Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • AG Göttingen: Beschluss vom 02.09.2011 - 74 IN 107/09

    1. Das fiktiven Vergleichseinkommen gem. § 295 Abs. 2 InsO muss ein selbstständig tätiger Schuldner erst zum Ende der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder zahlen.

    2. Versagungsanträge gem. § 295 Abs. 2 InsO können erfolgreich erst zum Abschluss des Verfahrens im Rahmen des § 300 InsO gestellt werden.

    3. Ein Auskunftsanspruch gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO über die Einnahmen aus der Selbstständigkeit besteht nicht.

  • Für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die Finanzbehörde zuständig, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, um dessen Verwirklichung gestritten wird, festgesetzt hat. Nachträgliche Änderungen der die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung begründenden Umstände -wie z.B. ein Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen- führen nicht zu einem Wechsel jener Zuständigkeit.


    BFH, Urt. vom 12.07.2011 - VII R 69/10

  • 1. Hat der Betriebsrat bzw. sein Vorsitzender die vom Arbeitgeber angekündigte Übergabe eines Anhörungsschreibens zur Kündigung außerhalb des Betriebs nicht abgelehnt, ist sein Stellvertreter nach § 26 II 2 BetrVG zur Entgegennahme berechtigt, wenn das Anhörungsschreiben dem Betriebsratsvorsitzenden mangels Anwesenheit nicht ausgehändigt werden kann.

    2. Bei einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung ersetzt gemäß § 125 II InsO ein vom Insolvenzverwalter mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahmen der örtlichen Betriebsräte nach § 17 III 2 KSchG zu den vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Massenentlassungen. (Leitsätze des Gerichts)

    3. Ein Betriebsratsvorsitzender kann ein Anhörungsschreiben des Arbeitgebers zu einer beabsichtigten Kündigung für den Betriebsrat auch außerhalb des Betriebs entgegennehmen.

    4. Ist ein Betriebsratsvorsitzender aufgrund Ortsabwesenheit tatsächlich verhindert, ein Anhörungsschreiben des Arbeitgebers außerhalb des Betriebs entgegenzunehmen, ist sein Stellvertreter nach § 26 II 2 BetrVG zur Entgegennahme berechtigt, wenn nicht zuvor der Betriebsrat bzw. sein Vorsitzender die vom Arbeitgeber angekündigte Übergabe außerhalb des Betriebs abgelehnt hatte.

    5. Einer Stellungnahme der örtlichen Betriebsräte nach § 17 III 2 KSchG zu der vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Massenentlassung bedarf es gemäß § 125 II InsO nicht, wenn der Insolvenzverwalter aufgrund einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat und dieser der Massenentlassungsanzeige beigefügt wird. (Orientierungssätze des Gerichts)

    BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 6 AZR 248/10,

  • BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10

    Die Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. finden auf Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch dann Anwendung, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind.


    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Für die Annahme eines zur Inkongruenz führenden Druckes ist nur maßgebend, ob der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald dieses Mittel einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfülle. Dies beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners.

    2. Wer über Monate hinweg vergeblich die Rückzahlung der fälligen Beträge telefonisch und schriftlich anmahnt und sich sogar veranlasst sieht, einen Insolvenzantrag anzudrohen, kennt Umstände, die auf eine beengte finanzielle Situation schließen lassen.

    OLG Köln, Urt. v. 20. 7. 2011 - 2 U 159/10

  • Wer einen Mietvertrag schließt, erklärt damit grds. schlüssig auch seine Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit. Erklärungsinhalt ist, dass nach der begründeten Erwartung zum Zeitpunkt der Fälligkeit Zahlungsfähigkeit bestehen werde. Grds. ist der subjektive Tatbestand des Schutzgesetzes auch für die Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB maßgeblich.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 3. 2011 - I-24 U 118/10

  • Der Antrag festzustellen, dass die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsleistungen auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, gehört vor die ordentlichen Gerichte, auch wenn die Höhe der öffentlich-rechtlichen Beitragsforderung im Streit ist.

