Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1. Angesichts des unmissverständlichen Wortlauts des § 12 GewO und des mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecks ist kein Raum für eine Gesetzesauslegung dahin gehend, dass § 12 GewO bei einer Freigabe von Vermögenswerten im Insolvenzverfahren auf das freigegebene (neue) Vermögen nicht anwendbar wäre und von daher einer Gewerbeuntersagung nicht entgegenstünde.

    2. In der Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO als einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärung, die keiner besonderen Form bedarf und mit ihrer Bekanntgabe an den Kläger wirksam wird und konstitutiv zur Folge hat, dass der nach der Erklärung durch die selbstständige Tätigkeit erzielte Neuerwerb massefrei ist und Neugläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung steht, liegt keine Beendigung des Insolvenzverfahrens i.S.d. § 12 GewO.

    3. § 12 GewO ist bei einem laufenden Insolvenzverfahren bei Abgabe einer Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO jedenfalls solange anwendbar, als die Gläubiger des Insolvenzverfahrens nicht rechtsverbindlich auf ihr sich aus § 35 Abs. 2 Satz 3 InsO ergebendes Recht verzichtet haben.

    VG Trier, Urt. v. 14. 4. 2010 - 5 K 11/10.TR

  • 1. Ist der Steuererstattungsanspruch vor Insolvenzeröffnung im insolvenzrechtlichen Sinne bereits entstanden, greift § 96 Nr. 1 InsO nicht ein, weil ihm § 95 Abs. 1 InsO vorgeht. Ob ein Erstattungsanspruch i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, hängt nach der st. Rsp. des BFH davon ab, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.

    2. Die Durchführung der Ausschüttung eines Körperschaftsteuerguthabens stellte damit den Eintritt einer Bedingung i.S.d. § 95 Abs. 1 InsO dar, der dem Finanzamt die Möglichkeit zur Aufrechnung mit bereits bestehenden und fälligen Steuerforderungen bietet.

    FG Niedersachsen, Urt. v. 20. 5. 2010 - 6 K 408/09

  • Die durch eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG eröffnete Kündigungsmöglichkeit wird mit der Erklärung dieser Kündigung verbraucht. Für jede weitere Kündigung ist unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG eine neue Massenentlassungsanzeige erforderlich. Aus § 18 Abs. 4 KSchG folgt nichts anderes.

    BAG, Urt. v. 22. 4. 2010 - 6 AZR 948/08

  • 1. Die Restschuldbefreiung kann dem Schuldner versagt werden, wenn er schuldhaft seine Verfahrensobliegenheiten nicht erfüllt. Eines Gläubigerantrages bedarf es nicht.

    2. Die Versagung von Amts wegen setzt voraus, dass die dem Schuldner auferlegte Verfahrensobliegenheit rechtmäßig ist, er sie schuldhaft nicht erfüllt und er zuvor über die Folgen des § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO ausreichend belehrt wurde.

    AG Mannheim, Beschl. v. 29. 4. 2010 - IK 323/04

  • 1. Eine unentgeltliche Leistung liegt vor, wenn ein Vermögenswert des Insolvenzschuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Insolvenzschuldner ein entsprechender Gegenwert zufließen soll.

    2. Eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner in Kenntnis aller Umstände ohne Gegenleistung erbracht hat, ist auch dann unentgeltlich, wenn der Leistungsempfänger sie aufgrund eines vom Insolvenzschuldner hervorgerufenen Irrtums für entgeltlich hielt.

    3. Als unentgeltliche Leistung zurückzugewähren ist die Summe der Auszahlungen, welche die Insolvenzschuldnerin im Anfechtungszeitraum auf die vermeintlichen Gewinnansprüche geleistet und sie damit dem (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet hat.

    KG, Urt. v. 30. 7. 2010 - 14 U 194/09

  • Der arbeitsförderungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff, der auch im Insolvenzgeldrecht Anwendung findet, bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Familiäre Beziehungen zwischen Betriebsinhaberin und dem in ihrem Betrieb tätigen Ehegatten stehen der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, solange die persönliche Abhängigkeit von der Betriebsinhaberin besteht.

    LSG NRW, Urt. v. 19. 7. 2010 - L 19 AL 64/10

  • 1. Da die Norm des § 850i ZPO auch im Insolvenzverfahren anzuwenden ist, fällt zunächst der Abfindungsanspruch in die Masse und ist erst danach auf Antrag des Schuldners durch Beschluss zur Sicherung des Existenzminimums freizugeben.

    2. Zu belassen ist ihm dabei so viel, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts bei Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn verbleiben würde. Dies bestimmt sich nach den §§ 850 ff. ZPO, d.h. u.a. bei der Vollstreckung von gewöhnlichen Geldforderungen nach § 850c ZPO, bei Unterhaltsansprüchen nach § 850d ZPO.

    LG Bochum, Beschl. v. 18. 8. 2010 - I-7 T 433/09

  • 1. Das Insolvenzgericht ist für die Festsetzung der Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters auch dann zuständig, wenn der Antrag auf Eröffnung mangels Masse abgewiesen wurde.

    2. Für die Festsetzung ist im Falle der Abweisung mangels Masse die Zuständigkeit des Rechtspflegers gegeben.

    AG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 9. 2010 - 502 IN 27/10

  • BGH, Beschluss vom 15.07.2010, Az. IX ZB 229/07, FamRZ 2010, 1657:

    1. Eine Erbschaft, die der Schuldner nach Ankündigung der Restschuldbefreiung, jedoch vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens macht, fällt in die Masse.

    2. Die gesetzlichen Obliegenheiten des Schuldners während der Laufzeit der Abtretungserklärung setzen erst mit Wirksamkeit der Verfahrensaufhebung ein. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens wird im Zweifel mit der Beschlussfassung des Insolvenzgerichts wirksam; auf die öffentliche Bekanntmachung der Entscheidung kommt es nicht an.

    3. Die Nachtragsverteilung darf nach Verfahrensaufhebung nicht angeordnet werden, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass das Insolvenzverfahren nicht aufzuheben, sondern wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes einzustellen gewesen wäre. Ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden, wirkt diese Berufung auf den Einstellungsgrund zugleich als Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung.

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    Dazu vgl. auch hier:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post645163

  • BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09 -


    Begegnet ein Vollstreckungszugriff dritter Gläubiger auf den entäußerten Vermögenswert faktischen Hindernissen, steht das einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen.



    Veräußert ein Tankstellenbetreiber im Namen und für Rechnung eines Mineralölunternehmens in dessen Eigentum stehende Kraftstoffe an Endkunden und überweist er die zunächst für fremde Rechnung vereinnahmten Barerlöse nach Einzahlung auf seinem allgemeinen Geschäftskonto an das Mineralölunternehmen, so scheidet ein Bargeschäft aus.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines Insolvenzverwalters, über die bloße Befragung des Insolvenzschuldners hinaus alle Möglichkeiten, insbesondere auch Ermittlungen bei Körperschaften des öffentlichen Rechts wie der Beklagten zu nutzen, die die Durchsetzung eventueller Ansprüche der Gläubiger vereinfachen bzw. erleichtern.

    2. Der Insolvenzverwalter darf sich über die Auskunft des Schuldners hinaus durch ein Auskunftsbegehren bei dem Sozialversicherungsträger vergewissern, ob er vollständige Informationen erhalten hat.

    VG Minden, Beschl. v. 12. 8. 2010 - 7 K 23/10 (n.rkr.)

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