Rücknahme aus der Verwahrung

  • Die Fundstelle lautet ZEV 2003, 55.

    Sowohl die vertraglichen als auch die einseitigen letztwilligen Verfügungen sind weiterhin gültig. Dies ergibt sich eindeutig aus § 2300 Abs.2 S.3 BGB, wonach § 2256 Abs.1 BGB nur Anwendung findet, wenn "ein Erbvertrag nach den Sätzen 1 und 2 zurückgenommen" wird. Nach Satz 1 des Abs.2 kann ein Erbvertrags aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung aber nur zurückgenommen werden, wenn er nur (also ausschließlich) Verfügungen von Todes wegen enthält. Das ist im beim vorliegenden Sachverhalt wegen des mit dem Erbvertrag verbundenen Erb- und Pflichtteilsverzichts nicht der Fall, sodass alle letztwilligen Verfügungen (seien es vertragliche, seien es einseitige) infolge Nichtanwendbarkeit des § 2256 Abs.1 BGB wirksam bleiben.

    Die Kollegin hat also recht.

  • Im neuesten DNotI-Report (13/2007) wird die Frage erörtert, ob ein Erbvertrag aus der Verwahrung zurückgenommen werden kann, wenn er neben den üblichen erbrechtlichen Verfügungen noch eine Anordnung nach § 1638 BGB enthält. Dies wird bejaht, weil die Anordnung nach § 1638 BGB nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm "durch letztwillige Verfügung" zu treffen ist.

    Ob diese Auffassung zutrifft, hängt davon ab, ob es sich bei der Anordnung nach § 1638 BGB um eine Verfügung von Todes wegen handelt, die nach dem Erbfall familienrechtliche Wirkungen erzeugt, oder ob die Erklärung des Erblassers (umgekehrt) als familienrechtliche Anordnung zu qualifzieren ist, die nur im Rahmen einer letztwilligen Verfügung getroffen werden kann. Der Wortlaut des § 1638 BGB deutet entgegen der Auffassung des DNotI auf letzteres hin, weil der Umstand, dass die Anordnung nur "durch" (also mittels) einer letztwilligen Verfügung getroffen werden kann, aus der Anordnung noch keine "Verfügung von Todes wegen" i.S. des § 2300 BGB macht. Für die Ansicht des DNotI spricht demgegenüber, dass der in § 2300 BGB verwendete Terminus der "Verfügungen von Todes wegen" dahingehend zu interpretieren ist, dass nur Rechtsgeschäfte unter Lebenden einer Rücknahme entgegenstehen sollen. Um ein solches Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt es sich bei der Anordnung nach § 1638 BGB jedoch nicht.

  • Einen sehr schönen Satz des DNotI möchte ich Euch nicht vorenthalten:

    Der Sache nach handelt es sich bei der familienrechtlichen Anordnung also um eine Verfügung von Todes wegen, deren familienrechtliche "Besonderheit" maßgeblich darin liegen dürfte, dass sie nicht im Erbrecht, sondern im Familienrecht geregelt ist ...

    Man könnte auch umgekehrt sagen:

    Der Sache nach handelt es sich bei der letztwilligen Verfügung also um eine familienrechtliche Anordnung, deren erbrechtliche "Besonderheit" maßgeblich darin liegen dürfte, dass sie im Familienrecht geregelt ist und demzufolge überhaupt keine erbrechtlichen Wirkungen erzeugt.

    Mit anderen Worten:

    Beide Aussagen sind inhaltsleer und besagen in der Sache überhaupt nichts.

