Verzicht auf Pflichtteilsanspruch

  • Die Mutter des Betroffenen ist verstorben. Es gibt ein gemeinschaftliches Testament, wonach der Vater des Betroffenen Alleinerbe ist. Nach dem Tod des zuletzt Versterbenden sind weitere 2 Kinder als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt und das 3. Kind = der Betroffene erhält den Pflichtteil. Der eingesetzte Ergänzungsbetreuer möchte nun unter Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 19.01.2011 IV ZR 7/10 auf den Pflichtteilsanspruch verzichten und reicht die Erklärung zum Verzicht zur Genehmigung ein.

    Ich möchte jedoch die Genehmigung nicht erteilen, da dem Betroffenen zumindest bis zum Schonbetrag von 2.600,00 Euro das Geld zufließen würde. Den Rest würde der Landkreis von dem Betroffenen zurückfordern.
    Weiterhin überlege ich mit dem Schenkungsverbot zu argumentieren.

    Gibt es vielleicht weitere Ideen oder hat jemand einen ähnlichen Fall gehabt?

  • Auch wenn es böse klingt: Das riecht ein bisschen nach Sozialbetrug! :eek:
    Wenn der Betroffene tatsächlich das schwarze Schaf der Familie ist und deshalb aus allen Erbfolgen rausgehalten werden soll, dann sollte er wenigstens seinen Pflichtteil erhalten.

  • Ich würde den Pflichtteilsverzicht auch nicht genehmigen.

    Wo ist da der Vorteil für den Betroffenen? Ich sehe keinen und somit fällt für mich auch die Genehmigungsfähigkeit weg.

    Weiter ist wie Gänseblümchen schon schreibt, ein Verzicht eine Schenkung.......da greift das Schenkungsverbot. Denn von einer Anstandsschenkung kann ja wohl nicht mehr die Rede sein.

    Einzig, sollte der Betroffene noch geschäftsfähig sein, kann er selbst auf den Pflichteil verzichten.

  • Auch wenn es böse klingt: Das riecht ein bisschen nach Sozialbetrug! :eek:
    Wenn der Betroffene tatsächlich das schwarze Schaf der Familie ist und deshalb aus allen Erbfolgen rausgehalten werden soll, dann sollte er wenigstens seinen Pflichtteil erhalten.



    Von Sozialbetrug würde ich nicht sprechen. Betrug im strafrechtlichen Sinne liegt nicht vor. Es wird auch niemand getäuscht.
    Der BGH hat entschieden, dass die Erbausschlagung eines ALG-II-Empfängers nicht sittenwidrig ist. Dann kann auch der Verzichtsvertrag bzgl. Pflichtteil nicht sittenwidrig sein.

    Mit dieser Entscheidung hat der BGH natürlich der Taktik Tür und Tor geöffnet, Erbausschlagungen zielgerichtet vorzunehmen. Sohnemann erbt dann und gibt dem ausschlagenden Papa bei Bedarf cash auf die Kralle, ohne dass das nachweisbar ist und ohne dass hierzu eine rechtliche Verpflichtung besteht (dieses Schenkungsversprechen ist ja nicht notariell beurkundet). Aber unter "Ehrenmännern" zählt ja das Wort eines Mannes.;)

  • Genehmigungsfähigkeit: NÖ! für den Betreuten günstig, könnte allenfalls ein Vergleich über den Pflichteilsanspruch sein, dass das Vermögen bis zur Schongrenze aufgefüllt wird und im übrigen der Pflichtteil nicht geltend gemacht wird, bis das Schonvermögen wieder der Auffüllung bedarf, aber auf so was müssen die Leute selber kommen.
    Und bis sowas genehmigt ist sollte der Anspruch schon übergeleitet sein - wenn nicht, dann hat der Sozialhilfeträger geschlafen.

