GbR-Erwerb: Vollmacht, AV und Rangrücktritt


  • Ein Kollege hat mir folgenden Sachverhalt geschildert:

    Es wird mangels Gründung im Erwerbsvertrag an eine bereits existente Namens-GbR verkauft und aufgelassen. Die GbR muss finanzieren und erhält zu diesem Zweck vom Veräußerer im Kaufvertrag die übliche Finanzierungsvollmacht erteilt. Der Kaufvertrag hat die URNr.100. Unmittelbar danach unter URNr.101 bestellt die GbR in Vollmacht für den Eigentümer die Finanzierungsgrundschuld und tritt mit ihrer Vormerkung im Rang zurück.

    Es sind folgende Anträge gestellt:

    - Eintragung der AV, beantragt von der GbR.
    - Eintragung der Grundschuld.
    - Rangrücktritt AV/Grundschuld.

    Ich habe dem Kollegen folgenden Lösungsvorschlag unterbreitet:

    1. Vormerkung

    Die erwerbende GbR wurde nicht im Erwerbsvertrag gegründet, sodass eine bereits existente GbR erwerben soll. Aufgrund der Namensführung der erwerbenden GbR dürften zwar ihre Existenz und ihre Identität als unverwechselbares Rechtssubjekt feststehen, jedoch nicht ihre Vertretungsverhältnisse, die mit grundbuchrechtlichen Mitteln nicht in der Form des § 29 GBO nachweisbar sind:

    KG, Beschluss vom 23.03.2010, Az. 1 W 88 + 116 - 127/10.
    KG, Beschluss vom 22.06.2010, Az. 1 W 277/10: FGPrax 2010, 172 = NotBZ 2010, 316 = ZfIR 2010, 599 = NZG 2010, 861 = ZIP 2010, 1847.
    OLG München, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 34 Wx 63/10: ZIP 2010, 1496 = NZG 2010, 1065 = ZfIR 2010, 724 = FGPrax 2010, 234 = DB 2010, 1932 = EWiR 2010, 777 m. Anm. Schodder.
    OLG München, Beschluss vom 17.08.2010, Az. 34 Wx 98/10; ZfIR 2010, 721 = ZIP 2010, 2248 = NZG 2010, 1263 = NotBZ 2010, 425.
    OLG München, Beschluss vom 17.08.2010, Az. 34 Wx 99/10ZfIR 2010, 721.
    OLG München, Beschluss vom 25.08.2010, Az. 34 Wx 110/10.
    OLG Rostock, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 3 W 100/10.
    KG, Beschluss vom 05.10.2010, Az. 1 W 392/10.
    OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 15 W 440/10: ZIP 2010, 2245 = ZfIR 2011, 36.
    KG, Beschluss vom 25.11.2010, Az. 1 W 417/10.
    OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2010, Az. 2 Wx 3/10.
    OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2010, Az. 2 Wx 26/10.
    OLG Köln, Beschluss vom 13.12.2010, Az. 2 Wx 137/10.
    OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2010, Az. 2 Wx 118/10.
    Bestelmeyer Rpfleger 2010, 169, 177-184.

    Nach der vorstehenden Rechtsprechung und Literatur kann der Nachweis der Vertretungsverhältnisse einer bereits existenten Erwerber-GbR somit weder durch diesbezügliche Erklärungen der Beteiligten im Erwerbsvertrag, noch durch eidesstattliche Versicherungen über die Rechts- und Vertretungsverhältnissse der GbR oder durch einen formgerechten Gesellschaftsvertrag (der nur die Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt seines Abschlusses belegt) geführt werden. Der Grundstückserwerb einer GbR ist daher nach geltendem Recht nur in der Weise möglich ist, dass sich die erwerbende GbR im Erwerbsvertrag explizit gründet.

