Klarstellende Entscheidung des Insolvenzgerichts

  • Viele Arbeitgeber haben ein Problem bei der Abwicklung in der Insolvenz.

    Wenn aufgrund der einstweiligen Einstellung einbehaltene Beträge zurückgehalten wurden oder Beträge für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren nachgezahlt werden bitten sie das IG um Klarstellung wem diese Beträge zustehen.

    Die Antwort des IG lautet oft ganz lapidar, dass das IG darüber keine Aussage machen kann. Es ist mir selbst schon passiert und höre es von anderen Arbeitgebern immer häufiger. In meinem damaligen Fall hatte ich sogar mehrmals um einen klarstellenden Beschluss gebeten. Der Rechtspfleger ist in diesem Fall einfach nicht darauf eingegangen und hat nur mit nichtssagenden Zitaten aus der InsO geantwortet.

    Ich denke mir, dass hier § 36 Abs. 4 InsO zu beachten ist und das IG für die Feststellung zuständig ist, was zur Masse gehört. Auch der BGH hat in seinen letzten Entscheidungen festgestellt, dass das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht (ging und Erinnerung gegen einen PfÜB) zuständig ist.

    Welche Möglichkeiten hat der AG außer die Beträge zu hinterlegen?

  • Welche Möglichkeiten hat der AG außer die Beträge zu hinterlegen?



    ... den IV/TH fragen, ob schuldbefreiend an ihn gezahlt werden kann, und das dann ggf. nach Vorliegen einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung tun.

  • Natürlich will der TH die Kohle im Zweifelsfall haben. Aber wie viele Fälle soll ich Dir nennen in denen dem TH das Geld nicht zusteht was er haben will?

    Es geht in einem konkreten Fall um eine fünfstellige Nachzahlung für mehrere Jahre. IV im Sommer vor zwei Jahren eröffnet. Vorrangige Abtretung lief noch bis Juni oder Juli 2006. Danach bekam der TH das Geld.

    Meiner Meinung nach steht die anteilige Nachzahlung bis Juni/Juli dem Abtretungsgläubiger zu. Die hätte er auch bekommen, wenn der Anspruch bereits im Frühjahr festgestellt worden wäre. Es kann doch nicht sein, dass diese zeitliche Verzögerung zu Lasten des Abtretungsgläubigers geht.

    Da es hier wie gesagt um einen hohen Betrag geht, ist der TH daran sehr interessiert wegen seiner Gebühren.

    Da es hier um einen sehr hohen Betrag geht will der AG ja auch kein Risiko eingehen.

    Ebenso würde es meiner Meinung nach aussehen, wenn das Verfahren heue eröffnet wird und der Schuldner hat im Dezember einen Nachzahlungsanspruch für die Zeit ab Januar 2006.

    Alle vorliegenden Pfändungen werden mit Ablauf Oktober unwirksam. Die Nachzahlung (im Dezember) steht aber meiner Meinung nach bis einschließlich ) Oktober dem erstrangigen Pfändungsgläubiger zu.

  • Ich bin natürlich zugegebenermassen zu faul, um die Frage rechtlich tief zu durchschürfen, meine aber aus pragmatischen Erwägungen, dass auch der Arbeitgeber sich das sparen sollte. Denn was hilft die schönste (und ggf. richtige) rechtliche Begutachtung, wenn es das Gericht dann im Streitfall anders sieht (soll gelegentlich vorkommen). Der Arbeitgeber muss die Frage ja auch m.E. gar nicht klären, er muss nur auf die sichere Seite kommen, dass er sein Geld schuldbefreiend los wird. Und dafür gibt es m.E. nur zwei Alternativen zur Hinterlegung:

    1. Er hat eine gerichtliche Entscheidung bzw. zumindest eine "Klarstellung", auf die er sich stützen kann.

    2. Einer der in Betracht kommenden Prätendenten stellt ihn frei.

    Wenn Ziff. 1 nicht klappt, weil das Gericht zu schüchtern ist, erscheint mir Ziff. 2 durchaus praktikabel. Und wenn der IV/TH das Geld will, zusichert, dass schuldbefreiend an ihn gezahlt werden kann und ggf. noch eine Freistellungserklärung abgibt, spricht m.E. nicht viel dagegen, an die Masse zu zahlen.

  • Es geht in einem konkreten Fall um eine fünfstellige Nachzahlung für mehrere Jahre. IV im Sommer vor zwei Jahren eröffnet. Vorrangige Abtretung lief noch bis Juni oder Juli 2006. Danach bekam der TH das Geld.



    Nur als Exkurs (und nicht für Hego, der weiss sowas selbst): Im Regelinsolvenzverfahren wäre bei vorrangiger Abtretung die Zahlung an den IV schon wegen § 166 II unproblematisch.

  • zu Posting Nr. 1:

    Wenn die Abtretung noch wirksam ist (bis zum Ablauf der zwei Jahre) kann der AG eigentlich nur an den Zessionar zahlen.