    Das Testament ist nicht verdächtig sondern in Ordnung. Diese Vorgehensweise bei behinderten Kindern und weiteren Kindern um die nichtbehinderten Kinder bei Ableben der Eltern nicht zu sehr zu belasten war schon immer Usus, hier liegt noch eine harmlose Variante vor und die Kinder (die wahrscheinlich das Haus erben und nicht vom Sozialamt zum Verkauf gezwungen werden sollen) sind hier immerhin noch mit dem Pflichtteil belastet.

    Hier gleich von Sozialbetrug zu sprechen ist m.E. überzogen und wird den Beteiligten Anghörigen im Regelfall nicht gerecht, da diese im Rahmen der tatsächlichen Betreuung oft einiges (auch durch Geldauslagen, die nie verlangt werden) leisten.

    Wir sind als Betreuungsgericht weder die Hüter der Staatskasse noch die Hilfsbeamten der Sozialhilfeverwaltung, beachtlich sind die Wünsche des Betreuten und dessen Wohl und dieses Wohl beinhaltet auch ein von solchen Kleinigkeiten unbelastetes Verhältnis zur Familie und zum Betreuer. Dieser Meinung ist auch der Gesetzgeber, was er durch § 207 BGB klar zum Ausdruck bringt :cool:

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    Das Testament ist nicht verdächtig sondern in Ordnung. Diese Vorgehensweise bei behinderten Kindern und weiteren Kindern um die nichtbehinderten Kinder bei Ableben der Eltern nicht zu sehr zu belasten war schon immer Usus, hier liegt noch eine harmlose Variante vor und die Kinder (die wahrscheinlich das Haus erben und nicht vom Sozialamt zum Verkauf gezwungen werden sollen) sind hier immerhin noch mit dem Pflichtteil belastet.
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    Wir sind als Betreuungsgericht weder die Hüter der Staatskasse noch die Hilfsbeamten der Sozialhilfeverwaltung, beachtlich sind die Wünsche des Betreuten und dessen Wohl und dieses Wohl beinhaltet auch ein von solchen Kleinigkeiten unbelastetes Verhältnis zur Familie und zum Betreuer. Dieser Meinung ist auch der Gesetzgeber, was er durch § 207 BGB klar zum Ausdruck bringt :cool:


    Schlimm genug, dass wir das inzwischen schon als Usus betrachten!
    Gehört nicht zu den Wünschen und zum Wohl der Betroffenen ein ehrbares Leben? Leider kratzt die Inanspruchnahme von Sozialleistungen niemanden mehr an der Ehre. Vorbei die Zeit, als sich arbeitslose Familienväter aus Scham vor der Nachbarschaft frühmorgens mit Aktentasche aus dem Haus schlichen und abends mit dem Feierabendverkehr zurückkehrten. Eine Diskussion hierüber führt an dieser Stelle sicher zu weit. Aber sind wir tatsächlich inzwischen so weit, den Beschiss des Staates zu Lasten der Allgemeinheit als normal und ehrenwert zu empfinden? Wer die Ausschlagung dieses Pflichtteils genehmigt, der sollte auch akzeptieren, in den nächsten Jahren nicht mehr befördert zu werden. Feuer frei!

  • Als Tiger gesprungen, aber nicht gelandet.

    BGHZ 111, 39, 123, 368 zum Behindertentestament

    LG Aachen, Beschluss vom 4. 11. 2004 - 7 T 99/04
    (1. Ein Sozialhilfeempfänger hat das Recht, das Erbe auszuschlagen; ein Verstoß gegen die guten Sitten ist ausgeschlossen, wenn die Ausschlagung mit den Maßstäben und Prinzipien der Rechtsordnung im Einklang steht.
    2. Eine Erbausschlagung kann nicht mit einem Unterhaltsverzicht gleichgestellt werden; wenn ein Unterhaltsverzicht, der zur Sozialhilfebedürftigkeit führt, sittenwidrig ist, muss das Gleiche daher nicht auch für eine Erbausschlagung gelten. (Leitsätze der Redaktion)).

