Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen dürfen keine Steuer- und Haftungsbescheide mehr gegen diesen ergehen. Auch das Finanzamt hat seine Steuerforderungen nach den Regeln der InsO geltend machen sodass gleichwohl nach Insolvenzeröffnung erlassene Steuerbescheide unwirksam sind. Diese Rechtslage gilt auch mit Blick auf Regressbescheide, die an einen Vertragsarzt ergehen, der zugleich Gemeinschuldner ist.

    SG Düsseldorf, Urt. v. 13. 6. 2012 - S 2 KA 38/09

  • Ein Beschlussverfahren, das auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung und Versetzung von Arbeitnehmern und Feststellung deren dringender Erforderlichkeit aus sachlichen Gründen gerichtet ist, wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers unterbrochen.

    LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23. 5. 2012 - 6 Ta 675/12

  • 1. Nach st. Rspr. des BGH ist der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch im Verhältnis zu Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis wesensverschieden und folgt eigenen Regeln. In seinem Anwendungsbereich verdrängt er die allgemeineren Regeln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse, weswegen nach st. Rspr. des BGH der Anfechtungsrechtsstreit als bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit gem. § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört.

    2. Eine von den Tarifvertragsparteien eingerichtete Zusatzversorgungskasse, die in der Rechtsform eines Vereins kraft Zulassung am Geschäftsleben teilnimmt, bedarf des besonderen arbeitsrechtlichen Schutzes nicht.

    OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20. 7. 2012 - 5 W 18/12

  • Selbst bei mangelhafter Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters und schwerwiegenden Verletzungen der Amtspflichten kann einer beantragten Vergütungsfestsetzung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter weder ein Zurückbehaltungsrecht wegen möglicher Schadensersatzansprüche entgegengehalten werden noch hat der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch verwirkt.

    LG Göttingen, Beschl. v. 09.08.2012 - 10 T 38/12
    (eigener Leitsatz)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Für die Bestimmung des Geschäftswertes für die Gerichtsgebühren im Fall der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens während des Insolvenzverfahrens (§ 58 Abs. 1 GKG ) ist de lege lata nicht nur auf den nach Abzug der Geschäftsausgaben verbleibenden Einnahmeüberschuss (Reinerlös) abzustellen, sondern auf die insgesamt erzielten Einnahmen ohne Abzug von Kosten der Betriebsfortführung. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 b InsVV ist nicht entsprechend anwendbar.

    (Bestätigung von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.07.2010 - I-10 W 60/10, und OLG München, Beschl. v. 08.08.2012 - 11 W 832/12; entgegen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.03.2012 - 1-3 W 286/11)

    LG Passau, Beschl. v. 23.04.2012 - 2 T 149/11
    (eigener Leitsatz)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ein Arbeitnehmer kann den Insolvenzverwalter über das Vermögen seines Arbeitgebers nicht wegen Verletzung von Fürsorge- und Aufklärungspflichten auf Schadensersatz gem. §§ 611, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO in Anspruch nehmen.

    ArbG Weiden, Urt. v. 03.07.2012 - 5 Ca 1344/11
    (eigener Leitsatz)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Der Aufhebungsgrund des § 4c Nr. 4 InsO reicht so weit wie der Versagungsgrund des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

    Entsprechend § 296 Abs. 1 S. 1 InsO kann die Stundung nach § 4c Nr. 4 InsO nur aufgehoben werden, wenn der Schuldner es schuldhaft unterlassen hat, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen.

    Die unbestimmten Rechtsbegriffe der „angemessenen Erwerbstätigkeit“ und der „zumutbaren Tätigkeit“ sind nicht in Anlehnung an das Unterhaltsrecht und das Sozialrecht auszulegen.

    BGH, Beschluß vom 13. September 2012 - IX ZB 191/11

  • 1. Ein Schuldner verstößt gegen seine Mitwirkungspflicht aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, wenn er dem Insolvenzverwalter trotz Aufforderung keine Unterlagen zur Verfügung stellt, die benötigt werden, um diesem die Prüfung einer Forderung (hier: Forderung des Finanzamts über 68.469,25 €) zu ermöglichen.

    2. Dies gilt auch dann, wenn sich die Forderung auf die selbstständige Tätigkeit des Schuldners bezieht, die der Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 InsO „freigegeben“ hat, da die Erklärung gem. § 35 Abs. 2 InsO nicht dazu führen darf, dass dem Insolvenzverwalter wesentliche verfahrensrelevante Informationen sanktionslos entzogen werden.

    AG Hamburg, Beschl. v. 16.07.2012 – 67g IN 512/08

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • BGH, Urteil vom 19. April 2012 - I ZR 86/10

    a) ...
    b) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet regelmäßig für eine Markenverletzung auch persönlich, die in der Verwendung der Firma der juristischen Person liegt.


    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Unabhängig davon, ob die Kraftfahrzeugsteuer für einen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Entrichtungszeitraum bereits entrichtet war, ist die nach Verfahrenseröffnung – grundsätzlich tageweise – entstehende Kraftfahrzeugsteuer eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Kraftfahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist.

    2. Die mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entstehende Kraftfahrzeugsteuer-Zahlungsschuld ist kein begründeter Vermögensanspruch i. S. des § 38 InsO und damit keine Insolvenzforderung, soweit der steuerrelevante Sachverhalt des Haltens des Kraftfahrzeugs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird.

