Insolvenzrecht versus Grundbuchrecht?

  • Das kann es nicht wirklich sein.



    Die Idee war mir auch gekommen, aber da gebe ich Cromwell Recht, das ist kein Argument.

    Cromwell, bitte führe Deine Argumente an!



    Sollte es auch gar nicht sein. ;)

    Die Löschung des Insolvenzvermerks auf Grund einer offiziellen Mitteilung des Insolvenzgerichts ist das Argument dafür, dass der Schuldner wieder verfügungsbefugt ist.

    Wenn der Eröffnungsbeschluss Beschlagnahmewirkung hat, muss die Freigabe mit nachfolgender Löschung des Vermerks ebenfalls eine Wirkung haben.



  • Meine Argumente sind im Eingangsstatement dargestellt. Dabei handelt es sich um meine Ansicht und wenn Rechtsprechung und Literatur die Problematik genauso sehen, wird es mich nicht grämen, zumal ich über die zitierten Dinge hinaus auch weitere Begründungen für meine Ansicht gegeben habe. Was dagegen sprechen sollte, Rechtsprechung und Literatur zu zitieren, welche die eigene Ansicht stützt, erschließt sich mir nicht. Dies gilt umso mehr, als ich mich nicht zu den kritiklosen Nachbetern irgendwelcher Fundstellen zähle, sondern anderweitig geäußerte Ansichten prüfe, bevor ich ihnen folge oder sie ablehne.

    Meine Argumente liegen demnach auf dem Tisch und sie harren -falls möglich- der Widerlegung. Die ständige Wiederholung eines argumentationslosen und nichtssagenden "Das kann es nicht wirklich sein" ist dafür ungeeignet.

  • Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass der Eintragung oder Löschung des Insolvenzvermerks jeweils nur deklaratorische Wirkung zukommt. Die Verfügungsbeschränkung des § 80 Abs.1 InsO tritt nicht durch die Eintragung des Vermerks, sondern durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, ebenso wie der Wegfall des Insolvenzbeschlags nicht durch die Löschung des Vermerks, sondern durch außerhalb des Grundbuchs liegende Umstände, etwa aufgrund einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter oder die Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintritt.



    Dies ist eine unbegründete Behauptung. Wenn man hier eine Diskussion führen will, muss man diese These zunächst in Frage stellen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Im ganz normalen Regelfall bekommt doch das Grundbuchamt nach (formloser) Freigabe durch den Verwalter vom Insolvenzgericht eine (offizielle grundbuchbeachtliche) Mitteilung, dass die Freigabe erfolgt ist und der Schuldner (wieder) verfügungsbefugt ist. Gleichzeitig wird angeregt/ersucht/gebeten (?), den Insolvenzvermerk zu löschen.

    Diese unzutreffende Annahme lässt vermuten, dass Du mit den inneren Verfahrensabläufen beim Insolvenzgericht nicht vertraut bist. Das Insolvenzgericht muss keinen Grund angeben, wenn es um die Löschung des Vermerks ersucht. Er wäre für das Grundbuchamt auch uninteressant, weil Grundlage der Löschung nicht der Grund für das Ersuchen, sondern das Ersuchen selbst ist.

    Oder steht irgendwo in der Grundbuchordnung, dass anhängige Insolvenzverfahren immer zu beachten, gelöschte Insolvenvermerke dagegen dauerhaft zu ignorieren sind und allein das Wissen um das vorhandenen Insolvenzverfahren weiteres Vorgehen blockiert? Das kann es nicht wirklich sein.



    Nein, das steht nicht in der Grundbuchordung und das muss es auch nicht, weil die Verfügungsbefugnis eine materielle Voraussetzung für die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärungen ist und es sich deshalb von selbst versteht, dass bestehende absolute Verfügungsbeschränkungen zu beachten sind. Es steht auch nicht in der Grundbuchordnung, dass jemand der eine Erklärung im Verfahren abgibt, geschäfts- und verfahrensfähig sein muss - trotzdem muss er es natürlich sein. Dies sind alles aus dem materiellen Recht abgeleitete Erkenntnisse, die in der GBO nichts verloren haben, weil sie ohnehin und allgemein gelten.

  • Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass der Eintragung oder Löschung des Insolvenzvermerks jeweils nur deklaratorische Wirkung zukommt. Die Verfügungsbeschränkung des § 80 Abs.1 InsO tritt nicht durch die Eintragung des Vermerks, sondern durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, ebenso wie der Wegfall des Insolvenzbeschlags nicht durch die Löschung des Vermerks, sondern durch außerhalb des Grundbuchs liegende Umstände, etwa aufgrund einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter oder die Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintritt.



    Dies ist eine unbegründete Behauptung. Wenn man hier eine Diskussion führen will, muss man diese These zunächst in Frage stellen.



    Da gibt es nichts in Frage zu stellen, weil sich das schon aus § 80 Abs.1 InsO ergibt: Die Verfügungsbeschränkung tritt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. Ob der Vermerk eingetragen wird oder nicht oder ob er später gelöscht wird, ist für das objektive materielle Bestehen der Verfügungsbeschränkung völlig ohne Belang.

    Langsam beginnt es mir aufgrund Deiner Einlassung aber zu dämmern, weshalb man sich nicht einigen kann: Denn bereits der Denkansatz, dass der eingetragene oder gelöschte Insolvenzvermerk irgendeinen Einfluss auf das objektive materielle Bestehen der Verfügungsbeschränkung haben könnte, ist unrichtig. Alles Weitere folgt dann aus dieser rechtlichen Fehleinschätzung. Man braucht sich also über die divergierenden Ansichten von Insolvenzrechtlern und Grundbuchrechtlern nicht zu wundern. Bislang war ich aber davon ausgegangen, dass den Insolvenzrechtlern die Wirkung des § 80 InsO durchaus geläufig ist.

  • Die Wirkung des § 80 InsO ist mir schon bekannt, keine Angst. Die Frage ist, welche Wirkung die Eintragung und Löschung des Insolvenzvermerks hat. Wie ich bereits geschrieben habe, folge ich der Meinung, die Löschung des Insolvenzvermerks begründet keine Vermutung für das Ausscheiden des Grundstücks aus der Insolvenzmasse, nicht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die Wirkung des § 80 InsO ist mir schon bekannt, keine Angst. Die Frage ist, welche Wirkung die Eintragung und Löschung des Insolvenzvermerks hat.

    Ganz einfach: Keine. Maßgeblich ist alleine, ob die Verfügungsbeschränkung objektiv besteht oder ob sie objektiv nicht besteht.

    Wie ich bereits geschrieben habe, folge ich der Meinung, die Löschung des Insolvenzvermerks begründet keine Vermutung für das Ausscheiden des Grundstücks aus der Insolvenzmasse, nicht.



    Das kannst Du schon so sehen, es wird Dir nur nichts helfen, weil Rechtsprechung und Literatur dies eben -zu Recht- anders sehen. Hierzu vgl. etwa Staudinger/Gursky § 891 Rn.15, 46:

    Rn.15: "Da § 891 BGB die Vermutungswirkung auf Rechte beschränkt, werden Widersprüche (§§ 899 BGB, 53 GBO) und Verfügungsbeschränkungen, die ja Vermerke ohne Rechtsqualität darstellen, nicht erfasst (RG JW 1910, 149 für Widersprüche; Prot. III, 49 und KGJ 52 A, 166, 168 = RJA 17,64 für Verfügungsbeschränkungen) ...
    Rn.46: "Da § 891 BGB für Vermerke, die eine Verfügungsbeschränkung offenlegen sollen, nicht gilt (oben Rn.15), kann aus der Löschung eines Insolvenzvermerks nicht auf den Wegfall des Insolvenzbeschlags für das betreffende Grundstück geschlossen werden. Es besteht also keine Vermutung dafür, dass das Grundstück durch Freigabe aus der Insolvenzmasse ausgeschieden ist und damit nicht mehr der ausschließlichen Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt (LG Berlin Rpfleger 2003, 648, 649)."

    Es hängt also wieder einmal -wie könnte es anders sein- an der Reichweite der Vermutung des § 891 BGB. Eine Verfügungsbeschränkung ist aber nun einmal kein "Recht an einem Grundstück", und deshalb besagt die Eintragung des Vermerks nichts darüber, ob die Verfügungsbeschränkung besteht (keine Anwendung von § 891 Abs.1 BGB), noch besagt die Löschung des Vermerks, dass sie nicht mehr besteht (keine Anwendung von § 891 Abs.2 BGB).

