Zubehör: Zeitwert oder Verkehrswert?

  • Hallo zusammen, bräuchte mal Eure Meinung.

    Versteigert (TV) wird ein großes Hotel. Der Verkehrswert gemäß § 74a Abs. 5 ZVG ist zu ermitteln. Das Gutachten bzgl. des Grundbesitzes (ohne Inventar) ist unproblematisch.
    Es wurde ein zweiter Gutachter wegen des Verkehrswertes des Inventars bestellt. Dieses Gutachten liegt nunmehr vor. Ermittelt wurde, wie durch gerichtlichen Beschluss angeordnet, der Verkehrswert des Inventars. Der Antragsgegner bemängelt, dass nicht der Verkehrswert, sondern der Zeitwert hätte ermittelt werden müssen.

    Verkehrswert: Wert, den das Zubehör (Inventar) im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung erzielen würde. Also Zerschlagung des Versteigerungsobjekts und Einzelverwertung des Inventars. "Welchen Preis erzielt ein Gegenstand, wenn dieser verkauft wird."
    Zeitwert: Fortführung des Hotelbetriebs mit vorhandenem Inventar. Wert unter Berücksichtigung von Alter, Zustand, Abnutzung,...

    Der Gutachter hält bei einer Versteigerung den Verkehrswert für richtig. Es ist nicht nur von der Situation auszugehen, dass die Einheit des Hotelbetriebs erhalten bleibt. Ziel der TV ist der Verkauf. Es soll das unteilbare Vermögen in teilbares Vermögen umgewandelt werden. Deshalb müsste der Verkehrswert ermittelt werden.
    Ich halte die Einwendungen des Antragsgegners jedoch für berechtigt. Das Inventar wird in der Immobiliarvollstreckung nicht einzeln, isoliert versteigert wird, sondern nur als Zubehör mit dem Grundbesitz zusammen. Demnach müsste wohl tatsächlich der Zeitwert ermittelt werden.

    Wie lautet bei Euch der Beschluss bzgl. der Gutachterbestellung hinsichtlich von Inventar (Verkehrswert, Zeitwert oder einfach nur Wert)?
    Welchen Wert würdet Ihr festsetzen: Verkehrswert oder Zeitwert?

  • Hallo Nastja,

    m.E. versucht hier jemand durch Tricksen mit Begriffen Unsicherheit zu schaffen. Was Dir hier als Zeitwert vorgeschlagen wird, ist tatsächlich der sog. Fortführungswert. Ich füge mal eine Zusammenstellung der verschiedenen Wertbegriffe bei, die bei uns vor ein paar Jahren herumgereicht wurde.
    In der Zwangsversteigerung halte ich den Verkehrswert, d.h. den Preis, den der einzelne Gegenstand bei einem Einzelverkauf erreichen würde, für maßgeblich.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Vielen Dank für Deine Erklärungen und die Einschätzung.

    Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, dass der Antragsgegner tricksen wollte. Der Begriff Fortführungswert ist bei seinen Einwendungen auch gefallen. Da ein enormer preislicher Unterschied zwischen dem Verkehrswert und dem Fortführungswert/Zeitwert liegen dürfte, will ich einfach auf Nummer sicher gehen, zumal mir die Beanstandungen einleuchten.
    Es handelt sich um eine Versteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft (TV). Versteigerungsobjekt ist ein großes Hotel. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Hotelbetrieb eingestellt wird. Das Hotelinventar wird nicht gesondert, losgelöst vom Grundbesitz, versteigert, sondern nur einheitlich mit Grundstück und Immobilie. Würde der Hotelbetrieb nicht mehr geführt werden, würde das Inventar auch kein Zubehör mehr darstellen.
    Das Inventar wird als Teil eines Hotelgrundstücks mit laufendem Geschäftsbetrieb versteigert. Ich tendiere nach wie vor zum Fortführungswert/Zeitwert.

