BVerfG - Gebührenüberhebung, nachdem der Anwalt abgerechnet hat, trotz Beratungshilfe

  • BVerfG, 2 BvR 1011/10, juris, Rn. 22 - 23

    Interessant zu lesen. RA muss nur den Einwand erheben, dass der BerH-Schein offenkundig zu Unrecht erteilt worden ist und der RA kommt nach Ansicht des BVerfG wohl aus der Nummer raus...

    Was ich nur zeigen wollte: Gebührenüberhebung wird also tatsächlich noch verfolgt.


    PS: In der Überschrift konnte ich am Schluss kein ? mehr machen, da kein Platz mehr war... sorry, wenn die Überschrift irgendwie schon "verurteilend" wirkt!

  • Achja:
    Cleverer wäre doch gewesen, wenn der den Beratungshilfeschein hätte aufheben lassen oder? Das Amtsgericht hätte den Schein aufheben müssen, da zum Zeitpunkt der Erteilung dann wohl unstreitig Vermögen vorlag.

    Dann wäre der Weg für die Vergütungsrechnung ohne Probleme frei gewesen.

    Wäre ich der Anwalt, hätte ich die Mandantin nachträglich angezeigt, weil sie bei der Beantragung der Sozialleistung falsche Angaben gemacht hat (Sozialleistungsbetrug oder so?) - schon allein dafür, dass Sie ihn bei der Anwaltskammer angezeigt und in die "Schei..."geritten hat.

  • Ist es eigentlich so unstreitig, dass die Beratungshilfe zu Unrecht erteilt wurde? Beratungshilfe wurde beantragt zur Durchsetzung der Erbauseinandersetzung. Der Erbanteil wird hier als Vermögen angesehen und führt daher dazu, dass keine Beratungshilfe zu bewilligen gewesen sei. Kann man denn diesen Betrag tatsächlich als verwertbares Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO betrachten, wenn es doch gerade darum ging überhaupt an das Geld kommen zu können?

  • Darüber bin ich auch gestolpert. Selbst wenn die Antragstellerin mir gesagt hätte :"von den 50.000 € die mir aus dem Erbe zustehen will die mir nur 10.000 zahlen, damit bin ich nicht einverstanden und gekriegt habe ich noch gar nichts" Hätte ich den Schein erteilt und auch später nicht wieder aufgehoben.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Leider habe ich keine Akteneinsicht.

    Irgendwie ist die Sachverhaltsdarstellung bissl dünne.

    "Der minderjährige Sohn M. H. war zusammen mit zwei weiteren Personen Mitglied einer Erbengemeinschaft geworden. Nach Angaben von Frau H. habe der Miterbe trotz Aufforderung keine Zustimmung zur Erbauseinandersetzung gegeben. Der Beschwerdeführer forderte daraufhin den Miterben zur Abgabe der Zustimmungserklärung und Auszahlung des Erbschaftsanteils in Höhe von 9.290,34 € für M. H. auf. Der Miterbe kam dem nach, weigerte sich jedoch, die Gebührenrechnung des Beschwerdeführers zu bezahlen, weil er - wie Frau H. später bestätigte - niemals zuvor von Frau H. oder deren Sohn zur Erbauseinandersetzung aufgefordert worden war."

    "Unstreitig sei, dass der M. H. zu einem Viertel Miterbe nach seinem Großvater geworden sei und der Nachlass insgesamt 38.728,39 € betrage; es sei lediglich noch um die Aufteilung gegangen."

    Tja, das wäre doch mal interessant als Rpfleger gewesen, ob man den Schein aufhebt oder nicht.

    So wie ich es verstehe, hat der A'er das Geld noch nicht gehabt. Hättet Ihr dann auf die Zwangsvollstreckung verwiesen?

    Der nächste Punkt scheint, dass keine Eigeniniative bestand. Der Gegner hat sofort nach Aufforderung gezahlt und daher auch die Begleichung der Anwaltskosten bestritten.

    Ggf. hätte man bei der Scheinerteilung mehr aufpassen müssen und die Eigenbemühungen sich schriftlich vorlegen lassen müssen...

  • Ja sicher die Eigeninitiative war zu prüfen, darauf gestützt hätte man den Schein nicht erteilen dürfen, brauchen , müssen wie auch immer.
    Aber das ist ja nun was, was den Anwalt nichts angeht. Der Mandant hatte einen Schein und war zum Zeitpunkt des Auftauchens beim Anwalt auch bedürftig. Der Anwalt hätte keine Rechnung schreiben dürfen und das Gericht konnte auch die Beratungshilfe nicht aufheben. Das der Rechstpfleger nicht ordentlich geprüft hat geht ja nicht zu Lasten des Rechtssuchenden.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Spannend, doch noch nicht richtungsweisend. Das BVerfG hat noch nichts zur Gebührenüberhebung gesagt, sondern nur zurückverwiesen. Aber die Akte des LG sollte man sich in etwa einem Jahr beiziehen, um die Entscheidung des LG zu erfahren. Ach finde ich die Ansicht bedenklich, dass sich ein RA an einen erteilten BerSchein nicht halten muss. Was kommt denn dann als nächstes? Müssen wir jetzt etwa auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zum Ende des Verfahrens abstellen? :gruebel:

