Vollstreckung aus Anerkenntnis vor dem SG

  • Für alle Freunde obskurer Sachverhalte...

    In dem Insolvenzverfahren einer Gesellschaft sind auch Forderungen von Krankenkassen auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge zur Tabelle festgestellt. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften deren Gesellschafter. Diese Haftung kann allerdings nur der Insolvenzverwalter geltendmachen, § 93 InsO. Ich habe also für den Insolvenzverwalter den Gesellschafter auf Zahlung verklagt.
    Und zwar, weil Streitgegenstand nun mal Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge waren, vor dem Sozialgericht. In der mündlichen Verhandlung hat der Gesellschafter den Klageanspruch anerkannt. Das Anerkenntnis ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG Vollstreckungstitel. So weit, so schön. Bloß ... alles was ich bekommen habe, ist dieses T-Shirt und eine Niederschrift über den Verhandlungstermin, worin schlicht protokolliert ist:

    Zitat

    Der Beklagte erklärt: Ich erkenne die Klageforderung an.

    Ich hege gewisse Zweifel, daß ein Gerichtsvollzieher sich damit zufrieden gibt. Wie zum Henker bekomme ich nun eine vollstreckbare Ausfertigung von ... mir egal wovon, Hauptsache ich kann damit einen Vollstreckungsauftrag erteilen? Wie funktioniert das? Kann das SG meine Klageschrift und das Protokoll zusammentackern und dann eine Vollstreckungsklausel druntersetzen? Oder wie sonst?

  • Hallo,

    die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung dürfte hier bereits daran scheitern, dass der Titel keinen vollstreckbaren Inhalt aufweist.

    Man könnte überlegen, ob hier alternativ ein Vorgehen nach § 201 SGG in Betracht käme. Problematisch könnte hier aber sein, dass der verklagte Gesellschafter keine "Behörde" ist und der Inhalt des Anerkenntnisses nicht unbedingt dem einer gerichtlichen Entscheidung nach § 131 SGG entspricht.

    Aber wer weiß - Anträge dieser Art kommen in der Praxis nicht allzu oft vor und wenn man an die "richtige" Kammer geräht, dann droht sie vielleicht dennoch ein Zwangsgeld an bzw. setzt ein solches fest.

    Mir fällt jedenfalls gerade - abgesehen von einem weiteren Prozess - kein anderer Weg ein, wie man das Anerkenntnis sonst zu Geld machen könnte.

    Gruß, Garfield

  • Ein Anerkenntnis nach § 199 SGG besteht daraus, dass der Beklagte "anerkennt, einen Betrag XY an den Kläger zu zahlen" und der Erklärung des Klägers, dass er dieses Anerkenntnis annimmt. Diese beiden Dinge zusammen können mit einer Klausel versehen werden.
    Hier fehlt es an allem: Das Anerkenntnis hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, wie Garfield schon sagt und die Annahme fehlt auch. Es gibt also keinen Titel.
    Sooo selten ist das in der Praxis leider nicht. :(
    Bei uns sind solche Verfahren dann zu Ende. Ich habe noch nicht gesehen, dass es dann noch mal irgendwie weiter ging und mir fällt auch nichts ein.

  • Wenn das Anerkenntnis im Termin angenommen wurde, dann ist der Rechtsstreit erledigt und das Anerkenntnis hat mit dem protokollierten Wortlaut keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Also im Ergebnis wie Vorposter.

    Falls das Anerkenntnis jedoch bisher noch nicht angenommen wurde (der Sachverhalt lässt das leider offen), wäre der Rechtsstreit streng genommen noch nicht erledigt und es käme der Erlass eines Anerkenntnisurteils nach § 202 SGG i. V. m. § 307 ZPO in Betracht.

    Sonst vor allem auch noch Meyer/Ladewig SGG, 10. Auflage 2012, RdNr. 19 zu § 101 sowie Jansen SGG, 3. Auflage 2009, RdNr. 39 zu § 101, wonach ein Anerkenntnisurteil möglich ist, wenn der Beklagte das Anerkenntnis nicht ausführt.

    and the night is full of hunters
    (The Beauty of Gemina - Hunters)

  • Ein Anerkenntnis nach § 199 SGG besteht daraus, dass der Beklagte "anerkennt, einen Betrag XY an den Kläger zu zahlen" und der Erklärung des Klägers, dass er dieses Anerkenntnis annimmt. Diese beiden Dinge zusammen können mit einer Klausel versehen werden. Hier fehlt es an allem: Das Anerkenntnis hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, wie Garfield schon sagt und die Annahme fehlt auch. Es gibt also keinen Titel.

