 Rechtsgebieten (Einzugs-, Leistungswesen und allgemeine Verwaltung). In die allgemeine Verwaltung ist man nur in der Landesgeschäftsstelle oder Hauptgeschäftsstelle gekommen. Die Arbeit im Einzugs- und Leistungsbereich (in diesen Bereichen habe ich gearbeitet) war im Vergleich zum Rechtspfleger (egal ob in der Verwaltung, im Grundbuch oder in der Insolvenzabteilung - meine Abteilungen hier) deutlich monotoner gestrickt. Die Hierarchie war deutlich stärker aufgebaut. Was mir auch sehr gestunken hat, war die 2 - Klassengesellschaft, die es hier gab (ein Personalsachbearbeiter hatte durchaus andere Leistungen zu erwarten, als ein "normaler" Angestellter). Ferner war der aufgebaute Druck höher. Hat ein Kollege seine Arbeit nicht geschafft, wurde er gemobt oder abgemahnt. In einem Fall, der mir bekannt war, kam es auch zu einer Entlassung.

    Die betriebliche Altersversorgung hatte auch die Nachteile, dass man abhängig ist in seiner Entscheidung. Außerdem war das Arbeitsfeld bei weitem nicht so anspruchsvoll, wie das eines Rechtspflegers.

    Als Rechtspfleger habe ich bislang gerne ich jeder Abteilung gearbeitet (s.o., Verwaltung - hier als Beamter im g.D., Grundbuchamt und Insolvenzabteilung). Jede Abteilung war für sich anspruchsvoll. Jede Abteilung war auch inhaltlich vollkommen anders. Hier kann ich die Ausführungen von Rusu nicht ganz verstehen. In meinen "alten" Jobs hatte ich durchaus das Gefühl, 40 Jahre lang dasselbe tun zu müssen (daher habe ich mich auch nochmal für den Rpfl entschieden). Gerade als Rechtspfleger kam dieses Gefühl noch nicht auf. Wenn man eine Abteilung satt hat, wechselt man. Wenn das an der Beschäftigungsbehörde nicht möglich ist, wechselt man diese. So einfach ging das bislang nirgends!

    Was auch gut ist, niemand kann mir vorschreiben, wie ich zu entscheiden habe. Wenn ich den Vorstand einer Bank in die hintere Reihe schicke, kann sich dieser beschweren. Ich riskiere aber weder meinen Job noch einen Anschiss. Auch in der Verwaltung hatte ich mehr Freiheiten, als in allen meinen früheren Tätigkeiten...

    So. Vergleich Ende.

    Jetzt auch mal etwas negatives: Die Beförderungssituation ist nicht gerade rosig. Um nicht zu sagen: katastrophal. Als Rechtspfleger kommt man selten über die A11 und diese Besoldungsstufe zu erreichen dauert schon ewig. Will man schneller Karierre machen, muss man eben andere Bereiche (der Verwaltung) wählen. Aber auch das ist immer noch als Rechtspfleger (wenn auch nur beschränkt) möglich. Wenn auch auf Kosten seiner selbständigen Arbeitsweise und seiner Unabhängigkeit.

    Die Wahl würde daher für mich daher nicht zwischen einem Rechtspfleger und anderen Bereichen der (privaten oder öffentlichen Verwaltung) fallen, sondern zwischen den verwaltenden und anderen Tätigkeiten. Hierbei zähle ich aufgrund der Arbeitsweise die meisten kaufmännischen Berufe auch zu den verwaltenden Tätigkeiten.

    Und: Ein Praktikum ist immer empfehlenswert. Im schlimmsten Fall nimmt man nichts mit...

    So, ich hoffe, dass dieser Beitrag nun für Interessierte etwas hergibt...

  • @ Andi + rusu:

    Vielleicht ist jede Tätigkeit, die man im Bereich der Rechtspflege im weitesten Sinn betreiben kann, einfach systembedingt spannend und zugleich systembedingt mehr oder weniger langweilige Routine.

    Ich habe als Studentin und Referendarin in einer Anwaltskanzlei gejobt (*gell Schensie*). Dabei hatte ich zu achtzig Prozent mit Straßenverkehrsmandaten zu tun. Irgendwann zum Ende hin hatte ich das Gefühl, kennst Du ein Mandat kennst Du alle.

