BGH verwirft bisherige Anrechnungspraxis der Geschäftsgebühr

  • Diese Entscheidung

    OLG Saarbrücken Beschluß vom 5.10.2007, 2 W 188/07 - 21
    hatten wir wohl auch noch nicht:
    Die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr ist im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann zu beachten, wenn entsprechende Erstattungsansprüche entweder anderweitig tituliert oder unstreitig sind. Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor oder ist das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs auf Erstattung der Geschäftsgebühr zumindest zweifelhaft, scheidet eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren von vornherein aus.

  • Was versteht eigentlich das KG bzw. der BGH unter dem Begriff "prozessökonomische Gründe"?:confused: Hat da jemand von euch eine Erklärung? Ebenso frage ich mich, ob es eine Definition des Begriffs "anrechnen" im Sinne von "aufgehen" gibt und wo ich die ggf. nachlesen kann.:(

  • Wird Zeit, daß der BGH seine Meinung mal wieder ändert, damit die Diskussion im Forum wieder richtig losgehen kann. Ich krieg jetzt mehrheitlich im Urteil ausdrücklich eine halbe oder ganze GG und die meisten RAe haben die Anrechenpraxis auch verstanden.

  • ... Ich krieg jetzt mehrheitlich im Urteil ausdrücklich eine halbe oder ganze GG und die meisten RAe haben die Anrechenpraxis auch verstanden. ...

    Die RAe oder die ReFa und ReNo? :teufel:
    Nichts gegen rakumi und andere RA´s, aber ich kenne einige, die es nicht verstanden haben und ohne die ausgebildeten Fachangestellten echt aufgeschmissen wären.

  • Ich freue mich schon auf euer Wehklagen, wenn der BGH sich meiner Meinung angeschlossen hat und ihr eure ganze Anrechnungspraxis wieder umschmeißen müsst.... :teufel:



    Ich bewundere Deine Ausdauer, wenigstens mit fliegenden Fahnen unterzugehen... :teufel: :wechlach:

  • Hier eine wichtige Entscheidung zur Geschäftsgebühr für alle, die im OLG-Bezirk Celle arbeiten:
    Der 2. Zivilsenat des OLG Celle hat am 4.2.08, AZ. 2 W 29/08 beschlossen, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist.
    Der 2. Zivilsenat des OLG Celle tritt der ganz herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung bei, nach der eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nur dann in Betracht kommt, wenn diese im Hauptverfahren oder anderweitig tituliert oder der Anrechnungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren unstreitig ist (OLG Celle 2 W 8/08, Beschl. v. 16.1.08; KG AGS 2007, 349; OLG München AGS 2007, 495; OLG Koblenz AGS 2007, 642; OLG Rostock AGS 2008, 46; OLG Hamm AGS 2008, 47; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494; OLG Schleswig AGS 2008, 42 OLG Stuttgart AGS 2008, 43, zum Meinungsstand zuletzt auch Hansens, AGS 2008, 1).
    OLG Celle a.a.O: führt aus"Wenn die Partei im Rechtstreit oder anderweitig die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr dem Prozessgegner gegenüber in voller Höhe als materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend gemacht hat und ihr ein entsprechender Zahlungsanspruch zuerkannt worden ist, kommt die Regelung nach Vorbemerkung 3 Abs.4 VV RVG zum Tragen. Dann kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren die Verfahrensgebühr nur noch teilweise, nämlich vermindert um den anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr, berücksichtigt werden. Gleiches gilt, wenn der im Rechtsstreit unterlegene erstattungspflichtige Gegner die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr bereits vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses gezahlt hat."
    Zur vorgerichtlich entstandenen Geschätsgebühr der Beklagtenseite führte der Senat aus, dass die Geschäftsgebühr nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehöre, wenn sie nicht unmittelbar dessen Vorbereitung diene, sondern der außergerichtlichen Erledigung der Angelegenheit (BGH NJW 2006, 2560).

    Im zu entscheidenden Fall nahmen die Kläger die Beklagten auf Rückabwicklung eines notariellen Grundstückskaufvertrages und auf Schadensersatz in Anspruch.
    Die Klägerseite hatte die Beklagten bereits außergerichtlich per Anwaltsschreiben auf Rückabwicklung und Schadensersatz = Zahlung einer bestimmten Summe gegen Rückauflassung des streitbefangenen Grundstücks in Anspruch genommen. Die Beklagten hatten vorgerichtlich durch ihre Prozessbevollmächtigten die geltend gemachten Ansprüche zurückweisen lassen.

    Im Beschwerdeverfahren hat die Klägerseite die Auffassung vertreten, dass zu Gunsten der Beklagten lediglich eine 0,55 Verfahrensgebühr erstattungsfähig sei, weil den Prozessbevollmächtigten der Beklagten aus der außergerichtlichen Vertretung bereits eine 1,3 Geschäftsgebühr entstanden sei, die in Höhe von 0,75 Gebühren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei.

