Anrechnung der VG für das Beweisverfahren auf die des HS-Verfahrens?

  • Hallo,
    folgender Fall: zuerst gab es ein Beweisverfahren, dann ein Hauptsacheverfahren. Es geht jetzt um die Frage der Anrechnung. Gem. Vorbem 3 Abs. 5 VV-RVG ist die VG des Beweisverfahrens auf die des Hauptsacheverfahrens anzurechnen. Ich frage mich, ob das auch dann gilt, wenn die VG für das Beweisverfahren und die des Hauptsacheverfahrens von unterschiedlichen RAs verdient wurde. Denn bei der GG ist das so: Wenn die GG von einem anderen RA verdient wurde als die VG des Hauptsacheverfahrens findet keine Anrechnung statt, da Intention der Anrechnung nicht der Schutz des Schuldners ist, sondern die Verhinderung einer Doppelhonorierung des RA (Entscheidung des BGH und auch des OLG Ffm). Dann wäre es doch konsequent, wenn dies auch bei Beweisverfahren - Hauptsacheverfahren so gelten würde. Die Beklagtenseite bestreitet das und besteht auf eine Anrechnung. Hat da jemand Rechtsprechungen dazu und wie seht ihr das?

  • Dann wäre es doch konsequent, wenn dies auch bei Beweisverfahren - Hauptsacheverfahren so gelten würde.


    Ich sehe das absolut so wie Du (auch anhand der von Dir genannten Rechtsprechung)!:daumenrau

    Bei Gegenstandsidentität wird nach Vorb. 3 Abs. 5 VV deshalb angerechnet, weil der Gesetzgeber der Auffassung ist, daß der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens dieselben Vorarbeiten des RA voraussetzt, die den Einsatz der Nr. 3100 VV im eigentlichen Rechtsstreit rechtfertigen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 193 re. Sp. Abs. 3):

    "Das selbstständige Beweisverfahren soll künftig immer eine eigene Angelegenheit bilden. Soweit der Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand eines Rechtsstreits ist oder wird, soll jedoch die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtszugs angerechnet werden (Absatz 5 der Vorbemerkung 3 [zu Teil 3] VV RVG-E). Die bisherige Regelung ist im Zusammenhang mit § 48 BRAGO zu sehen. Das bis zum 31. März 1991 geltende Beweissicherungsverfahren gehörte, wenn die Hauptsache anhängig war, gleichfalls zum Rechtszug der Hauptsache (§ 37 Nr. 3 BRAGO in der bis zum 31. März 1991 geltenden Fassung). Die heutige Regelung des § 48 BRAGO beruht auf dem am 1. April 1991 in Kraft getretenen Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2847). Das Verfahren beschränkt sich seither nicht mehr auf die bloße Beweissicherung; vielmehr soll auch schon in diesem Verfahren eine endgültige Beilegung des Rechtsstreits angestrebt werden. Da nunmehr die Beweisgebühr entfallen soll, würde der Rechtsanwalt im selbstständigen Beweisverfahren nach der vorgeschlagenen Nummer 3100 VV RVG-E nur noch eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 erhalten. Wenn eine mündliche Verhandlung, ein sonstiger Termin oder eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts stattfindet, soll der Rechtsanwalt auch die Terminsgebühr nach Nummer 3104 VV RVG-E erhalten (siehe auch Absatz 3 der Vorbemerkung 3 [zu Teil 3] VV RVG-E). Der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens setzt dieselben Vorarbeiten voraus, die den Ansatz der Gebühr Nummer 3100 VV RVG-E im eigentlichen Rechtsstreit rechtfertigen. Ein solches Verfahren gibt Gelegenheit, schon frühzeitig über eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu verhandeln und den weiteren Prozess über die Hauptsache möglichst zu vermeiden. Dieser Entlastungseffekt rechtfertigt es, das selbstständige Beweisverfahren auch gebührenmäßig wie die Hauptsache zu behandeln."

    Wenn also derselbe RA insoweit nicht in beiden Verfahren tätig war, scheidet eine Anrechnung im KfV aus.

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  • Durch den Anwaltswechsel sind Mehrkosten entstanden. Ob man hierzu die Frage der Notwendigkeit stellen darf, haben wir bereits bei der Anrechnung der GG nach altem Recht diskutiert. Dazu gibt es wohl eine Mainstreammeinung (Hansens etc. sowie BGH 8. Senat? vor der grds. Lösung durch den 2. Zivilsenat des BGH) und eine Mindermeinung (vgl.VGH Mannheim, B. v. 01.02.2011 in 2 S 102/11, juris), die die Notwendigkeit thematisiert wissen will.

    3 Mal editiert, zuletzt von Little Steven (13. März 2014 um 15:57)


  • Wenn also derselbe RA insoweit nicht in beiden Verfahren tätig war, scheidet eine Anrechnung im KfV aus.

    :daumenrau:daumenrau:genauso:


  • Wenn also derselbe RA insoweit nicht in beiden Verfahren tätig war, scheidet eine Anrechnung im KfV aus.

