Wertersatz für Duldungsdienstbarkeiten (hier: Photovoltaikanlage)

  • :gruebel: Hallo an alle! Ich würde gern den Fall des Ersatzwertes für eine Duldungsdienstbarkeit wegen Errichten und Betreiben einer Photovoltaikanlage aufgreifen, da diese Problematik immer mehr im Kommen ist. In meinem Fall geht es darum, dass B auf dem Dach des Gebäudes des A eine derartige Anlage auf eigene Kosten installiert und für 20 Jahre betreiben möchte. Die Frage nach einem Scheinbestandteil ist zu bejahen, da beide Vertragsparteien zum Zeitpunkt des (schuldrechtlichen) Vertragsschlusses davon ausgehen, dass die Anlage nur vorübergehend, also nicht dauerhaft, auf dem Objekt verbleiben soll. Der Miet-/Pachtvertrag sieht eine Laufzeit von 20 Jahren gegen Zahlung einer Miete/Pacht vor. Die Nutzung des Objektes durch A (oder einen Dritten) wird durch die Anlage auf dem Dach nicht beeinträchtigt. Die Grunddienstbarkeit soll im Grundbuch erstrangig - also vor Grundpfandrechten - eingetragen werden und enthält LEIDER auch keinen Höchst- oder Jahresbetrag als Wertersatz. Wenn nun aus einer öffentlichen Last versteigert wird und Abt II und III lastenfrei werden, stellt sich zwar nicht die Frage, wem etwas zusteht (Rang-/Reihenfolge), aber in welcher Höhe den Berechtigten etwas zusteht. Dies ist natürlich insbesondere für die Gläubiger im Rang nach der Dienstbarkeit von besonderem Interesse. Die Frage ist daher, welcher Ersatzwert einer solchen Dienstbarkeit beizumessen ist. Ich bin der Meinung, dass nicht die Nutzungseinschränkung des Objektes selbst maßgebend für die Berechnung des Wertersatzes sein kann, sondern vielmehr das wirtschaftliche Interesse des Berechtigten in den Mittelpunkt gerückt werden muss. Denn schließlich investiert dieser eine enorme Summe in ein fremdes Objekt und muss sich die Amortisation seiner Inbestition bestmöglich absichern. Da schuldrechtliche Verträge bei einem Eigentümerwechsel den neuen Eigentümer bekanntlich nicht tangieren, kommt es daher insbesondere auf die dingliche Sicherung der Dachnutzung an, denn nur diese hat der neue Eigentümer gegen sich gelten zu lassen. In der Tat kann es dann zu entsprechenden Beträgen kommen, die als Ersatzwert festzusetzen wären. Meine Frage an das Forum geht dahin, ob jemand schon einen praktischen Fall hatte und wie diese Dienstbarkeiten denn nun zu bewerten sind, welche Vor- bzw. Herangehensweise denn sinnvoll ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein erstrangig dinglich gesicherter Berechtigter im Falle des Erlöschens seiner erstrangigen Duldungsdienstbarkeit keinen Wertersatz haben möchte. Da er dann vertragslos dasteht und ggf. seine Anlage wieder abbauen und woanders aufbauen müsste, entstehen ihm Kosten und entgeht ihm ggf. ein Gewinn, der unter normalüblichen Umständen jedem dritten Berechtigten zugeflossen wären.:gruebel:

  • Meine Meinung dazu:
    Der Wertersatz einer erloschenen Dienstbarkeit richtet sich nach dem Wert, den das erloschene Recht für den Berechtigten hat(te).

    Zu dem Wert einer Dienstbarkeit hinsichtlich der Photovoltaikanlage verweise ich daher auf OLG München, Beschluss vom 8.1.2008, 32 Wx 192/07, MittBayNot 2008, 320. Zwar geht es dort um den Wert im Hinblick auf die Berechnung des Geschäftswerts, aber auch dieser richtet sich nach dem Wert der Dienstbarkeit, daher kann man aus meiner Sicht die dort angestellten Erwägungen auch auf den hiesigen Fall beziehen.