  • Vielen Dank für die ergänzenden Sachverhaltsteile.
    Dann nehme ich den Punkt mit dem "Tricksen" zurück und erkenne im Grundsatz ein berechtigtes Interesse des Mitgesellschafters an, denn natürlich unterscheiden sich Fortführungswert und Verkehrswert im Regelfall deutlich. Allerdings sehe ich weiterhin nicht, dass er dieses Interesse im Zwangsversteigerungsverfahren durchsetzen kann. Wenn er das wollte, müsste er sich m.E. mit seinem Mitgesellschafter auf einen freihändigen Verkauf einigen.

    Nur mal als gedankliches Experiment: Wer sagt denn, dass in der Versteigerung nur Leute erscheinen, die das Hotel als solches fortführen wollen? Es können doch auch Leute kommen, die z.B. nur Interesse am Grundstück haben, das Inventar einfach verwerten und das Gebäude umbauen oder sogar abreißen wollen. Solange die Versteigerungsbedingungen also nicht lauten "Versteigert wird das Grundstück ... samt Gebäude und Inventar zum Fortbetrieb als Hotel" kommt es auf den höheren Wert bei der Fortführung als Hotel m.E. nicht an.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • ohne jetzt in der lage zu sein, das ganz exakt zu prüfen meine ich doch, dass in den gutachten ganz regelmäßig zwischen Sachwert und Ertragswert unterschieden wird und sich der Verkehrswert aus dem gewichteten Mittel ergibt...
    was spricht also gegen die analoge Anwendung dieser Verfahrensweise?
    Hierdurch wäre sowohl einer "Zerschlagung", als auch der "Fortführung" Rechnung getragen

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • AndreasH

    Der festgesetzte Verkehrswert ist in erster Linie eine Rechengröße (§§ 74a 85 a, 114a ZVG); der wahre Wert zeigt sich doch erst bei der Abgabe von
    Geboten. Der Bieter, der den Betrieb nicht fortführen will, wird die Höhe seines Gebotes, seiner Idee anpassen wie es auch der Bieter tun wird, der das Hotel weiter betreiben will. Bei Festsetzung des Wertes muss das Versteigerungsgericht gleichwohl von dem höheren Fortführungswert ausgehen.

  • Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass in der Versteigerung der Fortführungswert des Inventars festgesetzt werden müsste.

    Versteigert wird ein Hotelgrundstück mit laufendem Betrieb. Sollte ein Ersteher den Betrieb nicht fortführen wollen, wird er dies bei seinem Gebot entsprechend berücksichtigen. Sollte er es allerdings fortführen, hätte er einen deutlichen Wertvorteil, der zu Lasten des alten Eigentümers geht. Also muss ich doch erst mal vom aktuellen Stand (Geschäftsbetrieb) ausgehen. Bei einem freihändigen Verkauf können die Vertragsparteien vereinbaren, was sie wollen.

    Bei einer Verkehrswertermittlung des Inventars wird nicht zwischen Sachwert und Ertragswert unterschieden. Es wird geschätzt, was das Inventar einzeln bei einer Veräußerung erzielen würde. Da ein großes Angebot einer geringen Nachfrage gegenübersteht, ist der Verkehrswert relativ gering.

    Gemäß § 74a Abs. 5 ZVG ist der Wert der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, unter Würdigung aller Umstände frei zu schätzen.

    Ich wusste bislang gar nichts von diesen unterschiedlichen Werten. Auch die Kollegen, die ich gefragt habe, kannten das Problem nicht. Sie bestellen den Spezialsachverständigen: es soll das Gutachten eines Sachverständigen über den Verkehrswert des Inventars eingeholt werden. Der Sachverständige ermittelt den Verkehrswert und fertig. Von einem Fortführungswert oder Zeitwert hatte ich noch nicht gehört bzw. musste mich damit noch nie beschäftigen.