  • ich habe da auch nochmal ne frage:
    ich habe einen erbvertrag, der vor der änderung des § 2300 bgb aus der amtlichen verwahrung zurückgegeben wurde mit dem vermerk im protokoll, dass der erbvertrag dadurch nicht unwirksam wird. das verwahrgericht, dass ja den original erbvertrag nicht eröffnen konnte, weil er nicht mehr da war, hat nun eine begl. abschrift des erbvertrages (vom notar bekommen) eröffnet. ich bin nun nachlassgericht und halte den erbvertrag noch für wirksam. aber ich habe ja nun den orginal-erbvertrag nicht, ist das ein problem? gilt die erbvertragliche einsetzung dann noch (lebensgefährte ist eingesetzt worden) oder evt. gesetztl. erbfolge?
    was, wenn die vertragsparteien den original erbvertrag gemeinschaftlich vernichtet haben vor tod des erstversterbenden? im nachlass des erstversterbenden ist der original-erbvertrag nicht mehr, evt. befindet er sich ja noch im besitz des nun eingesetzten lebensgefährten, das habe ich noch nicht in erfahrung bringen können.

  • Verstehe ich es richtig: Der Erbvertrag wurde nicht an den Notar sondern fälschlich an die Vertragsschließenden zurückgegeben?

  • Also ich versuchs mal, wie ich die Sache angehen würde:

    Falls weitere Verträge - außer dem Erbvertrag - in der Urkunde enthalten gewesen wären, ist der Fall klar, durch die Rückgabe wäre auch heute keine Unwirksamkeit eingetreten.

    Falls nur erbvertragliche Bestimmungen enthalten waren, wäre heute eine Rückgabe mit der Folge der Unwirksamkeit möglich. Übergangsbestimmungen kann es keine geben und eine Entscheidung zu so einem Fall ist mir auch nicht bekannt.

    Also betreiben wird Rechtsfortbildung. Ich gehe davon aus, dass die (unzulässige) Rückgabe nach altem Recht weiterhin nichts an der Wirksamkeit des Erbvertrags ändert. Daher ist von seiner Gültigkeit auszugehen.

    Späterer "Widerruf" ist nicht möglich, denn es hätte entweder ein notarieller Rücktritt oder aber eine vertragliche Aufhebung erfolgen müssen. Allein die gemeinsame Vernichtung der Urkunde oder durch privatschriftliche einseitige Verfügungen (gemeinschaftliches Testament ist ja nicht möglich, da nicht verheiratet) beseitigt vertragliche Vereinbarungen m.E. nicht. Diesbezüglich würde ich daher keine großen Ermittlungen betreiben.

    Der Nachweis des Inhalts ist bei Dir ja glücklicherweise kein Thema, es gibt eine beglaubigte Abschrift. Diese kann, falls das Original entgültig unauffindbar ist, durch den beurkundenden Notar (oder seinen Nachfolger im Amt) zur Urschrift erklärt werden. § 46 BeurkG.

    Falls sich die Beteiligten nicht einigen, ist die Erbfolge nur im Erbscheinsverfahren zu klären. Falls keine Erbfolge, sondern nur andere Verfügungen (Vermächtnisse etc.) enthalten waren, wäre es Sache des Zivilgerichtes.

  • In der Zeit vor dem 1.8.2002 bestand für die Vertragschließenden keine Möglichkeit, einen Erbvertrag mit Widerrufswirkung aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückzunehmen, sondern das Rücknahmeverlangen hatte nur die Folge, dass der Erbvertrag in die gewöhliche Verwahrung des beurkundenden Notars zurückgebracht wurde. Das Verwahrungsgericht hat im vorliegenden Fall somit richtig und falsch zugleich gehandelt, nämlich falsch, indem es den Erbvertrag den Vertragschließenden ausgehändigt hat, aber jedenfalls richtig, indem es erkannt hat, dass der Erbvertrag hierdurch nicht unwirksam wird. Damit ist klar, dass der Erbvertrag auch aus heutiger Sicht noch wirksam sein muss, weil keine entsprechenden formgerechten Erklärungen vorliegen (§§ 2290 Abs.4, 2296 Abs.2 S.2 BGB) und ein Widerruf durch gemeinschaftliches Testament im vorliegenden Fall von vorneherein ausscheidet (vgl. § 2292 BGB). Damit ist es im Ergebnis ohne Belang, ob das Original des Erbvertrags noch auftaucht oder nicht.

