Liebe Forengemeinde,
ich bin ratlos und brauche eure Hilfe.
Der Schuldner ist Heizungsbauermeister und hat bei einem Arbeitsunfall den Mittelfinger der rechten Hand verloren und nach Abschluss seiner Behandlung (ca. 1,3 Jahre später wenn man die VA richtig interpretiert) bekommt er von der BG nun eine Einmalzahlung von 50.000 € aufgrund dieses Verlustet. Außerdem bekommt er seit Mai 15 sogenanntes Ausfallgeld (bei dem ich noch nicht rauskriegen konnte was genau das ist; hab da nur was gefunden, dass das an Arbeiter gezahlt wird, die witterungsbedingten Verdienstausfall haben, aber max. 53 Tage/Jahr und bestimmt nicht über ein ganzes Jahr ).
Jedenfalls will mein Gläubiger jetzt diese Einmalzahlung pfänden.
Zum einen habe ich dann wegen § 54 Abs. 2 SGB I moniert, dass Ausführungen zur Billigkeit der Pfändung zu machen sind. Zum anderen habe ich gebeten, nähere Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis zu machen, da der Schuldner angibt, dass die Auszahlung des Betrags im Juli erfolgen sollte (was dann jetzt schon rum wäre).
Zur Billigkeit kriege ich jetzt zur Antwort:
"Der Schuldner hat durch den Verlust eines Fingers keine erhöhten Lebenshaltungskosten, auch sind keine Kosten für eventuelle Prothesen oder Ähnliches aufzuwenden, weder jetzt noch in der Zukunft."
Allein deshalb ist nach Ansicht der Gläubigervertreter eine Billigkeit zu bejahen.
M.E. nach soll dem Schuldner doch durch die Zahlung einer einmaligen Erwerbsminderungsrente der Verdienstausfall (auch für die Zukunft?) entschädigt werden. Er gibt an, derzeit keine weiteren Einkünfte zu haben außer diesem dubiosen Ausfallgeld sowie Ersatz von Fahrtkosten durch die BG zu den Klinikbesuchen. Im Übrigen wird er von der Mutter eines seiner Kinder unterhalten.
Aber den Antrag ganz zurückzuweisen halte ich auch nicht für richtig, da es ja theoretisch möglich ist, dass der Schuldner wieder eine Arbeit findet und sich dann durch das laufende Einkommen unterhalten kann und damit auf eine Hilfe in Form der Einmalzahlung (oder dem Rest davon) nicht mehr angewiesen wäre.
Kommentare helfen mir da auch nicht wirklich weiter (vor allem weil die meisten sowohl zu § 54 SGB I als auch zu § 56 SGB VII aufgrund des fehlenden Abonnements nicht oder nur teilweise einsehbar sind ).
Wie ist eure Einschätzung zu dem Sachverhalt:
Überhaupt nur bedingt pfändbar nach § 54 SGB I oder unbedingt nach SGB VII (dann hätte ich das Problem gar nicht)?
Für letzteres würde dies sprechen:
Kommentar aus TVöD Office Professional
Klose, SGB I § 54 Pfändung / 2.4.4 Geldleistungen als Ausgleich für Körper- oder Gesundheitsschäden (Abs. 3 Nr. 3) Klose, SGB I § 54 Pfändung / 2.4.4 Geldleistungen als Ausgleich für Körper- oder Gesundheitsschäden (Abs. 3 Nr. 3)
Entscheidend ist bei der Geldleistung zum Ausgleich von Mehraufwand bei Gesundheits- oder Körperschaden, dass die Leistung an einen Gesundheits- oder Körperschaden anknüpft und der Zwecksetzung nach einen dadurch bedingten Mehraufwand pauschal oder konkret ausgleichen soll. Dazu gehören insbesondere die wegen Kriegs- oder Wehrdienstbeschädigungen gezahlten Grundrenten nach dem BVG oder anderen darauf verweisenden Gesetzen. Desgleichen gehören dazu die zumeist pauschal festgelegten Zulagen und Zuschüsse oder Beihilfen für eine besondere Bedarfslage, wie z. B. die Pflegezulage nach § 35 BVG oder die Leistungen wegen eines außergewöhnlichen Verschleißes an Kleidung oder Wäsche nach § 15 BVG. Auch die Kraftfahrzeughilfe nach § 40 SGB VII, die einen Gesundheitsschaden infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit voraussetzt, ist nicht pfändbar. Soweit eine laufende Leistungen in eine einmalige Leistung umgewandelt wird, wie z. B. die Kapitalabfindung für eine Rente (§ 72 BVG), ist auch diese von der Pfändbarkeit generell ausgenommen.
