Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • AG Hamburg: Beschluss vom 01.06.2012 - 67c IN 49/12

    1. Ein nach dem 1.3.2012 eingehender Schuldnerantrag auf Insolvenzeröffnung ist nach Einräumung einer Nachbesserungsfrist als unzulässig abzuweisen, wenn der antragstellende Schuldner kein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis einreicht.

    2. Schöpft der Schuldner die von der Rechtsprechung statuierte Begründungsfrist von 2 Wochen für die Begründung der sofortigen Beschwerde aus, ist der Beschwerde nicht abzuhelfen, wenn binnen dieser Frist die zuvor zur Abweisung führenden Mängel nicht beseitigt sind. Eine weitere Fristverlängerung ist nicht zu gewähren.

    3. Mit der Eröffnung des Verfahrens auf einen gleichzeitig vorliegenden Gläubigerantrag darf das Insolvenzgericht nach Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen nur zuwarten, wenn der Schuldner eine konkrete, zeitnahe Erholungsprognose glaubhaft machen kann, die zum Inhalt hat, dass seine Zahlungsunfähigkeit durch Vereinbarungen mit allen seinen Gläubigern wieder beseitigt wird, ansonsten ist der Schuldner auf § 212 InsO zu verweisen.

  • Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. Nr. L 160, S. 1; im Folgenden: EuInsVO) folgende Frage vorgelegt:
    Sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat?

    BGH, Beschl. v. 21.06.2012 - IX ZR 2/12

  • Während der Dauer der Wohlverhaltensphase kann ein Insolvenzgläubiger von Ansprüchen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung auch in den Vorrechtsbereich für solche Forderungen nicht vollstrecken.

    BGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - IX ZB 313/11

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Weist der Schuldner einen von ihm eingesetzten Treuhänder nach Verfahrenseröffnung an, von einem Treuhandkonto eine Überweisung an einen Dritten zu bewirken, kann der Verwalter nach Genehmigung der Zahlung von dem Dritten deren Erstattung verlangen.

    Verfügungen eines Treuhänders sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers wirksam, auch wenn der Verfügungsgegen-stand wirtschaftlich zur Masse gehört.

    BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 213/11 -

  • 1. Grundsätzlich ist der Insolvenzantrag eines Finanzamtes nur zulässig, wenn Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaige Steueranmeldungen des Schuldners vorgelegt werden. Eine Liste der in der Vollstreckung befindlichen Rückstände reicht regelmäßig nicht aus.
    2. Eine Glaubhaftmachung der Forderungen durch das Finanzamt durch Vorlage der Bescheide oder der Steueranmeldungen kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschreibt und der Schuldner diese Forderungen nicht bestreitet.

    BGH, Beschl. v. 12.07.2012 - IX ZB 264/11

  • 1. Auch bei einem Eigenantrag des Schuldners ist grundsätzlich Voraussetzung für eine Eröffnung des Verfahrens, dass die Verbindlichkeiten fällig sind.

    2. Eine Ausnahme gilt, wenn der Schuldner sich in einem Besserungsschein zur Herausgabe jedweden zukünftigen pfändbaren Vermögenserwerbs verpflichtet und der Gläubiger dafür auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet. (Leitsätze des Gerichts)

    AG Göttingen, Beschluss vom 04.07.2012 - 74 IN 63-12

  • 1. § 201 Abs. 2 InsO will bei einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung mit der Voraussetzung einer unbestrittenen Forderung die Erteilung einer Ausfertigung nur soweit hindern, wie das Bestreiten des Schuldners reicht. Bestreitet der Schuldner beim isolierten Widerspruch nicht die Forderung als solche, sondern nur den Schuldgrund, so lässt er die übrigen tabellenrelevanten Feststellungen gerade unbestritten. Wollte man dem Gläubiger die Erteilung eines Tabellenauszugs bei einem isolierten Widerspruch versagen, müsste der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiterhin vollstreckungswillige Gläubiger einen (neuen) Titel erwirken, obwohl § 201 Abs. 2 InsO ihn davon grundsätzlich entlasten will und der Schuldner die Forderung als solche gar nicht bestreitet, sondern ihrer Durchsetzung lediglich den Einwand der Restschuldbefreiung entgegenhalten will.

