Vormundschaftswechsel - gewalttätiger Mündel in Einrichtung - Gutachten erforderlich?

  • Liebes Forum,

    ich habe einen ganz schwierigen Fall, über den ich mich gerne mit Kolleginnen und Kollegen austauschen würde. Leider bin ich allein auf meiner Abteilung und hoffe daher, hier erfahrene Kolleginnen und Kollegen anzutreffen.

    Die Pflegeeltern eines Mündels möchten die Übertragung der Vormundschaft auf diese. Derzeit hat das Jugendamt die Vormundschaft. Das Kind hat immer wieder Gewaltausbrüche und laut Jugendamt bedarf es einer besonderen Einrichtung, in der man sich 24/7 um das Kind kümmere.

    Die Pflegeeltern kritisieren aber immer wieder, dass der Umgang mit dem Kind mangelhaft sei, man sich nicht richtig um ihn kümmern würde und er sich ohnehin schwer mit fremden Menschen tue.

    Die Einrichtungen wechseln auch ständig, da es immer wieder Vorfälle gab.

    Es besteht eine beginnenden FASD und Autismus- Diagnosen und daraus resultierend einem GdB von 50 mit Pflegestufe 3. Daher hatte das Jugendamt auch Einwände gegen den Wechsel, da Bedenken bestehen, ob die Pflegeeltern den Aufgaben gewachsen sind.

    Ich hatte daher angeregt, den Antrag auf Übertragung der Vormundschaft noch etwas zurückzustellen und die weitere Entwicklung zu beobachten.

    Nun ist es so, dass das Jugendamt sich doch für eine Übertragung ausgesprochen hat. Ich finde das alles aber sehr schwierig und habe den Eindruck, dass Jugendamt ist selbst überfordert mit der Situation und möchte nun doch schnellstmöglich die Übertragung. Den bisher hatten sie sich wie gesagt immer dagegen ausgesprochen und nun wird vorgeworfen, der Schwebezustand hinsichtlich der Vormundschaft sei nicht förderlich für das Kind. Es sollte aber doch klar sein, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung das Jugendamt hier die Vormundschaft innehat.

    Ich habe nun einen Termin mit dem Kind, einem Verfahrensbeistand, den Pflegeeltern sowie dem Vormund bestimmt.

    Die Pflegeeltern sind wirklich total bemüht und haben auch schon die Vormundschaft für die Schwester. Daher denke ich, dass ich den Wechsel vornehmen kann, wenn alle zustimmen. Was mir aber Sorgen macht ist, dass die Pflegeeltern das Kind sicher zu sich nach Hause nehmen möchten und es vielleicht doch auch nochmal dort zu einem Gewaltausbruch kommen kann und etwas schlimmeres passiert… das hätte ich ja auch zu verantworten?

    Brauche ich hier ein Gutachten eines Sachverständigen? Oder fällt dass dann eher in die Zuständigkeit des Richters? Das Kind war bereits 2020 durch richterlichen Beschluss untergebracht worden.

    Ich bin total unsicher, dem Kind geht’s aber nicht besser und jetzt wird von beiden Seiten dem Gericht vorgeworfen, es hätte schon früher eine Entscheidung getroffen werden müssen, damit der Zustand sich nicht verschlechtert.

    Wie beurteilt ihr den Fall?


    Ich wäre für Rückmeldungen wirklich sehr dankbar! :(

  • Juli7 19. Januar 2024 um 17:04

    Hat den Titel des Themas von „Vormundschaftswechsel - Mündel in Einrichtung - Gutachten erforderlich?“ zu „Vormundschaftswechsel - gewalttätiger Mündel in Einrichtung - Gutachten erforderlich?“ geändert.
  • Ich denke, um den Vormundswechsel wirst du gerade im Lichte des neuen Vormundschaftsrechts kaum herumkommen. Der ehrenamtliche Vormund geht dem Behördenvormund nun einmal vor, § 1779 Abs. 2 BGB. Für die Pflegeeltern spricht meiner Meinung nach, dass sie bereits eine Vormundschaft erfolgreich führen, dass sie nach deinen Angaben wirklich um das Mündel bemüht sind und dessen individuelle Problemlagen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Kind wohl ganz gut einschätzen können. Von daher würde ich mich schwer tun, den Pflegeeltern die Eignung abzusprechen, wenn du keine weiteren Anhaltspunkte hast.

    Ich würde mich auch von der Vorstellung verabschieden, dass es deine Schuld ist, wenn es zu 'Vorfällen" wie körperlichen Übergriffen des Mündels kommt. Nicht du führst die Vormundschaft und schickst das Kind nach Hause, das macht der Vormund dann selbst.

    Die Entscheidung über die Unterbringung trifft der gesetzliche Vertreter, das Familiengricht genehmgt lediglich die Entscheidung des Vertretungsberechtigten gem. § 1631b BGB. Der gesetzliche Vertreter kann daher, auch ohne Mitwirkung des Gerichts, die Unterbringung jederzeit beenden. Hierzu ist er sogar verpflichtet, wenn die Unterbringung entbehrlich geworden ist. Nur bei einer neuen Unterbringung müsste das Gericht wieder mitwirken.

    Ich persönlich würde daher den Vormundschaftswechsel wohl vornehmen, den Pflegeeltern im Termin aber klarmachen, dass die Entscheidung nicht in Stein gemeißelt ist und der Wechsel zurück zu Jugendamt jederzeit möglich ist, wenn gegen die Interessen des Kindes gehandelt wird (etwa im Falle von Behandlungsabbrüchen gegen ärztlichen Rat).

