Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • EuGH: Urteil vom 10.03.2011 - C-477/09
    1. Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in ihrer Fassung vor derjenigen, die sich aus ihrer Änderung durch die Richtlinie 2002/74/EG ergibt, ist dahin auszulegen, dass für die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche eines Arbeitnehmers, der seine Beschäftigung gewöhnlich in einem anderen Mitgliedstaat als dem ausgeübt hat, in dem sich der Sitz seines vor dem 8. Oktober 2005 für zahlungsunfähig erklärten Arbeitgebers befindet, die Garantieeinrichtung des Mitgliedstaats des Sitzes des Arbeitgebers für die in diesem Artikel festgelegten Verpflichtungen verantwortlich ist, wenn dieser Arbeitgeber keinen Betrieb in diesem anderen Mitgliedstaat hat und seine Beitragspflicht für die Finanzierung dieser Einrichtung im Mitgliedstaat seines Sitzes erfüllt.

    2. Die Richtlinie 80/987 untersagt es nicht, dass eine nationale Regelung vorsieht, dass sich ein Arbeitnehmer nach dem Recht dieses Mitgliedstaats ergänzend oder anstelle der Lohngarantie, die von der in Anwendung dieser Richtlinie als zuständig bestimmten Einrichtung geboten wird, auf die Lohngarantie der nationalen Regelung berufen kann, allerdings nur, soweit diese Garantie ein höheres Schutzniveau für den Arbeitnehmer gewährt.

  • Wird ein Kontokorrentkredit von mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Kreditnehmern in Anspruch genommen und führt der spätere Insolvenzschuldner den Kredit vorzeitig zurück, während der Mitschuldner ihn weiter in Anspruch nimmt, setzt ein nicht anfechtbares Bargeschäft voraus, dass der spätere Insolvenzschuldner für die weitere Kreditinanspruchnahme durch den Mitschuldner vereinbarungsgemäß und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung erhält.

    KG, Urt. v. 15. 11. 2010 - 24 U 103/09

  • 1. Stellen Darlehensvertrag und Restschuldversicherung ein verbundenes Geschäft dar, führt die nach wirksamem Widerruf der Restschuldversicherung eintretende Saldierung kraft Gesetzes nicht zu einem Zahlungsanspruch des an die Stelle des insolventen Kreditnehmers tretenden Treuhänders, da für diesen kein positiver Saldo verbleibt und insolvenzrechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen.

    2. Der nach wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages an sich gegebene Anspruch auf Rückgewähr der aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners erbrachten Zins- und Tilgungsraten ist durch Aufrechnung der Bank mit ihrem Anspruch auf Rückgewähr der Darlehensvaluta in Höhe des nicht zur Finanzierung des verbundenen Geschäfts verwandten Anteils an der Darlehensvaluta erloschen. Der Aufrechnung steht weder die Insolvenz über das Vermögen des Schuldners noch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit entgegen, weil mit einer Masseverbindlichkeit aufgerechnet wird und die Wirkung der Aufrechnung bereits vor der Anzeige beim Insolvenzgericht eingetreten ist.

    OLG Celle, Urt. v. 19. 1. 2011 - 3 U 140/10

  • 1. Wird die Restschuldbefreiung gem. § 298 InsO wegen Nichtzahlung der Mindestvergütung des Treuhänders versagt, kann der Schuldner einen erneuten Insolvenzantrag mit Restschuldbefreiungsantrag stellen.

    2. Ein Stundungsantrag kann nicht gem. § 4a InsO zurückgewiesen werden. Die Rechtsprechung des BGH zu analogen Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt nicht.

    LG Kiel, Beschl. v. 26. 8. 2010 - 13 T 109/10

  • 1. Wird die Restschuldbefreiung gem. § 298 InsO wegen Nichtzahlung der Mindestvergütung des Treuhänders versagt, kann dem Schuldner innerhalb von 3 Jahren für einen erneuten Insolvenzantrag mit Restschuldbefreiungsantrag keine Stundung bewilligt werden.

    2. Dies folgt aus einer analogen Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (gegen LG Kiel, Beschl. v. 26.8.2010 - 13 T 109/10).