  • Der RA hat sich auf die fehlende Bedürftigkeit berufen, " Wenn Frau H. dem Amtsgericht gegenüber diesen Sachverhalt so mitgeteilt hätte, wäre ihr kein Berechtigungsschein erteilt worden, weil die zu erwartende Auszahlung an den minderjährigen Erben ausgereicht hätte, die Anwaltskosten zu decken. Es habe von Anfang an an der Bedürftigkeit des Sohnes der Frau H. gefehlt.", nicht mangelnde Eigeninititive.

    Dass die erst zu durchzusetzende Forderung zum Vermögen zählt, ist weder nach den Gründen noch der Rspr. unstreitig, vgl. OLG Frankfurt, 13.02.1984, 2 WF 206/83; a.A. OLG Zweibrücken, 21.04.1986, 2 WF 44/86.

    Ob tatsächlich "Selbsthilfe" des An-st. mgl. war und zur Abweisung geführt hätte, ist fraglich und keineswegs klar oder unstreitig, da bereits die Ermittlung ! des zustehenden Erbanteils ggf. die BerH ermöglicht hätte.

    " Im vorliegenden Fall hätte für die Fachgerichte Anlass bestanden, sich mit der Frage des Vorsatzes des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weil der Beschwerdeführer mehrfach dargelegt hat, dass er sich wegen der - unstreitig - fehlenden Voraussetzungen für die Vergabe eines Beratungshilfescheins nicht an diesen gebunden gesehen habe..." Damit kann ich mich gar nicht anfreunden.

    Der RA ist bis zur Aufhebung an die BerH gebunden, das ist so klar wie eindeutig, schließlich wurde ihn selbiger vorgelegt.

    Er kann doch nicht den Schein annehmen und hinterher sagen, ätsch ist nicht, ich will die volle Kohle. Dass er in diesem Fall selbstverständlich !!! nicht die Wahlanwaltsvergütung verlangen kann, ist klar, dennn schließlich wurde eine BerH-Mandant geschlossen und sonst nichts.

    Wenn er also keine WA-Vergütung beanspruchen kann, muss ! folglich Vorsatz zur Geb.überhebung vorliegen.

    (Ich werde demnächst nur noch mit 100km/h durch die Ortschaft brettern, denn schließlich sind 30 oder 50 unstreitig zu langsam, deswegen fühle ich mich auch nicht an die komischen Schilder gebunden und wehe es kommt mir einer mit Vorsatz.)

    Noch kurz, Ehrengerichtshof für RA München, 28.01.1987, BayEGH II - 8/86 "Wird ein Rechtsanwalt im Wege der Prozeßkostenhilfe der Partei beigeordnet, so darf er keine private Honorarforderung stellen, auch wenn er die Partei nicht oder nicht mehr für bedürftig hält (So auch BGH,..."

    Ich kritisiere das BVerfG ja nur sehr selten, aber hier liegen entweder sie oder ich komplett falsch.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • @ Wobder: Du stellt dir im letzten Satz die Frage, wer komplett falsch liegt. Ich denke, dass das BVerfG danebenliegt. War wohl nicht die Kammer, die ständig Beratungshilfe an der Backe hat...

  • Wäre ich der Anwalt, hätte ich die Mandantin nachträglich angezeigt, weil sie bei der Beantragung der Sozialleistung falsche Angaben gemacht hat (Sozialleistungsbetrug oder so?) - schon allein dafür, dass Sie ihn bei der Anwaltskammer angezeigt und in die "Schei..."geritten hat.

    Du hast über das in diesem Kontext bestehende Problem mit der Schweigepflicht nachgedacht?

    Ansonsten kann man nach Lektüre des Threads wieder einmal nur festhalten, dass sich die Dinge hier mittlerweile eigentlich einfach nur so hingebogen werden, wie es passend ist. Beschlüsse mit der Bestätigung der BerH-Versagung werden als richtungsweisende Grundsatzentscheidungen gefeiert; Beschlüsse, die in irgendeiner Art und Weise pro BerH ausfallen, sind natürlich grottenfalsch.

    Der Einfachheit halber sollte sich doch bitte erst einmal vergegenwärtigt werden, dass es hier nicht wirklich um die Frage der Gebührenüberhebung geht, sondern vielmehr um die Verhältnismäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses. Das Thema Gebührenüberhebung ja oder nein hat damit nur indirekt zu tun.