    Sachverhaltsergänzung: das Anerkenntnis wurde angenommen.

    Und anerkannt ist "die Klageforderung". Die Klageforderung lautet: Zahlung von x € nebst Zinsen.

    Mir fällt jedenfalls gerade - abgesehen von einem weiteren Prozess - kein anderer Weg ein, wie man das Anerkenntnis sonst zu Geld machen könnte.

    Nochmal klagen? Mit demselben Antrag? Kann das Sinn & Zweck des § 199 SGG sein?

  • Sonst vor allem auch noch Meyer/Ladewig SGG, 10. Auflage 2012, RdNr. 19 zu § 101 sowie Jansen SGG, 3. Auflage 2009, RdNr. 39 zu § 101, wonach ein Anerkenntnisurteil möglich ist, wenn der Beklagte das Anerkenntnis nicht ausführt.

    Ah, besten Dank. Das hört sich vielversprechend an. Prozessual richtige Vorgehensweise wäre danach ein Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils mit der Begründung, daß der Beklagte trotz Anerkenntnis nicht gezahlt hat?

  • Nochmal klagen? Mit demselben Antrag? Kann das Sinn & Zweck des § 199 SGG sein?

    So gefragt: wahrscheinlich nicht. Aber was bleibt einem denn übrig wenn man zwar einen Titel hat, dieser zur Zwangsvollstreckung aber nicht geeignet ist? Die Frage ist ernst gemeint: ich weiß es nicht. Ein Anerkenntnisurteil habe ich hier noch nicht erlebt und wenn der Richter der Meinung ist, das Verfahren sei gemäß § 101 Abs.2 SGG beendet, dann dürfte wohl auch grundsätzlich kein Raum mehr für ein solches sein.

  • Ah, besten Dank. Das hört sich vielversprechend an. Prozessual richtige Vorgehensweise wäre danach ein Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils mit der Begründung, daß der Beklagte trotz Anerkenntnis nicht gezahlt hat?

    Wäre zumindest eine Option, vielleicht ergibt sich aus den in den Kommentarstellen genannten Entscheidungen noch etwas Konkreteres; die habe ich jetzt nicht gelesen. Ist bei uns soweit ich weiß allerdings auch noch nicht vorgekommen.
    Einen Versuch wäre es wert, ich denke aber, dass es praktisch höchstwahrscheinlich darauf hinauslaufen wird:

    ...wenn der Richter der Meinung ist, das Verfahren sei gemäß § 101 Abs.2 SGG beendet, dann dürfte wohl auch grundsätzlich kein Raum mehr für ein solches sein.

    Aber mal nur ganz am Rande überlegt:
    Wenn das Anerkenntnis in einem Termin erklärt und angenommen wurde, wird doch eigentlich zur Vollstreckung das gesamte Protokoll ausgefertigt und mit Klausel versehen (zumindest bei uns).

    Sofern sich hier der konkrete Klageantrag bzw. die Forderung aus dem Protokoll ergibt, wäre das dann nicht insgesamt betrachtet ein vollstreckungsfähiger Inhalt?

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  • Wenn das Anerkenntnis in einem Termin erklärt und angenommen wurde, wird doch eigentlich zur Vollstreckung das gesamte Protokoll ausgefertigt und mit Klausel versehen (zumindest bei uns). Sofern sich hier der konkrete Klageantrag bzw. die Forderung aus dem Protokoll ergibt, wäre das dann nicht insgesamt betrachtet ein vollstreckungsfähiger Inhalt?

    Ist leider nicht der Fall, im Protokoll steht wirklich nur das oben zitierte; Klageantrag ist nicht wiedergegeben.

    Ah, besten Dank. Das hört sich vielversprechend an. Prozessual richtige Vorgehensweise wäre danach ein Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils mit der Begründung, daß der Beklagte trotz Anerkenntnis nicht gezahlt hat?