    AG Lübeck, Beschl. v. 14. 12. 2010 - 53a IK 479/10

  • laut Sufu noch nicht eingestellt zu den gem. § 174 Abs. 2 InsO anzugebenden Tatsachen bei vbuH:

    1. Die Forderungsanmeldung gem. § 174 Abs. 2 InsO ist nur wirksam, wenn der geltend gemachte Anspruch hinsichtlich des Grundes und des Betrages hinreichend bestimmt ist. Bei Anmeldung der Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gehört hierzu der Vortrag eines Sachverhalts, der diese Einstufung rechtfertigt. Decken sich die Angaben zum Grund der Forderung in der Forderungsanmeldung nicht mit den im Feststellungsrechtsstreit zur Anspruchsbegründung vorgetragenen Sachverhalt, ist die Klage unzulässig

    2. Will der Gläubiger den Anspruchsgrund auswechseln, setzt die Erhebung der Feststellungsklage voraus, dass zuvor ein neues Anmeldungs- und Prüfungsverfahren durchgeführt worden ist, in dem die Forderung streitig geworden ist.

    3. Der Vortrag, ein Mandant sei bereits bei Mandatsübernahme zahlungsunwillig und -unfähig gewesen, reicht nicht aus, um den Tatbestand des Eingehungsbetruges (§ 263 StGB) auszufüllen.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 3. 2010 - I 24 U 182/09, 24 U 182/09

  • AG Waiblingen: Beschluss vom 04.03.2011 - M 955/11

    Zu den Anforderungen an die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters hinsichtlich einzelner Forderungen des Insolvenzschuldners für das Betreiben der Zwangsvollstreckung

    Leitsätze:
    1. Der Insolvenzschuldner bedarf für das Betreiben der Zwangsvollstreckung auch aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens titulierten Forderungen einer Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters.

    2. An die Bestimmtheit der Freigabeerklärung sind hohe formale Anforderungen zu stellen, da sie die Rechtsnachfolgeklausel des § 727 ZPO ersetzen soll.

    3. Eine ohne Bezeichnung der konkreten Forderung und ohne Datum erteilte Freigabeerklärung erfüllt das Bestimmtheitserfordernis nicht und genügt den Anforderungen des § 750 ZPO für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht.

  • Ein Insolvenzverwalter begeht keine wissentliche Pflichtverletzung i.S.d. Bedingungen für die Berufshaftpflichtvers., wenn er einen von ihm aufgenommenen Massekredit wegen Masseunzulänglichkeit nicht zurückführen kann, weil er die Zahlungsflüsse aus noch abzuarbeitenden Werkverträgen der Insolvenzschuldnerin falsch eingeschätzt hat.

    LG Dortmund, Urteil vom 21. 10. 2010 - 2 O 10/10

  • BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011 - IX ZB 268/08 -



    Im Gesamtvollsteckungsverfahren kann eine Nachtragsverteilung auch dann angeordnet werden, wenn sie bei der Einstellung des Verfahrens für einen damals noch nicht verwerteten Vermögensgegenstand vorbehalten worden ist. 

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 131/10



    a) Die Forderung aus der Rechtshandlung eines Dritten entspricht einem Gesell-schafterdarlehen nicht schon deshalb, weil es sich bei dem Dritten um eine nahestehende Person im Sinne des § 138 InsO handelt.

    b) Gewährt eine nahestehende Person (§ 138 InsO) dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen, begründet dies keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • AG Köln: Beschluss vom 07.12.2010 - 73 IN 484/10

    Eine Verbindung mehrerer Insolvenzverfahren gemäß § 4 InsO, § 147 ZPO ist nicht nur mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zulässig. Insbesondere ist es zulässig, ein noch im Eröffnungsverfahren befindliches Verfahren mit einem bereits eröffneten zu verbinden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das bislang nicht verbundene Verfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Parallelverfahrens ebenfalls eröffnungsreif, zumindest aber zulässig war.

  • AG Köln: Beschluss vom 04.11.2010 - 73 IN 206/10

    1. Zur Entscheidung über die Abhilfe nach § 766 ZPO, § 89 InsO ist der Rechtspfleger des Erlassgerichts als Vollstreckungsgericht berufen.

    2. Trifft dieser (pflichtwidrig) keine Abhilfeentscheidung, ist das das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht in funktionaler Zuständigkeit des Richters berechtigt, aber nicht verpflichtet, unmittelbar über die Erinnerung zu entscheiden. Will das Insolvenzgericht eine Abhilfeentscheidung des Rechtspflegers herbeiführen, kann es gleichzeitig den zuständigen Rechtspfleger mit bindender Wirkung bestimmen.

