Pflichtteilergänzungsanspruch

  • Kleines Problem in einer Vertretungsakte:

    Die Ehefrau des Betroffenen ist verstorben, der Ehemann ist Miterbe zu 7/75 Anteil geworden (Erbfolge aufgrund Testament der Ehefrau). Damit besteht unbestritten ein Pflichtteilergänzungsanspruch des Betreuten. Gleichwohl ist dieser zum Notar gegangen und hat seinen Verzicht auf eventuelle Pflichtteilsansprüche beurkunden lassen. Die Betreuung bestand zu diesem Zeitpunkt bereits. Der damalige Betreuer beauftragte infolge dessen einen Anwalt mit der Geltendmachung der Ansprüche des Betroffenen, da dieser nach seiner Meinung zu dieser Erklärung beeinflusst wurde und keinesfalls die Tragweite der Entscheidung überblicken konnte.
    In der Folgezeit wird ein psychiatrisches Gutachten veranlasst, da die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehaltes beantragt ist. In diesem Gutachten wird festgestellt, dass der Betreute zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung keinesfalls geschäftsfähig gewesen sein kann.
    Seitdem streiten sich die Parteien über Anwälte.
    Nunmehr liegt ein Vergleich vor, der dem Betreuten 30.000,- € zuspricht. Der tatsächliche Ergänzungsanspruch läge bei etwa 60.000,- €. Im Hinblick auf das Alter des Betroffenen und die Belastung einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung wird der Abschluss des Vergleichs von Betreuer und Verfahrenspfleger für okay befunden. Zudem wird als Argument angeführt, dass die übrigen Erben bei nicht außergerichtlicher Einigung in jedem Fall einen Prozess anstrengen würden, da ja nach wie vor der notarielle Verzicht vorliegt und das Gutachten angezweifelt wird. Dem vergleich haben alle Miterben zugestimmt.
    Irgendwie hab ich trotzdem Bedenken bei der Erteilung der Genehmigung, weil die Differenz zum eigentlichen Anspruch extrem hoch ist.
    Wie seht ihr das???

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Hier geht es offenbar nicht um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB), sondern um einen Pflichtteilsrestanspruch i.S. des § 2305 BGB. Beim Ehegatten ist für die Berechnung des Pflichtteilsrestanspruchs der sog. "große Pflichtteil" maßgeblich, weil er als Miterbe keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat. Bei gesetzlichem Güterstand und beim Vorhandensein von Abkömmlingen beläuft sich dieser Restpflichtteil auf 47/300 = 15 2/3 % (Differenz zwischen 7/75 und 1/4) und beim Vorhandensein (lediglich) von Angehörigen der zweiten Erbordnung auf 169/600 = 28 1/6 % (Differenz zwischen 7/75 und 3/8).

    Soweit zum Grundsätzlichen. Schau mal nach, ob im Hinblick auf die Quoten richtig gerechnet wurde.

    Ich bitte noch um folgende Angaben:

    Wurde der "Pflichtteilsverzicht" vor oder nach dem Erbfall erklärt? Welche Beteiligten haben an der Beurkundung mitgewirkt?

  • :gruebel: Hmmm, wenn Vertretungsakte, dann würde ich diese Akte möglichst verfristen. :D

    Aber mal Spaß beiseite. Wenn der Verfahrenspfleger dem Abschluss des Vergleichs zugestimmt hat, würde ich genehmigen. Du sagst selber der Betreute ist schon älter, dann hätte er wenigstens noch was von dem Geld und die Sache ist vom Tisch. Immerhin hätte er durch seinen Verzicht gar nix bekommen.

