Nachlasspflegschaft im Nachlassinsolvenzverfahren

  • Nun bin ich mit Hilfe von Chick und der Kommentierung in Beck-online zu § 35 InsO auch schlauer, dass der Insolvenzverwalter tatsächlich Gegenstände freigeben kann. Hätte ich nicht gedacht und konnte ich im Gesetz auch nicht finden. Zur notwendigen Zustellung an den Schuldner sagen die Kommentare in Beck-online nichts, aber das glaube ich Euch mal.
    Mir ist allerdings noch immer nicht klar, warum ich dafür einen Nachlasspfleger bestellen soll. Dafür müssten ja die Voraussetzungen des § 1960 BGB erfüllt sein. Aber das Sicherungsbedürfnis sehe ich noch immer nicht.

  • Paul:

    Nimm einfach § 1961 BGB

    Edit: Sicherungsbedürfnis, evtl. dahingehend, daß ohne Kontrolle des NL-Pflegers die Auseinandersetzung der BGB-Ges. (z.B. Verkauf v. Büroeinrichtung etc.) evtl. nicht korrekt abläuft und den Erben zustehende Gelder unterschlagen werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Für § 1961 BGB fehlt mir aber der Antrag eines Gläubigers, passt hier auch irgendwie nicht
    Sicherungsbedürfnis für die korrekte Abwicklung der BGB-Gesellschaft sehe ich auch nicht so recht, wenn ohnehin überschuldet und Gesellschaftsanteil auch bereits gepfändet wurde

  • Ohne dass ich zum Thema Nachlasspflegschaft über mehr als rudimentäre Kenntnisse verfügen würde:

    § 1961 scheint mir auch nicht ganz passend. Aber eigentlich dürfte entweder § 1960 in Betracht kommen oder unsere ganze Diskussion war für die Katz. Insoweit fehlt allerdings m.E. - soweit ich das sehen kann - zum Sachverhalt noch eine wichtige Information: Wie kam es denn zum Nachlassinsolvenzverfahren? Folgende Möglichkeiten:

    a) Die Erben sind bekannt und haben den Insolvenzantrag gestellt. Dann braucht es gar keinen Nachlasspfleger, weil der IV an die Erben freigeben kann.

    b) Die Erben sind unbekannt und ein vorinsolvenzlich bestellter Nachlasspfleger/-verwalter hat Insolvenzantrag gestellt. Auch dann gibt es schon einen Empfangsknecht für die Freigabeerklärung des IV.

    c) Der Schuldner ist erst nach Insolvenzeröffnung gestorben oder der Insolvenzantrag kam von Gläubigerseite und jedenfalls sind die Erben unbekannt. In diesen Fällen müsste die Bestellung des Nachlasspflegers nach § 1960 m.E. möglich sein. Denn Voraussetzung 1 (Erbe unbekannt) ist erfüllt und Voraussetzung 2 (Sicherungsbedürfnis) ergibt sich daraus, dass mit der Freigabe ein (wenn auch belasteter) Vermögensgegenstand da ist, der in irgendeiner Weise gesichert werden kann.

  • Paul:

    Was soll´s:D.


    Ich würde trotzdem wie (von Juris2112) vorgeschlagen verfahren und mit der NL-Pflegerbestellung allen Beteiligten einen großen Gefallen tun.

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  • Wenn es darum geht, den Beteiligten einen Gefallen zu tun, müsste ich ständig Nachlasspflegschaften einrichten, aber ich fühle mich doch mehr dem Gesetz verpflichtet als irgendwelche Gefälligkeitsleistungen, die dem Staat dazu noch Geld kosten.
    Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde übrigens auf Gläubigerantrag eröffnet, weil die bekannten Erben ausgeschlagen haben.

  • Paul:

    Ich verstehe dich, aber gerade in der Justiz sollte doch neben dem Gesetz auch immer der/die Beteiligte/n nicht aus den Augen gelassen werden. Kann ich einem Rechtssuchenden mit verhältnismäßigen Mitteln helfen um ihn vor unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu bewahren, würde ich das immer tun.

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  • Die Anordnung der Nachlasspflegschaft hat nach § 1960 BGB zu erfolgen. Mit dem Gesellschaftsanteil ist ein Nachlassgegenstand vorhanden, der aufgrund einer Freigabe des Insolvenzverwalters in die Verfügungsbefugnis der unbekannten Erben entlassen werden soll. Diese Rechtsfolge kann aber nur eintreten, wenn die Erben im Hinblick auf den erforderlichen Zugang der auf Erbenseite empfangsbedürftigen Freigabeerklärung vertreten werden.

    Ob aus dem Gesellschaftsanteil letztlich ein Erlös resultiert, ist keine Frage des Fürsorgebedürfnisses, sondern eine Frage der Verwertung des Nachlassgegenstandes. Eine solche denkbare Verwertung setzt aber begrifflich voraus, dass der Nachlassgegenstand zunächst einmal der Verwaltung des Nachlasspflegers unterliegt. Dies wiederum kann jedoch nur durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft erreicht werden.