    BGH Urteil vom 19.01.2011 – IV ZR 7/10FamRZ 2011, 472:
    Der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers ist grundsätzlich nicht sittenwidrig.

  • Klarstellung:
    Es besteht Einigkeit darüber, dass die Genehmigung eines isolierten Pflichtteilsverzichts zu versagen ist.

    und: >>den Beschiss des Staates zu Lasten der Allgemeinheit<< empfindet auch niemand als ehrenwert, >>normal<< allerdings war das schon immer für viele.

  • Dem BGH-Urteil liegt ein (ähnlicher, aber in einem entscheidenden Punkt) abweichender Sachverhalt zu Grunde. Dort waren es drei Geschwister, die gemeinsam auf den jeweiligen Pflichtteil verzichtet haben. Im oben beschriebenen Fall soll nur der Betroffene verzichten.
    Solange nicht dargelegt wird, dass andere Motivationen vorliegen, als die Absicht, den Zugriff des Sozialhilfeträgers zu verhindern, droht der Verlust von Sozialleistungen. Das darf nicht übersehen werden!

  • Mich wundert schon, dass der Aufgabenkreis des Ergänzungsbetreuers einen "Verzicht" auf den Pflichtteil beinhaltet!

    Zur angeblichen Sittenwidrigkeit des Testamentes: Es steht jedem Erblasser frei, wen er zum Erben einsetzt und wen nicht. Eltern behinderter Kinder haben also das Recht, das behinderte Kind von der Erbfolge auszuschließen.

    Es ist Sache des Betreuungsgerichts, dafür zu sorgen, dass das Kind (bzw. der Sozialleistungsträger) bekommt, was ihm zusteht. Und wie schon aufgeführt, mindestend der Schonbetrag bleibt dem Kind, das ist doch schon ein Vorteil, der im Interesse des Kindes genutzt werden muss.

  • Diese unterschiedliche Betrachtungsweise erschließt sich mir nicht.


    Es geht auch nicht um unterschiedliche Betrachtungen, sondern um unterschiedliche Ausgangssachverhalte.
    In dem BGH-Fall haben die Geschwister gemeinsam beschlossen, dass Papa nach dem Verlust seiner Frau nicht auch noch mit Geldforderungen seiner Kinder belastet werden soll und dass sie deshalb gemeinsam auf ihre Pflichtteile verzichten. Im oben geschilderten Fall soll der Betroffene alleine verzichten und die Geschwister reiben sich die Hände. O.k., dass sie sich die Hände reiben, ist eine Unterstellung - aber für viele wäre auch das wieder "normal", oder?

  • Es bleibt doch den Geschwistern selbst überlassen, ob sie auf den Pflichtteil verzichten wollen oder nicht.
    Ich sehe jetzt nicht, warum man sich daran so aufhängen sollte. :cool:

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • @ Mitwisser: Da kann ich nun wirklich keinen Honig draus saugen.
    Ob andere das gleiche machen wie der Betreute, vertreten durch den Betreuer, ist doch ohne Belang.
    Entscheidend ist: wie ist das in Vertretung vorgenommene Rechtsgeschäft des Betreuers unabhängig von den Rechtsakten anderer zu werten?

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    Ich habe oben ausgeführt:
    Nach Palandt Rd. Nr. 4 zu § 517 BGB ist die Nichtgeltendmachung eines Plfichtteils ein Geschenk. Geschenke fallen unter § 1908 i II 1 BGB.

    Schenkungen sind somit bis auf wenige Ausnahmen nichtig.

