Ausschlagung in Schweden

  • Hallo zusammen,
    folgender Fall: Deutscher stirbt mit letztem Wohnsitz in der BRD. Also unproblematisch deutsches Recht. Eine Miterbin wohnt in Schweden und hat nun mit einfachem Brief für sich und ihr Kind die Erbschaft ausgeschlagen (Unterschrift des Kindesvaters ist ebenfalls vorhanden).

    Nach Art. 11 EGBGB reicht für die Form der Ausschlagung Ortsrecht grds. aus. Nun habe ich mich etwas eingelesen und festgestellt, dass das schwedische Erbrecht keine Ausschlagung kennt.
    Kann ich nun schlußfolgern, dass (da es ja im schwedischen Recht keine Ausschlagung gibt) auch keine Form erforderlich ist und davon ausgehen, dass die Ausschlagung durch einfachen Brief wirksam ist ??? :gruebel: Oder muss ich dann wohl eher sagen, für die Form der Ausschlagung gilt deutsches Rechts (also öff. Beglaubigung), da in Schweden die Möglichkeit der Ausschlagung gar nicht gegeben ist ????:confused:

    Vielen Dank im Voraus!

  • Art 25 EGBGB? Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehörte.

    Damit deutsches Recht und somit deutsche Formvorschriften, oder?

  • Hm,... - ich habe Art. 25 so verstanden, dass dieser nur festlegt, nach welchem Recht sich die Erbfolge regelt. Das ist eindeutig deutsches Recht. Hinsichtlich der Formvorschriften bin ich mir aber leider weiterhin unsicher.


    Weiß noch jemand Rat?

  • In der Tat gibt es nach schwedischem Recht keine Ausschlagung, und zwar deshalb, weil der Nachlass eine eigene juristische Person ist, die vom Nachlassverwalter, den Erben und anderen Beteiligten verwaltet wird, also nicht mit dem Tode jemandem "anfällt"; wo aber nichts anfällt, muss auch nichts ausgeschlagen werden.

    Nun könnte man in der Tat argumentieren, da das schwedischen Erbrecht keine Erbausschlagung kennt, stelle es denkgesetzlich zwingend auch keine zugehörigen Formvorschriften auf, über Art. 11 EGBGB könne somit die Erbausschlagung formlos erfolgen.

    Das hielte ich aber für einen Denkfehler. Der Klärungsvorgang, welche Vorschriften ausl. Rechts es sind, die Art. 11 EGBGB als "Formvorschriften" bezeichnet, gehört zur sog. "Qualifikation". Bei dieser Qualifikation (ist die ausländische Regelung überhaupt eine Formvorschrift?) ist, soweit ich es feststellen konnte, nach einhelliger Ansicht von den Anschauungen des deutschen Rechts auszugehen. Es müsste somit im schwedischen Recht eine Formvorschrift ,die die "Art und Weise der Äußerung einer Willenserklärung regelt" (Hohloch, in Erman, Rn 13 zu Art. 11 EGBGB). So gesehen kann man in einem ersten Schritt festhalten, dass es eine solche Formvorschrift im schwedischen Recht nicht gibt. Nun muss aber in einem zweiten Schritt geklärt werden, ob daraus nach schwedischem Recht die ausdrückliche oder stillschweigende gesetzliche Zulassung formloser Äußerungen folgt. Das wird man m. E. bei Erbausschlagungen nicht annehmen können, denn da das schwedische Recht keine Erbausschlagungen kennt, kann das schwedische Rechtssystem nicht dahin ausgelegt werden, es sehe konkludent die Formlosigkeit von ihm unbekannten Rechtshandlungen vor. (Stark übertriebens argumentum ad absurdum: "Urteile bedürfen in Deutschland der Schriftform und sind zuzustellen, Todesurteile kennt das deutsche Recht nicht, also sind sie formlos wirksam.") Vielmehr wird man i. S. d. Art. 11 EGBGB feststellen müssen, dass es in Schweden keine Formvorschriften für diesen Fall gibt. Damit muss dann die deutsche Form der Erbausschlagung eingehalten werden.

    Sinn und Zweck des Art. 11 EGBGB ist der sog. favor negotii. Was leichter im Ausland geht, muss nicht nach schwereren deutschen Bedingungen durchgeführt werden. Das Vertrauen auf die leichteren heimischen (hier: schwedischen) Formvorschriften gegenüber den schweren deutschen kann aber nicht i. S. d. favor negotii enttäuscht werden, wenn solche Formvorschriften gar nicht exisiteren. Das hier gefundene Ergebnis ist auch deshalb nicht ungerecht, weil ja unstreitig auch dann Art. 11 EGBGB nicht gilt, wenn es sich bei näherer Analyse der ausländischen Norm gar nicht um eine Formvorschrift, sondern um eine Verfahrensvorschrift handelt. Diese Fälle kommen häufig vor und führen dazu, dass dann die Norm eben nicht über Art. 11 EGBGB anzuwenden ist, sondern, weil Verfahrensnorm, die lex fori gilt. Es kann aber m. E. keinen Unterschied machen, ob es eine Vorschrift gibt, die aber keine Formvorschrift ist, oder ob es schon von vornherein keine Formvorschrift gibt (wie hier in unserem Fall). Beide Male komme ich über Art. 11 EGBGB nicht zum ausländischen Recht, sondern die Erbausschlagung muss nach deutschem Recht erfolgen.

  • Super - danke für die ausführliche und hilfreiche Antwort!

    Auf der Seite der dt. Botschaft in Stockholm habe ich ein Merkblatt gefunden, was auch auf die notwendige öffentliche Beglaubigung hinweist.

    Ich habe die Beteiligten nun angeschrieben und informiert, wenngleich ich ja auch im Ausschlagungsverfahren die Wirksamkeit (noch) nicht prüfen muss.

    Tessi.

  • Guten Morgen,

    ich habe auch einen Fall mit schwedischer Beteiligung. Das minderjährige Kind lebt in Schweden bei der alleinsorgeberechtigten Mutter. Der Kindesvater hat die Erbschaft ausgeschlagen, so dass die Erbschaft auf das minderjährige Kind übergeht. Auch bei mir hat die Mutter zunächst lediglich schriftlich ausgeschlagen und auch ich habe ihr daraufhin das Formblatt der Botschaft aus Stockholm übersandt. Sie hat nunmehr durch notariell beglaubigte Vollmacht den Kindesvater für die Ausschlagung der Erbschaft für das minderjährige Kind bevollmächtigt, was dieser auch (hier in Deutschland) daraufhin form- und fristgerecht erledigt hat. Nun stehe ich vor dem Problem der familiengerichtlichen Genehmigung. Da das schwedischen Recht schon keine Ausschlagung kennt, dürfte es auch kein Genehmigungserfordernis bei Beteiligung von minderjährigen Kindern kennen (ich habe jedenfalls nichts gefunden). Nach deutschem Recht wäre eine Genehmigung notwendig, wenn die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter ausgeschlagen hätte. Nun schlägt aber ja (der zuvor berufene) Vater für das Kind aus. Brauche ich eine Genehmigung? Wenn ja, von wem? Ich tendiere dazu, keine Genehmigung zu verlangen, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift das minderjährige Kind ja davor geschützt werden soll, dass ohne weitere Prüfung des Nachlasses ausgeschlagen wird...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!