Neugläubiger + § 89 III InsO

  • Zum Thema Alt- und Neugläubiger im Insolvenzverfahrens habe ich heute folgende Entscheidung erhalten.
    Ein für Neugläubiger (Forderung ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden) und nach
    Insolvenzeröffnung 2002 erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde durch das Insolvenzgericht aufgehoben.
    Begründung: Zitat
    " Gläubiger die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners einen Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner erworben haben(z.B. aus Vertrag), sind keine Insolvenzgläubiger, sondern "Neugläubiger" oder " Nachinsolvenzgläubiger"
    Dies ist hier der Fall. die Forderung der Gläubiger zu 1. und 2. ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner entstanden.
    Trotzdem folgt aus dem Regelungsewerk der §§ 35, 38 InsO, dass das Vollstreckungsverbot auch für die "Nachinsolvenzgläubiger" gilt, weil die "Masse für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger reserviert ist ".
    Eine Vollstreckung in den Neuerwerb ist nicht möglich, da dieser ebenfalls in die Insolvenzmasse gemäß § 35 InsO fällt (Vgl. Uhlenbrock, Insolvenzordnung – Kommentar, 12. Auflage, § 89 Rz 11).
    Das Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO muss auch für Gläubiger gelten, die nach Verfahrenseröffnung einen Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner erworben haben und nicht Insolvenzgläubiger sind
    (§ 38 InsO)
    Verbindlichkeiten, die der Schuldner selbst nach Eröffnung desInsolvenzverfahrens begründet hat, sind keine Insolvenzforderungen.
    Für Nachinsolvenzgläubiger gelten die Beschränkungen der §§ 87,89 InsO ebenfalls.
    Die Zwangsvollstreckung für Ihre Forderung in das sonstige Vermögen des Schuldners ist nach § 89 InsO unzulässig. Das Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO betrifft das gesamte Vermögen des Schuldners. Es gilt bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens".

    " Die Fähigkeit, das Wort ´Nein`auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit." (Nicolas Chamfort)

  • Das Insolvenzverfahren ist offensichtlich noch nicht aufgehoben. Damit kann eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse (=auch Neuerwerb des Schuldners) nur aufgrund eines Titels gegen den IV erfolgen. Der Vollstreckung in den Neuerwerb, sofern laufende Bezüge des Schuldners gepfändet werden sollen, ist dem Neugläubiger durch § 89 II verwehrt.

    Wenn also wegen Neuforderung, die nicht Unterhaltsforderung ist, des Arbeitseinkommen oder ähnliches des Schuldners gepfändet werden sollte und das Insolvenzverfahren auch noch nicht aufgehoben ist, dann ist die Entscheidung m.A. nach zutreffend.

  • Ist doch eh klar, die dürfen erst nach Beendigung des Verfahrens wieder pfänden.

    Das hat meiner Meinung nach den Hintergrund, dass der TH erst nach Aufhebung des Verfahrens bestellt wird. Also kann er auch dann erst die Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO annehmen. Vorher gibt es noch keine Abtretung sondern nur eine einseitige Willenserklärung des Schuldners.

    Würde man die ZV schon in dem eröffneten Verfahren zulassen, dann wäre die Pfändung der Abtretung an den TH gegenüber vorrangig. Und das ist nicht gewollt.

  • Da klink ich mich doch gleich mal ein:

    Was ist denn mit ZV in der RSB-Phase? Die pfändbaren Beträge des Arbeitseinkommens sind an den Treuhänder abgetreten und werden bereits von der Quelle abgeführt. Das Konto hat der Schu wegen einer Freigabe vom Treuhänder zur Verfügung, aber die Bank will wegen der vor Inso-Eröffnung und vor Rückschlagsperre erwirkten Pfändung den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens nicht auszahlen.
    850 k oder 766 oder andere Lösung?

  • Kleine Ergänzung:

    Dass während des laufenden Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse nur mit einem Titel gegen den Insolvenzverwalter wegen einer Masseschuld vollstreckt werden kann, sollte klar sein.

    Neugläubiger - oder "Nachgläubiger" - können aber schon während des laufenden Insolvenzverfahrens in insolvenzfreies Vermögen des Schuldners vollstrecken (vgl. HK-Eickmann, 4. Aufl., § 89 Rz. 14), also z.B. in Gegenstände, die der IV freigegeben hat. Die Einschränkung "... noch in das sonstige Vermögen des Schuldners .." in § 89 I gilt (wie der Wortlaut "Insolvenzgläubiger" ja schon nahelegt) für die Neugläubiger nicht. M.E. ergibt sich das Verbot für Neugläubiger, in die Masse zu vollstrecken, ohnehin eher aus § 91.

    In der WVP gilt § 294 I. Da können Neugläubiger in alles vollstrecken, ausser dem pfändbaren Einkommen, das ja abgetreten ist. Der Lottogewinn oder die Steuererstattung gehört also dem Neugläubiger.

