Fortbestand der Nachlasspflegschaft nach Erbschein?

  • [FONT=&quot]Danke für die Kommentare, auch für die eindeutige Stellungnahme von TL :)
    Ja, es ist sicherlich eine Frage des von dem jeweiligen Gesetzgeber angenommenen Models der Nachlasspflegschaft und teilweise eine Frage der praktischen Konkordanz auf dem Gebiet des nationalen Verfassungsrechts.[/FONT]

  • [FONT=&quot] eine Frage der praktischen Konkordanz auf dem Gebiet des nationalen Verfassungsrechts.[/FONT]



    :bahnhof:

    Kann mir das einer erklären?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Gemeint ist wohl die Frage, welches Rechtssystem Eigentum und Erbrecht höher achtet, weil dasjenige Rechtssystem, welches Erbrecht und Eigentum geringer achtet, dem jeweiligen nationalen Pendant zum Nachlasspfleger des deutschen Rechtssystems wohl mehr Rechte im Verhältnis zum Erben als das hiesige Rechtssystem einräumt, sodass sich insoweit die Frage nach einer die Verfügungsbefugnis der Erben grundsätzlich verdrängenden Überverfügungsbefugnis dieses nationalen Analogums stellen könnte, während das Rechtssystem, das Eigentum und Erbrecht höher achtet, bestenfalls bereit ist, ein Nebeneinander der betreffenden Verfügungsbefugnisse zu akzeptieren, dafür aber die Imponderabilien in Kauf nimmt, die sich daraus ergeben, dass es aufgrund dessen zu widerstreitenden Verfügungen kommen kann, die dann aufgrund der gegebenen Gleichwertigkeit der Rechtsstellungen, aus welchen sich die jeweiligen Verfügungsbefugnisse ergeben, notgedrungen nach dem Grundsatz der Priorität zu lösen sind, weswegen die meisten deutschen Nachlassgerichte die ihnen eigene nationale Institution der Nachlasspflegschaft auch baldmöglichst beenden, um eben diese Schwierigkeiten zu vermeiden, die ein Rechtssystem, welches Eigentum und Erbrecht geringer achtet, infolge der rechtlichen Installation einer verfügungsbefugnisverdrängenden Nachlassverwaltungs-instutition nicht zwingend zu haben braucht.

    Capice?

  • so ungefähr :daumenrau :)

    [FONT=&quot]In der von mir beschriebenen Situation kommt es zu einer Kollision der Rechte des bekannten Erben auf Eigentum und der Nachlasssicherungspflicht des Staates (welche man aus den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzbestimmungen bzw. aus der EMRK ableiten kann) und der Rechte der noch unbekannten Erben. Zwischen den Rechtsgütern muss man unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abwägen (praktische Konkordanz). Je nach dem, zu welchem Ergebnis man kommt, ändert sich das „Verständnis vom Sinn und Zweck einer Nachlasspflegschaft”. Das Doppelverfügungsrecht ist die in DE h.M. Sehr gut vertretbar, aber nicht unproblematisch, auch wenn die Probleme in der Praxis nicht auftauchen.[/FONT]

  • Wenn das geltende Recht ermöglicht, dass ein Berechtigter sein dingliches Recht durch die Verfügung eines Nichtberechtigten zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers verliert, dann kann das Nebeneinander von zwei verfügungsbefugten Berechtigten im Rechtssinne von vorneherein nicht problematisch sein.

  • [FONT=&quot]Dass die doppelte Verfügungsmacht dogmatisch möglich ist, stelle ich nicht in Frage. Es gibt aber genauso Rechtsinstitute, die in Bezug auf bestimmte Vermögensmassen zur Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Berechtigten führen. Zwischen den beiden Modellen versuche ich grade bei der polnischen Nachlasspflegschaft, die auch nur in drei Art. der poln. ZPO geregelt ist, zu entscheiden.

