Vollstreckbarkeitsbescheinigung für einen Erbschein

  • Hat schon mal jemand zu einem Erbschein eine Bescheinigung nach Artikel 43, 46 der EU-Erbrechtsverordnung erteilt?
    Eine entsprechende Bescheinigung wurde hier für den deutschen Erbschein zur Anwendung bei polnischen Behörden (Grundbesitz)beantragt. Der entsprechende Vordruck liegt mir vor. Wenn ich unter Punkt 5 dieser Bescheinigung die Vollstreckbarkeit bejahe, was muss dann unter 5.2 eingetragen werden?
    (Übrigens: ein europäisches Nachlasszeugnis wurde bereits erteilt).

  • Art. 43 EU-ErbVO gilt nur für vollstreckbare Entscheidungen und hat nichts mit dem Erbnachweis zu tun. Für den Nachweis des Erbrechts im EU-Ausland ist ja gerade das Europäische Nachlasszeugnis geschaffen worden.

  • Die Regelungen zur grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen in Erbfällen waren bislang nicht gesondert geregelt.
    Diese sind nunmehr in der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-Verordnung Nr. 650/2012 (EuErbVVO))geregelt.
    Es findet weder die EU-Verordnung Nr. 1215/2012 noch die EU-Verordnung Nr. 805/2004 Anwendung.

    Für die grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung bedarf es der Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
    Für das Vollstreckbarerklärungsverfahren im EU-Ausland wird gem. Art. 46 III b) EuErbVVO eine Bescheinigung zu der gerichtlichen Entscheidung (Formblatt I EuErbVVO) oder gem. Art. 61 II EuErbVVO eine Bescheinigung zu dem gerichtlichen Vergleich (Formblatt II EuErbVVO) benötigt.
    Das Verfahren ähnelt der inzwischen aufgehobenen EU-Verordnung Nr. 44/2001 in Zivilsachen.

    In der Praxis werden die Gerichte wohl eher selten mit der derartigen grenzüberschreitenden Fällen zu tun haben.

    Die weiteren Bescheinigungen (u. a. Europäisches Nachlasszeugnis) dürften in der Praxis dagegen häufiger vorkommen.

    Einmal editiert, zuletzt von rolli (8. Oktober 2016 um 11:46)

  • Die Vollstreckbarkeit eines Erbscheins wird nur in Ausnahmefällen eine praktische Rolle spielen. Für die Gerichte im Ursprungsmitgliedstaat stellt sich das Problem jedoch nicht, weil für das Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht der Ursprungsmitgliedstaat, sondern der Vollstreckungsmitgliedstaat zuständig ist.
    Viel wichtiger in der Praxis ist die Verwendung eines deutschen Erbscheins in anderen Verordnungsmitgliedstaaten als Nachweis der Erbfolge (nicht als Vollstreckungstitel also). Das ENZ ist fakultativ. Es ist Entscheidung des Erben, ob er im EU-Ausland versucht, einen deutschen Erbschein zu verwenden oder ein ENZ beantragt. Die nationalen Erbzeugnisse sind in anderen Mitgliedstaaten entweder als Entscheidungen nach Art. 39 ff ErbRVO anzuerkennen oder als öffentliche Urkunden nach Art. 59 ff. ErbRVO anzunehmen. Ob der nationale Erbnachweis eine öffentliche Urkunde oder eine Entscheidung nach der ErbRVO darstellt, beurteilt das für die Erteilung des Zeugnisses im Ursprungsmitgliedstaat zuständige Organ indem es mit einer der zwei in Betracht kommenden Bescheinigungen erteilt (Art. 59 Abs. 1 ErbRVO für öffentliche Urkunden bzw. Art. 46 Abs. 3 Buchst. b ErbRVO für Entscheidungen). Die Bescheinigungen sind Anhänge zur Ausführungsverordnung 1329/2014.
    Somit kann sich der Erbe für die Verwendung des deutschen Erbscheins entscheiden und beim Nachlassgericht eine Ausfertigung mit einer entsprechenden Bescheinigung beantragen (meiner Auffassung nach für Entscheidungen im Sinne der Verordnung, es ist aber umstritten). Wenn er solch einen Erbschein in einem anderen Mitgliedstaat vorliegt, ist es klar, dass der nationale Erbnachweis entweder nach Art. 39 ErbRVO oder nach Art. 59 ErbRVO zu behandeln ist.

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (10. Oktober 2016 um 10:23)

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