  • Es liegt darin, dass es darum geht, den unbekannten Erben die Verfügungsberechtigung im Hinblick auf den Gesellschaftsanteil zu verschaffen. Anderenfalls bliebe der Nachlassgegenstand in der Insolvenzmasse und damit der Verfügungsbefugnis der Erben entzogen. Auf die Werthaltigkeit des Nachlassgegenstandes kommt es dabei nicht an, weil bereits die Erlangung der Verfügungsberechtigung als solche im Rechtssinne einen Vorteil für die Erben darstellt.

  • Voraussetzung ist aber nicht die Erlangung eines (hier wirtschaftlich nicht vorhandenen) Vorteils sondern ein Sicherungsbedürfnis aus dem Blickwinkel des unbekannten Erben und das sehe ich nicht. Würde man schon für die Erlangung einer reinen Berechtigung ohne Berücksichtigung der Sache an sich ein Sicherungsbedürfnis annehmen, müsste beispielsweise auch für jede vermüllte Wohnung eines Erblassers oder für jeden Heimbewohner, der ein Nachthemd hinterlässt, eine Maßnahme getroffen oder Pflegschaft angeordnet werden.

  • Ich glaube nicht, dass dieser Vergleich zieht, weil bei den genannten Fallgestaltungen Eigentum und Verfügungsberechtigung der Erben bereits feststehen und die Frage nach dem Sicherungs- und Fürsorgebedürfnis daher alleine aufgrund des Werts der betreffenden Nachlassgegenstände beantwortet werden kann. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um die Erlangung einer Rechtsposition (Verfügungsbefugnis), die den Erben derzeit nicht zusteht. Stellt sich später heraus, dass der Gesellschaftsanteil nicht werthaltig ist, mag der Nachlasspfleger im weiteren untätig bleiben und die Pflegschaft aufgehoben werden.

    Im Gegensatz zu den genannten Fallgestaltungen geht es beim vorliegenden Sachverhalt somit um die Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Rechtsfolge (Freigabe), die ohne die Mitwirkung eines Nachlasspflegers überhaupt nicht eintreten kann.

  • Zitat von § 21 BGB

    Würde man schon für die Erlangung einer reinen Berechtigung ohne Berücksichtigung der Sache an sich ein Sicherungsbedürfnis annehmen, müsste beispielsweise auch für jede vermüllte Wohnung eines Erblassers oder für jeden Heimbewohner, der ein Nachthemd hinterlässt, eine Maßnahme getroffen oder Pflegschaft angeordnet werden.




    Wenn ich mich richtig erinnere hatten wir bereits einmal eine Diskussion darüber.

    Ich versuche mich jetzt einfach mal in die Situation eines Vermieters zu versetzen:

    Ist der Mieter gestorben, treten die Erben als RNF in das Mietverhältnis ein. Der Vermieter darf also nicht einfach so in die Wohnung spazieren und räumen. Nach evtl. mehreren Monaten ist dem Vermieter dann wohl klar, daß alle in Frage kommenden Erben ausgeschlagen haben und er auf der vollen Wohnung sitzen bleibt. Also will er räumen, kann aber nicht, weil er ja noch nichtmal einen Kündigungsempfänger hat und die Verwirklichung des Vermieterpfandrechts auch dem Mieter angezeigt werden muß.

    Er räumt aber trotzdem und begeht damit eine Art Selbstjustiz im rechtsfreien Raum. Es geht ja nicht anders. Selbstverständlich bleibt er auf den seither (inzwischen sind 4 Monate vergangen) ausstehenden Mietzinsen sitzen und auch die Räumungs- und Renovierungskosten werden von der Verwertung des (wertlosen) Inventars nicht ansatzweise gedeckt.

    Auf der anderen Seite kann es aber durchaus Bankkonten mit Guthaben geben, die von der Bank mangels bekannter Erben nach einiger Zeit ausgebucht werden.

    Klar kann man nicht immer einen NL-Pfleger bestellen, aber durch das Nicht-Bestellen schafft man für viele Beteiligte einen rechtlich unsicheren Raum.

    In dem von Paul geschilderten Fall kann durch die Bestellung des NL-Pflegers Rechtssicherheit für die Gesellschafter und den InsoV geschaffen werden und das mit verhältnismäßig geringem Aufwand.

    edit :
    Link ergänzt
    the bishop
    Mod.

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  • Ich grübel immer noch darüber, ob die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft hier vorliegen.
    Wenn ich es richtig verstanden habe, dient die Freigabe von Gegenständen aus der Insolvenzmasse doch nicht dem Schulder, sondern offensichtlich vielmehr den Insolvenzgläubigern.
    Bei der Nachlasspflegschaft habe ich doch aber die Interessen der unbekannten Erben zu berücksichtigen und die profitieren von der Freigabe doch gar nicht.
    Weiterhin darf der Insolvenzgläubiger den Massegegenstand doch nur freigegeben, wenn er nicht werthaltig ist. Er muss dies also vor der Freigabe prüfen. Warum soll denn dann ein einzusetzender Nachlasspfleger dies anschließend nochmals prüfen, um dann die Pflegschaft wieder aufzuheben?
    Vielleicht ist die Freigabemöglichkeit auch gar nicht für Nachlassinsolvenzen gedacht, sondern nur für "normale" Insolvenzverfahren?