    Nach meinen zwischenzeitlichen Überlegungen bin ich unsicher geworden, ob Verzicht auf Pflichtteil wirklich eine Schenkung ist.
    Die dies bejahende Rechtsprechung beißt sich mit § 1822 Ziffer 2 BGB. Ein Verzicht auf den Pflichtteil unterliegt einem Genehmigungserfordernis nach §§ 1908i I, 1822 Ziffer 2 BGB. Also geht der Gesetzgeber doch vorrangig davon aus, dass dieser Verzicht grundsätzlich möglich, wenn auch nach § 1829 I BGB erstmal schwebend unwirksam ist. Ist der Verzicht auf Pflichtteile aber grundsätzlich möglich, kann er keine nichtige Schenkung (§§ 1908i II, 1804 BGB) sein, die ja eh keiner Genehmigung bedarf und selbst mit Genehmigung nichtig ist.

    So langsam weiß ich nicht mehr, was nun eigentlich richtig ist.

  • Grundsätzlich: Einen Pflichtteilsverzicht gem. § 2346 Abs. 2 BGB haben wir nicht, der wäre nach dem Tode der Mutter auch nicht mehr möglich. Üblicherweise erfolgt ein solcher Vertrag nicht unentgeltlich, daher gibt es durchaus Fälle, in denen genehmigt werden kann und davon geht der Gesetzgeber aus.

    Es geht aber hier um die (Nicht-)Geltendmachung des bereits entstandenen Pflichtteils. Eine reine Verzichtserklärung -ohne Gegenleistung, ist eindeutig Schenkung und nicht genehmigungsfähig. Mit Gegenleistung, und die kann durchaus so gefasst werden, dass der Betreute und nicht der Sozialhilfeträger Vorteile hat, kann sie durchaus im Interesse des Betreuten und damit genehmigungsfähig sein.

    Also wie immer: Es kommt drauf an....

  • Ja, liebe Uschi, da bin ich auch immer von ausgegangen. Aber warum ist denn dann der nichtigen (!) Schenkung in Form eines Pflichtteilsverzichtes durch § 1822 Ziffer 2 BGB ein Genehmigungstatbestand zugewiesen worden?

  • @ Mitwisser: Da kann ich nun wirklich keinen Honig draus saugen.
    Ob andere das gleiche machen wie der Betreute, vertreten durch den Betreuer, ist doch ohne Belang.
    Entscheidend ist: wie ist das in Vertretung vorgenommene Rechtsgeschäft des Betreuers unabhängig von den Rechtsakten anderer zu werten?


    Natürlich ist das Rechtsgeschäft des Betroffenen zunächst unabhängig von den Rechtsakten anderer zu betrachten. Spätestens bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit, kommst Du um eine Gesamtbetrachtung nicht herum. Da macht es schon einen Unterschied, ob der Betroffene allein auf die Geltendmachung seines Anspruchs verzichtet oder ob die Geschwister allesamt verzichten. Wenn alle zusammen verzichten, dann kann der Verzicht des Betroffenen nicht ohne weiteres als sittenwidrig angesehen werden.
    Wie "uschi" schon sagte, der Verzicht des Einzelnen kann ja mit Vorteilen verbunden sein. Es bedarf hier schon einer tiefgründigen Auseinandersetzung. Aber der Sachverhalt, wie er von "Frosch76" vorgetragen wurde, gibt nichts weiter her. Solange also keine Argumente gebracht werden, warum dieser Verzicht dem Wohle des Betroffenen dient, ist das Rechtsgeschäft nicht genehmigungsfähig. Im Grunde braucht es da noch nicht einmal sittenwidrig zu sein.

  • Mitwisser, du hast immer noch nicht deutlich gemacht, warum ein Unterschied zu machen ist, ob der Betreute allein (vertreten durch den Betreuer) oder ob auch die Geschwister des Betreuten auf den Pflichtteil verzichten. Du schreibst nur, dass ein Unterschied zu machen ist.
    Einvernehmen kann eine betreuungsgerichtliche Prüfung der Handlung des Betreuers nicht beeinflussen.

    Der Begriff "Sittenwidrigkeit" bezog sich im übrigen nicht auf den Verzichtsvertrag, sondern auf eine bestimmte Art von Testamenten.

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