    Dort heißt es: Zu Recht hat das LG den Wert der Dienstbarkeit für den Berechtigten nicht an Hand der Einspeisevergütung für die elektrische Leistung, sondern an Hand der vereinbarten Pacht bemessen (so auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.4.2004, 8 Wx 1/04,MittBayNot 2005, 247; OLG Oldenburg, JurBüro 1998, 644). Durch die Dienstbarkeit erhält der Berechtigte nämlich nicht die Nutzung der Photovoltaikanlage, sondern nur die Nutzung der Dachfläche für eine von ihm zu errichtende Photovoltaikanlage. Die Vorteile der Stromerzeugung (Einspeisungsvergütung) resultieren nicht ausschließlich aus der Nutzung des Grundstücks, sondern vor allem aus den Investitionen und der Übernahme des Unternehmerrisikos durch den Beteiligten zu 1. Der Wert der Nutzung entspricht somit dem üblichen, mindestens jedoch dem vereinbarten Nutzungsentgelt, also dem Miet- bzw. Pachtzins. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Grundstückseigentümer die Anlage auf eigene Kosten errichtet hätte und einen Nießbrauch für den Beteiligten zu 1 an der Anlage eingeräumt hatte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
    Da am Geschäftsverkehr Beteiligte, die nicht miteinander familien- oder konzernmäßig verbunden sind, in der Regel wirtschaftlich handeln, ist anzunehmen, dass vereinbarte
    Pachtbeträge dem objektiven Wert der Nutzung entsprechen."

    Curiosity is not a sin.

    2 Mal editiert, zuletzt von 15.Meridian (30. Juni 2009 um 12:47) aus folgendem Grund: Link zur Entscheidung des OLG Brandenburg ergänzt

  • Der Wertersatz einer erloschenen Dienstbarkeit richtet sich nach dem Wert, den das erloschene Recht für den Berechtigten hat(te).


    :daumenrau

    ... den Wert der Dienstbarkeit für den Berechtigten nicht an Hand der Einspeisevergütung für die elektrische Leistung, sondern an Hand der vereinbarten Pacht bemessen...


    :daumenrau

    Ich denke die Bemessung an der Pachthöhe wird der Sache in dem beschriebenen Fall (Geschäftswert) gerecht. Die Anlage selbst bleibt ja im Besitz des Berechtigten. Und, der Ertrag aus der Einspeisevergütung setzt sich quasi aus einem wirtschaftlichen Anteil aus der Anlage und einem Anteil aus der Grundstücks- bzw. Gebäudenutzung zusammen (ähnlich Miete - sie besteht ja auch aus Anteil aus Gebäude- und einem Anteil für die Grundstücksnutzung). Und gerade für die Nutzung des Daches erhält der Grundstückseigentümer ja einen angemessenen Anteil, die Pacht.

    Aber ein paar Fragen bleiben trotzdem noch offen: Die Dienstbarkeit sichert ja nur die Benutzung des Daches. Was passiert nun nach ZV und Erlöschen der Dienstbarkeit? Der Anlageneigentümer kann/muss die Anlage abbauen und ggf. an anderer Stelle in Betrieb nehmen. Gesetzt den Fall, es würde wie beschrieben aus einer öffentlichen Last aus betrieben und er erhielte aus Erlös dann den Ersatzwert als kapitaliserte Pacht wie beschrieben:

    Frage 1: Wenn eine jährliche Zahlungsweise der Pacht vereinbart ist, warum erhält er einen Ersatz für eine zukünftige Pacht, die er ja wegen Wegfall der Dienstbarkeit gar nicht mehr zahlen braucht? Und, ist es in dem Fall dann nicht doch wieder eine Bemessung am Vorteil des Eigentümers (und nicht des Berechtigten)?

