Fristwahrung bei Einlegung des Rechtsmittels beim sachlich unzuständigen Gericht

  • Wie vom Beschwerdegericht richtigerweise vorzugehen ist, wenn der Rechtspfleger aufgrund Unzulässigkeit der Beschwerde nicht abhilft, zeigt die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.04.2010 ...

    Das Vorgehen des Beschwerdegerichts in diesem Fall dokumentiert nicht eine richtige Vorgehensweise, sondern allenfalls die eigene Entscheidungsfaulheit.

    Nein, da der Rechtspfleger hätte abhelfen müssen, wenn die sofortige Beschwerde begründet ist (unabhängig von der von ihm nicht zu prüfenden Zulässigkeit).

  • Das mag zwar wegen der fehlenden Bindungswirkung der angegriffenen Entscheidung so sein, unterlag aber wegen der Verfristung der Beschwerde nicht der Prüfung durch das Beschwerdegericht.

    Vorrangig ist vom Beschwerdegericht aber zu prüfen, ob das Ausgangsgericht überhaupt das Abhilfeverfahren richtig durchgeführt hat (vgl. MünchKomm-Lipp § 572 ZPO Rn. 16). Wenn dem -wie hier- nicht so war, kann das Beschwerdegericht zur erneuten und nun ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens anhalten.

    Ansonsten würde das Gericht eine Beschwerde als unzulässig verwerfen, obwohl das Amtsgericht noch verpflichtet wäre, der begründeten Beschwerde abzuhelfen!

  • Du bist auf dem richtigen Wege, den Lotteriewert Deiner Ansicht zu erkennen.:teufel:

    Infolge der Verfristung der Beschwerde kann das Beschwerdegericht nämlich gar nichts anderes tun, als die Beschwerde ohne Prüfung in der Sache zu verwerfen.
    Eine "Prüfung des Abhilfeverfahrens" ist damit bei Unzulässigkeit der Beschwerde ausgeschlossen.

  • Zitat

    Infolge der Verfristung der Beschwerde kann das Beschwerdegericht nämlich gar nichts anderes tun, als die Beschwerde ohne Prüfung in der Sache zu verwerfen.

    Das Gericht prüft nicht "in der Sache", sondern es prüft, ob das Abhilfeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, d.h. ob überhaupt eine Abhilfeprüfung stattgefunden hat, die Entscheidung darüber in Beschlussform ergangen ist und den Beteiligten mitgeteilt wurde und eben... ob sich das Gericht sich im Rahmen der Prüfung überhaupt mit der Begründetheit der Beschwerde auseinandergesetzt hat. Diese Prüfung hat mit der Begründetheitsprüfung im engeren Sinne noch nichts zu tun.

    Zitat

    Eine "Prüfung des Abhilfeverfahrens" ist damit bei Unzulässigkeit der Beschwerde ausgeschlossen.

    Woher ziehst du diesen Schluss?:confused:

    Ich habe das Gefühl, hier wird bloß vom Ergebnis gedacht: Es kann nicht sein, dass ich mich noch mit einer eigentlich unzulässigen Beschwerde beschäftigen muss! Das Gesetz sagt es aber eben genau so. Die Partei hätte nämlich genausogut eine unbefristete Gegenvorstellung (BGH NJW 2000, 590) einlegen können...

    Gruß
    Peter

  • Das Gesetz sagt es aber eben genau so.

    ...und warum sagt es das so? Weil der Gesetzgeber sich bei Regelung des Verfahrens in einem Moment der Umnachtung sowohl bei den früheren Vorschriften über die einfache Beschwerde als auch bei denjenigen über die sofortige Beschwerde bedient hat.

    Und wenn Du schon mit dem Gesetzeswortlaut argumentierst: Wo steht denn, daß das Beschwerdegericht das Abhilfeverfahren zu überprüfen hat?

    Zitat

    Die Partei hätte nämlich genausogut eine unbefristete Gegenvorstellung (BGH NJW 2000, 590) einlegen können...

    Ich habe nichts dagegen, Anträge auszulegen, insbesondere dann, wenn erkennbar eine Falschbezeichnung gewählt worden ist.
    Ein unzulässiges Rechtsmittel bleibt jedoch ein unzulässiges Rechtsmittel und kann als solches nicht zum Erfolg in der Sache führen.

  • Also fasse ich mal für mich zusammen: Bei einer verspäteten PKH-Beschwerde kommt es laut Gesetz nicht mehr auf die Frist an. Ich muss abhelfen, wenn sie begründet ist.

    Das steht so im Gesetz.

