Insolvenz einer britischen Limited

  • Gibt es denn hier schon Erfahrungen bei Euch?

    Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr Fragen statt Klarheit.

    Zum Glück gibt es ja den kostenlosen online - Zugriff auf das Handelsregister in Cardiff (http://www.companieshouse.gov.uk). Demzufolge sieht man sehr schnell, ob es die Gesellschaft (noch) gibt oder ob sie bereits gelöscht (disolved) wurde.

    Was mach ihr denn bei einem Fremdantrag über das Vermögen einer gelöschten Ltd., insbesondere wenn Masse zur Eröffnung vorhanden scheint? Die Briten kennen den Doppeltatbestand nicht, d.h. wenn gelöscht, dann tot. Das Restvermögen gehört dann der britischen Krone (vgl. http://www.bonavacantia.co.uk). § 11 Abs.3 InsO passt nicht.

    Habe derzeit einen Fall, da wurde die Ltd. nach Verfahrenseröffnung gelöscht. Ein britischer Kollege meint, ich müsse nunmehr die Masse (Aktiva) an die Krone herausgeben ?! Dem dürfte in Deutschland doch wohl der ordre public entgegenstehen. Aber was, wenn ich noch Vermögen in England oder anderen Ländern hätte?

    Übrigens, bitte immer als Hauptverfahren nach EuInsVO eröffnen, dann nimmt uns das Register in Cardiff wenigstens war, sonst sind wir für sie nicht existent...

    Vorsicht auch bei einer "typischen" (d.h. ein Komplementär= Ltd. + 1 Kommanditist) Ltd. & Co. KG: falls es die Ltd. nicht mehr gibt, gibts auch keine KG mehr (BGH v. 15.3.2004 - II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047). Restvermögen der untergegangenen KG wächst dem Kommanditisten an. Dieses Sondervermögen ist nicht konkursfähig (BGH v. 10.5.1978 - VIII ZR 32/77, BGHZ 71,296); anders - ohne die BGH-Entscheidung zu sehen: LG Dresden v. 7.3.2005 - 5 T 889/04, ZinsO 2005, 384 und AG Hamburg v. 30.5.5 - 67a IN 222/05, ZinsO 2005, 838).

  • Das ist wirklich ein spannendes Thema! Einstweilen mal folgendes:

    Die Löschung der Ltd. im englischen Register nach Insolvenzeröffnung dürfte m.E. nicht zum Anfall vorhandenen Vermögens an die Krone führen. Denn über § 16 I EuInsVO ist in England das deutsche (Haupt-)Insolvenzverfahren mit universeller wirkendem Beschlag anzuerkennen, womit keine Herrenlosigkeit der Masse besteht, die m.E. Voraussetzung für bona vacantia wäre.

    Zur Frage, ob das gleiche gilt, wenn die englische Löschung schon vor "unserer" Insolvenzeröffnung erfolgte, müsste man sich noch einmal näher ansehen, ob die bona vacantia rückwirkend wieder wegfallen kann, wenn sich ein Berechtigter meldet.

    Was (aus englischer Sicht) Auslandsvermögen anbelangt, dürfte die bona vacantia auch nach meiner Ansicht am ordre public scheitern, so dass im jeweiligen Land ein Haupt- oder Partikularverfahren zulässig sein müsste.

    Über die anderen Fragen muss ich erst mal noch etwas intensiver nachdenken. Nächstes Wochenende treffe ich ein paar Engländer, vielleicht können die mir weiterhelfen - interessant wäre z.B. die Handhabung in England selbst: Kann dort noch ein Insolvenzverfahren stattfinden, wenn die Gesellschaft bereits gelöscht ist? :gruebel:

  • Die ordre public dürfte nur ein ganz besonderen Einzelfällen entgegenstehen; so z.B. soweit die Beschlagnahme zugunsten der Gläubiger erfolgt ist. Dem deutschen Recht ist es keineswegs Wesensfremd herrenlose Vermögensmassen dem Staat zuzuschreiben (§§ 45 III, 88, 1964 BGB).

  • Aber nach EUInsVO gilt britisches Gesellschaftsrecht und brit. GR besagt nunmal Aneignungsrecht der KRone...

    "ordre public": par conditio creditorum.....