    Wenn man bei der Nachlasspflegschaft das Doppelverfügungsrecht annimmt, was mit guten Gründen möglich ist und in DE gemacht wird, steht man von dem von mir beschriebenen Problem: mit welchen Rechtsmitteln bzw. Rechtsinstituten schützt man bis zur Aufhebung der Pflegschaft die Rechte des unbekannten Miterben. Es scheint mir eine Schwäche der Doppelverfügungsrechtslösung zu sein.

    Schön, dass sich die Erben in der Regel gedulden und vernünftig verhalten. Es muss aber nicht sein, insbesondere wenn Gläubiger des bekannten Erben das Sagen haben.[/FONT]

  • Wenn noch Miterben unbekannt sind, dann können die bereits bekannten Miterben schon aus diesem Grund nicht über einen Nachlassgegenstand verfügen, weil alle Miterben an einer solchen Verfügung mitwirken müssen. Bereits durch diese Rechtslage ist der unbekannte Miterbe vollständig geschützt.

    Die Problematik widerstreitender Verfügungen im Rahmen des Doppelverfügungsrechts kann sich nur stellen, wenn die Erbenseite "vollständig" ist. Ist sie dies nicht, kann jeder bekannte Miterbe nur über seinen Erbanteil verfügen, und das natürlich als materiell Berechtigter. Der Nachlasspfleger kann dagegen nie über einen Erbanteil verfügen, es sei denn es handelt sich um einen Erbteil, den schon der Erblasser als Miterbe an einem Drittnachlass innehatte.

  • [FONT=&quot]Wenn ich es richtig verstehe, würdest Du die Verfügungsmacht des bekannten Erben in DE auch in Fällen verneinen, in denen die Klärung der Erbfolge (auch wenn nur deklaratorisch) durch Erteilung eines Erbscheins nach einer öffentlichen Aufforderung erfolgt (verschollene Stämme in den Ostgebieten, Auswanderer usw.).

    Mit der Problematik muss ich mich eben deswegen auseinandersetzen, weil nach poln. Erbrecht der Miterbe über seinen Anteil an Nachlassgegenständen auch vor der Auseinandersetzung verfügen kann, wobei die Verfügung bei der späteren Auseinandersetzung als unwirksam unberücksichtigt bleiben kann. Ist aber eine andere Geschichte...[/FONT]

  • Ich glaube, dass der vorstehenden Stellungnahme ein rechtliches Missverständnis zugrunde liegt, dass es aufzuklären gilt.

    Das Verfügungsrecht der Erben besteht völlig unabhängig davon, ob ein Nachlasspfleger bestellt ist oder nicht. Ist keine Nachlasspflegschaft angeordnet und können die "Erben" aus Rechtsgründen gleichwohl nicht verfügen, so können sie es natürlich auch nicht im Rahmen eines Doppelverfügungsrechts, wenn eine Nachlasspflegschaft angeordnet ist.

    Ich will dies an der Übereignung eines beweglichen Nachlassgegenstandes deutlich machen:

    1. Es ist (noch) kein Erbschein erteilt

    a) Sind alle Erben bekannt und verfügen alle Personen, die materiellrechtlich auch die Erben sind, so handeln sie als Berechtigte und die Verfügung ist unabhängig von einem Erbnachweis wirksam. Ist ein Nachlasspfleger bestellt, besteht somit ein Doppelverfügungsrecht, und zwar einerseits seitens der Erben als Rechtsinhaber und andererseits des Nachlasspflegers kraft seiner aus der gerichtlichen Anordnung folgenden Rechtstellung.

    b) Wirkt dagegen nur ein einziger wahrer (unbekannter) Miterbe an der Verfügung nicht mit (und sei sein Erbteil noch so klein), so ist die Verfügung unwirksam und sie kann mangels Erbscheinserteilung auch nicht kraft guten Glaubens des Erwerbers wirksam werden. Da es hier bereits an einem ausübbaren Verfügungsrecht der Erben fehlt, kann in diesem Fall auch kein Doppelverfügungsrecht bestehen.