    Spannend wird's bei einem Gegenstand, der einer Nachtragsverteilung zugänglich wäre und bei Vermögen i.S.v. § 295 I Nr. 2: In beiden Fällen dürfte das Windhundprinzig zum Tragen kommen:

    1. Solange die Nachtragsverteilung nicht angeordnet ist, ist der fragliche Gegenstand nicht massezugehörig. Der Schuldner kann also wirksam darüber verfügen. Somit muss auch der Neugläubiger wirksam pfänden können.

    2. Angesichts der in § 295 I Nr. 2 begründeten Obliegenheit des Schuldners - also keine "Massezugehörigkeit" per se, sondern Herausgabepflicht - wird auch hier eine Pfändung durch Neugläubiger möglich sein, so dass im Zweifel der Schuldner seine Obliegenheit nicht erfüllen kann.

  • "In der WVP gilt § 294 I. Da können Neugläubiger in alles vollstrecken, ausser dem pfändbaren Einkommen, das ja abgetreten ist."

    Das sehe ich nicht so. Ein Neugläubiger kann in das Arbeitseinkommen des Schuldners in der WVP vollstrecken. Aber da die Abtretung vor einer möglichen Zustellung einer Pfändung wirksam wird (s. mein Posting oben) geht die Pfändung für die Laufzeit der Abtretung ins Leere.

    § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO sagt, dass die ZV für Neugläubiger während des Verfahrens unzulässig ist.

    § 294 Abs. 1 InsO verbietet lediglich Insolvenzgläubiger die Vollstreckung während der Laufzeit der Abtretung. Das ist auch nur wegen der Gleichbehandlung der Gläubiger.

    Neugläubiger dürfen dürfen vollstrecken (auch in das AE) aber die Abtretung geht der Pfändung im Rang vor...

  • Zitat von Hego

    Ein Neugläubiger kann in das Arbeitseinkommen des Schuldners in der WVP vollstrecken. Aber da die Abtretung vor einer möglichen Zustellung einer Pfändung wirksam wird (s. mein Posting oben) geht die Pfändung für die Laufzeit der Abtretung ins Leere.



    Rechtlich betrachtet hast Du natürlich vollkommen Recht.:oops: Ich meinte ja auch nur, dass der Neugläubiger an das pfändbare Einkommen während des Verfahrens nicht rankommt.

    Zitat von Hego

    § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO sagt, dass die ZV für Neugläubiger während des Verfahrens unzulässig ist.



    Aber nur, soweit es die ZV in das Arbeitseinkommen betrifft; gilt nicht z.B. für vom IV freigegebene Gegenstände.

  • Ich klink mich mal hier ein, da ich mir nicht sicher bin, ob ich bei dem Thema alles richtig verstanden habe. Inso ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.:oops:

    Also, in meinem Fall soll das Konto des Schuldners gepfändet werden. Das Insolvenzverfahren wurde 2005 eröffnet, die Forderung ist erst 2006 entstanden und tituliert worden.
    Der Gl. ist also Neugläubiger. Folglich ist eine Vollstreckung in das Einkommen (u.ä.Bezüge) nach § 89 Abs. 2 InsO ausgeschlossen (da kein UH oder unerl. Handlung). Das Konto stellt aber kein Einkommen dar, also dürfte § 89 Abs. 2 InsO hier kein Verbot aussprechen. Wenn das Konto nach § 35 InsO zu Insolvenzmasse gehört, könnte doch aber dann trotzdem nur in das Konto vollstreckt werden wenn der Gläubiger einen Titel gegen den IV hat bzw. das Konto freigegeben wurde und somit nicht mehr Insolvenzmasse ist. Oder hab ich das falsch verstanden? :confused: Muss mir dann der Gl mitteilen, wenn er keinen Titel gegen den IV hat, ob der Vermögensgegenstand noch zur Insolvenzmasse gehört? Wie prüfe ich das dann als Vollstreckungsgericht?

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf

  • § 89 Abs. 2 spricht nur von Bezügen aus einem AV oder ähliche laufende Bezüge.

    Konten sind, wie Du richtig schreibst keine Bezüge und somit durch diese Vorschrift nicht erfasst. Alles pfändbare gehört sowieso zur Masse. In unpfändbares darf nicht vollstreckt werden. Ich sehe da eine Regelungslücke, weil auf dem Konto nur unpfändbares sein dürfte. Also kommt der Schuldner mit dieser Begründung, die Du ja vorher schon weißt und stellt Antrag nach § 850k, dem Du dann stattgeben müsstest. Also könnte man den Antrag doch direkt zurückweisen. Aber ob der Rechtspfleger das mit der Begrünung darf????