    OLG Schleswig, Beschl. v. 15. 4. 2011 - 16 W 50/11

  • KG: Beschluss vom 30.08.2011 - 18 WF 93/11

    1. Klagt ein Unterhaltsgläubiger, der über einen vollstreckbaren Unterhaltstitel verfügt, gegen den Unterhaltsschuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auf Feststellung des Bestehens eines Anspruches aus unerlaubter Handlung wegen Nichtzahlung des Unterhalts, fehlt es, wenn der Unterhaltsschuldner diesem Anspruch widersprochen hat, nicht an einem rechtlichen Interesse an der Feststellung (Anschluss an BGH Urt. v. 02. Dez. 2010 - IX ZR 41/10 -, MDR 2011, 130 ff.).

    2. Für das Verfahren eines Unterhaltsgläubigers auf Feststellung, dass ihm der titulierte Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltsschuldner auch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 StGB zusteht, ist kraft Sachzusammenhangs mit dem Unterhaltsanspruch das Familiengericht sachlich zuständig.

  • Haben Insolvenzgläubiger in einem inländischen partikularinsolvenzverfahren durch die deutsche Niederlassung einer in der Europäischen Union ansässigen Gesellschaft begründete Forderungen zur Tabelle angemeldet, so ist der Partikularinsolvenzverwalter weder analog Art. EWG_VO_1346_2000 Artikel 32 EuInsVO noch analog § INSO § 93 InsO befugt, im Inland vermeintliche Haftungsansprüche der Insolvenzgläubiger gegen die Gesellschaft geltend zu machen.

    KG, Beschl. v. 21. 7. 2011 − 23 U 97/09 (LG Berlin)

  • 1. Die Vergütung des vorläufigen Verwalters entfällt, wenn er bei seinem Antrag auf Bestellung wesentliche Umstände wie die Ankündigung eines Zahlungsvergleichs durch den Schuldner verschwiegen hat.

    2. Im Übrigen begründet auch eine nur kurzfristige Tätigkeit mit minimalem Aufwand keinen Anspruch auf Vergütung des vorläufigen Verwalters.

    AG Göttingen, Beschl. v. 7. 7. 2011 − 71 IN 66/11

  • 1. Hat der Betriebsrat bzw. sein Vorsitzender die vom Arbeitgeber angekündigte Übergabe eines Anhörungsschreibens zur Kündigung außerhalb des Betriebs nicht abgelehnt, ist sein Stellvertreter nach § BETRVG § 26 BETRVG § 26 Absatz II 2 BetrVG zur Entgegennahme berechtigt, wenn das Anhörungsschreiben dem Betriebsratsvorsitzenden mangels Anwesenheit nicht ausgehändigt werden kann.

    2. Bei einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung ersetzt gem. § INSO § 125 INSO § 125 Absatz II InsO ein vom Insolvenzverwalter mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahmen der örtlichen Betriebsräte nach § KSCHG § 17 KSCHG § 17 Absatz III 2 KSchG zu den vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Massenentlassungen.

    BAG, Urt. v. 7. 7. 2011 − BAG Aktenzeichen 6 AZR 248/10 (LAG Sachsen)

  • BGH, Versäumnisurteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09


    a) Eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft nur dann nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn der angefochtene Beschluss zu einer Vergrößerung der Insolvenzmasse führt.

    b) Im Rahmen eines fremdnützigen Verwaltungstreuhandverhältnisses werden dem Treuhänder Stimmrechte eines Dritten, der sein Verhalten mit dem Treugeber abgestimmt hat, nicht nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Rückgriffsrechte von Bürgen und Mitverpflichteten sind unter Beachtung des § 44 InsO Insolvenzforderungen, sofern der Drittschuldner die Verpflichtung vor Insolvenzeröffnung eingegangen ist, selbst wenn die den Rückgriff begründende Handlung erst nach Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde. Hat der Mitschuldner den Gläubiger bereits vor Insolvenzeröffnung teilweise befriedigt, so kann die (Teil-)Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nebeneinander mit dem Hauptgläubiger geltend gemacht werden, ansonsten gilt das Verbot der Doppelanmeldung des § 44 InsO.