    2. Liegt der Forderung ein früherer Titel zugrunde, wird dieser Titel auch bei einem isolierten Widerspruch aufgezehrt. Mehrere denselben Anspruch betreffende Titel kann es nicht geben. (Leitsätze der Redaktion)

    LG Köln, Beschluss vom 03.07.2012 - 13 T 50/12

  • 1. Wendet der beklagte Insolvenzverwalter ein, die dem Insolvenzgericht nach § 208 InsO angezeigte Masseunzulänglichkeit habe sich inzwischen verschärft, sodass auch Neumasseverbindlichkeiten im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht mehr vollständig befriedigt werden können, muss er dies im Arbeitsgerichtsprozess substanziiert darlegen und mit geeigneten Beweisantritten unterfüttern. Hierzu muss er Rechtsgrundlagen, Rang und Höhe jener Verbindlichkeiten nachprüfbar benennen. Anderenfalls kann der klagende Arbeitnehmer durch Berufung auf schlichtes Nichtwissen die Neumasseunzulänglichkeit prozessual wirksam bestreiten; seine Leistungsklage bleibt dann zulässig.

    2. Für die Frage der frühestmöglichen Kündigung i.S.v. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist nicht der Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Betriebsänderung oder -stilllegung, sondern ausschließlich der Zeitpunkt der erstmaligen rechtlichen Zulässigkeit des Kündigungsausspruches maßgeblich.

    3. Dem Unterlassen einer möglichen Kündigung steht der Ausspruch einer unwirksamen Kündigung gleich. Auch die unwirksame Kündigung führt i.S.v. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO zur Begründung von Neumasseverbindlichkeiten im privilegierten Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

    ArbG Herford, Urt. v. 18. 6. 2012 - 1 Ca 1361/11

  • 1. Das brasilianische Sanierungsverfahren ist ein Insolvenzverfahren i.S.d. § 343 Abs. 1 InsO.

    2. Nach brasilianischem Recht müssen alle Gläubiger in einem Sanierungsverfahren ihre Forderungen anmelden.

    3. Ist ein ausländisches Insolvenzverfahren im Inland anzuerkennen, müssen inländische Gläubiger ihre Forderungen im ausländischen Verfahren nach den dort geltenden Formen und Fristen anmelden.

    4. Eine Rechtsverfolgung im Inland ist dann unzulässig.

    LAG Hessen, Urt. v. 4. 8. 2011 - 5 Sa 1548/10

  • BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - II ZR 2/11
    a)..

    b) ..