    Ich würde mich zur Sicherheit aber noch einmal beim Urkundsnotar vergewissern, dass dort keine Anhaltspunkte für eine evtl. spätere Aufhebung des Erbvertrags bei einem anderen Notar vorliegen, der diese Änderung dem Notariat mitgeteilt hätte, das die Haupturkunde errichtet hat.


  • Ich würde mich zur Sicherheit aber noch einmal beim Urkundsnotar vergewissern, dass dort keine Anhaltspunkte für eine evtl. spätere Aufhebung des Erbvertrags bei einem anderen Notar vorliegen, der diese Änderung dem Notariat mitgeteilt hätte, das die Haupturkunde errichtet hat.



    Bei uns ist es nicht üblich, eine Änderung oder eine Aufhebung dem "anderen" Notar mitzuteilen. Nur auf den eigenen Urkunden muss der Vermerk über einen Nachtrag/Aufhebung/Rücktritt angebracht werden. Allerdings ist es für jeden Notar ein "Muss" das Geburtsstandesamt von jeder Beurkundung, die Auswirkungen auf Erb- und Pflichtteilsrecht hat, direkt zu benachrichtigen. Die Anfrage wäre daher an das Geburtsstandesamt bzw. AG Berlin-Schöneberg zu richten.

  • Die beim Geburtsstandesamt (bzw. beim AG Schöneberg) vorliegenden Mitteilungen werden dem NachlG bereits von Amts wegen bekannt gemacht (vom AG Schöneberg allerdings nicht ohne erheblichen zeitlichen Verzug). Die von mir vorgeschlagene "Vorsichtsmaßnahme" bezog sich daher nur auf die denkbare Möglichkeit, dass eine veranlasste Mitteilung an das Geburtsstandesamt des Erblassers versehentlich nicht erfolgt sein könnte.

  • Die von mir vorgeschlagene "Vorsichtsmaßnahme" bezog sich daher nur auf die denkbare Möglichkeit, dass eine veranlasste Mitteilung an das Geburtsstandesamt des Erblassers versehentlich nicht erfolgt sein könnte.



    Und mein Vorschlag, direkt beim Standesamt nachzufragen, bezog sich auf meine Erfahrungen, dass die Mitteilungen des Standesamts beim Nachlassgericht bei Verfügungen, die sich nicht in der bes. amtl. Verwahrung befinden, oft nicht ankommen, da die mitteilenden Notare umgezogen sind oder es sie schon längst nicht mehr gibt.

  • Ich hatte heute nachmittag noch einmal ein wenig recherchiert zu der Frage, ob der Erbvertrag durch die unzulässige Rückgabe unwirksam geworden sein könnte, aber nichts gefunden.
    Ich bin deshalb ebenfalls der Ansicht, dass die Rückgabe auf die Wirksamkeit keinen Einfluss hatte (zumal nach dem Grundgedanken des § 34 BeurkG Erbverträge hinsichtlich der amtlichen Verwahrung etwas "freier" behandelt werden als Testamente).
    Insofern schließe ich mich meinen "Vorrednern" an.

  • Zur früheren Rechtslage folgenden Literaturhinweis:

    Weirich, Das Rücknahmeverbot beim Erbvertrag - Eine Fehlkonstruktion des Gesetzes, DNotZ 1997, 7.

  • kl. neuer fall:
    ein erbvertrag, der nur vfg. von todes wegen enthält, soll zurückgenommen werden. der erbvertrag wurde zwischen zwei personen abgeschlossen, allerdings hat nur eine davon testiert. dieser testierende möchte den erbvertrag zurück, der weitere vertragsschließende ist bereits verstorben (stu liegt derzeit nicht vor). kann der erbvertrag an den einen, noch lebenden vertragsschließenenden, zurückgegeben werde (wenn stu des anderen vorliegt) oder geht gar keine rücknahme?

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