    Will heißen: Es gibt keine Norm, welche die immer wieder ins Feld geführten angeblichen Vermutungen statuiert.

  • Die Wirkung des § 80 InsO ist mir schon bekannt, keine Angst. Die Frage ist, welche Wirkung die Eintragung und Löschung des Insolvenzvermerks hat. Wie ich bereits geschrieben habe, folge ich der Meinung, die Löschung des Insolvenzvermerks begründet keine Vermutung für das Ausscheiden des Grundstücks aus der Insolvenzmasse, nicht.



    Warum auch? Der Verwalter bezweckt ja mit Freigabe, dass er selbst nicht mehr verfügungsberechtigt und auch nicht -verpflichtet (!) ist. Ein Grundstück kann auch u. U. Kosten verursachen, die der Verwalter aus der Masse nicht decken kann.

    Und die Freigabe bewirkt insolvenzrechtlich betrachtet nun mal, dass die Verfügungsgewalt wieder auf den Schuldner übergeht. Die Wirkung des Eröffnungsbeschlusses ist nicht mehr gewollt.

    Und wenn es dann auch noch Wurscht ist, warum das Insolvenzgericht um Löschung ersucht (also ohne Angabe von Gründen), wieso macht sich das Grundbuchamt dann noch Gedanken? Der Insolvenzbeschlag fällt mit Löschung des Vermerkes weg.

    Ich kann dieses sture Festhalten an "Es gibt aber einen Eröffnungsbeschluss!" gar nicht nachvollziehen. Was ist denn - mal so ganz ohne Gesetzbuch und ohne Kommentar gefragt - so schwer daran, das zu akzeptieren? Alles was aus dem Grundbuch gelöscht ist, ist nicht mehr wahr. Warum soll das nicht für den Insolvenzvermerk gelten?

    Es liegt doch eher die Vermutung nahe, dass der Schuldner verfügungsbefugt ist, wenn der Vermerk gelöscht ist, als dass er nicht verfügungsbefugt ist. Die Löschung folgt doch lange nach Eröffnung. Schon von der Chronologie nachvollziehbar.

  • Der Insolvenzbeschlag fällt mit Löschung des Vermerkes weg.

    Diese Aussage ist unzutreffend. Sie unterstellt irrigerweise, dass die Löschung konstitutive Wirkung hat. Es ist unstreitig, dass sie eine solche nicht hat.

    Alles was aus dem Grundbuch gelöscht ist, ist nicht mehr wahr. Warum soll das nicht für den Insolvenzvermerk gelten?



    Weil es keine gesetzliche Vorschrift gibt, welche die Vermutung aufstellt, dass es so sei, und weil es sie nicht gibt, verbleibt es aus grundbuchamtlicher Sicht bei § 80 InsO, solange nicht formgerecht das Gegenteil belegt wird. § 891 Abs.2 BGB gilt eben nicht für Verfügungsbeschränkungen. Also darf man sie auch nicht mit gelöschten Grundstücksrechten in einen Topf werfen.

  • Es ist nicht ausschlaggebend, dass es die Grundbuchrechtler so sehen, sondern dass es das Gesetz so sieht und die Grundbuchrechtler nichts anderes tun, als nach ihm zu handeln.

    Ich halte es für bemerkenswert, dass alle zitierten Entscheidungen und Literaturstellen, die jederzeit nachgelesen werden können, und aus denen sich ergibt, dass die geschilderte rechtliche Sicht der Dinge zutrifft, nicht nur mit einer argumentationslosen Hartnäckigkeit ignoriert werden (so sie denn überhaupt nachgelesen werden), sondern dass dem nur gegenteilige bloße Behauptungen entgegengesetzt werden, nur weil einem das Gesetz und das aus ihm resultierende Ergebnis nicht gefällt und die -selbst auf Nachfrage- nicht mit rechtlichen Argumenten untermauert werden (können).