    Zahlt der AG an den TH und ist der Zessionar (z.B. eine Bank) nicht damit einverstanden, dann hat er an den Falschen gezahlt und muss ggfs. an den wirklichen Gläubiger nochmals zahlen. Ist die Bank der Meinung dass ihr das Geld zusteht, wird sie sich nicht unbedingt mit dem TH auseinandersetzen wollen sondern wird von dem AG die Zahlung verlangen und ggfs. diesen verklagen.

    Bei Klarstellung durch das Gericht - kein Problem. Aber wenn das Gericht sich nicht für zuständig hält und der Zessionar nicht mit der Zahlung an den TH einverstanden ist, kommt nur die Hinterlegung in Betracht.

    Zu Posting Nr. 2:

    Das sehe ich nicht ganz so. Ich nehme wegen der ausdrücklichen Regelung in § 114 Abs. 1 InsO an, dass § 166 InsO nicht zieht. Ein Zessionar wird sich immer vorrangig auf § 114 Abs. 1 InsO berufen.

    Ich sehe den § 114 Abs. 1 InsO als ausdrückliche Regelung für diese Einkommen an. Das geht aus der Entstehungsgeschichte und dem Regierungsentwurf hervor: Die Besserstellung der Abtretung weil diese in der Regel das einige Sicherungsmittel des AN ist und dieses Sicherungsmittel die Kreditfähigkeit des AN regelt.

    Ich wurde schon häufiger aufgefordert (auch bei Abtretung) nur noch an den TH zu zahlen. Ich habe dann obige Meinung vertreten und nie mehr was von den TH gehört....



  • Dass § 114 I ein Zuckerl für den Zessionar des AN sein sollte, ist klar. Aber das Zuckerl besteht m.E. darin, dass er ansonsten insolvenzbefangenes Vermögen - entgegen dem sonstigen System - über 2 Jahre noch bekommt. Mit § 166 II hat das m.E. nichts zu tun; ich kann im Gesetz nichts erkennen, was das Einziehungsrecht des IV für die Lohnabtretung ausschließen würde - wohlgemerkt: des IV, denn für den TH gilt § 166 II ja ohnehin nicht, vgl. § 313 III.

    Demgemäß mache ich als IV von § 166 II auch beim abgetretenen Einkommen durchaus Gebrauch - es sei denn, Aufwand und Erlös stehen in keinem Verhältnis. Ich habe damit bisher auch keine Probleme gehabt.

  • Ich handhabe das so, dass § 114 Abs. 1 InsO für mich als AG immer gilt. Es ist nicht gesagt, dass für die Regelinso etwas anderes gilt.

    Habe bisher auch keine Probleme damit gehabt:D

    Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass die IV (wenn ich das verweigere) sich nicht mit mir rum steiten wollen.

    Dass Du damit bei anderen AG kein Problem hast glaube ich Dir gerne. Die nehmen einfach an, dass es so richtig ist weil der TH oder IV das so sagt.

    Für mich ist es aber eine meiner liebsten Beschäftigungen mich mit diesem Personenkreis rumzuzanken.

    In meinen Seminaren stelle ich oft mit Erschrecken fest, was die AG (und das sind keine kleinen AG) machen weil der TH das so gesagt hat. Die sind der Meinung, dass der TH der Herr des Geschehens und sozusagen der verlängerte Arm des Gerichts ist.

    Der § 166 InsO gibt dem Verwalter das Verwertungsrecht beweglicher Gegenstände. Ob da überhaupt ein Unterschied zwischen Verwalter und TH gewollt ist wage ich noch zu bezweifeln. Wenn ich nicht falsch liege, dann ist in IK Sachen der Verwalter ein TH (sonst kein Unterschied). Sorry, wenn das falsch sein sollte, aber ich habe ja nur eine eingeschränkte Berührung mit der InsO.

    Nur so aus dem Bauch heraus denke ich, dass allenfalls da ein Unterschied in der Abtretung zu machen wäre, wenn es sich um eine Abtretung wegen gewerblicher Forderung handelt (weil Regelinso). Sind aber die Bezüge abgetreten, dann kann man eigentlich in der Regel nicht davon ausgehen. Schließlich sind die Abtretung der Bezüge in § 114 Abs. 1 Inso gesondert geregelt.

  • Für mich ist es aber eine meiner liebsten Beschäftigungen mich mit diesem Personenkreis rumzuzanken.



    Du willst also mit mir zanken?! :teufel:

    Zitat von Hego

    Der § 166 InsO gibt dem Verwalter das Verwertungsrecht beweglicher Gegenstände. Ob da überhaupt ein Unterschied zwischen Verwalter und TH gewollt ist wage ich noch zu bezweifeln. Wenn ich nicht falsch liege, dann ist in IK Sachen der Verwalter ein TH (sonst kein Unterschied). Sorry, wenn das falsch sein sollte, aber ich habe ja nur eine eingeschränkte Berührung mit der InsO.

    Nur so aus dem Bauch heraus denke ich, dass allenfalls da ein Unterschied in der Abtretung zu machen wäre, wenn es sich um eine Abtretung wegen gewerblicher Forderung handelt (weil Regelinso). Sind aber die Bezüge abgetreten, dann kann man eigentlich in der Regel nicht davon ausgehen. Schließlich sind die Abtretung der Bezüge in § 114 Abs. 1 Inso gesondert geregelt.



