Wohn- und Nutzungsrecht unter Ausschluss des Eigentümers

  • Hallo zusammen,

    ich habe folgenden Fall: Mutter übertragt der Tochter den Grundbesitz. Im Gegenzug soll u.a ein Wohn-Und Nutzungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt werden. Die Urkunde enthält folgend Ausführung:

    "Frau... behält sich ferner vor, unter Ausschluss der Eigentümerin auf Zeit Ihres Lebens sämtliche Wohnräume im ersten Obergeschoss zu nutzen. Das Wohn- und Nutzungsrecht umfasst untergeordnet das Recht zur Mitbenutzung des Gartens und der Gemeinschaftsflächen des Anwesens."

    Ich habe dem Notar mitgeteilt, dass m.E. zwei Dienstbarkeiten zu bestellen sind, und zwar ein Wohnungsrecht nach §1093 BGB und ein Mitbenutzungsrecht hinsichtlich des Gartens. Jetzt habe ich ein böses Schreiben bekomme, dass meine Auffassung ja auf keiner rechtlichen Grundlage basiert und das er jahrelang genau solche Rechte ins GB eintragen lässt.
    Ich habe ein bisschen recherchiert und u.a. den, hier auch oft zitierten, Beschuss des OLG München von 22.02.2010 (34 Wx 3/10) gefunden, der m.E. mein Auffassung bestärkt.

    Sehe ich das denn richtig oder habe ich irgendetwas grundlegendes übersehen?

    Vielen Dank schön mal für die Hilfe! :)

  • Wenn sich der Garten auf demselben Grundstück befindet, dann bestehen gegen die von Dir wiedergegebene Regelung wohl keine Bedenken. Das OLG Brandenburg (5. Zivilsenat), führt im Beschluss vom 27.05.2021 – 5 W 70/21
    https://gerichtsentscheidungen.brandenburg.de/gerichtsentscheidung/19432
    aus: „Der Senat hat derzeit keine Bedenken, dass sich das Wohnungsrecht auch auf einen Garten erstrecken kann, wenn das Wohnen der Hauptzweck der Gesamtnutzung bleibt. In diesem Rahmen kann auch die alleinige Nutzung des Gartens durch den Berechtigten vereinbart werden (Schöner/Stöber GrundbuchR, 16. Aufl. 2020, Rn. 1248a, beck-online Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1093, Rn. 30 Herrler, in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 1093 Rn. 4; LG München MittBayNot 1970, 153). Zum Wohnen gehört nicht nur die Nutzung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch die Nutzung des mit der Wohnung verbundenen Gartens (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 2 T 784/97, MDR 1998, 275). Die Vorschrift des § 1093 Abs. 3 BGB dürfte nicht gegen die Beurteilung sprechen, da diese sich nur mit der Nutzung von Anlagen und Einrichtungen befasst, die zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmt sind. Ist die Nutzung des zur Wohnung gehörenden Gartens aber allein dem Berechtigten zugewiesen, handelt es sich gerade nicht um eine derartige zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmte Anlage“.

    Das entspricht den bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage in RN 1248a dort Fußnote 1908 wiedergegebenen Entscheidungen, wie etwa derjenigen des OLG Frankfurt (20. ZS), Beschluss vom 28. 5. 1982, 20 W 301/82: „Soweit es in der Rechtsprechung und im Schrifttum für zulässig erachtet worden ist (vgl. die oben angeführten Zitate), dass in ein dingliches Wohnungsrecht nach § 1093 BGB auch die Mitbenutzung eines vorhandenen Gartens einbezogen werden kann, ist bisher – soweit ersichtlich – nirgends verlangt worden, dass Art und Umfang der Mitbenutzung des Gartens in der Eintragungsbewilligung im einzelnen näher festgelegt werden..“

    Im Fall des OLG München, 34 Wx 3/10 sollte das „Wohnen“ nicht Hauptinhalt des Rechts, sondern nur Nebenzweck sein.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die schnelle Antwort .
    Ich habe den Notar in meinem Schreiben bereits auf die von dir zitiert Randnummer 1248a im Schöner/Stöber zur Benutzung des Hausgartens hingewiesen.

    Mein Hauptproblem ist, dass m.E. keine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohn- und Nutzungsrecht) unter Ausschluss des Eigentümers bestellt werden kann. Zumal der Inhalt des Rechts in der Urkunde "unter Ausschluss der Eigentümerin sämtliche Wohnräume im Obergeschoss zu nutzen" für mich für ein Wohnungsrecht nach § 1093 BGB spricht. Das soll aber ausdrücklich nicht bestellt werden.
    Die Frage ist also konkret, kann ein Wohn- und Nutzungsrecht unter Ausschluss des Eigentümers bestellt werden?
    Diesbezüglich habe ich in der Entscheidung vom OLG München gefunden "Ein die Benutzung durch den Eigentümer ausschließendes Recht, dass zum Wohnen (...) befugt, kann in sachenrechtlich zulässiger Form nur als Wohnungsrecht begründet werden (...)".