  • Thema hatten wir erst am Wochenende im Seminar angerissen. Zwar fällt das Vermögen der Krone zu, die soll jedoch, wenigstens in Höhe der noch vorhandenen Aktiva haften.

    Viel spannender dürfte jedoch auch die Frage sein, ob der director, shadow director oder shit happens unbeschränkt haftet für den Fall, dass nach Löschung aus dem Register weiter agiert wird.

    Da sollte man dran bleiben, insbesondere bei der Anzahl der hier in D neu tätigwerdenden Ltd.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zitat von Pleitegeier

    Aber nach EUInsVO gilt britisches Gesellschaftsrecht und brit. GR besagt nunmal Aneignungsrecht der KRone...

    "ordre public": par conditio creditorum.....



    Britisches GesR gilt nicht aufgrund der EuInsVO, sondern weil der EuGH (sich) für Gründungsstatut entschieden hat, also unabhängig von einem Insolvenzverfahren.

    Aus der EuInsVO ergibt sich, dass bei Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens das InsR des Landes der Eröffnung universal gilt.

    Die Frage ist dann - ähnlich wie bei § 64 GmbHG - ob es sich bei bona vacantia um InsR oder GesR oder vielleicht nochmal was ganz anderes handelt.

  • Zitat von Pleitegeier

    Vorsicht auch bei einer "typischen" (d.h. ein Komplementär= Ltd. + 1 Kommanditist) Ltd. & Co. KG: falls es die Ltd. nicht mehr gibt, gibts auch keine KG mehr (BGH v. 15.3.2004 - II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047). Restvermögen der untergegangenen KG wächst dem Kommanditisten an. Dieses Sondervermögen ist nicht konkursfähig (BGH v. 10.5.1978 - VIII ZR 32/77, BGHZ 71,296); anders - ohne die BGH-Entscheidung zu sehen: LG Dresden v. 7.3.2005 - 5 T 889/04, ZinsO 2005, 384 und AG Hamburg v. 30.5.5 - 67a IN 222/05, ZinsO 2005, 838).



    Die Entscheidung des BGH v. 10.05.1978, NZI 1978, S. 1525 passt hier nicht, weil dort die KG in einer GmbH aufgegangen ist und so für die Insolvenz eines Sondervermögens kein Raum bleibt.:abklatsch:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Nach Diskussion mit englischen und deutschen Kollegen hier mal mein neuester Kenntnisstand:

    Bona vacantia ist - auch in den Augen der Briten - ein Relikt aus prähistorischen Zeiten, aber gerade die Briten trennen sich von den alten Sachen i.d.R. nur unter Zwang. Das De-Listing wegen Verletzung der Meldepflichten kommt offenbar relativ selten vor, weil dem ziemlich drakonische Ordnungsgelder für den Director vorausgehen. In der Abteilung, die für bona vacantia zuständig ist, landen dann im wesentlichen auch nur wertlose bzw. unverwertbare Gegenstände, und das auch weniger aus gelöschten Gesellschaften.

    Taucht tatsächlich einmal Vermögen einer gelöschten Gesellschaft auf, besteht - wenn auch umständlich - unter Umständen die Möglichkeit, in Sack und Asche zum Companies House zu kriechen und mit ein paar möglichst glaubhaften Ausreden, warum man das mit den Meldepflichten versemmelt hat, eine Wiederaufnahme ins Register zu erreichen.

    Aus deutscher Sicht dürfte die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens auch für eine im englischen Register bereits gelöschte Ltd. (o.ä.) über § 11 III InsO sichergestellt sein. Die hierbei auftretenden Fragen und Probleme, wie z.B.

    - Zustellung an bzw. Anhörung des Schuldners (§§ 8 II, 9 III, 10 InsO?)
    - Aussonderungsrecht der Queen?
    - Behandlung der gelöschten "Nach-Ltd." entsprechend einer "Vor-GmbH"?
    - unterschiedliche Behandlung von Geschäftstätigkeit vor und nach Löschung?

    harren noch wissenschaftlicher Aufarbeitung - z.B. durch ambitionierte Doktoranden.