    Wäre zumindest eine Option, vielleicht ergibt sich aus den in den Kommentarstellen genannten Entscheidungen noch etwas Konkreteres; die habe ich jetzt nicht gelesen. Ist bei uns soweit ich weiß allerdings auch noch nicht vorgekommen.

    Ich habe die SGG-Kommentare hier leider nicht, weiß also nicht, was die zitieren; habe aber nach einigem Suchen dies hier gefunden:

    Zitat von BSG, Urt. v. 27.11.1980 - 5 RKn 11/80

    Auch wenn § 101 Abs 2 SGG keinen Beschluß über die Wirkung eines angenommenen Anerkenntnisses vorsieht, ist in entsprechender Anwendung des § 102 S 3 SGG die Wirkung eines angenommenen Anerkenntnisses durch Beschluß auszusprechen, wodurch ein für die Vollstreckung ausreichender Vollstreckungstitel hergestellt wird.

    Aus jüngerer Zeit ähnlich:

    Zitat von LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.01.2007 - L 1 B 476/06 KR

    Mit Schriftsatz vom ... hat die Antragsgegnerin erklärt, den Anspruch anzuerkennen unter Protest gegen die Kostenlast. Der Antragsteller hat das Anerkenntnis schriftlich angenommen. Mit Schriftsatz vom ... hat er, weil sich die Antragsgegnerin weigere, die Rechnungen ... zu bezahlen, ... beantragt, die Wirkung des angenommen Anerkenntnisses durch Beschluß auszusprechen. (...) Das SG hat zutreffend festgestellt, daß die Antragsgegnerin im tenorierten Umfang verpflichtet ist. (...) Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Feststellung nach § 102 Satz 3 SGG entsprechend handelt (so das SG mit Bezug auf BSG aaO) oder ob es sich um ein Anerkenntnis-Beschluß analog einem Anerkenntnisurteil handelt (so Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 8. Auflage 2005 § 101 Rdnr. 23).

    Also beantrage ich nicht ein Anerkenntnisurteil, sondern einen Anerkenntnisbeschluß? Was es nicht alles gibt...

  • Sofern sich hier der konkrete Klageantrag bzw. die Forderung aus dem Protokoll ergibt, wäre das dann nicht insgesamt betrachtet ein vollstreckungsfähiger Inhalt?

    Ich weiß nicht, ob neben einem in der mündlichen Verhandlung abgebenenen Anerkenntnis auch der Rest des Protokolls von vollstreckungsrechtlicher Relevanz sein kann. Ich hätte da eher Bedenken. Daher bin ich immer froh wenn der Anerkennende im Anerkenntnis noch einmal kurz klarstellt, was er eigentlich anerkennt.

  • Ich weiß nicht, ob neben einem in der mündlichen Verhandlung abgebenenen Anerkenntnis auch der Rest des Protokolls von vollstreckungsrechtlicher Relevanz sein kann. Ich hätte da eher Bedenken. Daher bin ich immer froh wenn der Anerkennende im Anerkenntnis noch einmal kurz klarstellt, was er eigentlich anerkennt.

    Seh ich ja wie Du. Ich war zwar noch bei keiner mündlichen Verhandlung dabei, in welcher ein Anerkenntnis abgegeben wurde, kann mir aber vorstellen, dass diesbezüglich teilweise sehr verkürzt protokolliert wird.
    Und dann die Kläger evtl. auf eine weitere Klage verweisen zu müssen, da der Inhalt des Anerkenntnisses zur Vollstreckung nicht ausreicht, kann es doch wirklich nicht sein.
    Da gibt es ja schon bei den schriftlichen Anerkenntnissen genügend Probleme.

    In Kommentierung und Rechtsprechung habe ich dazu auch noch nichts Brauchbares gefunden.

    Man müsste den geschilderten Fall vielleicht mal bis zum Erinnerungsverfahren durchbringen, so dass man mal eine richterliche Ansicht dazu hat.

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  • Ich hatte dieses Problem auch mal in der Rechtsantragstelle. Habe dann über eine Leistungsklage (1. Ich beantrage die mir aus der Entscheidung des Sozialgerichts .... zustehende Leistung durch die Beklagte zu erbringen. 2: Die Beklagte zu verurteilen, aus diesem Rechtstreit entstehende Kosten zu tragen.) den Sachverhalt aufgenommen. Ist schon lange her, aber wohl so durchgegangen, jedenfalls habe ich nichts mehr gehört.

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