    Die Regelung des § 89 Abs. 2 InsO hat meiner Meinung nach folgenden Hintergrund:

    Der Schuldner muss den pfändbaren Betrag an den TH abtreten. Der Gesetzgeber und einige Kommentatoren sind von einem privatrechtlichen Vertrag ausgegangen (der BGH neuerdings nicht mehr - prozessuale Erklärung). Vom Ursprung her bedeutet das, dass der Abtretungsvertrag, der ja erst durch die Annahme des Zessionars zu einem Vertrag wird, erst mit der Bestellung des TH angenommen und wirksam werden könnte. Der TH wird aber erst nach Aufhebung des Verfahrens bestellt.

    Würde man jetzt eine ZV in die Bezüge des Schuldners während des Verfahrens zulassen, dann käme diese Pfändung rangmäßig vor die erst später wirksam werdene Abtretung zugunsten des TH und würde diese somit vereiteln.

    Das ist nur meine persönliche Meinung damit die von der WVP abweichende Regelung einen Sinn bekommt.


  • Konten sind, wie Du richtig schreibst keine Bezüge und somit durch diese Vorschrift nicht erfasst. Alles pfändbare gehört sowieso zur Masse. In unpfändbares darf nicht vollstreckt werden. Ich sehe da eine Regelungslücke, weil auf dem Konto nur unpfändbares sein dürfte. Also kommt der Schuldner mit dieser Begründung, die Du ja vorher schon weißt und stellt Antrag nach § 850k, dem Du dann stattgeben müsstest. Also könnte man den Antrag doch direkt zurückweisen. Aber ob der Rechtspfleger das mit der Begrünung darf????



    Ich denke nicht. Eben drum stellt sich für mich die Frage, ob ich nun zur Vollstreckung des Neugläubigers den Titel gegen den IV benötige, wenn das Konto zur Insomasse gehört, oder ob der Gl mir nachweisen muss, dass das Konto freigegeben wurde und nicht mehr zur Insomasse gehört.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf

  • Ich klink mich mal hier ein, da ich mir nicht sicher bin, ob ich bei dem Thema alles richtig verstanden habe. Inso ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.:oops:

    Also, in meinem Fall soll das Konto des Schuldners gepfändet werden. Das Insolvenzverfahren wurde 2005 eröffnet, die Forderung ist erst 2006 entstanden und tituliert worden.
    Der Gl. ist also Neugläubiger. Folglich ist eine Vollstreckung in das Einkommen (u.ä.Bezüge) nach § 89 Abs. 2 InsO ausgeschlossen (da kein UH oder unerl. Handlung). Das Konto stellt aber kein Einkommen dar, also dürfte § 89 Abs. 2 InsO hier kein Verbot aussprechen. Wenn das Konto nach § 35 InsO zu Insolvenzmasse gehört, könnte doch aber dann trotzdem nur in das Konto vollstreckt werden wenn der Gläubiger einen Titel gegen den IV hat bzw. das Konto freigegeben wurde und somit nicht mehr Insolvenzmasse ist. Oder hab ich das falsch verstanden? :confused: Muss mir dann der Gl mitteilen, wenn er keinen Titel gegen den IV hat, ob der Vermögensgegenstand noch zur Insolvenzmasse gehört? Wie prüfe ich das dann als Vollstreckungsgericht?

    Das ist m.E. korrekt. Ich würde eine Zwischenverfügung mit genau dieser Erläuterung machen und den Gl darlegen lassen, warum eine Pfändung hier ausnahmsweise (und ohne RNF-Klausel) möglich sein soll. Schafft er das nicht, würde ich den PfÜB-Antrag zurückweisen.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Ich bin auch eine von denen, deren Inso-Kenntnisse äußerst dürftig sind. Beim Durchlesen der Beiträge kam mir jedoch wiederum folgendes Problem in den Sinn:
    Ein Gerichtsvollzieher hat einem in Insolvenz befindlichen Schulder die e.V. abgenommen. Der Gläubiger hatte seinen Antrag damit begründet, dass die Forderung erst nach Insolvenzeröffnung enstanden sei und somit nicht in die Insolvenzmasse fällt. War das Handeln des GV o.K.??

  • Ich bin auch eine von denen, deren Inso-Kenntnisse äußerst dürftig sind. Beim Durchlesen der Beiträge kam mir jedoch wiederum folgendes Problem in den Sinn:
    Ein Gerichtsvollzieher hat einem in Insolvenz befindlichen Schulder die e.V. abgenommen. Der Gläubiger hatte seinen Antrag damit begründet, dass die Forderung erst nach Insolvenzeröffnung enstanden sei und somit nicht in die Insolvenzmasse fällt. War das Handeln des GV o.K.??



    Ich würde sagen, das ist OK. Neugläubiger können grundsätzlich in Gegenstände, die nicht zur Masse gehören, die Zwangsvollstreckung betreiben. Und um diese Gegenstände ausfindig zu machen, bleibt ja rechtlich nur die eV. Aber es gibt auch andere Meinungen.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ihren Beitrag habe ich mit Interesse gelesen.
    Bitte teilen Sie mir das entsprechende Insolvenzgericht und das Aktenzeichen mit.
    Ich möchte gerne den beschluss anfordern.
    Vielen Dank

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