    Wenn jemand mit Rechtsprechung und Literatur konfrontiert wird, die jeweils auf der eindeutigen Gesetzeslage beruhen (keine Anwendbarkeit von § 891 BGB, eindeutige Rechtsfolge des § 80 InsO, keine konstitutive Wirkung der Eintragung oder Löschung des Vermerks), dann sollte man erwarten können, dass er sich damit rechtlich-argumentativ auseinandersetzt. Und wenn er das nicht kann, dann sollte er seinen bisherigen Rechtsstandpunkt zumindest überdenken und in Betracht ziehen, dass an seiner bisherigen Sicht der Dinge vielleicht auch etwas falsch sein könnte. Wenn aber auch hierzu keine Bereitschaft besteht -was im vorliegenden Kontext bedeutet, dass zu nichts eine Bereitschaft besteht-, dann kann man der Einschätzung durchaus zustimmen, dass eine Diskussion relativ sinnfrei ist - wenn man unter den genannten Voraussetzungen überhaupt noch von einer "Diskussion" sprechen kann.

  • Der Insolvenzbeschlag fällt mit Löschung des Vermerkes weg.



    Das ja nun wirklich nicht...

    Als Vollstreckungsgericht beteilige ich nach Löschung des Vermerks nach wie vor den Insolvenzverwalter (meinetwegen sicherheitshalber neben dem Schuldner), solange nicht die Freigabe durch Vorlage eines Zugangsnachweises belegt ist. Allein die Löschung auf Ersuchen des Insolvenzgerichts ist mir zu heikel, die auf einer bloßen Mitteilung des Verwalters an dieses Gericht beruht.

  • Das Kammergericht stellt in einem Beschluss vom 08.07.2010 (1 W 249+304/10) fest, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Grundbuchunrichtigkeit hinsichtlich einer eingetragenen Zwangssicherungshypothek glaubhaft sei, weil das Vollstreckungsvervot des § 294 I InsO umfassend sei und auch für Gegenstände gälte, die der Insolvenzverwalter freigegeben habe.

    Ein Amtswiderspruch sei nicht einzutragen, da das Grundbuchamt keine gesetzliche Vorschrift verletzt habe. Nachdem das Insolvenzgericht sein Ersuchen um Eintragung eines Insolvenzvermerks zurückgenommen habe, bestehe für das Grundbuchamt keine Verpflichtung zu weiteren Nachforschungen.

    Fazit: Cromwell hat Recht aber wir müssen uns nicht darum kümmern, wenn kein Insolvenzvermerk im Grundbuch steht. Dann ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters oder des Schuldners eventuelle Grundbuchunrichtigkeiten auf dem Klagewege (§ 894 BGB) zu beseitigen oder einen Widerspruch nach § 899 BGB zu erwirken.

  • Wie geht Ihr denn jetzt mit Insolvenzvermerken um ? Wird nun jedes Mal in der Insolvenzabteilung nachgefragt, wenn ein Antrag vorliegt, ob das Verfahren noch läuft ?

  • Ich denke, dass man solange der Vermerk eingetragen ist, von der Richtigkeit ausgehen kann und der Grundbesitz (noch) dem Insolvenzbeschlag unterliegt.

  • Ich empfehle nochmals die Lektüre von # 27 über den Anwendungsbereich des § 891 BGB. Es geht nicht darum, ob die Löschung des Vermerks objektiv zu Unrecht erfolgt, sondern darum, ob sich an die Löschung eine Vermutung für das Erlöschen der Verfügungsbeschränkung knüpft. Das ist jedoch mangels Anwendbarkeit des § 891 BGB nicht der Fall, sodass aus Sicht des Grundbuchamts immer nur die objektive Rechtslage maßgeblich ist.

  • Nett wäre es, wenn du nach all dem auch mal eine pragmatische Lösung anzubieten hättest. Schlecht ist es, wenn immer nur auf der bösen Insolvenzordnung rumgehauen wird, die es noch nicht gab, als § 891 BGB geschrieben wurde.

    Ein Lösungsvorschlag von dir wäre wirklich mal gut. Weil die Beteiligten schlicht das Grundstück veräußern wollen, das der Verwalter nicht haben will. Ganz objektiv betrachtet.

    Es ist doch wenig hilfreich, wenn man immer nur sagt, was nicht geht. Was würde denn gehen?

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