    Die Rechtspflegrin beim Landgericht hatte die von den Beklagten geltend gemachten Kosten antragsgemäss festgesetzt. Die anteilige Verrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr hatte sie abgelehnt mit der Begründung, die Geschäftsgebühr sei nicht Gegenstand der Zivilklage gewesen und könne auch nicht nachträglich mit einbezogen werden.
    Der sofortigen Beschwerde der Klägerseite wurde nicht abgeholfen und ergänzend ausgeführt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur in Betracht komme, wenn die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren mti tituliert worden sei, der Kostenerstattungsschuldner die Geschäftsgebühr unstreitig bereits erstattet habe oder der erstattungspflichtige Gegner bereits wegen der vollen Geschäftsgebühr die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt und dadurch der materielle Kostenerstattungsanspruch wegen der vorprozessualen Kosten bereits erloschen sei. Keine dieser Vorrausetzungen läge vor. Die Geschäftsgebühr sei nicht mit eingeklagt worden. Es sei zwischen den Parteien streitig, ob wegen der Geschäftsgebühr ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch bestehe.

    Die sofortige Beschwerde der Kläger wurde vom OLG Celle zurückgewiesen.

  • Die von Angie genannte Entscheidung 2 W 29/08 des OLG Celle ist die konsequente Fortführung der ganz überwiegenden Rechtsprechung, die das gleiche OLG auch schon in 2 W 8/08 (hier im Fred bekannt gemacht) vertreten hat.

    Die Entscheidung 2 W 8/08 ist mittlerweile auch in juris zu finden (KORE 203102008).

  • Nur mal so eine Blüte am Rande: Gestern hatte ich ein Urteil auf dem Tisch, in dem als Nebenforderung eine 1,3fache Geschäftsgebühr als "nichtanrechenbare vorgerichtliche Kosten" tituliert wurde.
    Glücklicherweise hat aber der RA von sich aus im Kostenfestsetzungsantrag eine 0,65fache Geschäftsgebühr abgezogen. :D

  • BGH, Beschl. 20.10.05, I ZB 21/05, Rpfleger 2006, 165; Beschl. 27.04.06, VII ZB 116/05, FamRZ 2006, 1114;

    OLG Düsseldorf, Beschluss 08.02.06, 13 W 7/06, soweit bekannt nicht veröffentlicht;

    OLG Hamburg, Beschl. 18.01.05, 8 W 296/04, MDR 2005, 898 f.;

    OLG Frankfurt a.M., Beschl. 24.01.05, 6 W 9/05, NJW 2005, 759;

    OLG Koblenz, Beschl. 23.03.05, 14 W 181/05, MDR 2005, 838, 12.10.05, 14 W 620/05, Rpfleger 2006, 43;

    OLG Köln, Beschl. 28.12.04, 17 W 313/04, RVGreport 2005, 76, 25.08.05, 7 U 51/05, Schaden-Praxis 2006, 11 f., 02.03.06, 14 UF 182/05, JMBl. NRW 2006, 286;

    OLG Stuttgart, Beschl. 29.11.05, 8 WF 150/05, JurBüro 2006, 135f., Beschl. 16.01.2006, 8 W 14/06, NJW 2006, 2196;

    OLG Oldenburg, Beschl. 11.04.05, 1 W 28/05, RVGreport 2005, 433;

    VG Frankfurt, Beschl. 13.03.06, 2 J 662/06 (1), Rpfleger 2006, 444;

    VG Lüneburg, Beschl. 09.03.06, 5 A 42/05, JurBüro 2006, 314;

    OLG Hamm, Beschl. 24.05.2005, 23 W 45/05, JurBüro 2006, 202, 27.09.2007, 23 W 184/07, AGS 2008, 47;

    KG, Beschl. 20.07.05, 1 W 285/05, AGS 2005, 515, 17.07.2007, 1 W 256/07, RVG professionell 2007, 145 ff.;

    OLG Koblenz, Beschl. 15.03.07, 14 W 170/07, Rpfleger 2007, 433, 10.10.2007, 14 W 667/07, AGS 2007, 642 f., 08.11.2007, 14 W 740/07 noch nicht veröffentlicht;

    OLG Karlsruhe, Beschl. 18.09.2007, 13 W 83/07, AGS 2007, 494;

    OVG Münster, Beschl. 25.04.2006, 7 E 410/06, NJW 2006, 1991;

    VGH München, Beschl. 10.07.06, 4 C 06.1129, NJW 2007, 170 f.;

    OLG München, Beschl. 30.08.2007, 11 W 1779/07, Rpfleger 2007, 686 f.;

    BGH, Beschl. 30.01.2007, X ZB 7/06, FamRZ 2007, 808 f., Zitat aus den Gründen "... soweit derartige Kosten nicht auf diesem Wege festgesetzt werden können, wie dies für den nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr...", m. w. N.;

    VG Sigmaringen, Beschl. 12.06.2006, A 1 K 10321/05, AGS 2007, 434 f.;

    VG Köln, 18 K 6475/04.A Beschl. 16.03.2006, AnwBl. 2006, 420;