    Nachdem bei Beschlüssen contra BerH jedwede Zweifel an der Entscheidung hier als untunlich gelten, sollte doch vielleicht unter sportlichen Gesichtspunkten auch für das Gegenteil von dem festgestellten Sachverhalt ausgegangen werden. Wenn danach unstreitig die Voraussetzungen für die Scheinerteilung nicht vorlagen, ist es eine durchaus berechtigte Frage, ob das Handeln des Rechtsanwalts den subjektiven Tatbestand erfüllt oder ob positives Wissen um die Unrechtmäßigkeit der Gebührenforderung evtl. nicht mehr vorliegt, wenn der Rechtsanwalt zumindest in irgendeiner Weise vertretbaren Grund zu der Annahme haben könnte, dass seine Gebührenforderung berechtigt sein könnte. Wenn man das so, wie es hier vertreten wird, konsequent weiterdenkt, käme irgendwann das Ergebnis heraus, dass auch bei jedem "normalen" KFA, bei dem etwas abgesetzt wird, eine Gebührenüberhebung vorliegt. Insoweit ist m.E. insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es für den Rechtsanwalt eine heikle Situation ist, wie er aus der Nummer herauskommen könnte, wenn er positive Kenntnis davon hat, dass der Schein an sich fälschlich erteilt ist. Die Aussage, er ist an den Schein gebunden, halte ich für zu einfach, da es im BerHG keine Regelungen über Scheine gibt, die es eigentlich nicht geben dürfte.

    Die Suche nach der Antwort führt m.E. in den Bereich strafrechtlicher Irrtumsprobleme. Das ist mir a) für die Uhrzeit zu komplex und b) wird dieses Posting auch schon aufgrund des jetzigen Inhalts spätestens morgen sowieso verrissen. ;)

  • @ BremerBeamter ^^
    Wir reden ja auch nur über Fälle die streitig sind. Daher bekommt Jemand von Außen dann natürlich den Eindruck, dass wir ausschließlich dafür sind, zurückzuweisen.

    Tatsächlich beträgt meine Zurückweisungsquote auch nur ca. 50 %, der Rest geht problemlos durch...

    Weshalb sollte ich problemlose Anträge im Forum erörtern? Da werden mich die lieben Kollegen fragen, ob ich nix anderes zu tun habe? :D


  • Wenn man das so, wie es hier vertreten wird, konsequent weiterdenkt, käme irgendwann das Ergebnis heraus, dass auch bei jedem "normalen" KFA, bei dem etwas abgesetzt wird, eine Gebührenüberhebung vorliegt.

    Die ZPO kennt nicht den § 8 BerHG.

    Insoweit ist m.E. insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es für den Rechtsanwalt eine heikle Situation ist, wie er aus der Nummer herauskommen könnte, wenn er positive Kenntnis davon hat, dass der Schein an sich fälschlich erteilt ist.

    Durch § 16a Abs. 3 BORA. Doch dann hätte er das BerHilfemandat auch nicht als solches annehmen dürfen.

    ...

  • Insoweit ist m.E. insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es für den Rechtsanwalt eine heikle Situation ist, wie er aus der Nummer herauskommen könnte, wenn er positive Kenntnis davon hat, dass der Schein an sich fälschlich erteilt ist.


    Durch § 16a Abs. 3 BORA. Doch dann hätte er das BerHilfemandat auch nicht als solches annehmen dürfen.

    Danke (nicht ironisch gemeint) für den Hinweis auf § 16a Abs. 3 BORA. :daumenrau

    In der Vorschrift liegt aber m.E. auch die Lösung, weshalb in der fraglichen Konstellation keine Gebührenüberhebung vorliegen könnte. Nach § 16a Abs. 3 S. 3 BORA kann der wichtige Grund für die Ablehnung der Beratungshilfe auch darin liegen, dass die Beratungshilfebewilligung nicht den Voraussetzungen des BerHG entspricht. Es ist aber nicht ausdrücklich gesagt, wann und wie der Rechtsanwalt den Mandanten darüber in Kenntnis setzen zu setzen hat. Insbesondere regelt die Vorschrift ausweislich S. 1 nicht nur die Ablehnung, sondern auch die Beendigung der Beratungshilfe. Wenn aber die Ablehnung sich - was unstreitig sein dürfte - darauf bezieht, überhaupt zu Beratungshilfekonditionen tätig zu werden, kann die Beendigung nur den Fall betreffen, dass ein ursprünglich zu Beratungshilfekonditionen begonnenes Mandat jedenfalls nicht mehr unter diesen Bedingungen fortgeführt wird. Fraglich bleibt dann noch, wann und wie dies kommuniziert werden muss (ausdrücklich? konkludent durch Übersendung einer Rechnung?). Jedenfalls führt dies dann m.E. beim Ausgangsfall auf jeden Fall in den strafrechtlichen Irrtumsbereich, wie schon gesagt, und es erscheint dann unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bei überschlägiger Betrachtung m.E. sehr naheliegend, dass hier zumindest ein vorsatzausschliessender Irrtum vorliege könnte.

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