1640/1667: Sicherung von Pflichtteilsansprüchen?

  • Hallo!

    Ich hab jetzt erstaunlicherweise in den Foren nichts dazugefunden, daher frag ich mal blöd:

    Wie handhabt Ihr folgende Sachverhalte:

    Typisches Berliner Testament mit dem Zusatz, dass die Kinder, sollten sie den Pflichtteil nach dem Erstverstorbenen geltend machen, diesen auch nur nach dem Letztversterbenden erhalten sollen.

    Stirbt nun der erste und das Paar hat minderjährige Kinder, gehen hier die Diskussionen weit auseinander. Einer meint, zur Sicherung des Pflichtteilsanspruches müssen Maßnahmen des Familiengerichtes ergriffen werden, eine Kollegin bestand sogar schon mal auf der Geltendmachung. Einem anderen hingegen widerstrebt es total, sich in "innere Angelegenheiten" der Familie einzumischen.

    Ähnlich verhält es sich ja bei Vermächtnissen, die ja ebenfalls nur einen schuldrechtlichen Anspruch darstellen.

    Daher nochmal die Frage (nach dem langen Text...):

    Wie wird bei Euch gehandhabt?

  • Meines Erachtens müssen die Pflichtteilsansprüche nicht gesichert werden, da die Verjährungsfrist für die minderjährigen Kinder erst mit der Volljährigkeit zu laufen beginnt (§ 207 BGB). Sie können dann also noch selbst entscheiden, ob sie die Ansprüche geltend machen.

  • Auch auf die Gefahr hin, wieder etwas zu ausführlich zu werden, möchte ich wie folgt antworten:

    Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass es bei angeordneter Pflichtteilsstrafklausel keinen Anlass für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gibt, weil die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch erst mit der Volljährigkeit der Kinder zu laufen beginnt (§ 207 Abs.1 S.1 Nr.2 BGB) und die Kinder nach ihrer Volljährigkeit somit selbst entscheiden können, ob sie die mit der Strafklausel verbundene Sanktionswirkung in Kauf nehmen wollen.

    In Ausnahmefällen kann aber in Betracht kommen, die Pflichtteilsansprüche der Minderjährigen seitens des zu bestellenden Ergänzungspflegers (durch Sicherungshypothek oder gesonderte Geldanlage mit Sperrvermerk) zu sichern, ohne dass hiermit eine Entscheidung über die Geltendmachung dieser Ansprüche verbunden ist. In diesem Fall tritt die Sanktionswirkung der Strafklausel nicht ein und die Kinder können mit Volljährigkeit wiederum selbst entscheiden, ob sie die Sicherungen freigeben oder den Pflichtteilsanspruch unter Inkaufnahme der Sanktionswirkung der Klausel abschöpfen wollen.

    In einigen Fällen kommt es (insbesondere bei hohen Nachlässen und geringer Kinderzahl) aber auch vor, dass dem überlebenden Elternteil aus erbschaftsteuerlichen Gründen selbst daran gelegen ist, den Pflichtteilsanspruch der minderjährigen Kinder zur Vermeidung einer höheren Steuerlast beim zweiten Sterbefall zu erfüllen. Bei dieser Fallgestaltung bestehen gegen die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs keine Bedenken. Da die Auslegung der genannten Strafklausel in der Regel ergibt, dass die mir ihr verbundene Sanktion nur eintreten soll, wenn die Pflichtteilsberechtigten ihre Ansprüche gegen den Willen des überlebenden Ehegatten geltend machen, sollte in der zwischen dem zu bestellenden Ergänzungspfleger und dem überlebenden Ehegatten zu treffenden Pflichtteilsvereinbarung aber ausdrücklich festgehalten werden, dass der überlebende Ehegatte die Pflichtteilsansprüche aus freien Stücken erfüllt und dass demzufolge Einigkeit zwischen allen Beteiligten besteht, dass die Sanktionswirkung der testamentarischen Strafklausel nicht eintritt.

    Die alte Streitfrage, ob die betreffende Ergänzungspflegschaft vom FamG oder vom VormG anzuordnen ist, braucht hier wohl nicht erörtert zu werden.

    Bei Vermächtnissen sieht die Sache anders aus, weil sie auf das Ableben des erstversterbenden Ehegatten in jedem Fall wirksam (und ohne irgendeine Sanktionswirkung) angeordnet sind. Hier muss das FamG in jedem Fall überwachen und darauf dringen, dass das angeordnete Vermächtnis erfüllt wird. Um welches Vermächtnis (Geld, Grundbesitz usw.) es sich dabei handelt, bleibt sich gleich, weil der überlebende Elternteil insoweit nicht von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist (Erfüllung einer Verbindlichkeit i.S. des § 181 BGB). Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es daher in diesem Falle nicht.

  • Das mit der Verjährungsfrist ist natürlich richtig, daher bin ich natürlich auch gegen die sofortige Geltendmachung.

    Für die Sicherung spricht hingegen, dass dann bei Volljährigkeit überhaupt noch was da ist, woraus der Anspruch befriedigt werden könnte.

  • In den Normalfällen verlangen wir nur die Einreichung eines Verzeichnisses, aus dem sich das ererbte Vermögen ergibt. Damit kann das Kind bei Volljährigkeit dann feststellen, was beim Erbfall vorhanden war und dann selbst entscheiden, ob es den Pflichtteil verlangt.