    Und der § 572 ZPO ist Murks, weil er das eigentlich nicht wollte.

    Richtig ?

    Also muss ich mir überlegen, ob ich mit dem Sinn des befristeten Rechtsmittels argumeniere und den 572 nicht für einschlägig halte, oder ob ich mich an den Gesetzeswortlaut klammere..:confused:

  • Das Gesetz sagt es aber eben genau so.

    ...und warum sagt es das so? Weil der Gesetzgeber sich bei Regelung des Verfahrens in einem Moment der Umnachtung sowohl bei den früheren Vorschriften über die einfache Beschwerde als auch bei denjenigen über die sofortige Beschwerde bedient hat.

    "Umnachtung" hin oder her... hier bleibt aufgrund des eindeutigen Wortlautes kein Raum für Auslegung bzw. für eine "teleologische Erweiterung ".

    Und wenn Du schon mit dem Gesetzeswortlaut argumentierst: Wo steht denn, daß das Beschwerdegericht das Abhilfeverfahren zu überprüfen hat?

    Das ist einhellige und soweit ich weiss unbestrittene Meinung in der Kommentierung und Rechtsprechung. Z.B. BeckOK-Wulf § 572 Rn. 11; MünchKomm-Lipp § 572 Rn. 16; KG KGR 2008, 214; OLG Thüringen FamRZ 2010, 1692; OLG Frankfurt MDR 2010, 344 f.

    Zitat

    Also fasse ich mal für mich zusammen: Bei einer verspäteten PKH-Beschwerde kommt es laut Gesetz nicht mehr auf die Frist an. Ich muss abhelfen, wenn sie begründet ist.

    Das steht so im Gesetz.

    Und der § 572 ZPO ist Murks, weil er das eigentlich nicht wollte.

    Richtig ?

    Also muss ich mir überlegen, ob ich mit dem Sinn des befristeten Rechtsmittels argumeniere und den 572 nicht für einschlägig halte, oder ob ich mich an den Gesetzeswortlaut klammere..:confused:

    Ich halte die Auffassung, dass man den § 572 ZPO nicht für einschlägig hält, nicht für vertretbar. Er regelt genau diese Konstellation mit einem unmissverständlichem Wortlaut. Sollte der Gesetzgeber hier tatsächlich nicht die vollen Konsequenzen der Entscheidung überblickt haben, mag er das im Wege einer Gesetzesänderung machen. Die Gerichte sind aber meiner Ansicht nach nicht befugt, den § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO dahingehend zu erweitern, dass auch die Zulässigkeit der Beschwerde geprüft wird.

    So im Übrigen auch:
    Musielak-Ball § 572 Rn. 4
    Rosenberg/Schwab/Gottwald § 147 Rn. 18
    MünchKomm-Lipp § 572 Rn. 7
    OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 140
    Zöller-Heßler § 572 Rn. 14
    Wieczorek/Schütze/Jänich § 572 Rn. 3
    BLAH § 572 Rn. 4

    Anders:
    OLG Schleswig SchlHA 2004, 315 (Argumentation wie wobder)
    LAG Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 29.05.2007 - 17 Ta (Kost) 6014/07

    Ich habe hier übrigens noch eine Akte rumliegen, die dieses Problem beinhaltet.... ich könnte ja mal einen "Testballon" nach oben schicken ;)

    Gruß
    Peter

  • Ich habe hier übrigens noch eine Akte rumliegen, die dieses Problem beinhaltet.... ich könnte ja mal einen "Testballon" nach oben schicken ;)

    Gruß
    Peter[/QUOTE]

    Der Dank des Volkes wäre Dir gewiß.:)

  • Und wenn Du schon mit dem Gesetzeswortlaut argumentierst: Wo steht denn, daß das Beschwerdegericht das Abhilfeverfahren zu überprüfen hat?

    Das ist einhellige und soweit ich weiss unbestrittene Meinung in der Kommentierung und Rechtsprechung. Z.B. BeckOK-Wulf § 572 Rn. 11; MünchKomm-Lipp § 572 Rn. 16; KG KGR 2008, 214; OLG Thüringen FamRZ 2010, 1692; OLG Frankfurt MDR 2010, 344 f.

    Genau darauf wollte ich hinaus:
    Die gestrengen Anwender des Wortlauts des Absatzes I haben also kein Problem damit, zum Wortlaut des Absatzes II hinzuzudichten.

    Ich sehe nicht, warum das gegenüber einer Erweiterung des Absatzes I im Hinblick auf den Wortlaut des Absatzes II richtiger sein soll.

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