  • So schnell ist man auf dem falschen Pferd gelandet. Gut, dann halt Pflichteilsrestanspruch ;)

    Der Verzicht wurde nach dem Tod der Ehefrau vor einem Notar erklärt. Weitere Beteiligte waren laut Urkunde nicht zugegen.
    Die Quoten wurden m.E. richtig angenommen, da Abkömmlinge nicht vorhanden sind. Haupterbe ist ein Neffe.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Ein Pflichtteilsverzicht i.S. des § 2346 Abs.2 BGB kann (ebenso wie der Erbverzicht) nur zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen. Nach dem Eintritt des Erbfalls kann der bereits entstandene Pflichtteilsanspruch wegen seiner rein schuldrechtlichen Natur nicht ausgeschlagen, sondern nur noch durch (auch formlos möglichen) Vertrag i.S. des § 397 BGB erlassen werden (KG OLGZ 1996, 193).

    Als Ausschlagung des Pflichtteilsanspruchs wäre die Erklärung des Betreuten somit -mangels Möglichkeit einer solchen- unwirksam. Da beim Notartermin keine weiteren Beteiligten anwesend waren, ist somit zu prüfen, ob die vertragliche Erklärung des Betreuten allen Miterben zugegangen ist und ob insoweit auch eine vertragliche Annahmeerklärung aller Miterben vorliegt. Nur wenn diese bei jedem Vertrag erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, kommt es überhaupt darauf an, ob der Betreute im Zeitpunkt seiner Vertragserklärung geschäftsfähig war.

    Ist hiernach entscheidend, ob der Betreute im Zeitpunkt seiner Erklärung geschäftsfähig war, so besteht aufgrund des -insoweit wohl eindeutig negativen- Gutachtens eigentlich kein Anlass, auf den vorliegenden Vergleichsvorschlag einzugehen ("kann keinesfalls geschäftsfähig gewesen sein"). Mit einer Genehmigung des Vergleichs setzen sich Betreuer und Fiskus m.E. der Gefahr aus, von den am Vergleich nicht beteiligten Erben des Betreuten nach dessen Ableben in Regress genommen zu werden. Wenn das Gutachten tatsächlich so eindeutig ist, wie es im mitgeteilten Sachverhalt zum Ausdruck kommt, würde ich mir eine Genehmigung des Vergleichs daher sehr gut überlegen. Als Alternative kommt m.E. nur eine deutliche Erhöhung des Vergleichsangebots oder ein "Durchziehen" der Angelegenheit im Prozessweg in Betracht. Im Hinblick auf den angedachten Vergleich würde ich meinen, dass eine hälftige Verteilung des Prozessrisikos dem Inhalt des eindeutigen Gutachtens nicht gerecht wird. Bei einer Verteilung 2:1 (also 40.000 € für den Betreuten) ließe sich nach meinem Dafürhalten eher über eine Genehmigungsfähigkeit diskutieren.

  • Zitat von juris2112

    Ein Pflichtteilsverzicht i.S. des § 2346 Abs.2 BGB kann (ebenso wie der Erbverzicht) nur zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen. Nach dem Eintritt des Erbfalls kann der bereits entstandene Pflichtteilsanspruch wegen seiner rein schuldrechtlichen Natur nicht ausgeschlagen, sondern nur noch durch (auch formlos möglichen) Vertrag i.S. des § 397 BGB erlassen werden (KG OLGZ 1996, 193).



    Genau das hab ich gestern gesucht, aber wenn man beim Pflichtteilrecht rumstochert, kann man natürlich auch nichts finden :mad: Und ich dachte schon, ich wäre völlig neben der Spur.

    Zitat von juris2112

    Mit einer Genehmigung des Vergleichs setzen sich Betreuer und Fiskus m.E. der Gefahr aus, von den am Vergleich nicht beteiligten Erben des Betreuten nach dessen Ableben in Regress genommen zu werden.



    Genau das ist meine Befürchtung. Allerdings ist der Betreute anwaltlich vertreten, so dass man schon meinen sollte, dass diesem bekannt ist, dass ein Pflichtteilsverzicht im eigentlichen Sinne nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich ist...