  • ohne jetzt in der lage zu sein, das ganz exakt zu prüfen meine ich doch, dass in den gutachten ganz regelmäßig zwischen Sachwert und Ertragswert unterschieden wird und sich der Verkehrswert aus dem gewichteten Mittel ergibt...
    was spricht also gegen die analoge Anwendung dieser Verfahrensweise?
    Hierdurch wäre sowohl einer "Zerschlagung", als auch der "Fortführung" Rechnung getragen


    Um in Deinen Kategorien zu arbeiten: Die hier maßgebliche Frage ist doch gerade, welche Bedingungen bei der Ermittlung des Ertragswertes zugrunde zu legen wären. Und der Ertragswert ist bei Fortführung eines Betriebs eben ganz anders, als die reine Verwertung z.B. des Grundstücks samt Gebäude. Eine Vermietung von Grundstück und Gebäude wäre auch ein Ertragswert, die Fortführung als Hotel setzt noch Erträge aus bestimmten Hotelleistungen hinzu.

    AndreasH

    Der festgesetzte Verkehrswert ist in erster Linie eine Rechengröße (§§ 74a 85 a, 114a ZVG); der wahre Wert zeigt sich doch erst bei der Abgabe von Geboten. Der Bieter, der den Betrieb nicht fortführen will, wird die Höhe seines Gebotes, seiner Idee anpassen wie es auch der Bieter tun wird, der das Hotel weiter betreiben will. Bei Festsetzung des Wertes muss das Versteigerungsgericht gleichwohl von dem höheren Fortführungswert ausgehen.

    Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass in der Versteigerung der Fortführungswert des Inventars festgesetzt werden müsste.

    Versteigert wird ein Hotelgrundstück mit laufendem Betrieb. Sollte ein Ersteher den Betrieb nicht fortführen wollen, wird er dies bei seinem Gebot entsprechend berücksichtigen. Sollte er es allerdings fortführen, hätte er einen deutlichen Wertvorteil, der zu Lasten des alten Eigentümers geht. Also muss ich doch erst mal vom aktuellen Stand (Geschäftsbetrieb) ausgehen. Bei einem freihändigen Verkauf können die Vertragsparteien vereinbaren, was sie wollen.

    Bei einer Verkehrswertermittlung des Inventars wird nicht zwischen Sachwert und Ertragswert unterschieden. Es wird geschätzt, was das Inventar einzeln bei einer Veräußerung erzielen würde. Da ein großes Angebot einer geringen Nachfrage gegenübersteht, ist der Verkehrswert relativ gering.

    Gemäß § 74a Abs. 5 ZVG ist der Wert der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, unter Würdigung aller Umstände frei zu schätzen.

    Ich wusste bislang gar nichts von diesen unterschiedlichen Werten. Auch die Kollegen, die ich gefragt habe, kannten das Problem nicht. Sie bestellen den Spezialsachverständigen: es soll das Gutachten eines Sachverständigen über den Verkehrswert des Inventars eingeholt werden. Der Sachverständige ermittelt den Verkehrswert und fertig. Von einem Fortführungswert oder Zeitwert hatte ich noch nicht gehört bzw. musste mich damit noch nie beschäftigen.

    Im Grundsatz sind wir uns soweit einig, dass ein Erwerber, der nur die Einzelteile verwerten will, im Termin voraussichtlich ein niedrigeres Angebot abgeben wird als ein Erwerber, der den Betrieb fortführen will (vorausgesetzt, der Betrieb ist nicht defizitär). Wird allerdings der auf dem Fortführungswert beruhende Wert angesetzt, dann dürften die Erwerber, die letztlich nur verwerten wollen, von vorne herein "raus" sein, weil dieser Wert unter Zerschlagungsgesichtspunkten zu hoch ist.
    Ich verstehe ja durchaus, dass man bei der Versteigerung den maximal möglichen Wert ansetzen will - aber warum überlässt man dies nicht einfach dem Verlauf der Versteigerung? Wenn es "marktkonform" läuft, sind im Termin sowohl "Verwerter" als auch "Fortführer" vorhanden. Es werden Angebote abgegeben, nach und nach steigen die "Verwerter" aus und nur noch die "Fortführer" bieten weiter. Gibt es aber keine "Fortführer", z.B. weil das Objekt zwar (geringe) Erträge produiert, aber so ungünstig liegt, dass sich derzeit einfach niemand das antun will, dann ist mit einer Wertfestsetzung auf der Basis des Fortführungswertes das Objekt auch für die "Verwerter" unattraktiv. "Fortführer" finden sich nicht, "Verwerter" bieten nicht -> Folge?