    Für die Eintragung der Vormerkung ist die Vertretungsproblematik grundsätzlich ohne Belang, weil die Vormerkung vom Veräußerer bewilligt wird und die GbR im Eintragungsverfahren keine Erklärung abgibt, bei welcher es auf ihre Vertretungsverhältnisse ankäme (unstreitig). Anders verhält es sich aber, wenn der Antrag auf Eintragung der Vormerkung nicht zumindest auch vom Veräußerer (über § 15 Abs.2 GBO), sondern nur von der erwerbenden GbR gestellt wird. Denn auch bei der Antragstellung einer GbR sind deren Vertretungsverhältnisse nachzuweisen (LG München II, Beschluss vom 26.05.2009, Az. 6 T 1876/09), wenn auch nicht förmlich, sondern formlos (§ 30 GBO). Die Vertretungsverhältnisse einer bereits existenten GbR sind aber weder förmlich noch formlos, sondern mangels GbR-Register überhaupt nicht nachweisbar. Die Vormerkung kann daher nur eingetragen werden, wenn ihre Eintragung nicht nur von der erwebenden GbR, sondern auch vom Veräußerer beantragt wird (Bestelmeyer Rpfleger 2010, 169, 188). Ein solcher (Notar-)Antrag ließe sich jedoch nachholen, wenn auch nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt, zu welchem der (bislang alleinige) Antrag der GbR beim Grundbuchamt eingegangen ist.

    Die Vormerkung ist beim Vorliegen bzw. nach Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen eintragungsfähig.

    2. Grundschuld

    Die Grundschuld wurde von der insoweit bevollmächtigten GbR ohne persönliche Mitwirkung des Veräußerers bestellt. Aber auch wenn die GbR als Bevollmächtigte (als GbR!) auftritt, muss sie ihre Vertretungsverhältnisse (hier: in ihrer Eigenschaft als Vollmachtnehmer) nachweisen, was aus den bereits in Ziffer 1) genannten Gründen beim Erwerb durch eine bereits existente GbR nicht möglich ist. Möglich wäre ein Vertretungsnachweis nur dann, wenn die erwerbende und zur Grundpfandrechtsbestellung bevollmächtigte GbR im Erwerbsvertrag gegründet wird und diese Grundpfandrechtsbestellung unmittelbar anschließend (unter der dem Erwerbsvertrag nachfolgenden URNr.) in der gleichen Notarsitzung erfolgt (Bestelmeyer Rpfleger 2010, 169, 184). Zwar ist im vorliegenden Fall die letztgenannte Voraussetzung gegeben, es fehlt jedoch an der Gründung der als Bevollmächtigte auftretenden GbR im Erwerbsvertrag, sodass es schon aus diesem Grund (insgesamt und gleich für welchen Zeitpunkt) am Nachweis ihrer Vertretungsverhältnisse fehlt.

    Die Grundschuld kann somit nur eingetragen werden, wenn der Veräußerer nachgenehmigt.

    3. Rangbestimmung im Verhältnis Vormerkung/Grundschuld

    Da Vormerkung und Grundschuld gleichzeitig eingetragen werden sollen, ist davon auszugehen, dass kein Rangrücktritt der Vormerkung i.S. des § 880 BGB erfolgen, sondern das Rangverhältnis zwischen Vormerkung und Grundschuld durch eine Rangbestimmung i.S. des § 879 Abs.3 BGB und des § 45 Abs.3 GBO zustandekommen soll (was auch gebührenrechtlich günstiger ist). Diese Rangbestimmung kann nur vom Eigentümer vorgenommen werden, der jedoch aus den unter vorstehender Ziffer 2) Gründen mangels Nachweises der Vertretungsverhältnisse der GbR nicht von der bevollmächtigten Erwerber-GbR vertreten werden konnte.

    Wenn die Rangbestimmung in der Grundschuldbestellungsurkunde enthalten ist, wird sie aber von der nach vorstehender Ziffer 2) ohnehin erforderlichen Veräußerergenehmigung erfasst, sodass sich mit dem Vollzug der Rangbestimmung im Ergebnis kein Problem ergibt.

    4. Alternative zur Rangbestimmung: Rangrücktritt der Vormerkung

    Die Vermutung des § 899a S. 1 BGB greift erst dann, wenn die Vormerkung für die GbR im Grundbuch eingetragen ist. Die GbR hat die Rangrücktrittserklärung in Bezug auf die Vormerkung aber schon zeitlich vorher abgegeben, also zu einem Zeitpunkt, in welchem die lediglich ex nunc (und demnach nicht zurück-) wirkende Vermutung des § 899a S. 1 BGB noch nicht galt. Wenn der gewollte Rang zwischen Vormerkung und Grundschuld entgegen den vorstehenden Ausführungen in Ziffer 3) durch einen Rangrücktritt zustande kommen soll, muss die GbR den von ihr (ohne Vertretungsnachweis) erklärten Rangrücktritt somit nach erfolgter Eintragung der Vormerkung nachgenehmigen. Sodann stößt die Eintragung des Rangrücktritts wegen der für die Nachgenehmigung geltenden Vermutung des § 899a S. 1 BGB auf keine Schwierigkeiten.

