Das Problem ist schlicht, dass die Testamentseröffnung ein überall massenhaft stattfindendes Verfahren ist und in Folge der zwingenden Verwahrung im Errichtungsmitgliedsstaat (Du sagtest ja selbst, dass die Verwahrung nicht von der EuErbVO erfasst sei) ein praktisches Problem strukturell auftritt: Die verwahrten Testamente müssen "verschifft" werden.
Es ist dilettantisch und erbärmlich, dass man das nicht erkannt hat (wenn denn tatsächlich Art. 4 die Eröffnung erfassen soll).
Du räumtest andererseits aber auch ein, dass die Verwahrung noch nicht von der EuErbVO erfasst sei. Warum denn nicht? Warum ist das keine "rule on the succession on the whole/Entscheidung in Erbsachen"? In Deutschland ist es das, siehe § 342 FamFG. Jetzt kommst Du wieder mit autonomer Auslegung. Aber definiere doch einmal abstrakt und mit juristische Argumenten: "Entscheidung in Erbsachen" (unter Berücksichtigung der ausländischen Sprachfassungen). Autonome Auslegung muss doch, wenn sie nicht völlig willkürlich sein soll, irgendwelche Kriterien zur Konkretisierung haben. Und meines Erachtens spricht "funktional" dann auch vieles dafür, schon die Testamentsverwahrung nach der EuErbVO zu erfassen.
Es wäre dann wenigstens eine kohärente Lösung, auch die Eröffnung, also alles gemäß § 342 FamFG, von den 4 ff als erfasst anzusehen. Das wird in der Literatur hier auch vertreten. Dort stellen sich aber dieselben Regelungen bzgl. Normenlücken (wohin soll ich als Notar schicken)?
Bzgl. all dieser Fragen wäre eine Regelung geboten gewesen.
Es ist gut zu wissen, dass bei Verstößen gegen die internationale Zuständigkeit der EUErbVO die Wirksamkeit nicht beeinträchtigt ist.
Demokratische Legitimation sehe ich wie folgt: Der verabschiedete Text ist bindend. Die Anwendung der Europäischen Beweisverordnung oder sonstiges, was ersichtlich nicht direkt passt, durch "funktionale Auslegung" ist Rechtssetzung in anderem Gewand. Es geht nicht um den Willen des deutschen Gesetzgebers; es geht darum, dass die Verordnung mangels aussagekräftigen Texts bestimmte Fragen nicht geregelt hat, obwohl sie sie hätte regeln müssen. Die richtige Antwort könnte auch diejenige sein, dass dann eben eine restriktive Auslegung der Verordnung geboten ist in den Bereichen, in denen sie ohne ergänzende, widersprüchliche Regelungen nicht funktioniert.
Selbst wenn Deutschland Deinen weiten Ansatz im IntErbRVG umgesetzt hätte: Wie sollen wir einfach Testamente ins Ausland schicken, wenn die Nachbarn ggf. auch nicht darauf vorbereitet sind? Im schlimmsten Fall gehen die Testamente dann verloren.
Dein Ansatz BeweisVO hast Du Dir ja aus den Fingern gesaugt; passt irgendwie, weil halbwegs plausibel. Was, wenn es andere passende Systeme gibt? In der Zwischenzeit werden Testamente auf LKW durch die Gegend gefahren.
Man kann also sagen argumentativ:
Art. 4 ist "funktional" weit auszulegen (Du müsstest dann aber wahrscheinlich Deinen Ansatz hinterfragen schon bgzl. Verwahrung)
Oder:
Art. 4 ist bzgl. Eröffnung einschränkend auszulegen (Grund: Hätte der Gesetzgeber es gewollt, hätte er die zwingend notwendigen Regelungsbereiche geregelt).
Ich weiß, dass der EuGH die erste Position wohl vertreten wird. Das ist mE aber ein problematischer Ansatz, weil der EuGH damit Ersatzgesetzgeberfunktion einnimmt.
Ein restriktiver Ansatz würde die Mitgliedstaaten zwingen, eine passende Regelung zu erarbeiten und das nächste Mal im Gesetzgebungsverfahren mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Oberle sagt hierzu mE nichts.