  • 1. Die Art. 1 bis 3 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen sind dahin gehend auszulegen, dass sie auf die Einstellung der Tätigkeiten eines Arbeit gebenden Betriebs infolge einer gerichtlichen Entscheidung, mit der dessen Auflösung und Liquidation wegen Insolvenz angeordnet wird, anwendbar sind, selbst wenn die nationalen Rechtsvorschriften im Fall einer solchen Einstellung der Tätigkeiten eine Auflösung der Arbeitsverträge der Angestellten mit sofortiger Wirkung vorsehen.

    2. Die sich aus den Art. 2 und 3 der Richtlinie 98/59 ergebenden Verpflichtungen müssen erfüllt werden, bis die Rechtspersönlichkeit eines Betriebs, dessen Auflösung und Liquidation angeordnet wurden, endgültig erloschen ist. Die dem Arbeitgeber nach diesen Bestimmungen obliegenden Verpflichtungen müssen von der Leitung des fraglichen Betriebs erfüllt werden, sofern diese, wenn auch mit beschränkten Befugnissen hinsichtlich der Geschäftsführung des Betriebs, fortbesteht, oder vom Liquidator des Betriebs, sofern die Geschäftsführung des Betriebs vollständig von diesem übernommen wird. (Leitsätze des Gerichts)

    EuGH, Urteil vom 03.03.2011 - C-235/10 u.a., BeckRS 2011, 80191

  • AG Göttingen: Beschluss vom 21.02.2011 - 71 IN 38/10

    1. Über eine Erinnerung gem. § 148 Abs. 2 Satz 2 InsO entscheidet der Richter am Insolvenzgericht.

    2. Inwieweit der Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in der Insolvenz gilt, bleibt dahingestellt. Erforderlich ist in jedem Fall, dass die persönliche Tätigkeit überwiegende Bedeutung hat.

    3. Eine Freigabeerklärung gem. § 35 Abs. 2 InsO erstreckt sich auf nicht ausdrücklich aufgeführte Gegenstände nur, wenn sie eine untergeordnete Funktion ausüben.

  • Ist der Auftraggeber eines Bauvertrages verpflichtet, nach fehlgeschlagenem Sicherheitentausch eine als Austauschsicherheit gestellte Gewährleistungsbürgschaft an den Auftragnehmer zurückzugewähren, kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers der Auftragnehmer die Bürgschaftsurkunde aussondern.

    BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - IX ZR 73/10 -

  • 1. Weil der Gläubiger einer festgestellten und nicht bestrittenen Forderung aus der Eintragung in die Insolvenztabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben kann und ihm damit ein einfacher Weg zur Erlangung eines Vollstreckungstitels zur Verfügung steht, fehlt ihm - wenn nicht besondere Umstände diesen Weg als unsicher erscheinen lassen - für eine auf dasselbe Ziel gerichtete Klage das Rechtsschutzbedürfnis.

    2. Ist der Gläubiger einer zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung fehlerhaft bezeichnet, so führt das nicht zu einer - das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage begründenden - verfahrensmäßigen Unsicherheit, weil eine solche fehlerhafte Eintragung jederzeit und auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen berichtigt werden kann.

    3. Eine den Verzugseintritt erst auslösende Handlung des Gläubigers ist während des Insolvenzverfahrens nicht möglich.

    OLG Karlsruhe, Urt. v. 22. 10. 2010 - 14 U 120/08

  • 1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine zuvor erteilte konkludente Genehmigung des Schuldners trifft nach allgemeinen Grundsätzen die Bank, die sich auf eine solche Genehmigung beruft. Daher trifft den Insolvenzverwalter schon keine Rechtspflicht, vor dem Widerspruch zu prüfen, ob der Schuldner vielleicht einzelne Lastschriften schon konkludent genehmigt hat.

    2. Schlichtes Schweigen des Kontoinhabers auf ihm zugegangene Kontoauszüge kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch weiterhin nicht als Genehmigung der darin enthaltenen Lastschriftbuchungen gewertet werden.

    3. Die angemessene "Überlegungsfrist" muss aus der maßgeblichen Sicht der kontoführenden Bank als Erklärungsempfängerin ausreichend sein, um dem Kontoinhaber eine materielle Prüfung der Anspruchsberechtigung zu ermöglichen. Dazu müssen verschiedene Fallgestaltungen unterschieden werden.

    OLG München, Urt. v. 20. 12. 2010 - 19 U 2126/09

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