    2. Ein Erbschein ist erteilt

    a) Sind die im Erbschein ausgewiesenen Erben die wahren Erben, so verfügen sie als Berechtigte. Solange die Nachlasspflegschaft nicht aufgehoben ist, besteht demnach ein Doppelverfügungsrecht von Erben und Nachlasspfleger. Es liegt also der gleiche Fall wie in Ziffer 1 a) vor.

    b) Sind die im Erbschein ausgewiesenen Erben nicht die wahren Erben oder ist noch zumindest ein weiterer im Erbschein nicht berücksichtigter Miterbe vorhanden, so ergibt sich die materielle Verfügungsmöglichkeit der im Erbschein ausgewiesenen Erben ausschließlich aus der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, weil objektiv eine Verfügung durch Nichtberechtigte vorliegt (§§ 2365, 2366 BGB). In diesem (eingeschränkten) Rahmen existiert somit auch ein Doppelverfügungsrecht von Scheinerben und Nachlasspfleger.

    Fazit:

    Bei der Beurteilung der Problematik des Doppelverfügungsrechts muss man berücksichtigen, dass es begrifflich nur bestehen kann, wenn die Erben ihrerseits auch ohne Anordnung einer Nachlasspflegschaft über einen Nachlassgegenstand verfügen könnten. Denn wenn sie dies nicht können, kann ihnen natürlich auch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft kein "Mehr" an Rechten im Vergleich zur Rechtslage ohne Nachlasspflegschaft verschaffen.

    Was die Übertragung eines Erbanteils angeht, so ist sie nur in den Fällen 1 a) und 2 a) wirksam, weil insoweit jeweils der wahre Miterbe über seinen Erbteil verfügt. In den Fällen 2 a) und 2 b) ist die Erbteilsübertragung dagegen nur wirksam, soweit ein wahrer Miterbe über seinen Erbanteil verfügt, weil es (auch bei erfolgter Erbscheinserteilung) keinen gutgläubigen Erbteilserwerb aufgrund der Verfügung eines Nicht(mit)Erben gibt. Die Problematik des Doppelverfügungsrechts kann sich allerdings bei der Erbteilsübertragung im Regelfall nicht stellen, weil der Nachlasspfleger nicht befugt ist, über einen Erbteil an dem von ihm verwalteten Nachlass zu verfügen. Dies ist -wie gesagt- nur möglich, wenn bereits der Erblasser einen Erbanteil an einem Drittnachlass innehatte. Soweit (nur!) in diesem Kontext ein Doppelverfügungsrecht von Nachlasspfleger und Erben besteht, bezieht es sich somit nicht auf einen Erbanteil am Nachlass des Erblassers, sondern auf den Erbteil an einem Drittnachlass, der sich im Nachlass des Erblassers befindet. Über einen solchen Erbanteil können Nachlasspfleger und Erben aber wegen der fehlenden Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs gleichermaßen nur verfügen, wenn der Erblasser auch tatsächlich Miterbe am Drittnachlass war.

  • @juris2112::aufgeb:

    Danke für die kurze, in einem Satz zusammengefasste Stellungnahme in #23:D ,bzw. den Schachtelsatz in absoluter Vollendung. :D

    Ich glaub wir: :abklatsch


    Gruß!
    TL :grin:

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  • @ TL:[FONT=&quot]
    [/FONT]
    [FONT=&quot]Auch für Deine Teilnahme vielen Dank, TL.
    [/FONT]
    [FONT=&quot]Bis zum nächsten mal in der terra transoderana :)
    [/FONT]

  • @silesianman:

    Mit dem Collegium Polonicum?

    :D

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  • [FONT=&quot]Meine alma mater ist zwar die Viadrina. Ihre polnische Tochter in Slubice ich aber auch ein interessanter Ort. Von Slubfurt aus kann man viel sehen- auch was in Warschau läuft und nicht läuft :)
    [/FONT]

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