  • Ein "Wohn- und Nutzungsrecht" ist bewilligt, also ein "Wohnungsrecht" und ein "Nutzungsrecht" (für die nicht zu Wohhnzwecken dienenden Teile = Garten, diese zur "Mitbenutzung", also gerade nicht unter Ausschluss des Eigentümers, der ja nur für Wohnräume möglich ist).
    Ich verstehe das Problem nicht so recht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • ...Ich verstehe das Problem nicht so recht.

    Ich auch nicht. Die Threadstarterin stört sich offenbar daran, dass nicht ein Wohnungsrecht, sondern ein Wohnrecht bestellt worden sei. Selbst wenn dem so wäre, ist die Verwendung des Begriffs Wohnrecht jedoch unerheblich, weil es nicht auf den Begriff, sondern den Inhalt ankommt. Wie Wirich im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.10.2022, Art. 96 EGBGB, RN 175 ausführt, kennt das BGB den Begriff „Wohnrecht” als solchen nicht. Vielmehr stelle es für Zwecke des Wohnens eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten zur Verfügung. Das OLG Hamm (15. ZS) führt daher im Beschluss vom 07.07.1975, 15 Wx 33/74, aus: „Die Beantwortung der Frage, welche dieser Rechtsformen im Einzelfalle gewollt ist, hängt nicht so sehr von der Bezeichnung des Rechts als vielmehr davon ab, wie nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck der Erklärungen die Rechte und Pflichten der Vertragspartner im einzelnen beschaffen sein sollen (Senat in DNotZ 1962, 402, 404; Reichert, aaO S. 117, 124; Ring, DNotZ 1954, 106)“ Anschließend führt es die wesentlichen Kriterien für die Abgrenzung aus. Diese Abgrenzung kann bei Schöner/Stöber, RN 1236 nachgelesen werden, indem dort ausgeführt ist:
    „Ein Wohnrecht kann bestellt werden als
    beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB (Wohnungsrecht), wenn dem Berechtigten das Recht eingeräumt werden soll, ein bestimmtes Gebäude oder einen bestimmten Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen;
    –beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach §§ 1090 bis 1092 BGB, wenn nur die Mitbenutzung zum Wohnen ohne Ausschluss des Eigentümers gewollt ist;..“

    Vorliegend wird der Eigentümer von der Mitbenutzung der Wohnräume im ersten Obergeschoss ausgeschlossen. Also handelt es sich um ein Wohnungsrecht nach § 1093 BGB. Im Rahmen dieses Wohnungsrechts kann nach § 1093 Absatz 3 BGB die Mitbenutzung des Gartens geregelt werden. Auch das ist erfolgt. Auf die Entscheidung des OLG Brandenburg (5. Zivilsenat), Beschluss vom 27.05.2021, 5 W 70/21, wonach dann, wenn das Wohnen der Hauptzweck der Gesamtnutzung bleibt, auch die alleinige Nutzung des Gartens durch den Berechtigten vereinbart werden kann, kommt es daher insofern nicht an; sie geht aber auch auf das sonst gegebene Mitbenutzungsrecht ein („Zum Wohnen gehört nicht nur die Nutzung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch die Nutzung des mit der Wohnung verbundenen Gartens (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 19. Dezember 1997 – 2 T 784/97, MDR 1998, 275)“.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Es gibt aber auch genügend Fundstellen, die diese Unterscheidung zwischen Wohnrecht (Par. 1090 BGB ) und Wohnungsrecht (Par. 1093 BGB) treffen. Tatsächlich ist natürlich - und wie von Prinz ausgeführt - einfach ein Wohnungsrecht gewollt.

  • Mich interessiert, ob ihr im vorliegenden Fall Bedenken hättet, das Wohnrecht einzutragen:

    Übergabe eines Grundstückes durch die Mutter auf den Sohn, laut notariellem Vertrag ist Grundstück bebaut mit Doppelhaushälfte

    Zu Gunsten der bisherigen Eigentümerin wird bestellt und soll im Grundbuch eingetragen werden:

    Wohnungsrecht in dem übergebenen Anwesen. .... Recht der ausschließlichen Benutzung sämtlicher Räume des übertragenen Anwesens - unter Ausschluss des Eigentümers — und dem Recht auf Mitbenutzung der zum gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen, insbesondere von Hofraum und Garten.

    Mein Problem (vielleicht ist es auch keines) besteht darin, dass das Wohnungsrecht die gesamte Doppelhaushälfte umfassen soll. Im BV sind Straßenname und Hausnummer des Grundstücks vermerkt. Somit lässt sich feststellen, dass laut der im Übergabevertrag enthaltenen Anschrift der Sohn offenbar dort (in der Doppelhaushälfte?) wohnt.

    Kurz gesagt, muss es mich als GBA kümmern, wenn man vielleicht das Wohnungsrecht versehentlich nicht auf einzelne Räume beschränkt hat?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!