    Und warum soll bei einer Versteigerung ein Wertverlust zwischen Fortführungswert und Verwertungswert zu Lasten des alten Eigentümers gehen? Wer hindert denn den alten Miteigentümer, der sich im Wege der Teilungsversteigerung nur von seinem alten Partner lösen will, selbst mitzubieten? Und wenn sich niemand findet, der zu einem zu hoch angesetzten Wert mitbietet, wie kommt das dem alten Eigentümer zu gute?

    Nochmal eine zugespitzte theoretische Überlegung:
    Eine Fortführung setzt Personal, Fachwissen etc. voraus. Wird all dies bei der Versteigerung mitübertragen? Wohl eher nicht. Wieso soll dann das, was tatsächlich übertragen wird, daran gemessen werden, wie man es optimal unter Einsatz von Fachwissen, Personal etc. weiterbetreiben könnte?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die Wertermittlung bezieht immer auf den Qualitaetsstichtag - Par. 4 ImmoWertVO - und nicht auf in möglicherweise zukünftig eintreten des Ereignis. Das Hotel lebt am Qualitätsstichtag. Streiten könnte man allenfalls darüber, ob überhaupt der Wert des Zubehörs zu ermitteln ist oder ob der Wert bereits in dem Ertragswert des Hotels enthalten ist. Der Verkehrswert ist nämlich nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln und dann gilt: Ohne Zubehör - also z. B. ohne Bett im Hotelzimmer - weniger oder kein Ertrag

  • Was sagt eigentlich das Gutachten zum Grundstück aus? Wurde dort auf die Tragfähigkeit des Weiterbetriebes als Hotel eingegangen? Müsste ja konkret aus der Ertragswertberechnung hervorgehen. Sollte dort von einem Weiterbetrieb als Hotel ausgegangen werden, dürfte hier meines Erachtens auch der Fortführungswert für das Zubehör zugrunde zu legen sein.

    Ich hatte auch schon den umgedrehten Fall, dass kein schlüssiges Konzept für den Weiterbetrieb des Gewerbes bestand und somit nur die Zerschlagung in Betracht kam.

  • Das Objekt ist komplett (einschließlich Inventar) verpachtet. Im Gutachten steht beim Ertragswert: "Die Bewertung erfolgt in diesem Gutachten exklusive Inventar. Für die Ermittlung des Verkehrswertes des Inventars ist ein separates Gutachten zu beauftragen. Wird als Rohertrag die (Leerraum-)Pacht in Ansatz gebracht, so ist die nachhaltige Pacht um den Inventaranteil zu reduzieren. Als Anpassungsmaßstab werden die Investitionskosten herangezogen. ...Der Anteil der Pacht für das Inventar wurde geschätzt und rausgerechnet. Im Gutachten berücksichtigt wurde der Pachtansatz für das Gebäude inkl. Grundstück jedoch exklusive Inventar.

    Die Verkäuflichkeit wurde im Gutachten als unterdurchschnittlich bis mäßig beurteilt.

    Aus der gesetzlichen Vorschrift (§ 74a Abs. 5 ZVG) ergibt sich für das Inventar nicht, welcher Wert zugrunde zu legen ist: Der Wert ist frei zu schätzen. Es kommt wohl auf den Einzelfall drauf an. Der Inventar-Sachverständige hält übrigens die Ermittlung des Verkehrswertes für richtig. "Bei der Versteigerung, als Sonderform des Verkaufs, werden Waren an den Meistbietenden verkauft. Somit findet bei einer Versteigerung, sofern entsprechende Bieter anwesend sind, ein Verkauf statt."

    "...Sollte er es allerdings fortführen, hätte er einen deutlichen Wertvorteil, der zu Lasten des alten Eigentümers geht.": Dies war sicher nicht ganz richtig ausgedrückt. Der festgesetzte Wert ist für die Grenzen (5/10, 7/10) maßgeblich. Von daher kann die Festsetzung des Verkehrswertes des Inventars statt des Fortführungswertes gravierende Auswirkungen haben.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!