    5. Künftiger Antrag auf Eintragung der Auflassung

    Die im Erwerbsvertrag an die GbR erklärte (noch nicht zur Eintragung beantragte) Auflassung kann aus den in Ziffer 1) genannten Gründen mangels Nachweis der Vertretungsverhältnisse der Erwerber-GbR nicht eingetragen werden. Als einziger Ausweg bietet sich an, die Auflassung in Anwesenheit aller Beteiligten (auf der Erwerberseite: aller Gesellschafter) zu wiederholen und in der Auflassungsurkunde explizit eine (zweite) Erwerber-GbR zu gründen, an welche dann aufgelassen wird (Bestelmeyer Rpfleger 2010, 169: sog. „Notfallgründung“; zu den sich in diesem Zusammenhang ergebenden grunderwerbsteuerlichen Fragen vgl. Ihle DNotZ 2010, 725).

    Zu beachten bei dieser Lösung, dass die Löschung der eingetragenen Vormerkung von der (ersten!) GbR nochmals gesondert zu bewilligen ist (was natürlich in der neuen Auflassungsurkunde erfolgen kann), weil die im Erwerbsvertrag erklärte Löschungsbewilligung in aller Regel unter dem Vorbehalt steht, dass keine schädlichen Zwischeneintragungen erfolgt sind, die Auflassung aber nunmehr an eine andere (zweite) GbR als die im Erwerbsvertrag handelnde (erste) GbR erfolgt.

    Im Eingang der neuen Auflassungsurkunde müssen somit handeln:

    a) die Veräußerer für sich selbst (Erklärung der Auflassung);
    b) die bereits existente (erste) Erwerber-GbR aus dem Erwerbsvertrag, vertreten durch die im Grundbuch bei der Vormerkung eingetragenen Gesellschafter (§ 899a S. 1 BGB: Löschungsbewilligung für die Vormerkung);
    c) die unter lit. b) genannten Gesellschafter für sich persönlich zum Zwecke der Gründung der zweiten GbR sowie -sodann- als Gesellschafter für diese zweite GbR (Entgegennahme der Auflassung).

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    Vielleicht ist dieser Fall aus der Praxis auch für andere Kollegen hilfreich.

  • Hilfreiche Darstellung, denke ich! :daumenrau

    Was mich angeht, so gehe ich bei 2 bis 5 mit.

    Bei 1 hätte ich aber wahrscheinlich den Antragt der GbR nicht beanstandet, denke ich. Wenn ein Vertreter auf Ast.-Seite (formlos) handelt, gehe ich grundsätzlich von dem Bestehen der Vertretungsmacht aus, sofern nicht etwas anderes bekannt ist.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Bei mir erwirbt die bereits bestehende XY-GbR. Habe den Antrag auf Eigentumsumschreibung beanstandet.

    Jetzt reicht mir der Notar folgendes ein:

    Bezug auf den ursprünglichen Kaufvertrag, dann Erklärung, von A,B und C, dass die XY-GbR existiert und zwar nur bestehend aus den Gesellschaftern A,B,C, die jeweils einzelvertretungsbefugt (+181-befreit)sind, was nochmals durch A,B,C bestätigt wird.

    "Vorsorglich gründen die Beteiligten A,B,C für den Fall der Nichtexistenz der vorgenannten Gesellschaft in der behaupteten Form und mit der behaupteten Vertretungsberechtigung die XY-GbR bestehend aus den Gesellschaftern A,B,C."

    Dann wird erneut die Auflassung erklärt.

    Durch die Bestätigung in der selben UR, dass die GbR existiert, weiß ich doch, das die XY-GbR nicht nichtexistiert (nur nicht in welcher Form und mit welchen Befugnissen, weiß ich immer noch nicht, was mir in der Form des §29 GBO auch nicht nachweisbar ist) und daher kann ich die "vorsorgliche Gründung" als nicht zutreffend auch nicht heranziehen und auf die GbR umschreiben oder?

    Als "Lösung" ginge doch nur, dass ein komplet neue GbR (ggf. bestehend aus den Beteiligten Gesellschaftern)gegründet wird, um das betroffene Grundstück zu erwerben und der alte KV aufgehoben und ein neuer Veräußerungsvertrag aufgesetzt wird?!

    Ich müsste also spätestens jetzt zurückweisen (hatte nur zwischenverfügt)?

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