  • Letzte Woche tauchte bei mir der Handlungsbevollmächtigte einer Ltd. (Sitz London) auf und wollte Insolvenzantrag stellen. Da kein Nachweis der Vertretungsberechtigung vorlag (für insolvente ltd handelte bei Bevollmächtigung eine andere ltd diese vertreten durch deren Direktor, dessen Unterschrift beglaubigt wurde und in der Vollmacht wurde § 21 BNotO zitiert, der Notar hat die Bescheinigung nicht erteilt, sehr ominös) nahm ich den Antrag nicht entgegen.
    Im Gespräch mit dem Vertreter kam schon raus, das die Gründung der ltd vermittelt wurde, damit ein Geschäft gemacht wurde, weil das günstiger und schneller als bei einer GmbH geht.

    Wie dieser Vertreter bislang Geschäft für die ltd abwickeln konnte ist mir schleierhaft, die Vollmacht war überhaupt nichts wert.

  • Zitat von Harry

    Letzte Woche tauchte bei mir der Handlungsbevollmächtigte einer Ltd. (Sitz London) auf und wollte Insolvenzantrag stellen. Da kein Nachweis der Vertretungsberechtigung vorlag (für insolvente ltd handelte bei Bevollmächtigung eine andere ltd diese vertreten durch deren Direktor, dessen Unterschrift beglaubigt wurde und in der Vollmacht wurde § 21 BNotO zitiert, der Notar hat die Bescheinigung nicht erteilt, sehr ominös) nahm ich den Antrag nicht entgegen.
    Im Gespräch mit dem Vertreter kam schon raus, das die Gründung der ltd vermittelt wurde, damit ein Geschäft gemacht wurde, weil das günstiger und schneller als bei einer GmbH geht.

    Wie dieser Vertreter bislang Geschäft für die ltd abwickeln konnte ist mir schleierhaft, die Vollmacht war überhaupt nichts wert.



    Auch im englischen Recht gibt es sowas wie den faktischen Geschäftsführer ("de facto director"), der, ohne formell zum Organ bestellt zu sein, mit Wissen und Wollen der Gesellschaft als Director auftritt, wie ein solcher handelt und die Gesellschaft auch rechtswirksam verpflichten kann.

    Ausgehend davon müsste auch ein de facto director einer englischen Ltd. mit COMI in Deutschland zur Stellung des Insolvenzantrags berechtigt sein: Denn nach Art. 4 EuInsVO gilt lex concursus, also deutsches Insolvenzrecht. Im Rahmen von § 15 InsO ist anerkannt, dass auch faktische Geschäftsführer zur Antragstellung berechtigt (und verpflichtet) sein können (HK-Kirchhof, § 15 Rz. 6).

    Natürlich muss zunächst eine eingehende Prüfung erfolgen, ob wirklich ein de facto director vorliegt.

  • Ohne mich bislang näher damit beschäftigt zu haben: wie weist sich den der director aus? Eine Eintragung im Internet kann ich nicht feststellen.
    Ein de facto director muss dann doch die Vollmacht für die ltd haben, wenn ich Chick richtig verstanden habe, dann handelt es sich bei dem de facto director um eine nicht formbedürftig zu erteilende Vollmacht. Das macht die ltd ja noch unsympathischer.

  • Wenn der director auf dem Briefpapier der Ltd. oder einer sonstigen Verlautbarung für den Rechtsverkehr als Organ benannt wird und auch selbst als solches auftritt, dann dürften zumindest die Voraussetzungen vorliegen, ihn als de facto director zu behandeln.

    Ich würde einfach mal um einen "geeigneten" Nachweis bitten (möglichst ohne das zu konkretisieren).:D

  • Den Trick mit "geeignete Nachweise" versuche ich ja auch ab und zu mal, aber wenn denn dann irgendetwas vorgelegt wird, das mag evtl. auf der Insel geeignet sein, aber hier, so wie bei meiner beschriebenen Vollmacht, nichts hergeben.

    Übrigens ist es nicht ungefährlich, hinsichtlich einer Zwischenverfügung zum Beispiel muss ich ja schon konkretisieren was ich will.