    Alles andere würde mir in Standardfällen doch erheblich zu weit gehen. Für ein weiteres Tätigwerden müssten daher m.E. konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein, die eine tatsächliche Gefährdung der Ansprüche des Kindes befürchten lassen. Aber so einen Fall hatte ich bisher zum Glück noch nicht.:strecker

    (Die Ausführungen beziehen sich natürlich nicht auf Vermächtnisse.)

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ich stimme der Meinung von Ulf zu, und zwar auch für die angesprochenen Normalfälle, bei welchen im Rahmen eines Berliner Testaments keine Pflichtteilsstrafklausel angeordnet wurde oder bei welchen überhaupt kein Berliner Testament, sondern lediglich eine Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben vorliegt.

  • Hallo zusammen,

    ich würde gerne wissen, welche Konstellation für eine Sicherung des Pflichtteilsanspruchs sprechen könnte?
    Könnte mir jemand mal ein Beispiel für einen Fall nennen bei dem ein Ergänzungspfleger zur Sicherung der Ansprüche bestellt worden ist?
    Inwieweit ermittelt ihr denn da?
    Hier ist seit kurzem eine neue Richterin beim Nachlassgericht. Diese schickt uns alle Akten bei denen sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, mit der Bitte um Prüfung, ob den Minderjährigen ein Pfleger zu bestellen ist.

  • Da würde ich die mal auf § 207 BGB und dessen Begründung aufmerksam machen. Warum denn auch eine Pflegerbestellung prüfen? Haben wir keine §§ 1666, 1667 BGB?
    Einfach "weglegen" verfügen ist im Regelfall die Devise.
    Der Überlebende hat im übrigen genug zu kämpfen, warum soll ich ihm ohne Rechtsgrundlage Schwierigkeiten machen? Muss denn automatisch eine Gefährdung des Kindesvermögens angenommen werden? Mit wieviel Misstrauen soll ich denn durch die Gegend laufen?
    Prüfe ich nach, muss ich mich auf die Aussagen des Überlebenden verlassen. Am nächsten Tag sind die doch sowieso Schall und Rauch, wenn er mich beeiern will.

  • Ich mache einen kurzen Aktenvermerk (Textbaustein), dass nichts zu veranlassen ist, da eine Verjährung vor Volljährigkeit nicht eintritt und dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Ansprüche dann nicht mehr realisiert werden können. Danach lege dann weg.

    Ulf

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  • Danke für die Antworten.
    1640 läuft parallel. Wir bekommen auf jeden Fall eine Nachricht vom Standesamt und, falls in der Nachlassabteilung etwas läuft, benachrichtigen die uns auch.

    Ich wollte nur gerne näher wissen, welche Fallkonstellation juris meint, wenn er von den Ausnahmefällen spricht.

  • Für alle , die " auf Rechtsprechung stehen" :

    Das LG Bochum hat 1994 bereits entschieden ( Rpfl. 94, S. 418 ff. ) , dass ein Fürsorgebedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungspflegers nur besteht, wenn Anzeichen dafür bestehen , dass der Pflichtteilsanspruch gefährdet ist.

    Aus den Gründen ist des weiteren ersichtlich , dass es sich um eine konkrete Gefährung handeln muss.

    Und danach wird hier verfahren, wie die Vorposter auch.

  • Ausnahmefälle, die für eine Sicherung der Pflichtteilsansprüche von minderjährigen Kindern sprechen könnten, sind in erster Linie diejenigen der Gefährung des Pflichtteilsanspruchs aufgrund konkreter Anhaltspunkte.

    Soweit erbschaftsteuerliche Erwägungen in Frage stehen (vgl. oben #3), ist es allerdings mit der Sicherung des Pflichtteilsanspruchs nicht getan, weil die erbschaftsteuerliche Abzugsfähigkeit der Pflichtteilsansprüche vom Erwerb des Ehegatten nur in Betracht kommt, wenn der Anspruch auch geltend gemacht wird (vgl. § 9 Abs.1 Nr.3 b ErbStG).

  • Ich hänge mich mal hier dran :

    Ich habe ein Einzeltestament des Kindesvaters, in welchem dieser die Kindesmutter als Alleinerbin einsetzt.

    Ihr habt weiter oben geschrieben, dass ihr mangels Hinweisen auf die Gefährung der Pflichtteilsansprüche und der erst bei Volljährigkeit beginnenden Verjährungsfrist grundsätzlich "weglegen" verfügt. Das kann ich nachvollziehen.

    Weiter macht ihr aber ein Verfahren nach § 1640 BGB :confused:

    Wenn die Kinder enterbt sind, dann erwerben Sie doch auch keine neue Vermögensmasse von Todes wegen und der (fiktive) Pflichtteilsanspruch wird im Fragebogen m.W. doch nicht abgefragt - oder ?

    Ich gedenke, den Eingang des Wertanfragebogens in der NL-Akte abzuwarten und sodann ggf. weglegen zu verfügen oder zu prüfen, ob bei erheblichem Vermögen weitere Maßnahmen zu ergreifen sind ?!?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !


  • Ich gedenke, den Eingang des Wertanfragebogens in der NL-Akte abzuwarten und sodann ggf. weglegen zu verfügen oder zu prüfen, ob bei erheblichem Vermögen weitere Maßnahmen zu ergreifen sind ?!?




    genau so würd ichs auch machen!:daumenrau

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