  • Zitat von Paul

    Wenn ich es richtig verstanden habe, dient die Freigabe von Gegenständen aus der Insolvenzmasse doch nicht dem Schulder, sondern offensichtlich vielmehr den Insolvenzgläubigern.



    Grundsätzlich richtig: Die Freigabe dient - allgemein gesagt - dazu, die Insolvenzmasse von Gegenständen zu befreien, die keinen Verwertungserlös und/oder eine über dem Verwertungserlös liegende Belastung erwarten lassen.

    Zitat von Paul

    Bei der Nachlasspflegschaft habe ich doch aber die Interessen der unbekannten Erben zu berücksichtigen und die profitieren von der Freigabe doch gar nicht.



    Grundsätzlich bzw. in der Regel wohl auch richtig, kann man aber so pauschal m.E. nicht stehenlassen: Die Freigabe durch den IV heißt ja nur, dass er bzw. die Insolvenzmasse mit dem Gegenstand auf absehbare Zeit nichts anfangen können. Es muss aber nicht heissen, dass der Gegenstand für jemand anderen wirtschaftlich wertlos bzw. (unwirtschaftlich betrachtet) uninteressant ist. Beispiele:

    - Ich habe als IV ein Grundstück im Landschaftsschutzgebiet in der Masse, das überhaupt nicht wirtschaftlich genutzt werden kann, und ich finde auch keinen Kaufinteressenten. Um das Verfahren abschließen zu können, muss ich das Grundstück aber loswerden, also gebe ich es i.d.R. irgendwann frei. Jemand anders freut sich aber vielleicht über ein Super-Freizeitgrundstück. Im masselosen Verfahren kann ich als IV zur Freigabe durch die laufende Grundsteuer, die ich nicht zahlen kann, selbst dann gezwungen sein, wenn die Perspektive besteht, dass ich das Grundstück vielleicht in ein oder zwei Jahren an den Mann bringen könnte.

    - Ich habe als IV einen GbR-Anteil in der Masse, der von vornherein als Steuersparmodell gedacht war und ausser Verlustzuweisungen und evtl. laufenden Kosten nix bringt. Gebe ich natürlich aus der Masse frei. Für jemanden, der Steuern sparen möchte, kann der Anteil aber durchaus interessant sein.

    - Ich habe als IV einen beliebigen Vermögensgegenstand in der Masse, der mir in seinem aktuellen Zustand gar nichts bringt, weil es Investitionen bedürfte, um ihn "gebrauchsfähig" zu machen. Dann hat er aber womöglich ein Superpotential. Da mein Job als IV nicht ist, zu investieren bzw. zu spekulieren (es sei denn die Gläubigerversammlung will das und stellt das Geld zur Verfügung) und ich im Zweifel auch gar nicht die Masse hierfür hätte, gebe ich frei. Jemand, der investieren und unternehmerisch tätig sein will, findet den Gegenstand demgegenüber vielleicht toll und verdient sich nach Anfangsinvestitionen einen goldene Nase.


    Fazit: Weißt Du in Deinem Fall, ob die unbekannten Erben den GbR-Anteil trotz (derzeitiger) Wertlosigkeit für die Masse vielleicht super finden würden? Natürlich ist es eine Gratwanderung: Bei der alten Unterhose ist die Wahrscheinlichkeit großen Interesses der unbekannten Erben wohl eher gering, bei einem Gesellschaftsanteil scheint mir das aber nicht so ohne weiteres zu beurteilen zu sein. Und die Freigabe hat - wie ich zum Ausdruck bringen wollte - nur indizielle Aussagekraft.

    Zitat von Paul

    Vielleicht ist die Freigabemöglichkeit auch gar nicht für Nachlassinsolvenzen gedacht, sondern nur für "normale" Insolvenzverfahren?



    Eine solche Einschränkung ist mir nicht bekannt. Nachdem die h.M. sogar eine Freigabe an den GmbH-Zombie zuläßt, kann m.E. für den Nachlass nix anderes gelten.

  • Ich kann diesen Ausführungen nur zustimmen: Freigabe bedeutet nicht gleichzeitig automatisch dauerhafte völlige Wertlosigkeit des betreffenden Nachlassgegenstandes. Damit stellt sich nicht die (zu bejahende) Frage, ob überhaupt Nachlasspflegschaft anzuordnen ist, sondern die erst im weiteren Verlauf des Pflegschaftsverfahrens zu beantwortende Frage, wie der Pfleger später mit dem in die Verfügungsbefugnis der unbekannten Erben "zurückgeholten" Nachlassgegenstand verfährt.

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