    Später durfte ich als Referendarin ziemlich selbständig die Aufgaben diverser Staatsanwälte wahrnehmen. Klar war es spannend, mit Polizisten und schweren Jungs etc. zu tun zu haben. Aber spätestens nach vielen Montagen, bei denen ich ausschließlich Beschlüsse des Ermittlungsrichters herbeiführen durfte, dass die am Wochenende beschlagnahmten Führerscheine besoffener Verkehrsteilnehmer auch beschlagnahmt blieben, schlich sich schon eine gewisse Öde ein.

    Mittlerweile habe ich das Spannenste vom Spannenden: Insolvenzverwaltung. Das pralle Leben quer durch alle Rechtsgebiete und denkbaren Lebenssachverhalte. Aber wenn ich mir meine eigentlich so heiß geliebte Insolvenzanfechtung betrachte, dann ist es eben doch immer wieder das Gleiche. Die gleichen Anfechtungssachverhalte, die gleichen Einwendungen...

    Ich glaube also, dass es irgendwie jedem mal so geht, egal ob Richter, Rechtspfleger oder Rechtsanwalt.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @ Andi + rusu:

    Ich glaube also, dass es irgendwie jedem mal so geht, egal ob Richter, Rechtspfleger oder Rechtsanwalt.

    Das ist wohl richtig. Da deprimierende daran ist wohl, dass es auch auf alle nur erdenklichen Jobs zutrifft. M.E. sollte man daher das Beste daraus machen

    und

    Insolvenzrecht ist wirklich spannend :D. Ich hätte es vorher nicht gedacht...

  • Insolvenzrecht ist wirklich spannend :D. Ich hätte es vorher nicht gedacht...



    Und da hast Du Insolvenzrecht noch nicht aus der Perspektive eines Insolvenzverwalters gesehen :D. Und trotzdem ist es auch viel Routine. (Aber wir werden vielleicht schon zu off-Topic.)

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • es kommt auch darauf an an welcher Justizbehörde Du eingesetzt wird und es kommt auf die Größe dieser Behörde an.

    Ich habe kleine Behörden kennengelernt mit guter familärer Atmosphäre und ebensolche die nichts anderes als ein Intrigantenstadel waren.

    Großstadtbehörden sind auch so eine Sache ... Ich habe mich seinerzeit wohlgefühlt. Kenne eine Kollegin, die bei einer Großstadtbehörde arbeitet irgendwo in der Mitte Deutschlands, die ist ganz unglücklich ist, weil sie die Arbeitsumgebung sehr unpersönlich findet.

    Vorteil ist aber sicherlich, man kann leichter seine Zelte abreissen und sich woandershin versetzen lassen.

  • Ich denke, wenn man nicht Freude an der Anwendung von Gesetzen hat, dass heißt, wenn man salopp gesagt viel "Action" braucht, viele äußere Reize um zufrieden zu sein, dann wird man am Berufsalltag eines Rechtsflegers wenig Freude haben. Ich hatte z.B. immer viel Freude an Mathematik, ich glaube, dass ist ein relativ guter Indikator. Wenn einem das autonome Lösen eines mathematischen Problems, an dem man lange alleine Rumknobeln musste, angeödet hat, wird einem auch das Bearbeiten juristischer Probleme eher langweilig und unbefriedigend vorkommen.
    Kurz noch zum Thema Praktikum:
    Was man beim Praktikum nicht so mitkriegt, ist ja vor allem die Arbeitsmenge, wenn einem die Anträge überfluten, wie häufig, kann man sich von der sachlichen Unabhängigkeit auch nicht mehr viel kaufen (siehe Hamsterrad).



  • Und eine fleißige Referendarin warst du auch.
    Die Routine gibt es überall - ging mir so, als ich noch beim Anwalt war und hier (in der STA) ist es in 75 % der Fälle auch Routine, auch wenn sich die Kund- und Anwaltschaft doch immer wieder was neues einfallen lässt und zu unterhalten weiß.