    Schleswig-Holsteinisches FG, Urt. v. 08.03.2012 - 3 K 17/11 und 3 K 18/11 (beide rechtskräftig)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Die neue Vorschrift des § 276a S. 1 InsO bestimmt, dass, falls der Schuldner eine juristische Person ist, weder der Aufsichtsrat noch die Gesellschafterversammlung einen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners haben. Somit steht dem antragstellenden Mehrheitsaktionär ein Recht auf Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung nicht zu.

    AG Montabaur, Beschl. v. 19.06.2012 - HRB 20744

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer insolventen GmbH hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.

    2. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zum (weisungsgebundenen) Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters.

    3. Gleiches gilt für einen Fremdgeschäftsführer einer insolventen Tochter-GmbH, der als Gesellschafter der (ebenfalls insolventen) Muttergesellschaft auf die Tochter maßgeblichen Einfluss ausüben kann.

    LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.06.2012 - L 8 AL 211/11
    (eigene Leitsätze)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ein Beschluss, mit dem das Familiengericht Rentenrechte im Wege des Versorgungsausgleichs auf einen Ehepartner überträgt, stellt in Bezug auf die Übertragung der Rechte einen Erwerb durch Hoheitsakt dar, der von § 91 Abs. 1 InsO nicht erfasst wird.

    OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.04.2012 - 3 U 14/12, sowie Hinweisbeschluss v. 16.03.2012 - 3 U 14/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Auf die Frage, ob dem Insolvenzverwalter bei verpfändeten Unternehmensbeteiligungen analog § 166 InsO die Verwertungsbefugnis zusteht, kommt es nicht an, wenn der Insolvenzverwalter sein etwaiges Verwertungsrecht nicht gerichtlich durchsetzt.
    Auch die Frage, ob eine von den Pfandgläubigern angesetzte öffentliche Versteigerung rechtswidrig war, kann dahinstehen, wenn die Verwertung nicht im Wege der öffentlichen Versteigerung vorgenommen wurde.
    Pfandgläubiger, die den Pfandgegenstand selbst erwerben, können Insiderkenntnisse nutzen, um so andere potenzielle Kaufinteressenten mittelbar von einem Erwerb abzuhalten. Pfandgläubiger dürfen auch wertbestimmende Informationen über den Pfandgegenstand zurückhalten, also nicht dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stellen.

    OLG Hamburg, Urt. v. 18. 5. 2012 - 14 U 138/10

  • Ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung ist mit der Verletzungshandlung entstanden und damit Insolvenzforderung bei nachfolgender Insolvenz des Täters, unabhängig davon, inwieweit er der Höhe nach schon beziffert werden kann. Er ist auch nicht "befristet" wegen eines gegen den Täter durchgeführten Strafverfahrens oder sonst von diesem abhängig.
    Auch die Feststellung, dass der Anspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, ist zur Tabelle anzumelden.

    OLG Koblenz, Urt. v. 3. 2. 2012 - 10 U 742/11

  • 1. Eine zur Vorsatzanfechtung berechtigende Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO liegt vor, wenn der Auftraggeber aufgrund einer Vereinbarung mit der späteren Insolvenzschuldnerin in Kenntnis ihres Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes eine Direktzahlung an Nachunternehmer der Insolvenzschuldnerin leistet. Diesen kommt im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Insolvenzschuldnerin keine Erfüllungswirkung zu, wenn der Insolvenzverwalter die Direktzahlungsvereinbarung anficht.

    2. Auf die Frage, ob die Ausführung des Werkvertrages erst infolge der vom Auftraggeber geleisteten Direktzahlung möglich geworden ist, kommt es nicht an. Ein hypothetischer Kausalverlauf ist im Rahmen des Anfechtungsrechtes nicht zu berücksichtigen.

    OLG Braunschweig, Urt. v. 10.11.2011 - 8 U 199/10, BeckRS 2012, 19184; rechtskräftig gem. BGH, Beschl. v. 19.07.2012 - IX ZR 200/11

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Das vorläufige Liquidationsinsolvenzverfahren mit Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach israelischem Recht ist aufgrund des Universalitätsprinzips in Deutschland anzuerkennen.

    2. Eine Zahlungsklage gegen den Insolvenzschuldner vor einem deutschen Gericht ist gemäß § 343 InsO, § 267 der israelischen Companies Ordinance 5743/1983 ohne Genehmigung des israelischen Insolvenzgerichts unzulässig.

    ArbG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.12.2011 - 3 Ca 7362/11, BeckRS 2012, 73337

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • § 35 Abs. 1 GewO ist während eines Insolvenzverfahrens auf das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübte Gewerbe anwendbar, wenn der Insolvenzverwalter das Vermögen aus dieser Gewerbetätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO freigegeben hat.

    VG Berlin, Urt. v. 01.06.2012 - VG 4 K 23.11, BeckRS 2012, 57272

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Bei einem Anspruch aus einer privaten Krankentagegeldversicherung handelt es sich um bedingt pfändbare Bezüge im Sinne von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, die grundsätzlich zu den unpfändbaren Gegenständen im Sinne von § 36 InsO gehören. Bedingt pfändbare Bezüge im Sinne von § 850b ZPO fallen nur insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 850b Abs. 2 ZPO für pfändbar erklärt werden. Eine solche Billigkeitsentscheidung kann gemäß § 36 Abs. 4 InsO herbeigeführt werden.

    OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.06.2012 - 9 U 139/10, BeckRS 2012, 15475

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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