Rz. 38
Nicht zum Ausgleich eines Körper- oder Gesundheitsschadens gehören dagegen solche Sozialleistungen, die eine Schädigung oder Erwerbsminderung wirtschaftlich ausgleichen sollen wie der Berufsschadensausgleich oder die Ausgleichsrente (§§ 30, 32 BVG). Ob der Ausgleich durch eine einmalige Zahlung oder laufende Zahlung erfolgt, ist nicht entscheidend. Auch eine nach dem SGB VII wegen eines Gesundheitsschadens gezahlte Verletztenrente nach § 56 SGB VII ist nicht nach Nr. 3 von der Pfändung ausgenommen, sondern ist nach § 850c ZPO pfändbar (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.7.2014, L 9 U 847/10, BeckRS 2014, 71489; LG Heilbronn, Beschluss v. 20.5.2015, 1 T 5 18/14, NZS 2015 S. 588 = BeckRS 2015, 09725).
Für ersteres der Wortlaut des § 54 Abs. 2 SGB I und das:
Siefert, SGB I § 54, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 89. EL, März 2016
3. Absatz 2 – Pfändung von Ansprüchen auf einmalige Geldleistungen
a) Einmalige Geldleistungen
Darunter fallen alle Geldleistungen, die nicht „laufende“ Geldleistungen (s. → § 48 Rn. 4) sind; auch wenn die laufenden Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum auf einmal nachgezahlt werden, bleiben sie laufende Leistungen, die nicht unter Abs. 2 fallen. Beispiele für einmalige Leistungen: Witwen-, Witwer- oder Waisenbeihilfen (§ 71 SGB VII); Abfindungen (für Witwen und Witwer gem. § 107 SGB VI, §§ 75–80 SGB VII; Kapitalabfindung gem. §§ 72ff BVG), Bestattungs- und Sterbegeld (§ 64 SGB VII, §§ 36, 53 BVG).
b) Billigkeitserwägungen
Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können grds. wegen beliebiger Forderungen gepfändet werden; begrenzt wird die Pfändbarkeit aber duch Gesichtspunkte der Billigkeit, deren wichtigste Abs. 2 nennt (keine abschließende Aufzählung, s. → Rn. 29). Ob eine Pfändungin diesem Sinne unbillig ist, ist im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von der Behörde wie dem Vollstreckungsorgan (§ 829 ZPO) zu ermitteln.
Sowohl das Kriterium der Billigkeit als auch die bei seiner Bestimmung zu berücksichtigende Art des beizutreibenden Anspruchs und die Höhe der Leistung entsprechen den in § 850b Abs. 2 ZPO aufgeführten Maßstäben, deren Auslegung deshalb auch im Rahmen des § 54 Abs. 2 SGB I herangezogen werden kann.
aa) Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Mit diesen Vorauss. wird die persönliche Sphäre des Leistungsberechtigten berücksichtigt und ein sozialer Schutz des Leistungsberechtig-März 2016 EL 894 EL 89 März 20165ten bezweckt, der ähnlich auch in den Pfändungsschutzbestimmungen der ZPO (zB §§ 811ff, 850ff) angelegt ist. Die §§ 850ff ZPO können jedoch nicht unmittelbar angewendet werden; sie bieten lediglich Anhaltspunkte für Billigkeitserwägungen.
Auch die Annahme, dass der Leistungsberechtigte hilfebedürftig iSd SGB XII oder SGB II über die Hilfe zum Lebensunterhalt (s. §§ 27ff, 41ff SGB XII, §§ 19ff SGB II) werden könnte, ist kein Kriterium, das in jedem Fall zwingend zur Unbilligkeit der Pfändung führt, sondern mit weiteren Gesichtspunkten in die Gesamtabwägung eingestellt werden muss.
Aber wie soll ich als Nicht- und zwar so überhaupt nicht - -Sozialrechtler beurteilen können, unter was genau diese Leistung fällt?
Und nächste Frage: Anhörung des Schuldners vor PfÜB-Erlass oder nicht? Auch dazu steht in keinem der zugänglichen Kommentare was
Was das Rechtsschutzbedürfnis angeht so schreibt die Gläubigervertreterin nur, dass sie ja nicht wisse, wann genau ausgezahlt würde, da sie auf ihr vorl. ZV keine Drittschuldnererklärung erhalten habe (äh - nein, warum auch?). Aber das würd ich mal so hinnehmen.
Also - wer ist schlauer als ich und kann mir weiterhelfen oder wer hatte vielleicht (genau den) so einen Fall schon mal???
Besten Dank schon jetzt (allein fürs Lesen des langen Beitrags)!