    Frage 2: Einen Schaden erleidet der Anlageneigentümer durch notwendigen Ab- und Aufbau an anderer Stelle. Der kann zufällig, muss aber gar nichts mit der kapitaliserten zukünftigen Pachthöhe zu tun haben. Z.B. kurze Restlaufzeit geringe kap. Pacht, lange Restlaufzeit hohe kap. Pacht. Ab- und Aufbaukosten sind demgenüber mehr oder minder konstant. Er kann ggf. auch einen zusätzlichen Schaden erleiden, wenn er z.B. für einen Aufbau an anderer Stelle gar keine oder nur eine geringere Einspeisevergütung erhält.

    Ein Lösung habe ich da jetzt auch nicht parat.

    Noch ein Einwurf: Wie sichert sich der Grundstückseigentümer eigentlich hinsichtlich der Pacht ab? Was passiert, wenn der Anlagenbetreiber insolvent wird?

    Als ähnliche Konstellation würde ich auch Mobilfunkanlagen auf fremden Grundstücken bzw. Windkraftanlagen auf fremden Grundstück ansehen. Wie werden dort die beschriebenen Probleme rechtlich sauber geregelt?

  • Der Grundstückseigentümer dürfte über das ihm zustehende Vermieterpfandrecht abgesichert sein. Allerdings wird das Ganze dann unübersichtlich, wenn die Einspeiseentgelte an einen Dritten abgetreten wurden und/oder die Anlage vor dem Aufbau sicherungsübereignet wurde oder noch unter Eigentumsvorbehalt steht. Unabhängig hiervon scheint die Problematik in der Tat nicht ganz einfach zu sein.

    Das Urteil des OLG München bezgl. des Geschäftswertes weist durchaus eine logische Argumentationskette auf, nur ist der Streigegenstand ein anderer. Im Rahmen der Bewertung - ob unter ZV-Gesichtspunkten (Wertersatz) oder unter Beleihungsgesichtspunkten (Vorlasten) - stellt sich immer noch die Frage nach einer gangbaren Vorgehensweise. Obgleich sich richtiger Weise die Vereinbarungen zwischen Eigentümer/Vermieter und Berechtigten/Mieter nur auf die Dachnutzung (für die Vertragslaufzeit) bezieht, bin ich der Meinung, dass das wirtschaftliche Interesse des Anlagenbetreibers nicht außer Acht gelassen werden darf. Fraglich bleibt, ob eine analoge Anwendung des Schadenersatzrechts möglich ist. Denn letztendlich entstehen dem Anlagenbetreiber Mehrkosten durch Abbau und Neuaufbau an anderer Stelle und ggf. Mehrbelastungen w/höherer Mietzahlungen. Gegen einen Ansatz der Mieten/Pachten spricht in der Tat, dass der Anlagenbetreiber ja auch keine Mieten mehr zahlen muss, wenn er das Dach nicht mehr nutzen darf/kann.

  • Meine Meinung dazu:
    Der Wertersatz einer erloschenen Dienstbarkeit richtet sich nach dem Wert, den das erloschene Recht für den Berechtigten hat(te).



    Wobei man vielleicht zum besseren Verständnis für die Außenstehenden hinzufügen sollte, dass nicht etwa das Gericht den Wertersatz bestimmt, sondern der Berechtigte den Betrag nach seinem Ermessen anmeldet, und dieser Betrag in den Teilungsplan aufgenommen wird, wenn nicht ein anderer Beteiligter Widerspruch erhebt.

  • Insgesamt bliebt nochmals festzuhalten, dass die Sache erst im Kommen ist und daher Präzidenzfälle und Quellen kaum vorhanden sind. Insoweit nochmals vielen Dank für den Hinweis auf das Urteil.

    Hat jemand schon Fälle gehabt, bei denen ein solches Recht als bestehen bleibendes Recht in das geringste Gebot aufgenommen werden musste und falls ja, mit welchem Wert(ersatz) dieses berücksichtigt wurde?

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