Kostenfestsetzungsverfahren - Streitgenossen (Versicherung + Versicherungsnehmer)

  • Hallo,

    es gibt um folgenden Sachverhalt:

    Auf Bekl.-Seite stehen der Versicherungsnehmer sowie die Versicherung. Diese sind jeweils von einem anderen RA vertreten. Auch haben die Bekl. obsiegt.

    Nun moniert die Gegenseite die Beauftragung zweier RAe. Der Bekl.-V führt aus, dass ein Interessenkonflikt zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung vorlag, da die Versicherung die eigenen Ansprüche des Bekl. und die des Klägers abgelehnt hat.

    Da ich bislang nichts passendes gefunden habe, bin ich über Meinungen hierüber dankbar.

    VG

  • Und immer dann, wenn die Versicherung im Streit sich auch gegen ihren eigenen Mandanten wenden will, muss sie sogar einen eigenen Anwalt haben, weil dies sonst Parteiverrat des Anwalts wäre.

    Beispiel: Der Kläger will Ersatz für Schäden aus einem Autounfall. Die Versicherung hält die Höhe für fraglich, hat aber im Übrigen Anhaltspunkte dafür, dass Kläger und ihr Versicherungsnehmer beide einem sog. "Autobumserring" angehören (= vorsätzliche Herbeiführung von Unfällen zum betrügerischen Erhalt von Ersatzleistungen). Will die Versicherung das einführen, muss sie sich zugleich gegen die Interessen ihres eigenen Versicherungsnehmers stellen. Ihr Anwalt kann also nicht zugleich den Versicherungsnehmer vertreten.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Nur der Vollständigkeit halber möchte ich zu dieser Fallgestaltung auf die folgenden drei Entscheidungen hinweisen, die der Annahme der Notwendigkeit getrennter Prozeßbevollmächtigter und damit der Erstattungsfähigkeit der "doppelten" Kosten möglicherweise entgegenstehen könnten, da sich aus dem bisherigen Sachverhalt (zumindest für mich noch) nicht konkret genug der mögliche Interessenskonflikt ergibt (hier ja die Darlegung - aber auch Glaubhaftmachung? - des Antragstellers), also, aus welchen Gründen welche konkreten Ansprüche die Versicherung des Versicherungsnehmers abgelehnt habe:

    Das OLG Saarbrücken (AGS 2012, 155) hat entschieden:

    Zitat

    Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Anwaltskosten hängt, auch wenn es jedem Streitgenossen unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich freisteht, einen eigenen Rechtsanwalt zu beauftragen, in Fallkonstellationen der vorliegenden Art davon ab, ob es für den Beklagten zu 1. notwendig war, sich durch einen weiteren, gesondert beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, obwohl der Versicherer einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; denn nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte einer Partei vom unterlegenen Gegner nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen oder in der Person des Anwalts ein Wechsel erforderlich war. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn ein konkreter sachlicher Grund die Inanspruchnahme von mehreren Prozessbevollmächtigten gebietet (grundlegend: BGH, Beschl.v. 20. Januar 2004, VI ZB 76/03, m.w.N.). Der Umstand, dass nach den im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1. und seiner Haftpflichtversicherung geltenden Versicherungsbedingungen der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat (vgl. § 7 II Nr. 5 AKB 2007, E.2.4. AKB 2008) (siehe hierzu auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 7 AKB 2007, Rz. 60, m.w.N., sowie 28. Aufl., E.2 AKB 2008, Rz. 6, m.w.N.), sich damit also grundsätzlich jeder Einflussnahme auf die Prozessführung zu enthalten und auch von sich aus keinen Anwalt zu bestellen hat, rechtfertigt es nicht, dem Gegner die hierdurch entstehenden Mehrkosten aufzuerlegen. Vielmehr spricht diese Regelung gerade für eine Begrenzung der Kostenerstattungspflicht. Beim Versicherer handelt es sich nämlich regelmäßig um ein gewerbliches Unternehmen, das oft über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass sachkundige Mitarbeiter der Rechtsabteilung den Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereiten und ihren Prozessbevollmächtigten entsprechend unterrichten. Aber auch dann, wenn der Haftpflichtversicherer keine eigene Rechtsabteilung unterhält, sondern bei rechtlichen Schwierigkeiten einen Rechtsanwalt an seinem Geschäftsort beauftragt (sog. "Outsourcing"; vgl. hierzu BGH, Beschl. v 11. November 2003, VI ZB 41/03), ist die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts für den Versicherungsnehmer, wenn er ersichtlich kein über die Interessen des Versicherers hinausgehendes oder ihnen entgegen gerichtetes Prozessziel verfolgt, nicht bzw. nicht mehr erforderlich, sobald der Versicherer den Rechtsstreit aufnimmt (BGH, aaO; siehe auch BGH, ZfSch 2009, 283; OLG Nürnberg, MDR 2011, 1284, m.z.w.N.; Kammergericht, KGR Berlin 2008, 734). Zu keiner anderen Beurteilung zwingt im Streitfall der Umstand, dass die beauftragte Prozessbevollmächtigte den Beklagten zu 1. auch in einem dem vorliegenden Zivilprozess vorausgegangenen Strafverfahren vertreten hat. Dass hierdurch ein für die interessengerechte Führung des Zivilprozesses bedeutsamer Erkenntnisgewinn eingetreten ist, ist auch nicht ansatzweise feststellbar oder belegt. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zu 1. schließlich darauf, dass im Falle eines Unterliegens im vorliegenden Prozess eine Rückstufung gedroht habe. Auch ein etwaiger Streit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über die Notwendigkeit oder Angemessenheit einer Schadensersatzleistung des Versicherers mit der möglichen Folge einer Rückstufung des Versicherungsnehmers macht die Prozessvertretung des Versicherten durch einen eigenen Anwalt nicht notwendig, weil er im Prozess des Geschädigten gegen Versicherer und Versicherungsnehmer nicht geklärt werden kann (BGH, Beschl.v. 20. Januar 2004, aaO, m.w.N.; siehe auch BGH, VersR 2010, 1590).

    Dieser Rechtsprechung hat sich auch das OLG Frankfurt (Beschl. v. 13.05.2022, 18 W 67/22) angeschlossen, sich allerdings in dem ihm vorliegenden Fall, wo der Fahrzeugführer mit verklagt wurde und sich einen eigenen RA nahm, davon etwas abgegrenzt.

    Entscheidend dürfte aber wohl die Rspr. des BGH (NJW 2011, 377 - und dort ab Rn. 12) zu berücksichtigen sein, die inhaltlich auf das, was AndreasH in #3 bereits dargestellt hat, abzielt. Ob genau dieser Fall vorliegt oder möglicherweise "nur" der im vorstehenden Zitat aus der Entscheidung des OLG Saarbrücken am Ende dargestellte Fall, ist für mich hier anhand der Sachverhaltsdarstellung nicht so eindeutig feststellbar.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!