    OLG Stuttgart, Beschl. 30.10.2007, 8 W 442/07, AGS 2008, 43;

    OLG Rostock, Beschl. 11.10.2007, 10 WF 184/07, AGS 2008, 46;

    OLG Schleswig, Beschl. 26.10.2007, 9 W 114/07, AGS 2008, 42;

    OVG Lüneburg, Beschl. 08.10.2007, 10 OA 73/07, NJW 2008, 535f.;

    LG Wuppertal, Beschluss 12.12.2007, 6 T 813/07, in JURIS;

    OLG Celle, Beschl. 16.01.2008, 2 W 8/08, in JURIS;

    OLG Saarbrücken, Beschl. 05.10.2007, 2 W 188/07-21, 2 W 188/07, AGS 2008, 46 f.;

    LG Bonn, Urt. 21.07.04, JurBüro 2004, 653;

    BGH, Beschl. 30.01.2007, FamRZ 2007, 808 f., m. w. N., Beschl. 15.05.2007, MDR 2007, 1149 f.;

    LG Berlin, Beschl. 09.05.2005, MDR 2005, 1318

    Insoweit zu der Behandlung von PKH-Festsetzungsanträgen:
    OLG Stuttgart, Beschl. 11.12.2007, 8 WF 161/07, 15.01.2008, 8 WF 5/08, jew. in JURIS

    und dann wären da noch
    Hansens, RVGreport 2006, 311, RVGreport 2005, 392, RVGreport 2007, 121, RVGreport 2007, 241;
    Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rz. 7;
    Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., §§ 103, 104, Rz. 21 „Außergerichtliche Anwaltskosten / Terminsgebühr”, § 91 Rz. 13 „Mahnschreiben“;
    Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rz. 8;
    AnwK-RVG/Hembach/Wahlen, Vorb. 2.4 VV Rn. 27;
    Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. § 91 Rn. 43; Bischof/Jungbauer/Podlech/Trappmann, RVG, § 19 Rz. 22;
    Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63.Aufl., § 103 Rz. 19;
    Enders, RVG für Anfänger, 12. Aufl. Rdnrn. 530 – 537).
    Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. Rdnr. 41 zu VV 2300, 2301 und Rdnr. 201 zu VV 3100, NJW 2006, 1927/1931;
    Schneider, AGS 2005, 515, AGS 2007, 287, AGS 2007, 441, NJW 2007, 2001;
    Lickleder, NZM 2007, 589 f.;
    Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl. 2005, § 15 Rn. 14 sowie Vergütungsverzeichnis Teil 2 Rn. 57;
    Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. 2006, Vergütungsverzeichnis Teil 3 Rn. 13).
    Musielak, ZPO, 4. Aufl. § 4 Rz. 12;
    Stein/Jonas/Bork, vor § 91 Rn 21;
    Schons, NJW 2005, 3089 [3091] mit Hinweis u.a. auf Hergenröder, AGS 2005, 274;
    Eulerich, NJW 2005, 3097 [3099];
    Weglage/Pawliczek, NJW 2005, 3100 [3102];
    Hartung, NJW 2004, 1409 ff. dort unter V. 2. c);
    Hünnekens, Rpfleger 2004, 448 dort unter A. III. Verfahrensgebühr;
    Enders, JurBüro 1999, 617 [619], JurBüro 2003, 201;
    Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. § 4 Rdnr. 13).
    AnwK-RVG/Hembach/Wahlen, Vorb. 2.4 VV Rn. 35.;
    Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl. Rz. 3294 ff.;
    Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. § 4 Rz. 18;
    Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. § 4 Rz. 8;
    Enders, JurBüro 2004, 57f.;
    Steenbuck, MDR 2006, 423 ff.
    Tomson, NJW 2007, 267 ff.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Ich hab den Eindruck, dass die Damen und Herrn Rechtspfleger an einer Dr.-Arbeit schreiben. :eek: Nur das Ergebnis der Untersuchungen ist halt nach wie vor fraglich.

    Aber schön, mal ne Gesamtübersicht zu haben, ich werde mir die wenigen passenden für mich raussuchen.

  • Habe heute nach langer Zeit einen Vollstreckungsbescheid unseres zentralen Mahngerichts vorgelegt bekommen. Dort heißt es:

    "Die nach Nr. 2300/2302 VV RVG vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wurde in Höhe von EUR **,** antragsgemäß auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG angrechnet (BGH, Urteil v. 07.03.2007, - VIII ZR 86/06)"

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Habe heute nach langer Zeit einen Vollstreckungsbescheid unseres zentralen Mahngerichts vorgelegt bekommen. Dort heißt es:

    "Die nach Nr. 2300/2302 VV RVG vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wurde in Höhe von EUR **,** antragsgemäß auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG angrechnet (BGH, Urteil v. 07.03.2007, - VIII ZR 86/06)"

    Seit der Anrechnungsbetrag genannt werden muss, also ca. Mitte April 07 steht das auf allen drauf. Hoffentlich ist auch die Geschäftsgebühr entsprechend tituliert...

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