  • mal nach oben kram:

    die frage die sich mir stellt, wie trage ch das in regsiter ein? ist die limited wie die deutsche gmbh durch eröffnung aufgelöst? könnte hier falsch sein und in den reigsterbereich fallen, aber da hier nunmal dieser thread ist, dachte, ich frag erstmal hier

  • @mischku
    Eine Fundstelle zur Ablehnung des InsAntrags mangels Masse:

    Die Auflösung ist eine gesellschaftsrechtliche Wirkung eines insolvenzrechtlichen Tatbestands. Bei einer Auslandsgesellschaft beurteilt sich demzufolge nach dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut (also nach dem Recht des Gründungsstaates), welche Konsequenzen sich aus der Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse für die Gesellschaft ergeben (Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rz. 36 m.w.N.). Eidenmüller weist allerdings auf die Kritik an dieser Rechtslage hin (z.B. Haas NZI 2003, Heft 12 NZI aktuell), schließt sich dieser im Ergebnis an und hält es für vertretbar, bei abgelehnter Eröffnung das Recht des Sitzstaates für die gesellschaftsrechtliche Abwicklung nach Abweisung des Insolvenzantrags anzuwenden.

    Letztgenannte Ansicht datiert aus der Zeit vor den EuGH-Entscheidungen (Inspire Art, Centros, Überseering), infolge deren die Sitztheorie weitgehend hinfällig ist, weshalb man mit dem Gesellschaftsstatut nicht ganz verkehrt liegen dürfte.

    Für Deine Ausgangsfrage hilft das natürlich nicht viel: Was passiert, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird? Ein Blick ins Recht des Gründungsstaates - bei einer englischen Ltd. englisches Recht - dürfte hier zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, welche Art von Verfahren dort stattfindet (Reorganisation oder Liquidation), die alle unter der Überschrift "Insolvenzverfahren" stehen. Was im englischen Gesellschaftsrecht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht stehen wird ist, welche Folge die Eröffnung eines deutschen (italienischen, französischen) Insolvenzverfahrens für die englische Gesellschaft hat.

    Zumindest dürfte eine Amtslöschung in England spätestens dann erfolgen, wenn die Gesellschaft/der Insolvenzverwalter den Rechnungslegungspflichten in England nicht mehr nachkommt.

  • die frage die sich mir aufdrängt dabei ist dann ja, kann ich eintragen, dass die gesellschaft aufgrund der eröffnung des insolvenzverfahrens aufgelöst ist...ich will sie ja noch gar nciht löschen. eine mitteilung nach GB soll meinetwegen das insolvenzgericht machen, ich hab nur gerade halt dieses eintragungsproblem. denn ich denke, es sit analog einer gmbh einzutragen, dass die ltd aufgrund eröffnung aufgelöst ist

  • M.E. kannst Du guten Gewissens nur eintragen, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Wenn sich die Frage der Auflösung nach englischem Recht richtet - unterstellt es geht vorliegend um eine englische Ltd. - dann dürfte die deutsche Insolvenzeröffnung nicht notwendigerweise zur Auflösung führen.

    Wende Dich mit der Frage doch mal an das Companies House (http://www.companieshouse.gov.uk) oder sag dem IV, er soll sich (ggf. dort) schlau machen. Sollte dort allerdings schon "dissolved" eingetragen sein, kannst Du die Auflösung im deutschen HR m.E. auch eintragen.

  • nach Einsichtnahme ins neuste hrp meine ich, dass ich die auflösung einzutragen habe wegen Art 102 Abs. 3 EGInsO. (HRP 7te aufl. RN 335)
    So wollte ich die Eintragung vornehmen:

    Durch Beschluss des Amtsgerichts Zeppelin vom (Datum) ist über das Vermögen der inländischen Zweigniederlassung der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.
    Die Gesellschaft ist aufgelöst.
    Von Amts wegen eingetragen.

    Ich denke, das wäre ein vernünftiger und gangbarer weg

  • nach Einsichtnahme ins neuste hrp meine ich, dass ich die auflösung einzutragen habe wegen Art 102 Abs. 3 EGInsO. (HRP 7te aufl. RN 335)



    Ohne jetzt ins HRP geschaut zu haben (7. Aufl.? das HRP InsR gibt's laut website vom Beck-Verlag nur in der 6. Aufl.:gruebel::( Art 102 EGInsO ist die Durchführungs-VO zur EuInsVO und besteht aus 11 §§. Ich kann darunter keine Regelung entdecken, die für das hiesige Problem einschlägig wäre.

  • naja...7. auflage hrp ist ja für register *pfeif* ist da ein wenig falsch zitiert (weil der § fehlt) würde dies aber unter Art 102 § 1 abs. 3 EGInsO fassen und meine Eintragung so vornehmen

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