    2. In der Insolvenz des Befreiungsschuldners stellt der Befreiungsanspruch des Gesamtschuldners eine aufschiebend bedingte Insolvenzforderung, bedingt durch die Erfüllung der gegenüber dem Dritten bestehenden Freistellungsverbindlichkeit dar, wenn sich der Dritte nicht am Insolvenzverfahren beteiligt. Bei den künftigen Rückgriffs- oder Ausgleichsansprüchen des Bürgen oder Gesamtschuldners handelt es sich folglich um aufschiebend bedingte Forderungen, die als solche auch schon vor der Zahlung an den Gläubiger materiell-rechtlich als Insolvenzforderungen i. S. v. § 38 InsO „begründet sind“. Die Regelung des § 38 InsO ist materiell-rechtlicher Natur. Wer sich am Verfahren nicht beteiligt, nimmt zwar an der Verteilung nicht teil, unterliegt aber dennoch dessen Rechtswirkungen.

    OLG Jena, Beschluss vom 25.08.2011 - 1 WF 246/11

  • Die Aufnahme in die Vorauswahlliste für die Bestellung von Insolvenzverwaltern setzt voraus, dass der Bewerber ausreichende Angaben zu seiner persönlichen Eignung, zur insolvenzrechtsbezogenen Ausstattung seines Büros sowie zur Ausbildung und fachlichen Kompetenz seiner Mitarbeiter macht. Die bloße pauschale Behauptung von zahlenmäßiger Erfahrung und beanstandungsfreier Durchführung sowie lediglich die Nennung der Mitarbeiterzahl erfüllt diese Kriterien nicht.

    OLG Hamburg, Beschluss vom 03.08.2011 - 2 VA 9/11

  • Prinz hat hier auf folgende Entscheidung hingewiesen:

    Ist eine zu Gunsten eines Insolvenzgläubigers im Grundbuch eingetragene Zwangshypothek mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der Rückschlagsperre des § 88 InsO schwebend unwirksam geworden, bedarf es zur Löschung der Zwangshypothek der Löschungsbewilligung des Gläubigers gem. § 19 GBO und der Zustimmung des Eigentümers durch den Verfügungsbefugten gem. § 27 Satz 1 GBO in der Form des § 29 GBO. Der Unrichtigkeitsnachweis durch den Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 GBO ist nicht ausreichend.
    OLG Stuttgart Beschluß vom 30.8.2011, 8 W 310/11
    http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laende…4&pos=2&anz=126

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • BVerwG 8 C 10.10 vom 13. Juli 2011

    1. Ein Kommanditist scheidet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen auch dann aus der Kommanditgesellschaft aus, wenn zugleich über das Vermögen der Kommanditgesellschaft selbst das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

    2. Scheiden alle Gesellschafter bis auf einen aus einer Kommanditgesellschaft aus, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation, und ihr Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über.

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  • AG Göttingen: Beschluss vom 16.09.2011 - 71 IN 89/11 NOM, 71 IN 89/11

    1. Nach Freigabe des Geschäftsbetriebes kann auf Antrag eines Neugläubigers ein Zweitinsolvenzverfahren eröffnet werden.

    2. Voraussetzung ist, dass eine die Verfahrenskosten deckende Haftungsmasse vorhanden ist.

    3. Fehlt es daran, muss der Schuldner nicht gem. § 20 InsO über die Möglichkeit von Restschuldbefreiung und Stundungsantrag belehrt werden.

  • AG Hamburg: Beschluss vom 16.08.2011 - 68c IK 639/11

    Die BGH-Rechtsprechung zur dreijährigen Sperrfrist für die Wiederholung von Restschuldbefreiungsanträgen bei Schuldnereigenträgen mit vorausgegangenem Erstverfahren gilt auch dann, wenn der Erstantrag in Folge der Auslösung der "Rücknahme-Fiktion" zurückgenommen ist.

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