    Das Gutachten sagt folgendes: "Herr N. ist zum Untersuchungszeitpunkt als nicht geschäftsfähig anzusehen. Der dementielle Abbau des Betroffenen ist als schwergradig anzusehen. Auch retrospektiv muss für die vergangenen Monate ein solcher schwerer dementieller Abbau attestiert werden. Zum Zeitpunkt der Unterschrift unter den notariellen Vertrag am ... 2004 muss von einer solchen Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden, dies wird durch die Dokumentation im Pflegebericht und durch die Aussage des Herrn K. und des Herrn L. unterstrichen."

    weiter unten heißt es noch: "Es muss bei der momentam vorliegenden schweren dementiellen Erkrankung des Betroffenen davon ausgegangen werden, dass diese Erkrankung auch schon mindestens im ...2004 vorgelegen hat. Von einer Geschäftsfähigkeit oder Attestierfähigkeit zu diesem Zeitpunkt kann ebenfalls auf keinen Fall ausgegangen werden."

    Ich finde das Gutachten insofern eindeutig, zumal es gerade mal einen Monat nach der Beurkundung erstellt wurde! Gerade deshalb verstehe ich nicht, weshalb hier unbedingt auf einen Vergleich gedrängt wird. Die Begründung lautet u.a., der Betroffene solle noch was von dem Geld haben. Ihm geht es wohl nicht so gut. Aber nötig hat er es nicht!

    Allerdings, wenn die anderen Miterben nicht mehr zahlen wollen und einen Prozess anstrengen... Irgendwie verzwickt :(

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Zur Vervollständigung (wegen der "erfolglosen Suche"):

    Sowohl ein Erbverzichts- als auch ein bloßer Pflichtteilsverzichtsvertrag kann nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden (BGHZ 37, 319 für den Erbverzicht und BGH NJW 1997, 521 = ZEV 1997, 111 für den Pflichtteilsverzicht). Die letztgenannte Entscheidung beruhte auf einem Nachlassverfahren, für welches ich zuständig war. Die in Inland wohnhafte österreichische Erblasserin hatte ihrer in Österreich lebenden Tochter ein beim einem deutschen Notar beurkundetes Angebot zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages unterbreitet. Bevor die Tochter das Angebot annehmen konnte, verstarb die Erblasserin; die Annahme erfolge nach dem Ableben der Erblasserin zur Urkunde eines österreichischen Notars. Der BGH hat m.E. zutreffend entschieden, dass das von der Erblasserin unterbreitete Angebot wegen des genannten "Lebzeitigkeitserfordernisses" abweichend von § 130 Abs.2 BGB nach dem Ableben der Erblasserin nicht mehr wirksam angenommen werden konnte. Der österreichische OGH hat in dieser Sache für einen dortigen Rechtsstreit zwischen Erbe und Tochter im gleichen Sinne entschieden.

    Aber zurück zur Sache:

    Ich würde die Angelegenheit unter Darlegung der zutreffenden Rechtslage einmal eindringlich mit dem Betreuer, dem von ihm mandatierten Anwalt und dem Verfahrenspfleger persönlich besprechen. Nur auf diese Weise kannst Du Dir einen Eindruck davon verschaffen, ob die drei überhaupt wissen, was (rechtliche) Sache ist.

    Wenn Betreuer, Anwalt und Verfahrenspfleger an ihrer Sicht der Dinge festhalten, musst Du Dich entscheiden: Genehmigung erteilen oder verweigern, beides schon aus Haftungsgründen möglichst mit ausführlicher Begründung. Natürlich unangenehm, aber so ist das halt.

    Bei einem Scheitern des Vergleichs müsste im übrigen der Betreute klagen. Die Gegenseite soll ja zahlen.

  • Danke für die Ausführungen, hat echt weitergeholfen :daumenrau War mir doch gleich klar, dass das ein Fall für dich ist :D
    Da es eine Vertretungsakte ist und ich mir nicht sicher bin, ob der Kollege nicht schon irgendwelche Absprachen getroffen hat (aus der Akte nicht ersichtlich), werde ich ihm einen Zettel mit meinen (deinen) Erkenntnissen in die Akte legen und er soll nach seinem Urlaub überlegen, wie er vorgehen wird. Denn eine Besprechung mit den Beteiligten erscheint mir auch am sinnvollsten und die soll er dann auch selbst machen (Urlaub ist fast zu Ende).
    :2danke nochmal!!!

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

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