  • Ich denke, um den Vormundswechsel wirst du gerade im Lichte des neuen Vormundschaftsrechts kaum herumkommen. Der ehrenamtliche Vormund geht dem Behördenvormund nun einmal vor, § 1779 Abs. 2 BGB. Für die Pflegeeltern spricht meiner Meinung nach, dass sie bereits eine Vormundschaft erfolgreich führen, dass sie nach deinen Angaben wirklich um das Mündel bemüht sind und dessen individuelle Problemlagen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Kind wohl ganz gut einschätzen können. Von daher würde ich mich schwer tun, den Pflegeeltern die Eignung abzusprechen, wenn du keine weiteren Anhaltspunkte hast.

    Ich würde mich auch von der Vorstellung verabschieden, dass es deine Schuld ist, wenn es zu 'Vorfällen" wie körperlichen Übergriffen des Mündels kommt. Nicht du führst die Vormundschaft und schickst das Kind nach Hause, das macht der Vormund dann selbst.

    Die Entscheidung über die Unterbringung trifft der gesetzliche Vertreter, das Familiengricht genehmgt lediglich die Entscheidung des Vertretungsberechtigten gem. § 1631b BGB. Der gesetzliche Vertreter kann daher, auch ohne Mitwirkung des Gerichts, die Unterbringung jederzeit beenden. Hierzu ist er sogar verpflichtet, wenn die Unterbringung entbehrlich geworden ist. Nur bei einer neuen Unterbringung müsste das Gericht wieder mitwirken.

    Ich persönlich würde daher den Vormundschaftswechsel wohl vornehmen, den Pflegeeltern im Termin aber klarmachen, dass die Entscheidung nicht in Stein gemeißelt ist und der Wechsel zurück zu Jugendamt jederzeit möglich ist, wenn gegen die Interessen des Kindes gehandelt wird (etwa im Falle von Behandlungsabbrüchen gegen ärztlichen Rat).

    Vielen Dank für deine Einschätzung! Das hilft mir wirklich sehr und beruhigt mich etwas, da ich mir schon echt viele Sorgen mache, dass etwas passieren könnte und ich etwas verantworten muss… Mir war es einfach bisher wohler, wenn das Jugendamt sich hier noch um alles kümmert, aber das die ohnehin schwierige Situation sich verschlechtert hat, bereitet mir jetzt Bauchschmerzen. Am Freitag ging noch ein Schreiben der Pflegeeltern ein, dass der Kinderarzt dem Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung mitgeteilt habe. Werde das Jugendamt um Stellungnahme bitten und ansonsten muss ich jetzt wohl mal den Termin abwarten…?

    Dann hoffe ich nun, dass es bis zum Termin zu keinen größeren Vorkommnissen kommt und danach auch wieder besser wird…

    Danke!!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Juli7 (20. Januar 2024 um 15:31)

  • Dass einer Rechtspflegerin sowohl von interessierten Vormündern als auch von einem jugendamtlichen Vormund ein inhaltlicher Vorwurf gemacht wird, lässt mich bei allen Beteiligten an deren Fachkompetenz zweifeln. Ist die Aufgabe des Gerichts hier doch im Wesentlichen auf die notwendige Formalität eines Vormundswechsels beschränkt und hat kaum Bedeutung für den inhaltlichen Ablauf. Was hätte sich denn geändert, wenn die Entscheidung schon getroffen worden wäre!?

    Die Unterbringung und das Leben des Kindes werden völlig unabhängig von dieser Entscheidung im Rahmen des Hilfeplanes besprochen. Zuständig ist hierfür federführend der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes und bleibt das auch nach dem Vormundschaftswechsel. Solange Hilfe zur Erziehung geleistet wird, ist das Jugendamt also immer beteiligt. Wer das Kind im Hilfeplan vertritt, macht dabei in meinen Augen keinen Unterschied und wirkt sich auch nicht auf dessen Entwicklung aus. Als Rechtspflegerin würde ich mir niemals solche Dinge annehmen.

  • Dass einer Rechtspflegerin sowohl von interessierten Vormündern als auch von einem jugendamtlichen Vormund ein inhaltlicher Vorwurf gemacht wird, lässt mich bei allen Beteiligten an deren Fachkompetenz zweifeln. Ist die Aufgabe des Gerichts hier doch im Wesentlichen auf die notwendige Formalität eines Vormundswechsels beschränkt und hat kaum Bedeutung für den inhaltlichen Ablauf. Was hätte sich denn geändert, wenn die Entscheidung schon getroffen worden wäre!?

    Die Unterbringung und das Leben des Kindes werden völlig unabhängig von dieser Entscheidung im Rahmen des Hilfeplanes besprochen. Zuständig ist hierfür federführend der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes und bleibt das auch nach dem Vormundschaftswechsel. Solange Hilfe zur Erziehung geleistet wird, ist das Jugendamt also immer beteiligt. Wer das Kind im Hilfeplan vertritt, macht dabei in meinen Augen keinen Unterschied und wirkt sich auch nicht auf dessen Entwicklung aus. Als Rechtspflegerin würde ich mir niemals solche Dinge annehmen.

    Vielen Dank für die aufmunternde Antwort!!!

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