    :daumenrau:daumenrau:genauso:


    Und wie beantwortest Du die Frage nach der Notwendigkeit der mit dem Anwaltswechsel verbundenen Mehrkosten, wenn sie gestellt wird?

  • Und wie beantwortest Du die Frage nach der Notwendigkeit der mit dem Anwaltswechsel verbundenen Mehrkosten, wenn sie gestellt wird?


    Da Du das Thema ja offensichtlich weitergehend diskutieren möchtest ;):daumenrau, werfe ich jetzt mal paar Entscheidungen hierzu in den Raum:

    Der BGH (Rpfleger 2010, 240) hat zur Frage der Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV bei einem RA-Wechsel entschieden, daß die Anrechnungsregelung der Vorb. 3 Abs. 4 VV nicht dem Schutz des Prozessgegners dient. Gleichwohl stimmt er in dieser Entscheidung der Vorinstanz zu, daß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO (also die Frage nach der Notwendigkeit eines RA-Wechsels) sich nur innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens stellen kann (so auch OLG München, NJW 2009, 1220; OLG Koblenz, AGS 2009, 105; Hansens, RVGreport 2007, 243).

    Als bisher wohl aktuellste Rechtsprechung zur Thematik findet man die Entscheidung des OLG Köln (AGS 2013, 568). Dieses hat den hier strittigen Fall dahingehend entschieden, daß im Verhältnis zum Prozessgegner durch die "Nichtanrechnung" Mehrkosten entstanden sind, die er nicht zu tragen habe. N. Schneider, den das Gericht auch zitiert und der eine gegenteilige Auffassung vertritt, hat die Entscheidung weiterhin kritisiert. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt bisher nicht vor.

    Ausgangspunkt der Diskussion kann u. U. sein, inwieweit § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO hier überhaupt Anwendungen finden kann oder nicht. Der BGH hat dies in der o. g. Entscheidung verneint, weil die außergerichtliche Geschäftsgebühr nicht in einem gerichtlichen Verfahren entstanden ist. Die Frage ist also, ob der hiesige Fall des Beweis- und Hauptsacheverfahrens sich davon unterscheidet. N. Schneider kritisiert, dass auch vom OLG Köln insoweit ein sog. innerprozessualer Anwaltswechsel angenommen werde, jedoch selbstständiges Beweisverfahren und Hauptverfahren eigenständig seien. Überdies dürfe die Partei zurecht für das gerichtliche Verfahren einen geeigneteren Anwalt als den bisher außergerichtlich tätigen auszuwählen. Letzterem stimmt das OLG Köln zwar zu. Es meint aber, daß die Frage davon zu trennen ist, ob der Prozessgegner die für die Einschaltung von zwei Anwälten entstandenen Kosten in voller Höhe zu erstatten hat. Soweit N. Schneider darauf verweise, es handele sich gebührenrechtlich um zwei verschiedene Angelegenheiten, greife dieser Gedanke zu kurz. Denn es sei vielmehr die allgemeine Ansicht, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in der Regel Kosten des Rechtsstreites sind. Das Beweis- und das Erkenntnisverfahren seien sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten so eng verflochten, dass eine Gesamtbetrachtung geboten und über die Kosten einheitlich im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist. Die o. g. Rechtsprechung des BGH stünde dem nicht entgegen, meint das OLG Köln.

    Im Sinne des OLG Köln hat wohl paar Jährchen vorher auch das OLG Koblenz (Rpfleger 2002, 281) entschieden.

    Insofern muß ich meinen Beitrag in #2 wohl relativieren, wenn nicht gar revidieren (danke, Little Steven :D). Die Rechtsprechung sieht den § 91 Abs. 2 Satz ZPO wohl für anwendbar. Ich halte das Argument, es handele sich hier um eine einheitliche Kostenentscheidung, die über beide gebührenrechtliche Angelegenheiten gehe, durchaus für gewichtig, die Notwendigkeitsprüfung zu vollziehen. Insofern sehe ich hier auch einen gewichtigen Unterschied zwischen dem vom BGH entschiedenen und den hier entschiedenen Fall.

    Es bleibt abzuwarten, wie sich der BGH auch zu seiner o. g. Rechtsprechung einmal verhalten wird und inwieweit er der Argumentation der OLG folgen wird, die im vorliegenden Fall der Vorb. 3 Abs. 5 VV einen Unterschied zur Vorb. 3 Abs. 4 VV sieht.

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  • Danke Bolleff - der BGH springt m.E. in seiner Begründung im Beschluss vom 10.12.2009 in VII ZB 41/09 zu kurz. Was für den Anwaltswechsel bei GG/VG vertretbar sein mag, wird man nicht einfach auf den Anwaltswechsel nach einem Beweis- oder einem Mahnverfahren übertragen können. Auf OLG-Ebene gibt es hierzu ja eine ganze Menge Entscheidungen (teilweise auch noch zur BRAGO).

    Als Gegenargument wäre zu diskutieren, ob ein Mandant überhaupt Kenntnisse von den Anrechnungsvorteilen des RVG haben muss und daher nach jedem Verfahrensabschnitt quasi zufällig, jedoch ohne einen vernünftigen Grund, erstattungsfähige Anwaltsmehrkosten produzieren kann.

