Ist das ein Fall für nachträgliche Beratungshilfe?

  • Liebe Forumsmitglieder,

    wieder einmal habe ich eine Frage zur Beratungshilfe:

    Soeben hat sich eine Frau an mich gewandt, die mitteilt, sie habe gerade beim Amtsgericht Beratungshilfe beantragt, aber keinen Berechtigungsschein bekommen und auch keine Ablehnung der Beratungshilfe. Vielmehr wurde bei der Rechtsantragsstelle der Frau gesagt, sie müsse mindestens vier Tage auf eine Entscheidung warten.
    Die Frau hat sich nun direkt an mich gewandt, weil die Sache Eilig ist. Ihre Widerspruchsfrist im Verwaltungsverfahren läuft ab.

    Ist es normal, dass Antragsteller vier Tage auf einen Berechtigungsschein warten müssen?
    Muss jetzt die Frau beim mir nochmal einen Antrag auf Beratungshilfe stellen und ich dann nachträglich abrechnen?
    Die Frau hat bei mir bislang keine Einkommens und Vermögensnachweise vorgelegt und nichts unterzeichnet und auch keine Beratung erhalten. Ich habe lediglich eine Kontakt Email erhalten.

    Schicke ich die Frau weg ist ihr Anspruch auf einen Anwalt im Widerspruchsverfahren dahin, weil die Frist abläuft. Ich könnte zwar darauf verweisen, dass ich nicht tätig werden kann auf Beratungshilfe ohne Einkommens und Vermögensnachweise, aber die Frau schreibt ja in ihrer Email bereits, dass sie die Beratungshilfe bereits mit allen Nachweisen beantragt hat und die Nachweise im Original (zeugt nicht gerade von hoher Intelligenz) bei der Rechtsantragsstelle gelassen hat... Hätte man sie dort nicht darauf hinweisen müssen, dass das nicht gerade das richtige Vorgehen ist?

    Bin ich jetzt verpflichtet, selbst die Einkommens- u. Vermögensnachweise anzufordern und zu prüfen, weil ich diese Email als Antrag auf Beratungshilfe an mich verstehen muss, oder kann ich diese Unterlagen ev. bei der Rechtsantragstelle anfordern, um zu überprüfen, ob ich hier schon tätig werden kann?

    Viele Grüße!

  • Ohne jetzt näher in die Thematik einzusteigen - warum läßt Du sie nicht selbst vorsorglich Widerspruch einlegen? Dann kann sie in 4 Tagen mit dem BerH-Schein zu Dir kommen, und Du entscheidest, ob begründet oder zurückgenommen wird.

    In Neukölln werden meines Wissens Termine für die Beantragung (!) vergeben, die manchmal erst 3 Wochen nach Vorsprache liegen. Ob der Schein dann mitgegeben oder auch erst wieder nach Frist zugesandt wird, ist mir nicht bekannt.

  • Ist es normal, dass Antragsteller vier Tage auf einen Berechtigungsschein warten müssen?

    Normal ist relativ. Ich halte es zB so, dass ich mich nicht von Antragstellern unter Druck setzen lasse, die auf eine schrifltiche Entscheidung bei Ablehnung bestehen. Wer das will bekommt die vernünftige, schriftlich Entscheidung nach Hause, aber nicht schon eine innerhalb von 5 Minuten zusammengeschusterte Zurückweisung. Ansonsten bekommt jeder den Schein direkt in die Hand gedrückt, wenn bewilligt wird.

    Zitat

    Muss jetzt die Frau beim mir nochmal einen Antrag auf Beratungshilfe stellen und ich dann nachträglich abrechnen?

    Nein, sie hat ja schon beantragt.

    Soll sie halt zunächst fristwahrend selber Widerspruch einlegen.

  • Ohne jetzt näher in die Thematik einzusteigen - warum läßt Du sie nicht selbst vorsorglich Widerspruch einlegen? Dann kann sie in 4 Tagen mit dem BerH-Schein zu Dir kommen, und Du entscheidest, ob begründet oder zurückgenommen wird. In Neukölln werden meines Wissens Termine für die Beantragung (!) vergeben, die manchmal erst 3 Wochen nach Vorsprache liegen. Ob der Schein dann mitgegeben oder auch erst wieder nach Frist zugesandt wird, ist mir nicht bekannt.


    Selbst erstmal fristwahrend Widerspruch einlegen, ist eine gute Idee, daher ein: :daumenrau von mir für den praxisnahen Vorschlag.


    Ansonsten zu AG Neukölln: das ist mir neu... ob das mit der Einführung der Vertrauensarbeitszeit dort zusammehängt?

  • Im genannten Fall kann es sein, dass das Einlegen des Widerspruchs nachteilig für die Frau wäre! (Verletzung der Mitwirkungspflicht mit entsprechenden Folgen denkbar!) Aus Anonymisierungsgründen hatte ich Widerspruch im Verwaltungsrecht geschrieben.
    Tatsächlich geht es aber um Sozialrecht.

    Wenn ich der Frau nicht abrate, den Widerspruch einzulegen, bekommt diese eventuell ernsthafte Probleme. Es könnte aber auch sein, dass der Widerspruch begründet ist, dann wäre es nachteilig für die Frau, die Frist verstreichen zu lassen.
    Das kann ich aber erst NACH der Prüfung der Sache entscheiden.
    Wenn ich jetzt aber bevor der Beratungshilfeschein da ist und ohne die Einkommensnachweise zu sehen arbeite kann ich fast damit rechnen, keine Vergütung zu erhalten.
    Schließlich halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass der Frau die Beratungshilfe nicht zu bewilligen ist...

  • Also falls deine Mandantin in Berlin wohnt:

    Ich teile deine Bedenken, denn mit größter Wahrscheinlichkeit gibts keinen Schein für Widerspruchseinlegung in Sozialrechtsbereich.

    Grund:
    Andere Arten der Hilfe sind im Überfluss vorhanden (§ 1 BerHG). Sie könnte z.B. Beratungsstellen unter http://www.beratung-kann-helfen.de aufsuchen.

    Dass die Antragstellerin es nun innerhalb der Widerspruchsfrist von 1 Monat nicht gebacken bekommt rechtzeitig tätig zu werden, kann weder dem Amtsgericht, noch dir als Anwältin angelastet werden. Muss ich leider so deutlich sagen!

  • Mein Tipp wäre: Anruf bei Amtsgericht mit der Bitte, vorerst nicht über den Antrag zu entscheiden, da sich die Rechtssuchende an die Anwältin direkt gewandt hat. Am Ende der Tätigkeit würde dann ein nachträglicher Antrag gestellt.

    Vorteil für Dich/ die Rechtssuchende: das AG muss nicht jetzt bereits über den Antrag entscheiden. Sofern dieser zurückgewiesen würde, wäre eine erneute Beantragung nicht möglich. Vielleicht ergeben sich durch deine Tätigkeit ja noch Argumente, die für eine Bewilligung stehen

    - Nachteil für Dich: du weißt natürlich nicht, ob nachträglich bewilligt wird aber das Risiko trägt man generell bei nachträglicher Beantragung

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