    Zum Topic: Es liegt an dir und deinen persönlichen Vorlieben - hast du lieber einen geordneten Studiumsalltag, der vor-organisiert ist und klare Zeiten und Termine vorgibt - dann FH und Rpfl.. Bist du aber eher für Flexibilität und Eigeninitiative (und -disziplin), dann Uni und Jura, Med. oder was auch immer.
    Für mich kann ich sagen - das Rpfl.-Studium war das beste, was mir passieren konnte.

  • Rechtspfleger/in/dasein - eine unvollständige Aufzählung

    Vorteile :)

    1. ein sicherer Job

    2. Kontakt mit Menschen (sieht jeder anders, ich kenne die RAST!)

    3. Büroarbeit, also witterungsunabhängig und körperlich relativ wenig anstrengend, außer für die Aktenselbstabholer und -wegbringer :)

    4. Unabhängigkeit:

    ich bin weitestgehend mein eigener Chef, bis heute hat noch nicht einmal in 14 Jahren irgendein nerviger Vorgesetzter oder Richter gefragt:
    WO BLEIBT DIE AKTE?!? WANN SIND SIE ENDLICH FERTIG?!?
    Ich entscheide selbst wann ich was und wieviel ich mache - jetzt bitte keine falschen Schlüsse ziehen, ich bin fleißig und schnell und schaffe viel.
    Routine - na und? Die gibt es in vielen anderen Berufen auch.




    Nachteile :(

    1. Geld:

    Ich kann auch nur bis (A) 9 zählen, den 10. Finger habe ich mir aus Frust schon abgekaut. Sprich: Selbst wenn mal doch eine Beförderung stattfinden sollte, ist das nicht gerade mit einer Karriere in der freien Wirtschaft zu vergleichen, von wegen Bonuszahlung und so...
    Doch das muss man von Anfang an einkalkulieren und sich später nicht beschweren. Und so wenig sind ca. +-2000,00 € netto auch nicht...

    2. Personalmangel und Überlastung:

    Beides kann teilweise extrem ausfallen und zermürben. Dagegen hilft oft nur die Routine und ein gutes Arbeitsklima. Lasst euch nicht kaputtmachen und macht euch nicht gegenseitig kaputt. Lasst lieber die Akten liegen und geht in die Pause, die euch zusteht. Ärgert euch weniger, wundert euch mehr und schüttelt ab und zu mal ungläubig den Kopf, ein bischen Bewegung kann ja net schaden, gell?

    3. Unflexibilität:

    Mit der Ausbildung als Repfl ist man ziemlich klar auf einen Job im öffentlichen Dienst fixiert und hat nur sehr wenig Möglichkeiten auszusteigen, vllt. mal in ein Notariat und bei einer Liegenschaftsverwaltung bzw. Bank. Dann hat man aber immer einen nervigen Chef (s.o. Vorteile 4.)

    4. fällt mir grad net ein

    Mögen sich andere noch was einfallen lassen, ich bin überwiegend zufrieden mit dem, was ich mache und mit dem Geld dafür....

    LG, spatz

    Einmal editiert, zuletzt von spatz (7. September 2009 um 22:00)

  • rusu, deine naturalistischen Antworten haben mir gut gefallen.

    Einen sicheren Arbeitsplatz hat jeder Beamte, nicht nur bei der Justiz.

    Ich würde sagen, dass die Unabhängigkeit des Rechtspflegers ein Pfund ist. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Verwaltung versucht, dich zu gängeln.

    Die Hirarchien innerhalb der Justiz sind so tief wie der Grand Canyon. Mit der Verwaltung sprichst du nie auf Augenhöhe, mit Richtern in seltenen Fällen.

    Wenn du einen eher geschmeidigen Charakter hast, emotional und kommunikativ intelligent und bescheiden bist, wirst du vorraussichtlich gut zurecht kommen. Wenn du eher ein Mensch mit Ecken und Kannten bist, einen eigenen Willen hast und meinst, dass du durch deine Leistung Einfluss auf deine berufliche Entwicklung haben solltest, dann solltest du die Fürs und Widers besonders gründlich abwägen.

    Natürlich handelt es sich um eine Einzelmeinung und natürlich möchte ich nicht verallgemeinern.

    Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Wahl!

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!