    Wäre der Ausgangsfall zudem anders zu beantworten, wenn der Anwaltswechsel erst im Laufe des Klageverfahrens erfolgt?

  • Den von Bolleff zitierten Beschluss des OLG Köln hat die Beklagtenseite auch angeführt - nebst Entscheidungstext. Ok, Bolleff vertritt wohl auch die Auffassung, dass eine Anrechnung vorzunehmen ist. Ich werde nochmal in mich gehen und überlegen, ob ich eine Entscheidung meines OLG herbeiführen will oder nicht. Die Klägerseite ist der Beschwerde und damit Rechtsauffassung der Beklagtenseite nicht entgegen getreten, so dass von ihr von kein RM kommen wird.

  • Ok, Bolleff vertritt wohl auch die Auffassung, dass eine Anrechnung vorzunehmen ist.


    Naja, präziserweise muß man sagen: Ich bin gegen eine Anrechnung, weil es tatsächlich keine Anrechnung gibt. Es ist ja nicht derselbe RA in beiden Verfahren tätig, so daß derjenige im Klageverfahren nichts anrechnen braucht (Innenverhältnis). Davon zu trennen ist die Frage der Notwendigkeit (im Außenverhältnis) zum kostenerstattungspflichtigen Gegner, ob diesem also dennoch eine fiktive Anrechnung auf Seiten der erstattungsberechtigten Partei zugute gehalten werden muß.

    Und hier halte ich zumindest die Begründung des OLG Köln für vertretbar, zu sagen, im Gegensatz zur BGH-Entscheidung, wo es bei dieser Frage um die Anrechnung außergerichtlicher Kosten geht, der § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO also mangels Mehrheit von Anwälten im gerichtlichen Verfahren und damit die Notwendigkeitsprüfung gar nicht zum Tragen kommt, fanden hier zwei gerichtliche Verfahren statt. Dabei zieht das Gegenargument, es seien gebührenrechtlich zwei unterschiedliche Angelegenheiten, nicht so recht, weil ja gerade auch über die Kosten beider Verfahren einheitlich im Klageverfahren entschieden wird. Daher sei eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen.

    Was mögliche weitere Gegenargumente angeht:

    Als Gegenargument wäre zu diskutieren, ob ein Mandant überhaupt Kenntnisse von den Anrechnungsvorteilen des RVG haben muss und daher nach jedem Verfahrensabschnitt quasi zufällig, jedoch ohne einen vernünftigen Grund, erstattungsfähige Anwaltsmehrkosten produzieren kann.


    Soweit ich die Rechtsprechung des BGH im Kopp hab, kommt es auf das Kennenmüssen (oder Nichtmüssen) wohl nicht an. Es gibt da u. a. seine Entscheidung, wo es um die Frage der Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV bei einer abgetretenen GG ging und wo der BGH auf die rein wirtschaftliche Sicht abgestellt hat, sprich, der klagende Zessionar sich den Anrechnungsvorteil aus der Beauftragung eines RA des Zedenten (der dann auch geklagt hätte), entgegenhalten lassen mußte. Allerdings beruhte die Entscheidung insoweit wohl auf materiell-rechtlichen Überlegungen und erging insoweit nicht im KfV?! Gut, dieser Umstand würde dann evtl. auch schon wieder gegen meine Annahme in meinem obigen ersten Satz sprechen?! Vielleicht ist da auch zu differenzieren? :D

    Wäre der Ausgangsfall zudem anders zu beantworten, wenn der Anwaltswechsel erst im Laufe des Klageverfahrens erfolgt?


    Das kann m. E. nicht die Frage sein. Wenn ich im hiesigen Fall die Notwendigkeitsprüfung nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO für anwendbar erachte, dann muß immer aus der ex-ante-Sicht der Partei beurteilt werden, inwieweit der RA-Wechsel notwendig war. Und das ist immer Einzelfallentscheidung. Natürlich kann es dabei auch zugunsten der Partei darauf ankommen, wann der RA-Wechsel erfolgte. Grds. spricht aber weder das eine (von Anfang an anderer RA) noch das andere (erst im Laufe des Rechtsstreites anderer RA) für oder gegen eine Notwendigkeit.

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  • Der BGH hat jetzt die Rechtsbeschwerde zu diesem Thema entschieden. Leider hat er den Streit nicht beseitigt (s. Rn. 21 f. der Entscheidung), sondern nur für die dortige Konstellation insoweit entschieden (gegen eine Anrechnung).

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  • schade, ich bin aber weiter der Meinung, dass eine Anrechnung stattzufinden hat, da der Wechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahren stattgefunden hat, wobei es keine Rolle spielt, ob der Anwaltswechsel innerhalb des Hauptsacheverfahrens erfolgt oder zwischen selbständigem Beweisverfah-ren und nachfolgendem Hauptsacheverfahren. Dasselbe würde auch beim Mahnverfahren/Hauptsacheverfahren gelten.

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