    1. § 166 bezieht sich nur in Abs. 1 auf bewegliche Gegenstände; Abs. 2 sagt aber ausserdem explizit, dass der Verwalter eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten darf.

    2. Wenn der Schuldner eine Lohnabtretung vornimmt, tritt er i.d.R. zur Sicherung eines Anspruchs eine Forderung ab, oder? Also ist der Anwendungsbereich von § 166 Abs. 2 eröffnet.

    3. § 114 Abs. 1 sagt etwas über die (zeitliche) Reichweite des Absonderungsrechts bei der Lohnabtretung. Über die Verwertung dieses Absonderungsrechts ist § 114 hingegen nichts zu entnehmen. Da § 166 Abs. 2 ebenfalls nicht zu entnehmen ist, dass er für eine Forderung des Schuldners auf Arbeitsentgelt nicht anwendbar sein soll, sehe ich methodologisch keinen plausiblen Weg zu seiner Unanwendbarkeit. Also kann bzw. muss der IV das pfändbare Einkommen des Schuldners nach InsEröffnung auch bei Vorliegen einer Lohnabtretung einziehen und die Kostenpauschalen nach §§ 170, 171 kassieren.

    4. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren ist die Situation grundlegend anders, weil hier die Verwertung von Absonderungsrechten nach § 313 Abs. 3 eben - in Abweichung zu § 166 - nicht dem TH, sondern den Absonderungsberechtigten selbst zugewiesen ist (vorbehaltlich § 173 Abs. 2, der nach § 313 Abs. 3 zur Anwendung kommt).

  • Ach Chick, ich wünschte wenigstens ein Drittel meiner TH (das wären dann immerhin 20) hätten Deine Einstellung und Deine Ahnung.

    Ich muss mich mit denen ja nur rumzanken weil sie es einfach nicht kapieren, dass das Gericht und nicht er/sie feststellen, was pfändbar ist. Außerdem muss ich bei denen jeden Beschluss einzeln anfordern und die Abtretung noch mal extra. Es ist zum Mäusemelken.

    In der Sache haben wir, so sehe ich es hier, zwei sich widersprechende Vorschrifen. Dass die Abtretung noch zwei Jahre wirksam ist, hindert u.U. die Einzung durch den IV nicht. Ist schon klar.

    Andererseits ist das eine Vorschrift, die dem IV Rechte einräumt. Natürlich ist die Lohnabtretung auch ein Abtretung, die unter § 166 Abs. 2 InsO fällt.

    Aber ich sehe das ja aus einem anderen Blickwinkel. Für Dich besteht nach § 114 Abs. 1 InsO ein Absonderungsrecht. Für mich als AG bleibt die Abtretung noch zwei Jahre bestehen. In Abs. 3 ist die Wirksamkeit der Pfändungen geregelt.

    Zunächst bin ich, als ich den ersten Fall auf dem Tisch hatte, davon ausgegangen, dass mich das nicht interessiert. Ich war der Meinung, dass die Pfändung aufgehoben werden oder der Gläubiger verzichten müsste. Ich habe mich dann von einem kundigen Rechtspfleger belehren lassen müssen, dass ich als AG diese Wirksamkeitsbegrenzung in allen drei Absätzen beachten muss.

    Wenn ich also den § 114 InsO als AG beachten muss, dann habe ich auch grundsätzlich die Abtretung noch zwei Jahre zu beachten, weil nirgendwo gesagt ist, dass die Verwertungsbefugnis in IN Verfahren bei dem IV liegt.

    Ich werde also auch weiterhin die Abtretungen beachten, auch wenn der IV die Verwertungsbefugnis für sich beansprucht. Dann soll er zum IG gehen und einen entsprechenden Beschluss bewirken. Wenn Du also mal einen solchen "sturen" AG haben solltest, dann könnte ich das sein, oder zumindest einer, der wie auch immer eine Verbindung zu mir hat.:D

    Ich denke mir, dass der Gesetzgeber hier mal wieder geschludert hat und diese Regelungslücke einfach nicht gesehen hat. Vielleicht hat er auch gedacht, dass die Beträge in der Regel so gering sind, dass der IV daran nicht interessiert ist.

    Der Insolander im IN-Verfahren war in der Regel kein AN und die Abtretung von AE dürfte da eher die Ausnahme sein.

  • Der Insolander im IN-Verfahren war in der Regel kein AN und die Abtretung von AE dürfte da eher die Ausnahme sein.



    Das dürfte tatsächlich zu einer relativ geringen Praxisrelevanz führen.

    Nur noch eine Anmerkung:
    Sollte mal ein AG trotz Aufforderung nicht an mich als IV, sondern weiterhin an den Zessionar zahlen, würde ich - wenn ich gerade Zeit habe und den AG ärgern will - nicht das InsGericht bemühen, sondern in Höhe der Pauschalen nach §§ 170, 171 das Zivilgericht gegen den AG, vgl. § 82.:teufel:

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