    c) Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor, dass die Insolvenz eines Gesellschafters zu dessen Ausscheiden und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern führt, stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters (hier: der geschäftsführenden Gründungsgesellschafterin) für einen anderen Gesellschafter nur bei Darlegung besonderer Umstände einen wichtigen Grund für die (außerordentliche) Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses dar.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Bucht die Schuldnerbank nach Widerspruch eines alleinhandelnden (starken) vorläufigen Insolvenzverwalters eine Last-schrift zurück, die der Schuldner bereits vor Auferlegung des allgemeinen Verfügungsverbots genehmigt hatte, so kann der betroffene Gläubiger aus der Insolvenzmasse keine nochmalige Zahlung verlangen. Den überhöhten Forderungs-ausweis gegenüber seiner Bank nach unwirksamer Lastschriftrückbuchung hat der Schuldner nicht auf Kosten des Gläubigers erlangt. Diesem bleibt es überlassen, gegenüber seiner Bank die fehlerhafte Kontenberichtigung rückgängig zu machen (im Anschluss an BGHZ 186, 242 Rn. 30).
    InsO § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 Teilsatz 1, § 55 Abs. 2 Satz 2; BGB §§ 546, 985
    Der Rückgabeanspruch des Leasinggebers ist auch dann nur eine Insolvenzforderung, wenn der Schuldner oder der starke vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund gerichtlicher Ermächtigung während des Verfahrens zur Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen des Leasingnehmers Leasinggut zur Fortführung des Schuldnerunternehmens eingesetzt haben. Dasselbe gilt für einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Rückgabepflicht.
    InsO § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Teilsatz 3; ZPO § 286 G
    a) Setzen der Schuldner oder ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter über sein Vermögen bisher geleaste Gegen-stände aufgrund insolvenzgerichtlicher Ermächtigung bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag zur Fortführung des Schuldnerunternehmens ein, so hat der Eigentümer zu beweisen, dass nach Rückerhalt festgestellte Schäden während des hoheitlich begründeten Nutzungsverhältnisses entstanden sind, wenn er nach Eröffnung des Insolvenz-verfahrens über das Vermögen des vormaligen Leasingnehmers einen Entschädigungsanspruch für den dadurch erlittenen Wertverlust gegen die Insolvenzmasse erhebt.
    b) Der Nutzer ist verpflichtet, zu Beginn des durch die Ermächtigung des Insolvenzgerichts begründeten Nutzungsverhältnisses den Zustand des weiter genutzten vormaligen Leasinggutes festzuhalten.
    c) Verletzt der insolvenzgerichtlich ermächtigte Nutzer seine Pflicht, den Zustand der genutzten Sachen festzuhalten, ist dem durch eine Beweiserleichterung zugunsten des Eigentümers Rechnung zu tragen, wenn der Nutzer in diesem Fall bestreitet, dass Schäden während des hoheitlich begründeten Nutzungsverhältnisses entstanden sind.

    BGH, Urteil vom 28. Juni 2012 - IX ZR 219/10 -

  • Tritt der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots eine ihm zustehende Forderung an einen anderen ab, wird der Drittschuldner durch die Zahlung an den Scheinzessionar nicht von seiner Verbindlichkeit befreit.

    BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 210/11 -

  • AG Fulda, Beschl. v. 28. 3. 2012 – 91 IN 9/12 Durch das Insolvenzgericht kann im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren weder den Schuldner noch den vorläufigen Sachwalter ermächtigt werden, Masseverbindlichkeiten zum Zweck der Insolvenzgeldvorfinanzierung zu begründen.

    AG München, Beschl. v. 27. 6. 2012 – 1506 IN 1851/12
    1. Durch das Insolvenzgericht kann im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren den Schuldner – nicht den vorläufigen Sachwalter – zum Eingehen von Masseverbindlichkeiten ermächtigt werden (gegen AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787).

    2. Die Ermächtigung zur Eingehung der Masseverbindlichkeit kann an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters geknüpft werden.


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    2 Mal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (30. Juli 2012 um 09:25) aus folgendem Grund: neue Entscheidungen, da bereits eingestellt

  • Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muß für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.

    BGH, Urt. v. 19.06.2012 - II ZR 243/11

  • OLG Stuttgart Urteil vom 26.6.2012, 6 U 45/12

    Der Insolvenzverwalter, der ein an eine Bank sicherungsübereignetes Fahrzeug nach § 166 Abs. 1 InsO verwerten will, kann zu diesem Zweck von dieser die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II [Fahrzeugbrief] verlangen.

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  • BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - IX ZB 188/09


    Der selbständig tätige Schuldner, dem die Restschuldbefreiung angekündigt ist, hat in regelmäßigen Abständen, zumindest jährlich, Zahlungen an den Treuhänder zu erbringen.

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  • BGH vom 19.07.2012, IX ZB 215/11, ohne Leitsatz

    Die Versagung der Restschuldbefreiung seitens des Insolvenzgerichts von Amts wegen gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO setzt voraus, dass ein Gläubiger einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 1 InsO gestellt hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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